Sondernummer der Neuen Internationale: Warum diese Ausgabe?

Redaktion, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013

Für uns als Gruppe Arbeitermacht ist Frauenunterdrückung kein „Nebenwiderspruch“. Wir wollen Frauen für unsere politischen Überzeugungen gewinnen und sie organisieren, um gegen alle Formen von Frauenunterdrückung zu kämpfen und dafür ihre Klassengenossinnen und -genossen zu mobilisieren. Das ist für uns eine wesentliche Aufgabe.

Die Krise zeigt deutlich, wie schnell formale Rechte abgeschafft oder zu reiner Makulatur werden.

Die Krise und die Sparmaßnahmen treffen Frauen härter als Männer. Dazu kommt, das Frauen historisch ohnehin besonderer Unterdrückung ausgesetzt sind: sexuell, in der Familie, durch die Doppelbelastung von Arbeit, Haushalt, Kindererziehung und die schlechtere Bezahlung in der Lohnarbeit.

Als Marxistinnen dürfen wir die Beantwortung der Frauenfrage nicht den Reformistinnen, Anarchistinnen oder Feministinnen überlassen.

Wir müssen die besondere Unterdrückung der Frauen hier und international auf die Tagesordnung setzen, wir müssen Chauvinismus und patriarchales Verhalten in der Gesellschaft – aber auch in linken Organisationen – bekämpfen und in der gesamten Arbeiterklasse für eine revolutionäre Perspektive eintreten, weil wir meinen, dass die Befreiung der Frau ohne Sozialismus unmöglich ist.

Wir wollen mit dieser Zeitung Themen, die besonders Frauen betreffen, ansprechen und unsere Politik gegen Kapital und Unterdrückung darstellen, um möglichst vielen Frauen einen Ausweg aus der Misere aufzuzeigen.

Die Artikel sind nicht alle neu, einige sind schon früher in unserer Zeitung „Neue Internationale“ gedruckt worden. Sie haben aber nicht an Aktualität verloren. Auch sind unsere Themen nicht mit dieser Zeitung erschöpft. Viele weitere findet ihr auf unserer Homepage www.arbeitermacht.de/Frauen.

Wir wollen auch zu den Diskussionen in der Linken Beiträge liefern. Wir halten es für wesentlich, den Feminismus von der proletarischen Frauenbefreiung abzugrenzen und die Unterschiede deutlich zu machen. Dazu haben wir hier einen Beitrag veröffentlicht. Nicht zuletzt möchten wir auch Jugendliche ansprechen. Denn erkämpfte Rechte der Gleichberechtigung müssen permanent verteidigt werden. Die aktuelle Politik zeigt, wie unsicher diese Rechte sind und wie sie ständig in Frage gestellt werden.

Im Kapitalismus wird es keine Gleichberechtigung geben, denn er beruht auf Spaltung und Ungleichheit. Nur der Kampf für den Kommunismus, nur die soziale Revolution wird allen Menschen gleiche Rechte garantieren. Daher: Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus, kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung!




Soziale Lage: Frauen, Krise, Ungleichheit

Anne Moll, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, mit der wir es seit 2008 zu tun haben, treten für Milliarden Menschen immer deutlicher, immer radikaler zutage.

Diese Krise zeichnet sich dadurch aus, dass sie

  • die gesamte Weltwirtschaft, dass sie alle Regionen der Welt betrifft,
  • den Finanzsektor wie auch den industriellen Bereich umfasst,
  • einen starken Rückgang des Wachstums, der Investitionen, der Kreditierung und des Konsums bewirkt.

Da wundert es nicht, wenn in dieser Krise auch die von Frauen erkämpften Rechte in Frage gestellt werden und sich ihre soziale Lage verschlechtert.

Das Armutsrisiko für Frauen ist weltweit enorm gestiegen. Die Ausbeutung in der Lohnarbeit hat in manchen Ländern längst Züge moderner Sklaverei angenommen. Sexuelle Belästigungen bis hin zu Vergewaltigungen durch Vorgesetzte, Schwangerschaftstests als Einstellungsuntersuchungen, permanente Gewalt, die Verweigerung einfachster menschlicher Bedürfnisse wie z.B. Verbot von Toilettengängen, Trinkverbote am Arbeitsplatz, fehlende Frischluftzufuhr, Strafüberstunden oder Androhung von Entlassung – die Liste ist lang und endet auch nicht in den Fabriken der „Dritten Welt“.

Millionen Frauen haben gar keine Chance auf Lohnarbeit. Sie verdingen sich als Haussklavinnen reicher Familien, als Prostituierte im völlig rechtsfreien Raum oder werden als Mädchen oder junge Frauen von ihren Eltern verheiratet und fristen ihr Leben, um ihrem Ehemann und seiner Familie zu dienen. Täglich werden weltweit weibliche Feten abgetrieben und weibliche Säuglinge von ihren Eltern getötet, weil sie weniger „wert“ sind als männliche Kinder.

Die jetzt an die Öffentlichkeit gespülten tagtäglich stattfindenden brutalsten Vergewaltigungen in Indien und Südafrika, die nicht vorhandenen Schutzmöglichkeiten für Frauen zeigen: Frauenmangel in der Gesellschaft führt nicht automatisch zu mehr Respekt und Achtung des weiblichen Geschlechts. Im Gegenteil: wird das männliche Geschlecht schon vorgeburtlich bevorzugt, wird ein Männlichkeitskult verfestigt.

In Europa werden ganze Nationen in die Armut gezwungen, um die Gewinne der Banken und Kapitalanleger zu retten. Bei über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit sind Frauen doppelte Verliererinnen. Einerseits müssen sie als Mütter länger für ihren Nachwuchs sorgen. Andererseits wird beim knappen Einkommen der Erziehungsberechtigen oft Geld eher für die Ausbildung der Söhne verwandt.

Deutschland spielt in Europa wie weltweit eine Sonderrolle. Das Kapital hier hat sich von der Krise rascher erholt als in konkurrierenden Staaten, die Exportindustrie konnte ihren Weltmarktanteil erhöhen. Heißt das, dass wir von der Krise verschont geblieben sind?

Ganz und gar nicht! Mit der Agenda 2010 wurden grundlegende Angriffe auf die Arbeiterklasse in Deutschland schon frühzeitig durchgezogen, die das deutsche Kapital in der Krise konkurrenzfähiger machten. Der Kündigungsschutz wurde ausgehöhlt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld massiv reduziert, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe praktisch zusammengelegt und unter das damalige Niveau gesenkt. Zusätzlich wurde der Arbeitszwang über Sanktionen in der Unterstützung eingeführt, die Leiharbeit ausgebaut, viele Vollzeitstellen in Teilzeitstellen und Minijobs zerlegt.

Wie sieht nun die Wirklichkeit für Frauen in der BRD aus?

1. Von allen neu geschaffenen Jobs (insgesamt 322.000 im Jahr 2010) waren 57% in der Leiharbeit zu finden (182.000). Zusammen mit den vielen anderen Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnbereich wie Teilzeit, 400-Euro-Job oder saisonaler Beschäftigung umfasst der Niedriglohnsektor inzwischen 7,84 Mio. Beschäftigte.

2. Von den 35,3 Millionen „ArbeitnehmerInnen“ in Deutschland sind 23,45 Millionen Vollzeitbeschäftigte, darunter lediglich 8,4 Millionen Frauen. Unter die 11,83 Millionen Teilzeitbeschäftigte fallen dagegen 9 Millionen Frauen.

3. Der Durchschnittslohn lag im 1. Quartal 2011 bei ca. 3.200 Euro brutto. 45% aller beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeitverhältnissen mit einer Spannbreite vom Minijob bis zur 27,5-Stunden-Woche. 49% dieser Frauen verdienen weniger als 800 Euro im Monat.

4. In 18% aller Mehrpersonenerwerbshaushalte ist eine Frau hauptsächliche oder alleinige Familienernährerin. Dabei handelt es jedoch um schwierige, meistens unfreiwillige Arrangements. Frauen „ernähren“ nicht zu den gleichen Bedingungen wie Männer dies tun. 31% der Familienernährerinnen verdienten 2007 max. 900 Euro!

5. Einerseits werden durch Bedarfsgemeinschaften und Arbeitszwang bei Hartz IV-Bezug viele Frauen gezwungen, in Abhängigkeitsverhältnissen zu männlichen Familienangehörigen und Partnern zu bleiben. Andererseits werden Frauen bei Arbeitslosigkeit des Partners unfreiwillig zur Familienernährerin.

6. Wählt Frau die „Selbstständigkeit“ – ein Leben ohne Partner, aber mit Kindern – ist ihre Armut kaum abzuwenden. Die völlig unzureichenden Kinderbetreuungszeiten und deren Kosten, die hohe Flexibilisierung des Arbeitsmarktes machen es praktisch unmöglich, Vollzeit arbeiten zu können. Die Regierung hat es in den letzten Jahren trotz vollmundiger Bekundungen und Versprechungen nicht vermocht und auch nicht gewollt, eine qualitativ gute, flächendeckende und bezahlbare Kindertagesbetreuung aufzubauen, die allen Kindern von 6 Monaten bis 12 Jahren zur Verfügung steht.

7. Der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern und Frauen liegt bei 23,2%. Er kann überwiegend nicht auf unterschiedliche soziale und berufliche Merkmale von typischen Männerberufen zu typischen Frauenberufen zurückgeführt werden – es handelt sich um eindeutige Lohndiskriminierung! Männer erzielen höhere Einkommen, weil sie Männer sind und unabhängig davon, ob sie höher motiviert oder qualifizierter sind als Frauen.

8. Durch familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und -reduzierungen gibt es zusätzliche Einbußen, sowohl im Einkommen wie in den Rentenansprüchen. Erwerbspausen verringern auch die Aufstiegschancen bzw. die Chance auf Rückkehr in eine adäquate berufliche Position.

9. Immer noch übernehmen Frauen den Hauptanteil der Reproduktionsarbeit – egal, wie viel Zeit sie mit Lohnarbeit verbringen. Sie sind mehr Stunden mit Haushalt und Kindern beschäftigt als Männer. Dafür reduziert sich ihr Anteil bei Freizeitaktivitäten und ehrenamtlicher Tätigkeit. Sie haben weniger Zeit für die eigene Erholung und für politisches Engagement.

10. Männliche Gewalt gegen Frauen ist für über zwei Drittel aller Frauen grausamer Alltag. Frauen sind v.a. durch eigene Familienangehörige dem Risiko der psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt. Die schwarz/gelbe Koalition spielt dieses Problem herunter. Es wird kaum als ein gesellschaftliches wahrgenommen. Der Umgang mit der Sexismusdebatte zeigt erneut das Unvermögen, die Situation der Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft zu erkennen und erkennen zu wollen.

11. Die Kosten für die Gesundheit sind enorm gestiegen. Einerseits betrifft das Zuzahlungen zu Untersuchungen, Zahnersatz, Krankenhausaufenthalt und Medikamente, andererseits werden immer mehr Leistungen ganz aus der Krankenkassenfinanzierung gestrichen und müssen plötzlich aus eigener Tasche finanziert werden. Das betrifft v.a. präventive und alternative Behandlungen.

12. Die Mieten steigen ständig – nicht erst seit 2008. Wenn gleichzeitig die Reallöhne bis zu 15% sinken, sind diese Mieten kaum mehr bezahlbar. Gleichzeitig ist die öffentliche Förderung für sozialen Wohnungsbau praktisch auf Null gesunken. Das Gegenteil wird Alltag: Gentrifizierung. Billiger Wohnraum wird zu Luxuswohnraum. MieterInnen mit wenig oder selbst mittleren Einkommen werden systematisch aus vom Kapital ausgesuchten Stadtteilen vertrieben.

13. Die Mitnebenkosten sind explodiert, besonders drastisch die Strompreise. Es ist schon kein Ausnahmefall mehr, dass Menschen im Dunkeln sitzen, weil sie ihre Stromrechnung nicht mehr zahlen können.

14. Bei der Rente waren Frauen schon immer benachteiligt, da die Rente sich eben nach der Beschäftigungszeit der Lohnarbeit richtet und nach der Höhe der Einkommen. Die Anrechnungszeiten für Kinderbetreuung hatte nie den Anspruch, eine Gleichstellung der Lohnarbeit zur Reproduktionsarbeit herzustellen. Jetzt entsteht aber durch die Erhöhung des Renteneintrittalters einerseits und Minijobs und prekärer Beschäftigung andererseits eine riesige Altersarmutsspirale, die überwiegend Frauen treffen wird.

15. Aber auch der Schein bei den „gleichen“ Bildungschancen trügt: Obwohl mehr Frauen als Männer Abitur machen und auch mehr Frauen ein Studium aufnehmen, schaffen es die Frauen nicht, ihre Karriere wie Männer aufzubauen. Sei es durch Familiengründung, durch zu wenig Förderung, aber auch durch patriarchale Strukturen.

16. Zugleich schaffen deutlich mehr Männer ohne Schulabschluss einen Abschluss und eine Ausbildung durch den zweiten Bildungsweg als Frauen.

17. Pro Jahr werden vom Staat durchschnittlich 5.100 Euro pro Kind ausgegeben. Das ist im Grunde gering, wenn wir die Gesamtkosten für Bildung, Erziehung, Gesundheitsvorsorge betrachten. Noch bedenklicher wird es freilich, wenn hier auch noch die politische Prioritätensetzung für diese Gelder in Betracht gezogen wird.

18. Die speziellen Schutzräume für Frauen, spezielle Mädchen- und Frauenarbeit in den Stadtvierteln, kostenlose Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche und Familien sind schon extrem ausgedünnt. Die öffentliche Förderung dafür wird von Jahr zu Jahr geringer. Auch hier werden öffentliche Aufgaben privatisiert oder kirchlichen Trägern übertragen, was dazu führt, das entweder Angebote von Mädchen/Frauen und Familien aus eigener Tasche bezahlt werden müssen oder die religiöse Ideologie die Arbeit durchdringt. Dadurch bleiben auch sexuelle Aufklärungsarbeit, emanzipatorische Entwicklungen und Stärkung der Selbstverteidigungsmöglichkeiten gegenüber sexistischen und gewalttätigen Übergriffen auf der Strecke.

19. Am Ehegattensplitting will die Regierung nichts ändern, obwohl längst klar ist, dass es nur noch einer Minderheit von Ehepaaren zugute kommt, die mit dem Lebensalltag der meisten Menschen nichts zu tun haben, aber dem typischen Wählerprofil von CDU/CSU und FDP entsprechen. Vorteile haben nur Leute mit einem überdurchschnittlichen Einkommen.

20. Bei den ärmsten und armen Schichten in Deutschland sieht die Chancengleichheit dann so aus: Kindergeld wird bei Hartz IV-Bezug als Familieneinkommen angerechnet. Wer für seine Kinder kulturelle Teilnahme ermöglichen will, muss erst mal Anträge ausfüllen. Der bürokratische Aufwand steht in keinem Verhältnis für die paar Euro monatlich mehr. Außerdem ist für viele der öffentliche Nahverkehr kaum noch finanzierbar. Die Beweglichkeit wird durch Armut eingeschränkt oder die Armut fördert die Kriminalisierung ganzer Schichten.

Die Rolle der Familienpolitik

Wofür hat Schwarz/Gelb eigentlich eine Familienministerin, fragen sich viele. Familienministerin Schröder erfüllt in ihrer Rolle allerdings genau die von Regierung und Kapital gewünschte Aufgabe: jung, erfolgreich und privilegiert verbindet sie Schwangerschaft, Kind und Karriere ohne Probleme. Mit lächelndem „mir gehört die Welt“-Gesicht verbreitet sie, „dass Frauen, die sich für einen anderen Weg entscheiden, das aus freien Stücken tun, dass politisch und gesetzlich ja die Gleichberechtigung abgeschlossen ist und Frauen die Teilzeit arbeiten, dies eben auch ganz bewusst so entschieden haben und wir brauchen nicht mehr Unterstützung für Frauen, sondern die Frauen müssen endlich lernen, ihre Rechte auch zu nutzen“.

Schuld an der Benachteiligung, Diskriminierung und Unterdrückung sind danach also die Frauen selbst. Daneben werden Gesetze unterstützt, die Frauen aus dem Arbeitsprozess herausdrängen (z.B. Betreuungsgeld und Familienpflegezeit).

Aber Frau Schröder versteht nicht mal den Sinn von Quotenregelungen. Sie ist eine Marionette der Unternehmer und plappert brav nach, was ihr Vertreter der patriarchalen Machtverhältnisse eintrichtern. Hier wird eine reaktionäre Politik vertreten, die die Interessen und Bedürfnisse der Mehrheit der Frauen ignoriert.

Dabei gibt es einen vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2008 in Auftrag gegebenen ersten Gleichstellungsbericht namens „Neue Wege – gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf“ (veröffentlicht 2011), der einige brisante Ungleichheiten – wie auch hier im Artikel beschrieben – sehr differenziert aufweist. Er enthält sogar Handlungsvorschläge zu einzelnen Punkten – besonders im Bereich Bildungschancen und Lohnungleichheit.

Doch Papier ist bekanntlich geduldig. Bei Frau Schröder und der schwarz-gelben Koalition führte der Gleichstellungsbericht zu einer bezeichnenden Reaktion: schnell in einer Schublade des Ministeriums verschließen und hoffen, dass die Öffentlichkeit nichts davon erfährt. Bis jetzt ist ihre Rechnung aufgegangen. Während der Bundesarmutsbericht durch alle Medien ging, wartet der Gleichstellungsbericht noch auf diese Aufmerksamkeit.

Das zeigt deutlich, dass eine selbstbestimmte Lebensform für Frauen und damit eine Gleichberechtigung der Geschlechter nicht gewollt ist. Gleichberechtigung muss – wie schon immer – erkämpft werden. Wenn wir diesen Kampf nicht wieder aufnehmen, wird uns alles wieder weggenommen. Das geht schneller, als sich manch eine vorstellen kann.

Was tun?

Die Realität der Frauen in Deutschland ist auch so schlecht, weil weder die Gewerkschaften, noch die feministischen oder autonomen Frauengruppen in der Lage waren, die Thematik der Gleichberechtigung nach den 80er Jahren im Vordergrund zu halten. Die Gewerkschaften hatten schon immer Probleme, den Kampf für Gleichberechtigung genauso wichtig zu nehmen wie den Kampf um Lohnerhöhungen für männliche Stammbelegschaften.

Für sie war mit der Einführung der Quote in den Gewerkschaftsgremien und der Einführung von Frauenbeauftragten in Betrieben und Kommunen die Frage erledigt. Die feministischen Gruppen waren allzu oft zufrieden, weil ihre Forderungen teilweise erfüllt wurden, z.B. Anerkennung der Homosexualität, keine Strafverfolgung bei Abtreibungen, formale Gleichstellung im Arbeitsleben, öffentliche Förderung von Frauenhäusern, Beratungsstellen für Frauen, Frauenbuchläden etc. Ehemalige Wortführerinnen des Feminismus gehören jetzt selbst zu den politischen Entscheidungsträgern und sind voll im kapitalistischen System angekommen – vom Feminismus ist nicht viel mehr übrig als der lila Schal am 8. März jeden Jahres.

Natürlich haben alle diese Gruppen, Initiativen und Organisationen in den letzten 40 Jahren viel für die Gleichberechtigung getan, es scheint aber kaum Bewusstsein darüber zu geben, dass diese Errungenschaften noch weit von wirklicher Emanzipation entfernt und schon gar nicht unabänderlich sind. Nur ein permanenter Kampf, ein ständiges öffentliches Anprangern der weiterhin bestehenden Ungleichheit und Massenaktionen können wenigstens für die Abwendung von Verschlechterungen oder für Verbesserungen sorgen.

Die Linkspartei schafft es von den etablierten Parteien noch am ehesten, Ursachen der Frauenunterdrückung zu benennen. Aber eine Kampagne gegen diese Ungleichheit, geschweige denn einen Kampf um wesentliche und dringend nötige Forderungen zu führen – davon ist die reformistische Parlamentstruppe weit entfernt.

Strukturen, die Unterdrückung herbeiführen, verstärken und verfestigen, haben ihren Ursprung immer auch in der ökonomischen Struktur einer Gesellschaft, im System ihrer materiellen Produktion und Reproduktion. Damit steht und fällt die Möglichkeit der Selbstbestimmung über das eigene Leben, die Unabhängigkeit und die Teilhabe an Entscheidungen. Deshalb halten wir es auch für zwingend, an erster Stelle Forderungen aufzustellen, die zur ökonomischen Gleichstellung von Frauen und Männern führen. Dazu braucht es bestimmte Rahmenbedingungen.

Darüber hinaus braucht es aber auch besonderer Förderung der Mädchen und Frauen in allen Bereichen, wo sie unterrepräsentiert sind.

Wir dürfen uns nicht abspeisen lassen mit dem ewigen Argument der Kapitalisten und ihrer Regierungen: „Dafür ist kein Geld da“. Wir sehen das als wesentliche gesellschaftliche Aufgabe an. Wir meinen: keinen Cent für die Rettung von Banken und Kapitalisten, sondern alles für die, die den Reichtum auch erarbeitet haben!

Wir wollen gemeinsam mit allen Frauen und Männern, die auch eine Änderung der jetzigen pro-kapitalistischen Politik, der gesellschaftlichen Zustände und sozialen Verhältnisse, die daraus entstehen, die auch gegen Unterdrückungsverhältnisse aller Art und für emanzipatorische Entwicklungen eintreten, zusammen eine neue proletarische Frauenbewegung aufbauen, die in Betrieben, Gewerkschaften und überall den Druck aufbaut, um die Verhältnisse zu ändern – letztlich, um den Kapitalismus durch den Sozialismus abzulösen.




Gleichberechtigung: Noch lange nicht erreicht!

Manuela Haug/Christine Schneider, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013

In den meisten kapitalistischen Staaten sind Frauen und Männer auf dem Papier gleichberechtigt. Frauen dürfen wählen, sich einen Beruf aussuchen, unter bestimmten Bedingungen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.

Es wurde viel erreicht, aber eine wirkliche Frauenbefreiung fand bisher nicht statt.

Im Jahr 1900 wurde im bürgerlichen Gesetzbuch das Ehe- und Familienrecht folgendermaßen erläutert: „Der Hauptberuf der Ehefrau bezieht sich auf das Innere des Hauses und wird in den wohlhabenden Klassen der Bevölkerung sich regelmäßig darauf beschränken.“

Das bedeutete konkret Abhängigkeit, Unterdrückung für Frauen und deren Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben. Nur für Frauen aus Bürgertum und Mittelschichten gab es einen gewissen sozialen Spielraum. Für Frauen aus der Arbeiterklasse bedeutete Familie, sich zwischen Lohnarbeit, Kinderbetreuung und Hausarbeit aufzureiben.

Erst 1977 wurde das deutsche Familien-Gesetz in ein paritätisches Ehemodell reformiert. Dort heißt es: „Ehegatten regeln die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen. Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.“

Dennoch hält sich in Deutschland das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie mit dem Familienernährer. Der Mann soll von seinem Lohn Frau und Kinder ernähren, die Frau darf das Familieneinkommen durch Zuverdienst aufbessern. Ihre Hauptaufgabe ist und bleibt die Reproduktionsarbeit, die Hausarbeit und Versorgung von Mann, Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen.

Allerdings wird dieses klassische Rollenbild langsam von der Realität überholt, denn schon jetzt erarbeiten in fast 20 Prozent der deutschen Haushalte Frauen einen Großteil oder sogar das gesamte Familieneinkommen.

Die Reform des Familiengesetzes war ein später Fortschritt für die Unabhängigkeit von Frauen. Zusammen mit der Reform des Scheidungsrechts konnten sich Frauen zumindest rechtlich aus der Unterdrückung in Ehe und Familie befreien. Materiell heißt das aber bis heute für viele Frauen der Arbeiterklasse, den Preis für diese Freiheit mit materieller Armut zu erkaufen.

Ungleichheit bleibt

Denn in Deutschland beträgt die Lohnspanne zwischen Frau und Mann in gleicher Anstellung 22% im Jahr 2012. Frauen müssten über das Jahresende hinaus bis zum 21. März – also fast ein viertel Jahr länger! – arbeiten, um auf das Jahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen.

Doch selbst das zeigt noch lange nicht das volle Ausmaß der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. 87% der Frauen im Einzelhandel sind z.B. in prekären Beschäftigungsverhältnissen angestellt. Der Anteil im Gesundheitssektor, besonders in der Pflege, ist ebenfalls extrem hoch. Stundenlöhne von 4,87 Euro sind keine Seltenheit. 78% aller erwachsenen Frauen in der BRD können ihre Existenz nicht durch ihre Erwerbsarbeit sichern.

Wie schon erwähnt, „investieren“ Frauen einen Großteil ihrer Arbeitsleistung – entweder unbezahlt oder extrem unterbezahlt – in die Erziehung, Pflege und Betreuung von Kindern und erwachsenen Bedürftigen. Dafür werden sie noch abgestraft, denn sie tragen ein überproportionales Existenzrisiko bei Armut oder im Alter, weil sie nur über die Hälfte des Vermögens verfügen, das Männer besitzen. Aufgrund der schlechteren Lohn- und Einkommenssituation entgehen Frauen (auf die Lebenszeit berechnet) so durchschnittlich 160.000 Euro!

Dabei sind die unentgeltlich geleistete Reproduktionsarbeit der Familie, die Führung des Haushalts und die Erziehung der Kinder noch nicht einmal berücksichtigt.

Alleinerziehende Frauen stehen besonders schlecht da. Sie sind in besonderem Maße auf staatliche Hilfe angewiesen und überdurchschnittlich stark von Armut bedroht. Auf dem Weg ins Berufsleben haben sie es besonders schwer und können oft erst sehr spät wieder von der eigenen Arbeit leben. Bei der Vermittlung in den Personal-Service-Agenturen werden sie zusätzlich benachteiligt. Während nur 11% der hilfesuchenden Frauen eine Vollzeitstelle angeboten wurde, erhielten 26% der Männer einen gleichartigen Vermittlungsvorschlag.

Frauen im Kapitalismus

Grundsätzlich ist die Stellung der Frau im Kapitalismus von Widersprüchen geprägt. Die Benachteiligung von Frauen im kapitalistischen Lohnarbeitssystem hat verschiedene Facetten. Grundsätzlich wird die Frage, wie viele Frauen zu welchen Bedingungen in den Arbeitsprozess integriert sind, vom krisenhaften Auf und Ab der Wirtschaft beeinflusst.

Einerseits wurden Frauen im letzten Jahrhundert vermehrt zu Lohnarbeiterinnen, andererseits aber phasenweise auch wieder aus dem Produktionsprozess verdrängt. Immer jedoch waren sie systematisch schlechter gestellt als Männer, was sich in schlechteren Arbeitsverhältnissen und geringeren Löhnen und Gehältern ausdrückt.

Zur Rolle der Frau im Kapitalismus schrieb schon Friedrich Engels in „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“: „Hier zeigt sich schon, dass die Befreiung der Frau, ihre Gleichstellung mit dem Manne, eine Unmöglichkeit ist und bleibt, solange die Frau von der gesellschaftlichen produktiven Arbeit ausgeschlossen und auf die häusliche Privatarbeit beschränkt bleibt. Die Befreiung der Frau wird erst möglich, sobald diese auf großem, gesellschaftlichem Maßstab an der Produktion sich beteiligen kann, und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutendem Maß in Anspruch nimmt.“

Dazu muss freilich angemerkt werden, dass der Marxismus natürlich nicht nur die Eingliederung der Frauen in die moderne Produktion als eine notwendige Bedingung ihrer Befreiung ansah, sondern auch die radikale Umgestaltung der Arbeitswelt, d.h. der Änderung der Eigentumsverhältnisse, ja der gesamten Produktionsweise im Gefolge der sozialen Revolution erst als hinreichende Bedingung dafür ansah.

Für eine proletarische Frauenbewegung!

Deshalb kämpfen wir für eine proletarische Frauenbewegung, die sich nicht mit Reformen abspeisen lässt, sondern für die Abschaffung des Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft kämpft. Wir dürfen uns nicht länger auf die Bürokraten in Gewerkschaft und Parteien verlassen, die sich mit kleinen Reförmchen für die Gleichberechtigung schmücken – bestenfalls.

Wir treten aus zwei Gründen für eine solche proletarische Frauenbewegung ein: Erstens kann die Befreiung der Frauen nicht einfach das Werk „aufgeklärter“ Männer sein. Nur, wenn sich Frauen selbst organisieren und engagieren, können sie ihre Erfahrungen und Interessen artikulieren. Nur so können sie den auch in der Arbeiterklasse vorhandenen patriarchalischen und sexistischen Einstellungen entgegenwirken.

Zweitens ist es notwendig, dass die proletarischen Frauen, also die Mehrheit der Frauen, in den Kampf eingreift. Der Feminismus als stark bürgerlich geprägte Bewegung und Ideologie war und ist erheblich davon entfernt, die Stellung und die Interessen von Frauen aus der Arbeiterklasse zu verstehen und zu vertreten.

Eine proletarische Frauenbewegung aufzubauen fängt z.B. schon damit an, Frauen, die in prekären Sektoren arbeiten, gewerkschaftlich zu organisieren. Dazu ist es z.B. notwendig, die Gewerkschaften, ihre Strukturen und ihre Arbeitsweise den besonderen Bedingungen und Bedürfnissen von Frauen anzupassen. Bei betrieblichen Konflikten muss die Frage aufgeworfen werden wie Frauen in den Kampf einbezogen werden können und welche konkreten Probleme sie im Betrieb haben.

Im Gegensatz zur heuchlerischen Debatte um Frauenquoten in DAX-Unternehmen, brauchen wir für die Frauen Forderungen, welche die Einheit der Klasse betonen und die Befreiung der Frau mit der Befreiung der gesamten ArbeiterInnenklasse verbinden können.

  • Kampf gegen alle Entlassungen – auch der Leiharbeiterinnen oder prekär Beschäftigten -, die oft v.a. Frauen treffen! Umwandlung von Billigjobs und Leiharbeit zu unbefristeten, tariflich geregelten Arbeitsplätzen!
  • Weg mit den Hartz-Gesetzen! Stattdessen Mindestlohn von 11 Euro/Std. netto und steuerfrei, Arbeitslosengeld und Mindesteinkommen für Rentnerinnen, Studierende, Schülerinnen ab 16 von 1.600 Euro/monatlich!
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – kontrolliert durch Kontrollausschüsse der arbeitenden Frauen!
  • Keine Privatisierung von sozialen Leistungen, Kitas, der Gesundheitsvorsorge und Renten!
  • Kostenlose Kitas und Ganztagsschulen, so dass eine Kinderbetreuung rund um die Uhr gesichert ist, deren Qualität von den Eltern, v.a. den proletarischen Frauen kontrolliert wird! Freier und kostenloser Zugang zu allen Bildungseinrichtungen!
  • Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper! Freier und kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln! Für das Recht auf Abtreibung auf Krankenschein!
  • Legalisierung aller „illegalen“ Arbeits- und Lebensverhältnisse von Flüchtlingen, Migrantinnen oder verschleppten Frauen (z.B. Zwangsprostituierten)! Besondere Förderungsmaßnahmen zur Integration der Frauen in die Arbeitswelt! Abschaffung aller Aufenthaltsbeschränkungen für MigrantInnen und volle Staatsbürgerrechte für sie!

Viele dieser ökonomischen, sozialen und politischen Forderungen im Kampf gegen Frauenunterdrückung und Krise sind nicht zufällig gleichlautend mit jenen der männlichen Arbeiter. Sie zeigen, dass ein gemeinsamer politischer und gewerkschaftlicher Kampf nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist.

So kann die Grundlage gelegt werden zum gemeinsamen Kampf für die Beseitigung nicht nur der Wurzel der Frauenunterdrückung – der privaten Hausarbeit – durch den Kampf gegen den Kapitalismus selbst.

Denn die Vergesellschaftung der Hausarbeit ist letztlich erst möglich, wenn wir eine Gesellschaft schaffen, in der die Arbeitskraft aufhört, eine Ware zu sein, in der Produktion und Reproduktion nicht gemäß dem Profitinteresse der herrschenden Klasse, sondern gemäß den Bedürfnissen der Arbeitenden, ob Mann oder Frau, organisiert sind.




Frauenunterdrückung und Hausarbeit – Aschenputtels Arbeit

Hannes Hohn, Neue Internationale 151, Juli/August 2010

Der Haushalt ist immer noch Frauensache. Lt. Statistischem Bundesamt wenden Frauen in der BRD etwa 20 Stunden pro Woche für Hausarbeit auf, Männer nur 7.

Alle bedeutenden SozialistInnen haben betont, dass die Hausarbeit ein wesentliches Element der sozialen Unterdrückung der Frau ist. Sie alle forderten daher, dass die Hausarbeit vergesellschaftet werden soll. Das war für sie eine wesentliche Voraussetzung der Befreiung der Frau.

Viele werden sagen: „Was ist so schlimm an Hausarbeit, es gibt ja genug Technik, welche die Arbeit erleichtert.“ Das stimmt natürlich hinsichtlich der Erleichterung vieler häuslicher Arbeiten – allerdings verfügen Milliarden Frauen weltweit auch heute noch nicht über diese Möglichkeiten. Sie verrichten die Hausarbeit oft noch so wie vor hundert Jahren, als z.B. das Wäschewaschen von Hand erfolgte – stundenlang und mindestens einmal die Woche.

In den entwickelteren Ländern hat sich v.a. nach 1945 viel an der Situation von Frauen geändert. Mit dem langen Boom nach 1945 erhöhte sich über einige Jahrzehnte auch der materielle Lebensstandard der Mehrheit der Arbeiterklasse. Die Arbeitslosigkeit sank, Frauen wurden stärker in die Arbeitswelt integriert. Die rechtliche Gleichstellung nahm zu, bestimmte diskriminierende Regelungen (z.B. zur Abtreibung) wurden gelockert oder gar abgeschafft. Der Bildungsstand von Frauen und Männern glich sich immer mehr an.

Doch trotz aller Veränderungen hat sich eines grundsätzlich nicht geändert: Hausarbeit und Kinderbetreuung sind immer noch hauptsächlich Frauensache. Die Doppelbelastung der Frau durch Arbeit und Haushalt/Familie ist geblieben. Außerhalb des „Normalarbeitsverhältnisses“, also z.B. bei der Teilzeitarbeit wird diese „Erleichterung“ mit finanziellen Einbußen und größerer sozialer Unsicherheit erkauft. Daran zeigt sich, dass die Frauenunterdrückung ein spezifischer Teil des allgemeinen gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisses zwischen Lohnarbeit und Kapital ist. Dieses Verhältnis lässt sich nicht dadurch aufheben, dass der Waschvollautomat den Waschzuber abgelöst hat und Wegwerfwindeln erfunden wurden.

Hausarbeit und Kapitalismus

Die Existenz der „doppelt freien“ LohnarbeiterInnen (rechtlich frei und frei von Produktionsmitteln) brachte es auch mit sich, dass es nun weitgehend unmöglich war, in häuslicher Produktion Güter für den Eigenbedarf herzustellen. Alles, was gebraucht wurde, musste gekauft werden. Der Zwang, seine Arbeitskraft zu verkaufen, um Lohn zu erhalten, war deutlich größer als je zuvor.

Die Hausarbeit trug nun de facto nichts mehr zum Familieneinkommen bei. War es im Feudalismus Frauen noch möglich, ja für die familiäre Reproduktion notwendig, neben der Hausarbeit noch auf dem Feld oder im Stall zu arbeiten, zu Hause zu weben, zu flechten usw. und damit entweder zur Deckung des Familienbedarfs beizutragen oder aber die Produkte zu verkaufen oder zu tauschen, waren im Kapitalismus Arbeiten wie Kinderbetreuung, Putzen und Waschen (im eigenen Haushalt) zwar noch nützlich, hatten noch einen Gebrauchswert, jedoch keinen Tauschwert mehr.

Im Mittelalter war die Hausarbeit von der eigentlichen „Berufs-Arbeit“ des Bauern oder Handwerkers hinsichtlich der Qualifikation nicht wesentlich unterschieden. Im Kapitalismus wurde das radikal anders. Fortschritt fand in der Sphäre der Industrie statt, nicht oder kaum jedoch im Bereich häuslicher Arbeit. Die typischen Arbeiten der Frau waren „entwertet“ – in mehrfacher Hinsicht: sie erzeugten keinen Tauschwert und sie wurden im Vergleich zur Industrie einfache, „primitive“ Arbeiten.

Dadurch, dass die reale Abhängigkeit der Arbeiterklasse von der Lohnarbeit zum Kernproblem ihrer materiellen Existenz wurde, vertiefte sich zugleich auch die (materielle) Abhängigkeit der Frau vom Mann und der faktischen Unterordnung ihres Lebens unter das des Mannes.

Was ist Hausarbeit?

Die Arbeit des Gourmetkochs hat quasi Kunststatus – das häusliche Kochen ist im Grunde dieselbe Arbeit. Sie erfordert Planung, Erfahrung und Phantasie. Trotzdem ist die kochende Hausfrau weit davon entfernt, als „Künstlerin“ zu gelten.

Während die Arbeit von LehrerInnen oder ErzieherInnen als qualifizierte Facharbeit gilt, für die eine langjährige Ausbildung verlangt wird, gilt dasselbe für die häuslich/familiäre Erziehung der eigenen Kinder nicht. Ob die ErzieherInnen selbst erzogen werden, kümmert die bürgerliche Gesellschaft nicht oder nur insofern, als das Jugendamt bei Misshandlung oder Verwahrlosung von Kindern – im Nachhinein – aktiv wird. Doch trotzdem wird kein normaler Mensch bezweifeln, dass die Erziehung von Kindern durch die Eltern eine komplizierte Tätigkeit ist, die viel „soziale Kompetenz“ erfordert.

Hausarbeit ist also keinesfalls nur „primitive“ Arbeit, die vergesellschaftet werden muss, um Frau oder Mann von ihr zu befreien. Selbst einfache Tätigkeiten wie Reinigungs- oder Aufräumarbeiten sind nicht weniger anspruchsvoll oder kreativ als Fließbandarbeit oder die Arbeit eines Finanzbeamten, der jahrzehntelang Zahlenkolonnen kontrolliert. Hausarbeit ist kombinierte Arbeit aus verschiedenen, teils sehr anspruchsvollen, teils sehr einfachen Tätigkeiten.

Die Plackerei und der isolierenden Charakter der Hausarbeit ist v.a. oder überhaupt nur für Frauen aus der Arbeiterklasse oder der unteren Mittelschicht ein Problem. Reichere Frauen hatten schon immer viele Möglichkeiten, unliebsame Arbeiten auf proletarische Frauen abzuwälzen, die als Dienerinnen, Kinderfrauen oder Haushaltshilfen den gutsituierten Frauen ermöglichten, ein angenehmeres Leben zu führen und sich kreativeren Beschäftigungen zu widmen.

Hinsichtlich der Arbeiterklasse hat die Hausarbeit eine andere Funktion. Im Arbeitslohn sind die Reproduktionskosten der Arbeiterklasse, also der Familie samt Kindern etc. enthalten. Der Arbeitslohn des männlichen Arbeiters ist – letztlich unabhängig von der realen Familienform – als Familienlohn gesetzt, woraus sich auch (wenn auch nicht nur) die Hartnäckigkeit der Lohnunterschiede von Mann und Frau erklärt. Im System der Lohnarbeit ist also immer schon der Zwang der Reproduktion der Familien samt ihrer unterdrückerischen Funktionen und der diskriminierten Rolle der Frau mit enthalten. Ein individuellen „Ausbrechen“ daraus, z.B. indem sich die Familie für die Berufstätigkeit der Frau und gegen jene des Mannes entscheidet, wird durch Einkommenseinbußen für den Gesamthaushalt sanktioniert.

Wie die individuellen Mitglieder der Arbeiterklasse die Reproduktion der Familie „gestalten“, überlässt das Kapital auf dieser Grundlage gänzlich den ArbeiterInnen. Wie sie ihren Lohn verwenden, aufteilen etc. liegt außerhalb des eigentlichen Kapitalverhältnisses, wenngleich letztlich der direkte und indirekte Arbeitslohn den durchschnittlichen Verbrauch einer Proletarierfamilie (sprich den Warenkorb an Lebensmitteln, Wohnkosten, Kosten für Regeneration, Bildung, Rente) decken soll.

Im Haushalt finden keine Lohnarbeit, keine Ausbeutung, keine Warenproduktion statt. Die „Produkte“ der Hausarbeit werden aber nicht als Ware vom Mann oder den Kindern oder sonst jemandem gekauft. Sie erscheint als Gratisarbeit (auch wenn zu ihrer Verrichtung natürlich die Reproduktion der Frau, also deren Reproduktionskosten vorausgesetzt sind).

Wenn der Marxismus davon spricht, dass Hausarbeit bzw. die Abwälzung der Hausarbeit auf Frauen unterdrückerisch ist, dann kann sich das offensichtlich nicht auf die Art häuslicher Tätigkeiten an sich beziehen. Auch in einer zukünftigen, befreiten, kommunistischen Gesellschaft werden Menschen Staub fegen, Kinder versorgen oder kochen müssen.

Das Unterdrückerische der Hausarbeit und ihre grundlegende Rolle für die Frauenunterdrückung ergibt sich vielmehr aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie stattfindet.

Unterdrückung

Das Unterdrückerische an der Hausarbeit besteht zunächst einfach darin, dass sie meist von Frauen verrichtet wird, wodurch Männer oft einen größeren Freiraum haben, sich um Beruf, Hobby oder Politik zu kümmern.

Die Forderung nach Vergesellschaftung drückt schon einen entscheidenden Nachteil der Hausarbeit aus: dass sie eben nur im privaten Rahmen stattfindet. D.h. Frauen (und natürlich auch Männer) sind  bei dieser Arbeit von der gesellschaftlichen Kooperation und Kommunikation stark abgekoppelt.

Eng damit verbunden ist der Umstand, dass in der privaten Hausarbeit die Dynamik der modernen Industrie mit ihren technischen Errungenschaften, bestimmten Formen von Organisation, Kooperation und Arbeitsteilung nicht vorkommen. So sind Frauen, die nur oder überwiegend häusliche Arbeiten verrichten, von dieser Seite gesellschaftlichen Lebens weitgehend abgeschnitten. Während Männer sich weiterbilden und sich mit Veränderungen in der Arbeitswelt auseinandersetzen müssen, geht ein solcher Druck von der Hausarbeit kaum aus.

„Hausfrauen“ haben auch weniger Kontakt zur Arbeiterklasse – als Kollektiv verstanden und nicht als einzelner Arbeiter in Form des Partners – und zur Arbeiterbewegung.

Das Unterdrückerische an der Hausarbeit liegt in ihrer Isoliertheit: von der Gesellschaft, von der Kommunikation, von moderner Produktion und von der Arbeiterklasse, von ihren Organisationen und Kämpfen. Insofern ist jeder Kampf für die Vergesellschaftung der Hausarbeit auch ein Kampf gegen Unterdrückung und ein Kampf für die Stärkung der Arbeiterbewegung durch die stärkere Einbeziehung von Millionen Proletarierinnen.

Der Kapitalismus kann auf die private Organisation der Hausarbeit letztlich nicht verzichten. Gleichwohl zeigt er selbst Tendenzen zur Vergesellschaftung der Hausarbeit. Mit der Einbeziehung von immer mehr Frauen in die Lohnarbeit ging auch eine Technisierung der Hausarbeit wie eine Ausdehnung staatlicher oder privater Kinderbetreuungs- und Erziehungseinrichtungen einher.

Letztlich bleibt diese Tendenz im Kapitalismus aber immer beschränkt, unvollständig und geht mit einer Doppelbelastung der Frau einher. Warum? Mit der Aufhebung der privaten Hausarbeit würde auch der vorherrschenden Beziehungsform, der bürgerlichen Kleinfamilie samt ihrer repressiven Funktion in der Unterdrückung, Unterordnung der Frau und der Kinder, der Boden entzogen. Daher muss die Familie – auch wenn sie im Kapitalismus selbst oft nicht so „normal“ ist, wie Familienpolitik, Kirche oder Moralapostel glauben machen – gefördert, am Leben erhalten und andere Formen des Zusammenlebens stigmatisiert werden.

Zum anderen würde eine Vergesellschaftung der Hausarbeit aber auch den Warencharakter der Ware Arbeitskraft unterminieren. Was heute an Waren für den Haushalt gekauft, an Energie, Zeitaufwand, Kreativität für Kindererziehung oder Kochen, an Plackerei für Müllentsorgung, Reparaturen usw., verwandt wird, würde als gesellschaftliche Arbeit erscheinen. Es würde nicht mehr auf die „geschickte Haushaltsführung“ der Frau (oder des Mannes) ankommen, ob der Lohn oder Hartz IV reicht, sondern die Kosten würden direkt als gesellschaftliche Kosten erscheinen.

Er wäre eine politische, eine gesellschaftliche Frage und nicht nur eine individuelle. Das zeigt, dass die Forderung nach Vergesellschaft der Hausarbeit eine Übergangsforderung, eine Forderung ist, deren Verwirklichung über den Kapitalismus hinausweist.

Vergesellschaftung oder Verstaatlichung?

In der Linken taucht die Frage der Vergesellschaftung der Hausarbeit, wenn überhaupt, oft als Forderung auf, um das oft ungenügende oder zu teure Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu verbessern.

In der DDR – und tendenziell in allen stalinistischen Staaten – gab es ein relativ gut ausgebautes System der Kinderbetreuung. Die Einrichtungen waren in aller Regel staatlich. Die Möglichkeiten für Eltern, auf diese Einrichtungen Einfluss zu nehmen, waren allerdings gering. Planung, Konzepte und Kontrollen oblagen staatlichen Stellen und staatlichen „BildungsspezialistInnen“, die meist Frauen waren.

Dieses staatliche Kinderbetreuungsystem war – trotz vieler Vorteile gegenüber dem des Westens – hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Überwindung der tradierten „Fesselung“ der Frauen an die Kinderbetreuung wesentlich beschränkt. So waren die Beschäftigten in der Betreuung von Vorschul- und Schulkindern fast nur Frauen. Männer stärker mit diesen Aufgaben zu betrauen, wurde nicht ernsthaft versucht oder gefördert. So blieb die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau unangetastet.

Ein zweites, damit zusammenhängendes, Problem war, dass es eine strikte Trennung zwischen staatlicher Kinderbetreuung in Krippe oder Kindergarten und häuslicher Erziehung durch die Eltern gab. Bildung und Erziehung blieben somit – wie in der bürgerlichen Gesellschaft – einerseits Sache von staatlichen SpezialistInnen andererseits rein häuslich-familiäre Privatsache.

Das Beispiel der Kinderbetreuung zeigt sehr augenfällig, dass die „Verstaatlichung“ zwar ein  Schritt zur Lösung des Problems sein kann, für sich genommen aber keineswegs sicherstellt, den borniert-privaten Rahmen von Erziehung wirklich zu überwinden.

Die Betonung der Familie im Stalinismus als „kleinster Zelle der Gesellschaft„ (bezeichnenderweise identisch mit der bürgerlichen Ideologie) sanktionierte die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau zusätzlich und blockierte fast jeden Ansatz zur Überwindung der privatisierten Hauswirtschaft. Die in Ost und West nahezu identische Städte-Architektur, also die Art von Wohnen und Leben – der Plattenbau als „Arbeiterschließfach“ ist eine in Beton gegossene Homage an (klein)bürgerliches Familien-Leben.

Fazit

Die Befreiung der Frau kann nur dadurch erfolgen, dass die Gesellschaft häusliche Tätigkeiten und die Kinderbetreuung gemeinschaftlich – nicht durch einen abgehobenen Staat – erledigt. Voraussetzung dafür ist u.a. eine grundsätzliche Verkürzung der notwendigen Arbeit. Voraussetzung dafür ist letztlich, dass alle Unterdrückungsverhältnisse überwunden werden, dass der Mensch sich selbstbewusst und aktiv um die Gestaltung  der Gesellschaft kümmert. Das alles ist auf der Basis von Privateigentum und Profitstreben unmöglich.

Diesen Befreiungskampf zu führen hat die reformistische Arbeiterbewegung allerdings längst aufgegeben. In den Büros der Gewerkschaftshäuser oder den Vorstandsetagen von SPD und Linkspartei spielt die Hausarbeit als ein zentraler Aspekt der Frauenunterdrückung keine Rolle – und wenn, dann in Form einer „Frauen – und Familienpolitik“, die komplett in den Strukturen der bürgerlicher Gesellschaftlichkeit verharrt.

Im Vergleich dazu sind die praktischen Errungenschaften und Bemühungen der jungen Sowjetunion für die Verbesserung der Lage der Frauen und umso mehr die perspektivischen Debatten, die RevolutionärInnen wie Zetkin oder Kollontai und viele ihrer männlichen Mitstreiter führten, der heutigen frauenpolitischen Kleingeisterei des Reformismus turmhoch überlegen!




Betreuungsgeld – Cash statt Kita

Hannes Hohn, Neue Internationale 170, Juni 2012

Momentan wird um die Einführung eines „Betreuungsgeldes“ in Medien, Parteien und in der Regierungskoalition heftig debattiert. Dieses „Betreuungsgeld“ soll Eltern ausgezahlt werden, die ihr Kind nicht in eine Kita schicken.

Hintergrund dieser Pläne ist einerseits das Fehlen von Kitaplätzen und der ab August 2013 geltende gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter 3 Jahren andererseits. Dieses Gesetz wurde unter dem Druck der schlechten Geburtenrate und der aufgrund mangelnder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder eingeschränkten Berufstätigkeit vieler Eltern beschlossen. Bundesweit fehlen zwischen 150.000 und 300.000 Plätze. Das allein zeigt, dass in dieser Gesellschaft die Rettung der Banken allemal wichtiger ist als die Betreuung der Kinder.

Das Fehlen von Kitaplätzen – wie auch der Mangel an Hortplätzen v.a. in Westdeutschland – ist  auch der allgemeinen Finanznot der Kommunen geschuldet. Dabei sagt die Anzahl von Kitaplätzen noch nichts darüber aus, wie es um die Qualität der Betreuung steht. Vielerorts ist diese zeitlich eingeschränkt, die Gruppen sind zu groß bzw. Personal fehlt.

Zurück an den Herd?

Die Ursprungsidee war, Frauen mit dem nicht zu Unrecht als „Herdprämie“ titulierten Betreuungsgeld zu animieren, mit dem Kind zu Hause zu bleiben, anstatt arbeiten zu gehen. Doch inzwischen mehren sich sogar in den Regierungsparteien Stimmen dagegen und es werden diverse Maßnahmen angedacht, um das offensichtlich reaktionäre, gegen eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsleben gerichtete Projekt abzumildern. So soll es z.B. ein Paket zum beschleunigten (Aus)Bau von Kitas geben. Einige Minister sind aus Kostengründen  gegen das Betreuungsgeld.

Natürlich wäre es dumm, dagegen zu sein, wenn Eltern mehr Geld für die Betreuung ihrer Kinder erhalten. Immerhin sind Kinder, besonders bei Alleinerziehenden, eines der größten Armutsrisiken – v.a. für Frauen. Gerade für Millionen Eltern, die arbeitslos sind oder im prekären Bereich arbeiten,  wäre eine deutliche Erhöhung des Kindergelds nötig, um soziale Nachteile auszugleichen und den Kindern etwa gleiche Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu ermöglichen wie Kindern aus reicheren Schichten.

Ein Grundproblem an der „Herdprämie“ ist, dass das Geld nach dem Gießkannenprinzip verteilt wird, also auch reiche Familien, die es sicher nicht brauchen, etwas bekommen. Dafür sollen aber gerade Harz IV-Empfänger nichts erhalten, was wieder einmal zeigt, für welches Klientel die „Familienpolitik“ von Schröder oder ihrer Vorgängerin von der Leyen gemacht wird.

Gleichberechtigung?

Ein weiteres Problem ist, dass die Prämie als Anreiz dient, auf den Kitaplatz zu verzichten. Das aber bedeutet für viele Frauen fast automatisch, in dieser Zeit auch auf eine Berufstätigkeit – und auf das damit verbundene eigene Einkommen – zu verzichten. So wird die Frau weiter an das familiäre Milieu, an Kind, Heim und Herd, gebunden und ihre Teilnahme am sozialen Leben eingeschränkt.

Dass viele Eltern das Betreuungsgeld aber trotzdem nutzen würden, hat mehrere Gründe: fehlende Kita-Plätze, hohe Kita-Kosten, fehlende Arbeitsmöglichkeiten oder die schlechte Bezahlung im prekären (Teilzeit)Bereich, der für Mütter mit kleinen Kindern meist ohnehin nur als Job infrage kommt. Hier zeigt sich, dass eine grundsätzliche Verbesserung der Situation von Frauen, dass ein wirklicher Schritt vorwärts in Sachen Gleichberechtigung ohne tiefgreifende Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft unmöglich ist. Die diversen „Insellösungen“ in der „Familienpolitik“ der letzten Jahre haben ganz offensichtlich an der Gesamtlage nichts geändert – im Gegenteil: die kommunale Finanznot, die Sparpolitik der Regierung und die bewusste Ersetzung von „Normalarbeitsplätzen“ durch prekäre Jobs hat die generelle Situation noch verschlechtert.

Die CSU und andere Konservative stellen die Sache auf den Kopf, wenn sie suggerieren, Eltern würden “gezwungen”, ihre  Kinder in die Kita zu schicken, während es überhaupt erst darum geht,  die Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen die für alle Eltern wirklich attraktiv sind. Daher fordern wir u.a.:

  • Kostenlose Kinderbetreuung gemäß den Bedürfnissen der Eltern und Kinder!
  • Kontrolle der Betreuung durch Eltern, ErzieherInnen und Gewerkschaften!
  • Bessere Bezahlung und mehr Personal!
  • Kirchen raus aus der Bildung!
  • Finanzierung der Bildung durch progressive Besteuerung von Kapital und Vermögen!

Der Besuch einer Kita ist nicht nur eine Frage des Geldes oder der besseren sozialen Chancen der Eltern. Viele Untersuchungen belegen, dass eine gute Kita-Betreuung sich auch positiv auf die Entwicklung von Kindern auswirkt, z.B. bei der Sprachentwicklung.

Die „Herdprämie“ ist eben auch insofern ein falsches Signal, weil die Erziehung wieder stärker in das familiäre Milieu verwiesen wird, wo nicht nur oft wichtige pädagogische Fähigkeiten oder ein gutes soziales Milieu für die Entwicklung der Kinder fehlen. Ein Beispiel: In einer Kita könnte und sollte eine systematische frühkindliche Musikerziehung stattfinden – welche Mutter, welcher Vater könnte das individuell zum Hause leisten?!

Probleme

Ein weiterer Haken der Kita-Pläne ist auch, dass als Betreuungseinrichtung auch Tagesmütter zählen. Doch gerade die Betreuung durch Tagesmütter ist oft in jeder Hinsicht mangelhaft, was die Bedingungen oder die Qualifikation anbelangt. Völlig unakzeptabel ist auch das Wirrwar von Bildungsträgern und das föderale Bildungssystem.

MarxistInnen engagierten sich immer für die Vergesellschaftung von Bildung und Erziehung, nicht zuletzt, um die reaktionären Einflüsse von Kirche, Familie und bürgerlichem Staat zurückzudrängen und v.a. die Unterdrückung der Frau durch ihre vorrangige Bindung an Kinder, Haushalt und Familie aufzubrechen.

Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erweist sich als hohle Geste angesichts fehlender Plätze, fehlender Fachkräfte und zu niedriger Mittel der Kommunen. Auch hier zeigt sich, dass das Recht nicht höher stehen kann, als die materiellen Bedingungen, über denen es sich erhebt. Wie auch bei der groß angekündigten „Energiewende“ zeigt sich der Staat unfähig und unwillig, selbst seine eigenen Projekte umzusetzen.




Revolutionen in Nahost und Nordafrika – Frauen in der ersten Reihe

Irene Zelano, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013 (Aktualisierte Version des Textes aus Neue Internationale 158, April 2011

Frauen sind in islamisch geprägten Ländern tief verschleiert und dürfen das Haus nie verlassen“, „Frauen nehmen dort nicht am politischen Leben teil“ und „die Revolution ist gänzlich in den Händen islamistischer Spinner“ etc. Solche Stammtischparolen – die Aufzählung ließe sich unendlich fortführen – wurden im Zuge der nordafrikanischen Revolutionen gründlich durchgerüttelt. Nicht nur die Bilder, die am Beginn der arabischen Revolutionen erreichten, widersprechen diesen sorgfältig gehegten Vorurteilen.

Islamische Gruppen sind natürlich Teil der Aufständischen, doch stellen sie bei weitem nicht den Großteil der DemonstrantInnen. Gerade in Ägypten und Tunesien konnten wir beobachten, dass diese Kräfte erst dann stärker in den Vordergrund traten, als es darum ging, die Früchte der Revolution zu ernten. Selbst die Freitagsgebete dienten ursprünglich oft als legaler Sammelpunkte für Demonstrationen.

Und die Frauen? Bleiben sie brav im Haus und schauen zu, wie ihre Männer kämpfen? Nein! Wir erleben ein unheimlich starkes Auftreten von Frauen, die in den ersten Reihen der Demonstrationen stehen und auch, aber nicht nur für Frauenrechte kämpfen.

Saudi-Arabien

„Keine Schiiten, keine Sunniten, Einheit, Einheit des Islam“ hieß die Parole, mit der Anfang März 2010 hunderte DemonstrantInnen in Saudi Arabien auf die Straße gingen. Auch in diesem Land, in dem Frauen nach wie vor kein Wahlrecht haben, nicht Autofahren dürfen und mit der Polygamie ihrer Männer leben müssen, kamen die Proteste der nordafrikanischen Revolution langsam an.

Mit Losungen wie „Für eine konstitutionelle Monarchie“ und „Gegen das Verbot verschiedener islamischer Strömungen“ beginnen hier die Proteste. Auch mutige Frauen sind im saudischen Königreich dieser Tage auf der Straße. Trotz Demonstrationsverbot versammelten sich in der ersten Märzwoche 40 Frauen für die Freilassung ihrer Söhne, welche nach einem Anschlag auf einen US-Stützpunkt seit 1996 ohne Gerichtsverhandlung inhaftiert sind. Am 11. und 20. März 2010 fanden in Saudi Arabien weitere Demonstrationen statt.

Tunesien

Eigene Frauendemonstrationen gaben den Protesten in Tunesien ein geschlechtlich durchmischtes Gesicht. Tunesien steht wohl bezüglich der emanzipatorischen Rolle der Frauen in der Revolution im arabischen Raum an der Spitze.

Schon kurz nach der Unabhängigkeit wurden Frauen den Männern vor dem Gesetz gleichgestellt. 1957 erhielten sie das Wahlrecht, müssen ihre Zustimmung zur Eheschließung geben, dürfen sich scheiden lassen und Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Der Zugang zu höherer Bildung steht auch Frauen offen, sie dürfen sich in der Öffentlichkeit zeigen und selbst einen Beruf ergreifen. So die Gesetzeslage. Doch wie sieht die Realität aus?

Trotz der vergleichsweise fortschrittlichen Frauenrechte ist die Lage der Frau in der Gesellschaft nicht allzu rosig. Patriarchale Strukturen prägen das tägliche Leben. So muss die Frau zwar der Eheschließung zustimmen, doch kann sie sich aufgrund der Familienstrukturen ihrem Vater nur in seltenen Fällen widersetzen. Mangelnde Jungfräulichkeit kann zu Eheannullierung führen, was häufig zu ärztlichen Eingriffen zur künstlichen „Wiederherstellung der Jungfräulichkeit“ führt. Zwar dürfen sich Frauen scheiden lassen, doch ist der Mann nur drei Monate unterhaltspflichtig und eine Wiederheirat zwar erlaubt, doch in der Realität in den meisten Fällen nur möglich, wenn die Frau darauf verzichtet, ihre Kinder in die neue Ehe mitzubringen und diese an die Verwandtschaft abgibt.

Im Arbeitsleben stellen Frauen in Tunesien 50% der Erwerbstätigen. In einem Land, in dem 42% der Arbeitsplätze auf die Textilindustrie entfallen, nicht allzu verwunderlich. Doch die Textilbranche, wo überwiegend Frauen arbeiten, wird weit schlechter entlohnt als andere Industrien. Auch im Dienstleistungsbereich sind Frauen stark vertreten und stellen z.B. 30% der AnwältInnen des Landes.

Die Hausarbeit ist traditionell noch immer Frauensache – ob als in Doppelbelastung neben dem Job oder indem ein Hausmädchen bezahlt wird: der Haushalt bleibt in Frauenhand.

Ägypten

„Die Revolution findet nicht nur auf dem Tahrir-Platz statt, sie ist in jedem ägyptischen Haus“, sagt eine ägyptische Kämpferin auf dem Tahrir-Platz und zielt damit auf die eben beschriebenen, auch in Ägypten herrschenden häuslichen patriarchalen Strukturen ab. Wie viele andere Frauen, die auf dem Tahrir-Platz eine wichtige Rolle gespielt haben, musste sie sich zu Hause gegen das Verbot durchsetzen, an den Demonstrationen teilzunehmen, und lief so Gefahr, bestraft oder verstoßen zu werden. Vielen Frauen ging es so – und doch haben die ägyptischen Frauen an vorderster Front mitgekämpft und aktiv zum Sturz Mubaraks beigetragen.

Im mit 80 Millionen EinwohnerInnen bevölkerungsreichsten Land Nordafrikas ist der Dienstleistungssektor mit 50% der Wirtschaftsleistung der stärkste. 2006 stellte die Tourismusbranche 20% der Deviseneinnahmen und 10% der Arbeitsplätze, die umfangreiche Schwarzarbeit in diesem Sektor nicht mitgerechnet. Frauen machen in den prekären wie in den offiziellen Arbeitsverhältnissen im Tourismus einen Teil der Beschäftigten aus.

Bei der Bildung sieht es für Frauen in Ägypten vergleichsweise gut aus. An den Universitäten stellen Frauen inzwischen 50% der AbsolventInnen. Schon 1962 zog die erste Frau ins Parlament ein, das Wahlrecht für Frauen wurde schon 1956 erkämpft. Das alles spiegelt die Tatsache wider, dass Ägypten schon auf eine verhältnismäßig lange Geschichte der Frauenbewegung zurückblicken kann.

Säkularisierte Feministinnen stehen hierbei islamischen Frauenbewegungen gegenüber, welche mehr Rechte für Frauen erkämpfen möchten, aber zugleich Werte wie Moral, Religion und Familienleben erhalten wollen.

Für die säkularisierte Frauenbewegung ist besonders Hoda Shaarawi, die sich in den 20er Jahren mit der Gründung der „Egyptian Feminist Union“ an die Spitze der dortigen Frauenbewegung stellte, zum Symbol geworden. 1923 erstaunte sie die Massen, als sie von einem Frauenkongress aus Rom zurückkehrte und in einem symbolischen Akt ihren Schleier von sich warf und die anfangs atemlose Menge zum Jubeln brachte. In den 50er und 60er Jahren führte sie im Namen der Frauenrechte zwei Hungerstreiks und eine Belagerung des Parlaments durch. Sie kämpfte ihr Leben lang gegen die Unterdrückung der Frau in der arabischen Welt.

Entscheidend für die weitere Entwicklung – und oft von den westlichen Medien unbeachtet – wird freilich die Rolle der Frauen in der Arbeiterbewegung sein. Die Krise hat v.a. junge Frauen dramatisch getroffen. Etwa 50 Prozent sind arbeitslos, während es unter den männlichen Jugendlichen „nur“ 17 Prozent sind.

Ähnlich wie in Tunesien spielten Frauen auch in der Gewerkschaftsbewegung und den sich entwickelten Streiks eine enorme Rolle. Schon in den Jahren 2004-08 standen Frauen in der vordersten Front der Kämpfe der TextilarbeiterInnen in Städten wie Mahalla al-Kurba. Bei Streiks und Besetzungen kämpfen sie Seite an Seite mit ihren Kollegen, übernachten in den Fabriken, führen Kämpfe und durchbrechen so praktisch, wenn auch durchaus nicht ohne Konflikte mit den Männern die traditionelle Rollenverteilung.

Dies verdeutlicht zugleich, dass die Entstehung einer Frauenbewegung untrennbar mit der politischen Entwicklung der Arbeiterklasse verbunden ist.

Fazit

Entgegen allen westlichen Vorurteilen gegenüber der Beteiligung von Frauen an den Veränderungen in der arabischen Welt, haben Frauen dort oft eine wichtige Rolle gespielt und spielen sie noch. Doch letztlich wird die Frage der weiteren Rolle von Frauen in den sozialen Veränderungen v.a. davon abhängen, ob und wie der revolutionäre Prozess weiter geht.

Um den Kampf für eine wirkliche Gleichberechtigung der Frauen zu gewinnen, müssen die Frauen der arabischen Welt Seite an Seite mit den ArbeiterInnen für die Fortführung der Revolution bis hin zur Erlangung der Staatsmacht durch die ArbeiterInnenklasse und die Etablierung rätedemokratischer Strukturen kämpfen.

Eine neue Diktatur oder eine bloße Neubesetzung des Parlaments wird an den Lebensverhältnissen der verarmten Bevölkerungen genauso wenig ändern, wie an den systematisch beschnittenen Rechten der Frauen und an deren realer sozialer Benachteiligung und Unterdrückung.

Genauso, wie es der Führung durch die Arbeiterklasse bedarf, um die Revolutionen zum Erfolg zu führen, bedarf es auch einer proletarischen Frauenbewegung, welche sich in diesem Kampf für die Rechte der Frauen in allen Lebensbereichen bis hin zum Erreichen des Sozialismus einsetzt.




Vergewaltigung und Missbrauch von Frauen in Indien und Pakistan: Für eine proletarische Frauenbewegung im Kampf gegen Unterdrückung!

Shazia Shahzad, Pakistan, Infomail 669, 15. Februar 2013

Die Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Studentin im Bus nach Delhi im Dezember 2012 hat eine massive Bewegung in Indien aufflammen lassen. Hunderttausende, wenn nicht Millionen schlossen sich zusammen, um gegen den alltäglichen Missbrauch von Frauen zu demonstrieren, gegen die weit verbreitete sexistische und patriarchalische Struktur und das Verhalten innerhalb der Gesellschaft und die Mitschuld von politischen Behörden, der Polizei, der Kapitalisten und der Großgrundbesitzer.

Vergewaltigung und Frauenunterdrückung in Indien

Die junge Frau wurde auf dem Weg nach Hause vergewaltigt, nachdem sie und ihr Freund einen Film angeschaut hatten und in den Bus in der Munirka-Gegend von Delhi eingestiegen waren, um  nach Dwarka im Südwesten der Stadt zu fahren. Sechs Männer fingen an, die Frau anzumachen, dass sie abends allein mit einem Mann sei und beschlossen, ihr „eine Lektion“ zu erteilen. Sie wurde fast eine Stunde lang vergewaltigt und sie wie auch ihr Freund wurden mit Eisenstangen geschlagen und aus dem fahrenden Bus auf die Straße geworfen. Daran ist sie zwei Wochen später gestorben.

Indien ist das Land mit der höchsten Zahl von Vergewaltigungen in der Welt; sogar die offiziellen Statistiken besagen, dass alle 20 Minuten eine Frau in Indien vergewaltigt wird. In Delhi wurden 660 Fälle von Vergewaltigungen im Jahr 2012 bekannt, die Situation auf nationaler Ebene ist noch viel schlimmer. Es ist zudem allgemein bekannt, dass die tatsächliche Zahl der Vergewaltigungen noch viel höher liegt als die Zahl der offiziell berichteten Fälle. Höchstens einer von fünf Fällen wird bekannt, da die Frauen sich vor der Schande in ihrer Familie und der Nachbarschaft fürchten.

Auch Polizei und Justiz diskriminieren Frauen. Pakistan sieht sich den gleichen Problemen wie Indien gegenüber – ja sogar schlimmer, weil es in Pakistan zusätzlich noch regressive Gesetze gegen die Gleichstellung der Frau im Namen von Sharia und „pakistanischer Kultur“ gibt.

Aber das Schlimmste – sowohl in Indien wie in Pakistan – ist, dass vergewaltigten Frauen unterstellt wird, selbst Schuld zu sein, da sie sich provokant kleiden würden oder weil sie nachts nicht draußen sein sollten.

Dies stigmatisiert nicht nur die Frauen, sondern schafft auch einen starken reaktionären Druck für ihren Ausschluss aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben. Das Ergebnis ist eine massive, unglaubliche Beschränkung für die Frauen und ihre Mobilität, auch dabei, was sie zu ihrer eigenen „Sicherheit“ anziehen dürfen. Es ist „normal“, dass Frauen, die Opfer von Vergewaltigung wurden, beweisen müssen, dass sie „nicht schuldig“ sind und keine „problematische“ Vergangenheit haben.

So hat im Fall von Mukhtar Mai und anderen Massenvergewaltigungen in Pakistan, der damalige Präsident, General Musharraf, der ein enger Verbündeter des amerikanischen Imperialismus war, die vergewaltigten Frauen beschuldigt, Geld verdienen zu wollen, wenn sie ihre Vergewaltigung an die Öffentlichkeit bringen.

Massenbewegung in Indien

Der neueste schockierende Vorfall mobilisierte die Menschen in Indien über die Bedingungen rund um Vergewaltigung u.a. Übergriffe auf Frauen. Abertausende wütende DemonstrantInnen gingen auf die Straße und forderten Gerechtigkeit für die Opfer und mehr Sicherheit und Schutz für Frauen. Vor allem viele Frauen demonstrierten gegen eine Kultur, die Vergewaltigung rechtfertigt und den Frauen die Schuld dafür gibt, „Männer zur Vergewaltigung zu provozieren“. Auf einem Plakat stand: „Bringt mir nicht bei, wie ich mich anziehen soll, bringt euren Söhnen bei, keine Vergewaltiger zu sein“.

Das Argument, dass diese Proteste nur deshalb zustande kamen, weil das Opfer aus der Mittelschicht kam, ist falsch. Tatsache ist, dass die junge Frau nicht aus der „Mittelschicht“ kam. Sie war die Tochter eines Flughafenarbeiters mit einem Monatslohn von 7.000 Rupien und sie arbeitete nachts, um ihre Ausbildung als Studentin der Psychotherapie zu finanzieren. Aber dies ist nicht der Punkt – normalerweise würde der Missbrauch einer Mittelschichtfrau nicht zu so einem öffentlichen Aufschrei führen.

Zweifellos hat die Tatsache, dass solch eine brutale Gruppenvergewaltigung in der Hauptstadt von Indien passiert ist, zur Auslösung der Proteste beigetragen, auch wenn die Situation auf dem Land ist noch weit schlimmer ist. Dort sind Frauen aus den unterdrückten niederen Kasten, religiösen Minderheiten, aus unterdrückten Nationalitäten und Frauen aus der Arbeiterklasse mit einer noch brutaleren Situation konfrontiert. Die Berichte von Vergewaltigungsfällen zeigen, dass der Staat und die kapitalistische Klasse die Situation benutzen, um die Kontrolle über die Menschen zu haben, die sich zur Wehr setzen gegen die Politik des Neoliberalismus, gegen Unterdrückung und Ausbeutung durch die Kapitalisten und Großgrundbesitzer oder jene, die gegen nationale Unterdrückung kämpfen, wie in Kaschmir.

Die Proteste und Bewegungen werden durch die Kombination von mehreren scharfen Widersprüchen erzeugt. Gewiss entstanden sie in solchen Ausmaßen, weil der Staat nicht einmal in der Lage ist, die Frauen selbst in Städten zu schützen. Zugleich drücken sie auch die Wut aus gegen die Position der Frauen in der Gesellschaft. So wie in anderen Ländern wirken sich die Belastungen der ökonomischen Krise, wie steigende Preise, sinkende soziale Leistungen oder schlechte Wohnverhältnisse auf Frauen am stärksten aus.

Diese Proteste sind ein Hoffnungsschimmer nicht nur im Kampf gegen sexuelle Übergriffe und die schreckliche Situation der indischen Frauen; sie sind auch ein Hoffnungsschimmer, dass die pakistanische Arbeiterbewegung sich der Frage der Frauenunterdrückung stellt, dieses Problem als ein zentrales Thema aufnimmt und dagegen kämpft.

Weg in die Zukunft

Die Massenbewegung in Indien zeigt, dass Millionen von Frauen nicht bereit sind, die „Normalität“ ihrer täglichen Unterdrückung in der Gesellschaft zu akzeptieren. Diese Bewegung wurde zwar von einem besonders brutalen Ereignis ausgelöst, aber der Grund, weshalb die Frauen auf die Straßen gingen, ist das Ergebnis der Widersprüche der kapitalistischen Entwicklung in einem halbkolonialen Kapitalismus wie Indien oder Pakistan.

In Indien wurden Millionen von Frauen in den Arbeitsmarkt geworfen, wurden Teil des Proletariats unter verheerenden Ausbeutungsbedingungen. Dies trifft nicht nur für die dynamische kapitalistische Entwicklung in Indien zu. Auch in Pakistan wurden Frauen während der fieberhaften Entwicklung vor der großen kapitalistischen Krise in die Produktion einbezogen.

Zur gleichen Zeit sind beide Länder und auch viele andere Länder in Asiens „sich entwickelndem Kapitalismus“ geprägt von vorkapitalistischen Erscheinungen wie den feudalen Formen der Ausbeutung und das Kastensystem. All zu oft haben Frauen noch nicht einmal die formale Gleichberechtigung erreicht.

Die Rolle der Polizei, die Benutzung der Vergewaltigung als Waffe gegen unterdrückte Nationalitäten (wie in Kaschmir) und niedrige Kasten, die Verwendung von Einschüchterung und Misshandlung von den Bossen in der Fertigung sind tägliche Beispiele, die aufzeigen, dass keine Gerechtigkeit für Frauen von der herrschenden Klasse und dem Staat erwartet werden kann. Auch wenn die sechs Vergewaltiger ernsthaft verurteilt werden, sollte niemand Illusionen haben über den patriarchalen Charakter der staatlichen Institutionen und ihre Mitschuld, wenn nicht sogar Beteiligung, an den schlimmsten Formen der Unterdrückung.

Frauenbewegung

Als RevolutionärInnen kämpfen wir gegen die Unterdrückung der Frauen in jeder Form. Dies bedeutet, dass wir für vollständige Gleichberechtigung kämpfen müssen. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass die Schuldigen der Unterdrückung oder Vergewaltigung von Frauen und jungen Mädchen vor Gericht gebracht werden, aber nicht vor eine ungewählte Justiz der reichen Männer, sondern vor Gerichte, die von der Masse der Bevölkerung, der Armen, der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und der unteren Kasten und national Unterdrückten gewählt sind. Mindestens die Hälfte dieser gewählten Gerichte sollte von Frauen besetzt sein.

Im Kampf gegen Unterdrückung und Missbrauch müssen wir permanent gegen alle Formen von Sexismus im öffentlichen Leben, auf der Arbeit und in der Familie kämpfen. Wir fordern öffentliche Mittel für Frauenzufluchtsorte und die Aufhebung aller Beschränkungen des Rechts auf Scheidung. Eine Ausbildung in Selbstverteidigung sollte für alle Frauen möglich sein.

Sicherlich ist das Selbstbewusstsein der Frauen und ihre demokratische Gleichberechtigung nicht genug. Um es Frauen zu ermöglichen, eine vollwertige Rolle in der Gesellschaft, bei der Arbeit, in der Politik und in der Arbeiterbewegung zu spielen, müssen wir für gleiche Bezahlung, für staatliche Bereitstellung von Kinderbetreuung, für menschenwürdige Behausung und ein Minimum an Einkommen für Arbeitslose, für geschiedene Frauen mit wenig oder gar keinem Einkommen oder für Rentner kämpfen, für ein Grundeinkommen, um den Lebensstandard zu erhalten, der von der Arbeiterbewegung festgesetzt wird und an Preissteigerungen angepasst wird.

Um ein solches Programm durchzusetzen, müssen Frauen an vorderster Front aller sozialen und politischen Bewegungen stehen. Dies bezieht auch den Kampf gegen den weit verbreiteten Chauvinismus und Sexismus innerhalb der Arbeiterbewegung und der Bewegungen der Unterdrückten selbst ein. Um in der Lage zu sein, dies zu tun, müssen die Frauen das Recht auf einen Caucus, d.h. auf eigene Treffen und Versammlungen haben.

Frauenunterdrückung in Indien und Pakistan – wie in allen Ländern – ist eng mit der kapitalistischen Ausbeutung selbst verknüpft, wo Frauen wie Waren oder Haussklavinnen behandelt werden. Es wird kein Ende der Frauenunterdrückung insgesamt geben, ohne den Kapitalismus zu stürzen – ohne soziale Revolution.

Um diese Kämpfe zu vereinen und die Frauen in den Vordergrund zu stellen, brauchen wir eine Massenbewegung der am meisten ausgebeuteten Frauen, eine Massenbewegung der Frauen der Arbeiterklasse.




Prostitution: Kein Randphänomen

Maria Berghoff, Neue Internationale 138, April 2009

Allein in Deutschland sind nach Schätzungen rund 400.000 Menschen als Prostituierte tätig (einschließlich der „Gelegenheitsprostituierten“). Die überwiegende Mehrheit davon – rund 95 Prozent – sind Frauen.

Prostitution kann verschiedene Formen haben. Die nach wie vor häufigste Form ist die Zwangsprostitution. Sie trifft v.a. Migrantinnen. Rund die Hälfe aller Frauen, die in Deutschland als Prostituierte arbeiten bzw. dazu gezwungen sind, stammen lt. Prostituiertenvertretungen wie Hydra aus Osteuropa, Ostasien oder Schwarzafrika.

Die Prostituierten sind hier durch Zwang, Täuschung etc. und wurden unter Ausnutzung ihrer ökonomischen Zwangslage in ein imperialistisches Land „importiert“ und verrichten hier ihren Dienst am Freier unter Bedingungen der Illegalität oder Halblegalität, die von sklavenartigen Bedingungen bis zur „traditionellen“ Zuhälterei reichen.

Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Formen: von der „selbstständigen“ Tätigkeit, über der Lohnarbeit ähnliche Verhältnisse bis zur „Edelprostitutierten“.

So ist auch die Prostitution in sich noch einmal klassenmäßig differenziert – wie auch die (meist männlichen) Klienten.

Sklavenartige oder „illegale“ Formen der Prostitution sind global gesehen noch weit verbreiteter als in einem imperialistischen Land wie Deutschland.

Sex und Ökonomie

Ohne Zweifel sind die entscheidenden Gründe, die Frauen in die Prostitution treiben bzw. zwingen, ökonomischer Art und immer mit einem Gewalt- und Ausbeutungsverhältnis verbunden.

Prostitution ist eine regelrechte Industrie mit großen Gewinnen für kriminelle Organisationen – vom Schlepperring über maffiöse Strukturen bis zum Zuhälter. Wie jede Ware muss auch die Prostitution ein wirkliches oder imaginiertes Bedürfnis der Käufer bedienen. Schon Engels bemerkte, dass die Prostitution in der bürgerlichen Gesellschaft das notwendige und unvermeidliche Gegenstück zur Familie darstellt, dass die Unterdrückung der Frau im privaten Haushalt, dass die stigmatisierte Rolle der Hausfrau und Mutter ihre Ergänzung in der Hure findet.

Trotz gewisser Liberalisierungen und der weitgehend rechtlichen Gleichstellung der Frau gilt die monogame Beziehung nach wie vor als Norm für die Frau. Während beim Mann die „Untreue“ als Kavaliersdelikt, ja dieser gar als besonders „toller Hecht“ gilt, so wird die Frau schnell als „Schlampe“, „Luder“ oder „Hure“ stigmatisiert, wenn sie ihre sexuellen Bedürfnisse ausserhalb der Ehe befriedigt.

Die Prostituierte ist für den Mann eben eine bezahlte Form der „Geliebten“, die neben „seiner“ Frau ihm seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen soll.

Es ist daher also alles anders als zufällig, dass die Prostitution von Männern nach wie vor eine Randerscheinung ist und in einer Gesellschaft, deren integraler Bestandteil die Unterdrückung der Frau ist, auch bleiben muss.

Hinzu kommt, dass die bürgerliche Gesellschaft systematisch auch eine Unterdrückung und Deformierung der Sexualität selbst beinhaltet. „Freie“ Sexualität muss in einer Gesellschaft, die auf Unfreiheit und Unterdrückung basiert, letztlich eine Fiktion bleiben. Doch solange die Sexualunterdrückung der bürgerlichen Gesellschaft existiert, wird sie – ob wir das wollen oder nicht – damit einhergehen, dass sich v.a. Männer als Freier bei der Prostituierten die Erfüllung sexueller Wünsche erhoffen, die die Frau in der Partnerschaft oder als „Geliebte“ nicht zu geben scheint.

Nein zur Kriminalisierung!

Ein Verbot von Prostitution würde jedoch nur zur weiteren Kriminalisierung und Diskriminierung der Frauen in der Prostitution führen. Sie würde die Lage der verschleppten, illegalisierten, den schlimmsten, erniedrigensten und sklavenähnlichen Formen von Unterdrückung nur verallgemeinern, wie es schon jetzt in vielen Ländern der Fall ist. Sie würde diese Frauen noch stärker der Gewalt von Polizei, Staat und Zuhältern ausliefern und sie immer weiter in die Illegalität drücken.

Eine Illegalisierung der Freier – wie z.B. in Schweden von bürgerlichen und reformistischen Feministinnen gefordert – ist ebenso untauglich. Es führt nur dazu, dass die Freier sich andere,  illegale Formen wie den „Sextourismus“ suchen.

Auch wenn wir die Prostitution nicht als „Arbeit wie jede andere“ betrachten, müssen wir die Stigmatisierung dieser Tätigkeit – dass sie schmutzig, abartig usw. ist; dass sie das Letzte wäre, was sich Frau antun würde – bekämpfen. Viele Prostituierte leiden unter dieser Stigmatisierung: sie schämen sich. Diese Scham macht es auch sehr schwer, sich öffentlich zu bekennen, Rechte und Respekt einzufordern.

Wir müssen Forderungen aufstellen, dass diese Frauen in der Gesellschaft anerkannt und nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen werden. Wir treten für die Entkriminalisierung der Prostitution und für die uneingeschränkte Anerkennung des Aufenthalts- und Arbeitsrechts sowie aller anderen demokratischen Rechte für „Illegale“ ein.

Wir kämpfen dafür, dass der Beruf anerkannt wird, verbunden mit der Gewährung aller sozialen Absicherungen – nicht nur im Bereich der „Edelhuren“ und „Escortservices“, sondern auch beim Straßenstrich und „normalen“ Bordellen. Diese Rechte würden Prostituierten helfen, ohne die Gewalt der Zuhälter zu arbeiten.

Prostituierte könnten sich vor Übergriffen gewaltsamer Freier oder Zuhälter schützen, indem sie Selbstverteidigungskurse besuchen und sich gegenseitig schützen. Es sollte Häuser für Sexualarbeit geben, in welche Kunden nur reinkommen, wenn sie sich ausweisen. Dies würde anonymer Gewalt vorbeugen. Bei Weigerung würde Hausverbot erteilt.

Wir müssen Prostituierte dazu ermutigen, sich gewerkschaftlich zu organisieren; wir müssen zugleich die Gewerkschaften dazu bringen, Prostituierte aufzunehmen.

Davon sind Gewerkschaften wie ver.di heute noch weit entfernt. Im Moment diskutiert ver.di das Pro und Contra der Aufnahme von Prostituierten.

Perspektive

All diese Forderungen sollen dazu dienen, Prostituierte aus ihrer Entrechtung und Abhängigkeit zu bringen. Viele davon sind auch von Vereinigungen von Prostituierten in den letzten Jahren selbst erhoben worden.

Aber es ist wichtig festzuhalten, dass das Ziel von KommunistInnen in der Abschaffung der Prostitution besteht, sprich des Zwangs, den eigenen Körper als sexuelle Dienstleistung zu verkaufen.

Anders als bürgerliche Heuchler oder auch Teile der feministischen Bewegung hängen wir nicht der Illusion nach, dass die Prostitution einfach „abgeschafft“ werden könne, wenn zugleich die gesellschaftlichen Bedingungen weiter bestehen, die sie hervorgebracht haben und im Kapitalismus immer wieder hervorbringen werden. Von zentraler Bedeutung ist natürlich, dafür einzutreten, dass Prostituierte reale Möglichkeiten erhalten, aus der Prostitution auszusteigen, also in ein gesichertes, tariflich bezahltes Arbeitsverhältnis zu wechseln oder dazu umgeschult zu werden.

Der Kampf für die Abschaffung des ökonomischen und sozialen Zwangs, der Frauen in die Prostitution zwingt, und der von Mafia, Schleppern und Zuhältern gewaltsam verstärkt wird, kann als letztlich nur erfolgreich geführt werden als Kampf gegen die Entrechtung der Frauen, gegen Überausbeutung und patriarchale Familienstrukturen. Nur eine Programm, das die volle Integration der Frauen in die gesellschaftlich Produktion und die Überwindung des privaten Charakters der Hausarbeit ermöglicht, das also die Wurzeln der Frauenunterdrückung angreift – und damit auch den Kapitalismus -, kann zu einer Beendigung der Frauenunterdrückung allgemein und der Prostitution als einer besonderen, zugespitzten Form führen.




Debatte im NAO-Prozess: Zur Frage der “Überwindung des Geschlechterverhältnisses”

Helga Müller / Markus Lehner, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013

Seit Mitte 2012 beteiligt sich die Gruppe Arbeitermacht aktiv an der Formierung einer „Neuen antikapitalistischen Organisation“ (NAO). In der Diskussion um deren politische Grundlagen nimmt die Frage des Geschlechterverhältnisses zu recht einen zentralen Stellenwert ein. Einigkeit besteht darin, dass der Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen wie gegen Sexismus und die Zuschreibung reaktionärer Geschlechterrollen eine zentrale Frage jeder Organisation bilden muss, die ernsthaft als antikapitalistisch, revolutionär und emanzipatorisch gelten will.

Aber zugleich zeigt sich, dass es im NAO große Differenzen bezüglich des Verständnisses der Ursachen der Frauenunterdrückung gibt. Im folgenden wollen wir anhand einzelner Fragestellungen unsere Haltung genauer darstellen, tw. in bewusster Abgrenzung zu „de-konstruktivistischen“ Theoriesträngen oder Grundannahmen.

Wie kann sexistisches Verhalten überwunden werden – allein durch ständige Aufklärungsarbeit und entsprechende Verhaltensänderung von Männern?

Sexistisches Verhalten ist auch nach Dekaden von „Aufklärungsarbeit“, kritischer „Dekonstruktion“ verschiedenster noch so versteckter Naturalisierungs-Ideologien in Bezug auf Geschlechterrollen, selbstkritischer Überwindung von „Identitätspolitik“ etc. nicht im Abnehmen begriffen – weder gesellschaftlich, noch in linken Organisationen. Tatsächlich sind reaktionäre Frauenbilder und Rollenzuschreibungen in den letzten Jahren (und speziell mit der Verschärfung der kapitalistischen Krise) auch in den Metropolen wieder auf dem Vormarsch. Um das zu sehen, bedurfte es nicht erst der Brüderle-Episode.

Die Vorstellung, durch bloße „Dekonstruktion“ und Analyse der versteckt sexistischen Einstellungen, der Entlarvung von scheinbar natürlichen Geschlechterverhältnissen als „gesellschaftliche Konstrukte“ ließe sich praktisch etwas verändern, ist letztlich eine zutiefst idealistische Illusion. Die dialektische Analyse von „naturwüchsigen“ oder sich als „natürlich“ verschleiernden gesellschaftlichen Verhältnissen kann nicht bei der Aufdeckung dieser ideologischen Täuschung stehen bleiben – sie muss auch die materielle Gewalt dieser Illusion, die Notwendigkeit, mit der sich diese Täuschung den Subjekten aufzwingt, darstellen.

So reichte es Marx nicht, mit dem Warenfetisch offenzulegen, dass die Warenform zur Verkleidung eines gesellschaftlichen Verhältnisses als sachliches, scheinbar „naturgesetzlich“ bestimmtes dient. Er zeigte zugleich die objektiven Bedingungen (die ungeplante unmittelbare Gleichsetzung von abstrakt-allgemeiner Arbeit mit gesellschaftlicher Arbeit in einer Gesellschaft verallgemeinerter Warenproduktion), die diese Illusion nicht nur hervorbringen, sondern auch im täglichen Verhalten als immer schon vorausgesetzt notwendig machen. Im Alltag kapitalistischer Gesellschaften werden selbst noch so große Kritiker des Warenfetischs wie selbstverständlich sich so verhalten, als sei Geld mit einem sachlichen Anspruch auf „absolute Wahlfreiheit“ auf alles und jedes (die Ware an sich)  verbunden. Die Illusionen über das Kapitalverhältnis, ob sie sich auf Waren, Lohn, Zinsen oder sonstiges beziehen, verschwinden eben nicht durch noch so gute Kritik oder „Dekonstruktion“.

Sie werden durch die immanenten Widersprüche im Kapitalverhältnis immer wieder erschüttert, können durch den Kampf zur Überwindung des Kapitalverhältnisses schrittweise zu Bewusstsein gebracht werden – zum Verschwinden aber nur, durch seine Aufhebung und die Überwindung ihrer materiellen Ursachen durch die geplant/bewusste Wiederherstellung des Zusammenhangs von konkretem und gesamtgesellschaftlichem Arbeitsprozess.

Ähnlich sind sexistische Verhaltensweisen, die Missachtung von Frauen, reaktionäre Rollenbilder, die Naturalisierung von Geschlechterverhältnissen etc. nicht durch deren kritische Aufdeckung und Entlarvung ihrer „Falschheit“ zu überwinden, oder durch moralische Appelle an Verhaltensänderung. So wenig wie der Warenfetisch als falsches Bewusstsein, das die Menschen zu absurden warenfetischistischen Verhaltensweisen bringt, das Kapitalverhältnis erzeugt, so wenig ist der Sexismus eine Ideologie, die erst die Frauenunterdrückung hervorbringt.

Umgekehrt: das bestehende Geschlechterverhältnis beruht auf objektiven, materiellen Vorteilen eines Teils der Gesellschaft und erst auf dieser Basis entsteht sexistische Ideologie und Verhaltensweise und wird dann zum wesentlichen Transmissionsriemen der Frauenunterdrückung.

Die objektive gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen zumindest seit der Entstehung von Klassengesellschaften ist eine zweifache: eine Beherrschung der weiblichen Sexualität als Eigentum des Familienvaters oder Patriarchen zwecks eindeutiger Vererbung des angeeigneten Reichtums. Die Einschränkung der sexuellen Promiskuität wird dabei nur für Männer durch Institutionen wie die Prostitution relativiert (Doppelrolle Mutter/Hure). Die Funktion in der patriarchalen Familie der jeweils herrschenden Klasse strahlt mehr oder weniger auf die anderen Schichten der Gesellschaft aus. Zweitens beruht das Unterdrückungsverhältnis auf dem Kommando über die den Frauen zugeordnete Reproduktionsarbeit; auf ein Herr/Magd-Verhältnis, das sich besonders seit dem Feudalismus auch in den unterdrückten Klassen ausgeprägt hat (Hausfrau/Magd-Rolle).

Diese grundlegenden Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse bestimmen die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung, führen aber auch in nur indirekt betroffenen Gebieten zu einem Machtgefälle in der Arbeitswelt. Schließlich setzt sich dies auch im gesellschaftlichen Überbau (Recht, Ideologie, Kultur, Wissenschaft, Politik) durch und wurde über Jahrhunderte verfestigt, verfeinert und institutionalisiert.

Da es sich um ein gesellschaftliches Machtverhältnis handelt, das sich auch auf das Gebiet der menschlichen Sexualität unmittelbar auswirkt, wirkt es auch prägend auf die Persönlichkeitsentwicklung der nachfolgenden Generationen. Wie die Psychoanalyse gezeigt hat, sind die gesellschaftlichen Prägungen der frühkindlichen bis jugendlichen Sexualität derart stark, dass auch noch so bewusst-bemühtes Entgegensteuern die „naturalisierten“ Geschlechterverhaltensweisen kaum verändern kann und selbst eine tiefgehende Therapie bloß pathologische Extremausschläge abmildern kann. Von daher sind sexistische Verhaltensweisen wie auch viel schlimmere Formen der Gewalt gegen Frauen Bestätigungs- und Befestigungsakte für das bestehende Machtgefälle zwischen Männern und Frauen.

Dies heißt nicht, dass dieses Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnis bruchlos funktioniert und nicht auch im bestehenden Gesellschaftssystem Änderungen erzwungen werden könnten. Sowohl das Herr/Magd-Verhältnis wie auch die sexuelle Beherrschung von Frauen führen zu Entfremdungs- und Abhängigkeitsverhältnissen, die auch für Männer letztlich nicht befriedigend und für ein gutes Leben Grundlage sein können. Dazu kommt, dass verschiedene Klassengesellschaften unterschiedliche Bedingungen für die Entwicklung der Frauenunterdrückung bedeuten und auch Unterschiede derselben je nach sozialer Lage hervorbringen.

Es ist richtig, dass das abstrakte Kapitalverhältnis an sich nicht unmittelbar mit Frauenunterdrückung verbunden ist. Sicher ergreift die Verallgemeinerung der Warenform auch die sexuell verdinglichten Frauenrollen, um sie in der Porno-, Werbe- oder Prostitutions- Industrie profitabel verwerten zu können. Wesentlicher ist jedoch, dass das Kapital die kostenlose, nicht-vergesellschaftete Reproduktionsarbeit, die es als „traditionelle Frauenarbeit“ geerbt hat, aufgegriffen hat, und ganz zentral zur Senkung der notwendigen Arbeitszeit (Reproduktion der Ware Arbeitskraft) und damit zur Gewinnung von Mehrwert benötigt. Insofern wird der Druck auf das Arbeitseinkommen im Sinne der nur teilweisen monetären Begleichung der Reproduktionskosten in den Familien der Lohnabhängigen speziell zum Druck auf Frauen – entweder ganz zu Hause zu bleiben oder der Doppelbelastung von Familie und Arbeit ausgesetzt zu werden. Diese Feststellung hat nichts mit einer Akzeptanz von traditionellen Frauenrollen zu tun, sondern erklärt den für lohnabhängige Frauen scheinbar objektiven Zwang, durch den sie wiederum in diese Rollen gedrängt zu sein scheinen.

Diese Verhältnisse sind auch insofern brüchig, als Frauen ihnen tatsächlich Widerstand entgegensetzen können.

Warum Frauen aufgrund der Prägung der Männer bzw. der daraus folgenden „Machtgefälle“ sich notwendigerweise in bestimmten Formen unabhängig organisieren müssen (und nicht den Männern auch noch die Frauenbefreiung überlassen können)

Sexismus ist eine männliche Verhaltensweise, die sich über tausende von Jahren verfestigt hat, dieser ist in allen Klassen präsent, auch in der Arbeiterklasse. De facto dienen der Sexismus und die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft insgesamt dazu, die Arbeiterklasse entlang der Geschlechterlinien zu spalten. Trotzdem ist aber die Arbeiterklasse die einzige Klasse, die kein objektives Interesse daran hat, dass die Unterdrückung und Diskriminierung der Frau weiter bestehen bleibt. Die Möglichkeit des Sturzes des Systems, das alle ArbeiterInnen ausbeutet und zugleich die Frauen gesellschaftlich unterdrückt, wird durch diese Spaltungen behindert. Insofern haben die männlichen Arbeiter ein historisches Interesse am Sturz des Kapitalismus und daran, dabei die Grundlage für die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau zu überwinden. Sie sind daher die wirklichen strategischen Verbündeten der Frauen der Arbeiterklasse im Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung.

Diese Spaltung führte in der Vergangenheit, aber auch noch heute zu Privilegien, die auch viele männliche Arbeiter aktiv verteidigen.

Auf der anderen Seite erhalten Frauen noch heute, obwohl sie oft schon gleich oder sogar besser qualifiziert sind als ihre männlichen Kollegen, für die gleiche Arbeit weniger Lohn und Gehalt.

Die soziale Unterdrückung der Frau hat auch eine „psychologische“ Seite: die schlechtere Stellung von Frauen in den sozialen Hierarchien schadet auch ihrem sozialen Selbstwertgefühl und befördert damit auch wiederum eine Sicht von Männern, Frauen nicht als gleichwertige Subjekte anzusehen, sondern als „Objekte“.

Damit dies durchbrochen werden kann und Frauen auch in der Arbeiterbewegung vollständig und gleichberechtigt teilnehmen können, werden sie selbst darum kämpfen müssen, dass ihre Stimme gehört wird, damit ihre Teilnahme ernst genommen wird, damit die Klasse insgesamt die Forderungen der Frauen aufgreift.

Zum zweiten müssen sich Frauen der Arbeiterklasse selbständig organisieren können, um Frauen zu erreichen, die in der Familie und außerhalb der gesellschaftlichen Produktion gefangen sind und daher leichter für rückständige Ideen gewonnen werden können.

Drittens ist eine eigenständige Organisation von Arbeiterfrauen notwendig, weil Frauen bei Aufständen oder gar revolutionären Bewegungen oft an vorderster Front gegen ihre Unterdrückung kämpfen, nicht zuletzt in der arabischen Revolution und häufig – oft neben der Jugend – die militantesten KämpferInnen innerhalb der Reihen der Ausgebeuteten bilden. Dabei haben sie schon oft die Tendenz gezeigt, eigene Organisationen zu bilden, sei es in existierenden Organisationen wie den Gewerkschaften, seien es eigene Organisationen/Komitees zur Durchsetzung ihrer Forderungen wie die Möglichkeit zur Abtreibung oder gleiche Bezahlung. Oder sie bildeten Frauenorganisationen zur Unterstützung der kämpfenden männlichen Arbeiter wie z.B. in England während des großen Bergarbeiterstreiks in den 80iger Jahren. Diese leisteten immer einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse und fördert die Klasseneinheit und Klassensolidarität. Gleichzeitig stärken die Schaffung solcher Unterstützergruppen die Fähigkeiten von Frauen zur Teilnahme am Kampf und sogar dann, wenn sie auf sexistische Ablehnung trafen.

Dies schließt auch die Notwendigkeit des Aufbaus von Frauengruppen in den Gewerkschaften mit ein, damit Frauen gerade in diesen Organisationen der Arbeiterbewegung ihre besondere Unterdrückung diskutieren und ihr Selbstvertrauen im Kampf stärken können, um mehr Frauen in die Gewerkschaften zu bringen, Klassenbewusstsein zu entwickeln und in der Praxis und Theorie zu erkennen, dass der Kampf um vollständige Emanzipation nur mit der Arbeiterbewegung möglich ist.

Warum die Frauenbewegung im 20. Jahrhundert tatsächlich wesentliche Fortschritte erzielt hat und auch gewisse soziale Umwälzungen erzielen konnte

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist auch eine Geschichte des Kampfes für die politischen und sozialen Rechte von Frauen. Das Frauenwahlrecht existierte selbst für die Frauen aus dem Bürgertum noch nicht und musste erst in zähen Kämpfen errungen werden. Auch heute ist die rechtliche Gleichstellung der Frauen in vielen Ländern der Erde noch Zukunftsmusik.

Auch die soziale Stellung der Frauen, Beschränkungen im Arbeitsleben, Fehlen von Kinderbetreuung und sexistische Ausgrenzung konnten eingeschränkt werden. Aber diese Fortschritte waren – selbst wenn sie wie z.B. die Ausdehnung der Erwerbsarbeit der Frauen auch mit veränderten Erfordernissen der Kapitalverwertung einhergingen – immer auch das Resultat von gesellschaftlichen Kämpfen.

Die Ausweitung des Wahlrechts war in vielen Ländern ein Resultat der revolutionären Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg. Dabei ist auch bezeichnend, dass die meisten substantiellen Veränderungen als Resultat von Kämpfen herbeigeführt wurden, an deren Spitze die Arbeiterklasse stand, in der die Arbeiterinnen eine zentrale Rolle spielten.

Es ist kein Zufall, dass die russische Revolution 1917 auch ein Meilenstein für die Emanzipation der Frauen war. Das trifft nicht nur auf die Einführung des Wahlrechts, sondern auch auf die massive Erleichterung des Scheidungsrechts, den Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung oder Schritte zur Vergesellschaftung der Hausarbeit zu. Selbst in der Roten Armee wurden Frauen als Kämpferinnen und Kommandeurinnen integriert.

Zugleich markierte der Beginn des 20. Jahrhunderts auch einen Meilenstein bei der Herausbildung einer proletarischen, einer sozialistischen und kommunistischen Frauenbewegung.

Doch diese fiel nicht von ungefähr einer inneren Konterrevolution in der Arbeiterbewegung zum Opfer. Der reformistischen Sozialdemokratie war die sozialistische Frauenbewegung einer Clara Zetkin immer schon ein Dorn im Auge – nicht zuletzt, weil sie den Kampf gegen Frauenunterdrückung mit dem Kampf gegen Kapitalismus und imperialistischen Krieg verband. Im Stalinismus wurden die politischen und sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution praktisch rückgängig gemacht. Die „sozialistische Familie“ wurde wieder in ihr Recht gesetzt, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die Mutterrolle der (Ehe)frau ideologisch und rechtlich wieder gefestigt.

Es ist kein Wunder, dass die radikal-feministische, die autonome und auch die sozialistisch-feministische Bewegung der 1960er bis 80er Jahre ein distanziertes bis ablehnendes Verhältnis zum Marxismus hatte angesichts einer durch und durch reformistischen Frauenpolitik von Sozialdemokratie und Stalinismus, aber auch großer Teile der „radikalen Linken“, die den Kampf um Frauenbefreiung nicht nur theoretisch, sondern v.a. praktisch als Nebensache verstanden.

Ohne Zweifel kommt dieser Phase der Frauenbewegung der Verdienst zu, die männlich dominierte Linke „aufgeweckt“, ihr ihren Spiegel vorgehalten zu haben, sie hat zweifellos auch erzwungen, dass sich linke Organisationen ernsthafter zur Frauenfrage verhalten mussten.

Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die radikalen und selbst die sozialistisch-feministischen Strömungen zu falschen Vorstellungen fanden, dass die Gesellschaft von zwei nebeneinander stehenden Widerspruchsverhältnissen – dem Kapitalverhältnis und dem Patriarchat – durchzogen wären, dass somit im Extremfall die Frauen aller Klassen den Männer aller Klassen als Unterdrücker gegenüberstünden.

Hier fand also ein Bruch statt mit der Tradition der sozialistischen Frauenbewegung, die korrekterweise davon ausging, dass sich die proletarischen Frauen unabhängig von der bürgerlichen Frauenbewegung politisch organisieren müssen, da die bürgerlichen Frauen (nicht unbedingt einzelne AktivistInnen) in ihrer Gesamtheit notwendigerweise ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Klassenunterdrückung und daher auch an der Spaltung des Proletariats haben mussten und müssen.

Heute stehen wir vor dem Problem, dass wir nicht von einer Massenbewegung der Frauen  sprechen können. Die feministische „Bewegung“ ist weitgehend zu einer akademischen Veranstaltung geworden.

Dabei ist der Aufbau einer kämpferischen Massenbewegung der Frauen aus der Arbeiterklasse angesichts der verschärften Angriffe in der Krise eine strategische Notwendigkeit. Nur so können die bestehenden Rechte der Frauen gesichert oder neue errungen werden.

Dabei stehen wir auch vor einer offenkundig widersprüchlichen Entwicklung. Noch nie waren so viele Frauen erwerbstätig, Frauen leisten den Großteil der Arbeit der Menschheit. In Ländern wie Indien oder in den arabischen Revolutionen treten Frauen in Massen als Kämpferinnen und Aktivistinnen in Erscheinung. Aber um ihr soziales Gewicht, ihre Masse zur vollständigen Wirksamkeit zu bringen, ist es notwendig, eine proletarische Frauenbewegung neu aufzubauen; eine Bewegung, in der alle politischen Strömungen der Arbeiterklasse vertreten sein sollen und in der revolutionäre, kommunistische Frauen um die politische Führung kämpfen müssen.

Warum viele dieser Fortschritte heute wieder in Gefahr sind, auch wenn sehr viel mehr Frauen aus der Reproduktions- in die Produktionsarbeit gewechselt sind

Auch wenn eine der Errungenschaften der Frauenbewegung der 1970er und 80er Jahre darin besteht, dass Frauen heute sehr gut qualifiziert sind, oft besser als ihre männlichen Kollegen, hat dies an ihrer grundsätzlichen gesellschaftlichen Unterdrückung nichts geändert.

Die soziale Unterdrückung der Frau hat ihre Ursache letztlich in einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Bindung der Frau an die private Hausarbeit. D.h. dass Frauen nach wie vor die Hauptlast der Hausarbeit und der Kinderbetreuung zu tragen haben. Daran konnte auch die Frauenbewegung nichts ändern.

Die bürgerliche Familie hat für Frauen immer noch eine doppelte Unterdrückungsfunktion: Sie führt nicht nur zu einer zeitlichen und nervlichen Doppelbelastung für berufstätige Frauen, sondern dadurch werden Frauen phasenweise aus dem Berufsleben, tw. sogar aus dem gesellschaftlichen Leben überhaupt herausgerissen.

Zum anderen – und eng mit ihrer „Hausfrauenrolle“ verbunden – sind die Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten von Frauen deutlich schlechter als die der Männer.

In Krisenzeiten – wie wir sie gerade erleben – wird diese gesellschaftliche Unterdrückung der Frau auch noch durch eine reaktionäre „Frauen- und Familienpolitik“ verstärkt und alle erkämpften Errungenschaften wieder grundsätzlich in Frage gestellt. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Die Kommunen sparen an sozialen Ausgaben. Als eine der ersten kommunalen Versorgungspflichten wird an der Kinderbetreuung oder bei Kinder- und Jugendeinrichtungen gespart. Bis heute kann der Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht umgesetzt werden. Frauen aus der Mittelschicht oder mit gut bezahlten Jobs können sich eine private Kinderbetreuung durch Tagesmütter z.B. noch leisten, Frauen aus der Arbeiterklasse weniger. Was wiederum gerade Frauen aus der Arbeiterklasse zwingt, zu Hause zu bleiben oder sich mit prekären Jobs wie z.B. als Tagesmutter durchzuschlagen.
  • Die Einführung der „Herdprämie“ gerade zur jetzigen Zeit hat zum Ziel berufstätige, Frauen wieder zurück in die Familie zu zwingen oder Frauen, die in die Berufstätigkeit drängen, zumindest zeitweilig davon abzuhalten und zementiert damit wieder die alte Rollenverteilung in der Familie.

Warum es trotz der gesellschaftlichen Prägung richtig ist, über Verhaltensregeln, Änderungen von Diskussionskultur, positive Diskriminierung etc. in verschiedensten Bereichen und speziell in linken Organisationen um Verbesserungen zu kämpfen und sexistisches Verhalten zu bekämpfen

Wie bereits erwähnt, wirkt der Sexismus auch in die Arbeiterbewegung hinein. Auch linke Organisationen sind nicht von Sexismus oder sexistischem Verhalten der männlichen Mitglieder frei, auch wenn diese Organisationen in ihrem Programm die Emanzipation der Frauen zum Ziel haben. Sexistisches Verhalten ist nicht allein durch Analyse und ein „anderes“ Bewusstsein zu überwinden, es kann immer wieder – auch unbewusst – auch in diesen Organisationen zu sexistischem Fehlverhalten kommen. Letztendlich kann die Unterdrückung der Frau nur durch den Kampf gegen deren gesellschaftlichen Ursachen überwunden werden.

Gerade weil linke Organisationen sich auf die Befreiung der Frau berufen und sich diese ernsthaft zum Ziel setzen, müssen sie den Sexismus auch in ihren eigenen Reihen bekämpfen – nicht nur innerhalb der Arbeiterklasse. Um dies zu leisten, müssen sie spezielle Maßnahmen ergreifen, um Frauen innerhalb der Partei/Organisation – und in der Klasse – zu stärken und zu unterstützen.

Sie müssen das Recht auf gesonderte Treffen von Frauen haben, bei denen sie sich z.B auf bestimmte Treffen aller Mitglieder vorbereiten oder bei denen sie besondere Maßnahmen für die Förderung von Frauen besprechen, um auch Führungs- oder verantwortliche Positionen übernehmen zu können oder sexistisches Verhalten zu überprüfen und Maßnahmen dagegen zu diskutieren etc.

Die Organisation muss eine Kinderbetreuung organisieren, um auch Müttern die Teilnahme an politischen Veranstaltungen zu ermöglichen. Solange die Hausarbeit und das Aufziehen von Kindern nicht vergesellschaftet sind, sind Männer politisch und moralisch verpflichtet, sich an diesen Tätigkeiten entsprechend zu beteiligen.

Auch wenn Frauen diese Rechte garantiert sein müssen, geht es nicht darum, dass die Frauen gesondert und ausschließlich „ihren Kampf“ organisieren müssten, da sie allein die subjektive Erfahrung ihrer Unterdrückung hätten. Die Unterdrückung der Frauen und ihr Verhältnis zur Klassengesellschaft wird nicht durch subjektive Erfahrung allein entdeckt (ebenso wenig wie die Ausbeutung der Arbeiterklasse), sondern erst durch eine bewusste politische Aneignung dessen, was die Ursachen dieser Unterdrückung sind. Dafür müssen sie den Kampf um Befreiung auch innerhalb einer revolutionären Organisation führen.