„Die Blockadehaltung des Senats ist eine absolute Unverschämtheit!“

Interview mit Clara, Berliner Lehrerin, geführt von Christian Gebhardt, Neue Internationale 269, November 2022

Beim letzten Warnstreik gingen 3.500 Kolleg:innen auf die Straße, um ein Zeichen zu setzen, dass es ihnen mit der Forderung nach einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz ernst ist. Wir haben eine der Streikenden zu dieser Tarifauseinandersetzung interviewt.

NI: Hallo Clara, erzähl unseren Leser:innen doch kurz etwas von dir.

Clara: Moin, ich bin Clara und Lehrerin an einer Sekundarstufe in Berlin-Mitte. Neben meinem Beruf als Lehrerin bin ich noch gewerkschaftlich in der Jungen GEW Berlin aktiv und interessiert an einer aktiven Gewerkschaftsarbeit.

NI: Ich arbeite selbst als Lehrkraft an einer Berufsschule in Baden-Württemberg und wir lesen gerade immer wieder etwas von euren Streikaktionen für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz (TV-G). Berichte uns doch kurz von dieser Initiative.

Clara: Der Arbeitskampf rund um den TV-G hat bisher zu mehreren Warnstreiks mit bis zu 3.500 streikenden Kolleg:innen geführt. Der Hauptfokus liegt hier auf der tariflichen Festschreibung der Klassengrößen. Eine Studie der GEW zur Arbeitsbelastung hat diesen Faktor als einen der Hauptpunkte für die Arbeitsbelastung von Lehrkräften herausgearbeitet. Bisher setzt der Senat mittels Verwaltungsvorschriften ohne verbindliche Absprachen mit uns Lehrkräften die Klassengrößen fest. Eine tarifliche Festlegung würde diese Vorgehensweise aushebeln.

NI: Lässt sich der Senat überhaupt auf Verhandlungen oder Diskussionen ein?

Clara: Kurz gesagt: nein! Der Senat schiebt die Verantwortung auf die Tarifgemeinschaft der Länder ab. Berlin ist Teil dieser Gemeinschaft, die die Tarifverhandlungen führt. Da diese jedoch die Diskussion um einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz abgelehnt haben, sieht sich der Senat in Berlin nicht in der Pflicht, Diskussionen mit uns zu führen oder gar ein Angebot auf den Tisch zu legen. In Wechselunterrichtsphasen während der Coronapandemie haben wir Kolleg:innen jedoch praktisch erfahren, wie effektiv Unterricht in kleineren Lerngruppen ist. Die Blockadehaltung des Senats ist eine absolute Unverschämtheit, wir sind stinksauer!

NI: Auffallend bei der Tarifauseinandersetzung ist, dass die GEW sich ausschließlich auf Schulen konzentriert. Gibt es Gründe, wieso nicht auch andere prekäre Bildungseinrichtungen wie Kitas mit einbezogen werden?

Clara: Diese Entscheidung empfinde ich auch als total unverständlich. Gerade in unserer Jungen-GEW-Gruppe haben wir ebenfalls Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen, die regelmäßig von den gleichen Belastungen und vom Druck berichten, größere Gruppen zu betreuen. Gerade während der Coronapandemie war und ist es normal, dass eine Person auch mal zwei Gruppen parallel betreuen muss, da eine Kolleg:in kurzerhand ausgefallen ist. Die GEW argumentiert, dass der Kampf nun erst einmal exemplarisch für die Lehrkräfte geführt werden soll und dann auf andere Berufsgruppen übertragen werden kann. Dies kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, da wir für unsere Forderungen eigentlich viel effektiver streiken und streiten könnten, wenn wir alle Betroffenen mit ins Boot holen würden. Alle im Bildungsbereich tätigen Kolleg:innen haben die gleichen Probleme und benötigen somit die gleichen tariflichen Absicherungen.

NI: Wenn die GEW nur für Teilbereiche streiten möchte, wie macht sich das dann in ihrer Mobilisierung bemerkbar?

Clara: Die Mobilisierung wird eigentlich ganz klassisch von oben organisiert. Die Gewerkschaftsführung ruft zum Streik auf und die Vertrauenspersonen versuchen, dafür an ihren Einrichtungen zu mobilisieren. Darüber hinaus wird die GEW selbst aber nicht aktiv. Sie organisiert wenig bis keine Diskussionsveranstaltungen, um mit Kolleg:innen direkt in Kontakt zu kommen oder Basisstrukturen aufzubauen, die den Streik selbst organisieren und in die Hand nehmen. Gerade dieses Element aus dem Streik der Pflegekräfte hier in Berlin hatte sich sehr positiv auf die Mobilisierung an den Krankenhäusern ausgewirkt. Warum die GEW-Vorstände sich daran kein Beispiel nehmen, kann ich mir nur so erklären, dass sie an einer aktiven Einbindung der Basis kein Interesse haben bzw. nicht wissen, wie diese funktionieren soll.

NI: Wenn ich in meinen eigenen Pausen an der Schule die GEW-Pinnwand anschaue, lacht mich schon seit gut zwei Schuljahren ein Plakat an, auf dem kleinere Klassen gefordert werden. Diese Forderungen wurde ja jetzt nicht gerade neu erfunden. Wie bewertest du das Vorgehen der GEW, um die Ziele der Initiative nun auch wirklich mal zu erreichen?

Clara: Die Blockadehaltung des Senats hat gezeigt, dass die Strategie der Warnstreiks nicht genügend Druck aufbaut, um den Senat zu Verhandlungen zu bewegen. Aus meiner Sicht sollte hier die GEW ihre Schlagzahl erhöhen und mehr Streiks mit weniger Abständen organisieren. Es sollte das Ziel sein, diese in einen Erzwingungsstreik zu verwandeln. Die Vorbereitungen und notwendigen Abstimmungen für einen solchen Erzwingungsstreik könnten jetzt schon parallel zu den häufigeren Warnstreiks durchgeführt werden. Gleichzeitig sollte der alleinige Fokus auf die Schulen aufgehoben werden. Auch wenn dies die Tarifverhandlungen eventuell verkompliziert, sollten wir unsere eigene Kampfkraft nicht schon im Vorhinein selbst einschränken. Alle Kolleg:innen auf die Straße!

Zu guter Letzt sollte sich die GEW ein Beispiel an den Organisationsstrukturen der Krankenhausbewegung in Berlin nehmen. Sie sollte aktiv den Aufbau von Basisstrukturen vorantreiben, die nicht nur für das Verteilen von Flyern und Aufhängen von Plakaten dienen sollten, sondern selbst über die Inhalte und die Koordinierung des Streiks diskutieren und abstimmen sollten. Nur so können wir erreichen, dass wir Kolleg:innen entscheiden, wann Verhandlungen abgebrochen, wann zum Streik aufgerufen und unter welchen Bedingungen wir im positiven Falle den Streik auch wieder abbrechen wollen.

Meine Erfahrungen in vorherigen Kampagnen haben aber gezeigt, dass der GEW-Vorstand seine Kontrolle hier nicht gerne aus der Hand gibt. Mobilisierungen vor Ort werden gerne „basisdemokratisch“ delegiert. Die Inhalte und Entscheidungen werden aber nicht aus der Hand gegeben. Wir benötigen daher basisoppositionelle Strukturen innerhalb der Gewerkschaft, die sich für solche Methoden und Perspektiven der Tarifauseinandersetzung einsetzen und, wenn nötig, sich mit unseren Vorsitzenden darüber streiten.

NI: Vielen Dank für das Gespräch und deine Einblicke in die derzeitige Auseinandersetzung rund um den TV-G. Sollten Leser:innen am Aufbau einer Basisopposition innerhalb der GEW zusammen mit Clara Interesse haben, könnt ihr euch gerne bei uns melden. Wir vermitteln gerne einen Kontakt.




Schulen und Kitas: gewappnet für das beginnende Schuljahr?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 267, September 2022

Die Sommerferien sind in den meisten Bundesländern zu Ende. Die Schüler:innen und Lehrkräfte sind zurück in ihren Schulen, die Kinder und Erzieher:innen in ihren Kitaeinrichtungen. In einer perfekten Welt würden nun alle gestärkt und erholt in ein neues Jahr voller Wissenszuwachs und Entwicklungssprünge starten. Stattdessen stapeln sich die Probleme: die Angst vor einer neuen Coronawelle im Herbst und Winter, der hohe Personalmangel an Lehrkräften bzw. Erzieher:innen wie auch fehlende Psycholog:innen und Sozialarbeiter:innen, um die psychischen Belastungen der Coronapandemie – mit der noch viele Kinder und Jugendliche zu kämpfen haben – sowie die Lernrückstände aufholen zu können.

Fehlende Investitionen

Es ist nichts Neues, dass unser Bildungssystem mit seinen unterschiedlichen Bereichen nicht gut ausfinanziert ist. Die Fortbildungen lassen zu wünschen übrig und die Gebäude benötigen nicht nur mit Hinblick auf bessere Lüftungsanlagen eine Sanierung. Anstatt auf Investitionen dürfen wir uns mit auf kommende Kürzungen gefasst machen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann gibt in Baden-Württemberg rhetorisch denn Weg vor, in dem er größere Klassenteiler vorschlägt oder von Kolleg:innen in Teilzeit eine Stunde Mehrarbeit verlangt. Das grüne Außenministerium lässt schon Taten folgen und kürzt die Mittel des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für rund 6.000 Stipendien. Darüber hinaus wurde in Verhandlungen rund um den Berliner Haushalt lange darüber gesprochen, an drei Posten im Bildungshaushalt zu sparen: 1) an der Schulbauoffensive sollten 136 Millionen Euro eingespart werden, 2) an der Lehrkräftefortbildung 16,5 Millionen Euro und 3)  sollten 5 – 10 Millionen Euro für sogenannte „multiprofessionelle Teams“ (z B. Zusammenarbeit zwischen Erzieher:innen und Lehrkräften mit Schulsozialarbeiter:innen und -psycholog:innen) gekürzt werden. Diese Kürzungen wurden trotz überraschenden Steuermehreinnahmen von 300 Millionen Euro diskutiert und vorgeschlagen. Argumentiert werden sie wie auch fehlende und notwendige Mehrinvestitionen mit allgemeinen Haushaltseinsparungen, die aufgrund des erneut ausgesprochenen Ziels der schwarzen Null durch die Ampelkoalition durchgeführt werden müssten.

Verhinderte Kürzungen in Berlin!?

In der Hauptstadt haben die angekündigten Kürzungen gepaart mit den Steuermehreinnahmen zu einem Aufschrei einiger Initiativen und Organisationen im Bildungsbereich geführt. Die Berliner Initiative „Schule muss anders“, die auch durch die GEW Berlin unterstützt wird, thematisierte die Kürzungen und organisierte eine Mahnwache dazu. Gleichzeitig sprachen sich auch die Bildungspolitiker:innen der drei Regierungsparteien in Berlin (darunter Philipp Dehne von der Linkspartei, der auch in „Schule muss anders“ aktiv ist) gegen die Kürzungen aus und wandten sich an ihre Fraktionsspitzen, um diese zum Einlenken zu bewegen. Schlussendlich könnten sich die Akteur:innen in Berlin über die Rücknahme der Mehrzahl der angekündigten Kürzungen freuen.

Einerseits muss aber die Frage gestellt werden, ob sie wirklich erfolgreich verhindert oder nur nach hinten geschoben wurden. Die schon angesprochene Rhetorik in anderen Bundesländern sowie Bereichen des Bildungssystems und der notwendigen Haushaltseinsparungen werden weitere Einsparungen sehr wahrscheinlich machen. Deshalb muss die Frage der Aktionsform in Berlin näher unter die Lupe genommen werden. Waren eine Mahnwache sowie ein Brief der Bildungspolitiker:innen an die Fraktionsspitzen genug, um die Kürzungen zu verhindern?

Vergegenwärtigen wir uns die allgemeine politische Situation, befindet sich die rot-grün-rote Landesregierung wie alle anderen und die Bundesregierung in einer Situation, in der sie inmitten hoher Kriegsausgaben, einer historischen Inflation und Energiepreissprüngen das kapitalistische System verwalten müssen. In einer Zeit, in der offen von möglichen sozialen Unruhen im Herbst gesprochen wird, die Koalitionsverhandlungen in Berlin alles andere als rund über die Bühne gingen und mit dem Volksentscheid „DeutscheWohnen & Co. enteignen“ schon eine wichtige, soziale Frage in der Hauptstadt von der Koalition mit Füßen getreten wird, kann sich diese mit einem weiteren Wortbruch im Bildungssystem nicht noch weiter gegen ihre Basis und Wähler:innen stellen.

Möglich war dieses Zugeständnis im Bildungsbereich aber nur, weil die Steuermehreinnahmen von 300 Millionen Euro als Verhandlungsbasis zur Verfügung standen. Wäre dieses Geld nicht vorhanden gewesen, hätten „wir alle“ in Berlin den Gürtel auch im Bildungsbereich noch enger schnallen müssen. Solche Zeiten drohen uns durch die massiven Militärausgaben in Zeiten des Ukrainekrieges, der u. a. für die imperialistischen Interessen des deutschen Kapitals geführt wird.

Um uns für kommende Angriffe im Bildungssystem zu wappnen, müssen wir unsere Kämpfe als solche gegen alle kommenden Kürzungen verstehen. Hierfür benötigen wir eine bundesweite Bewegung der Arbeiter:innenklasse gegen die Inflationsauswirkungen und bevorstehende Sparmaßnahmen, ob im Bildungs-, Gesundheits- oder anderen Bereichen des „Sozialstaates“. Die Organisation einer bundesweiten Aktionskonferenz, um vereinzelte Proteste und Initiativen zusammenzuführen, stellt die Aufgabe der Stunde für große Organisationen wie die DGB-Gewerkschaften und Arbeiter:innenparteien dar. Notwendig hierfür ist ein Bruch mit der Sozialpartner:innenschaft sowie den unterschiedlichen Koalitionen mit offen bürgerlichen Parteien.




Tarifrunden in den Sozial- und Erziehungsdiensten: Nicht am Ziel und trotzdem Schluss?

Richard Vries, Neue Internationale 265, Juni 2022

In der Nacht zum 18. Mai wurde erneut derselbe Fehler begangen wie vor kurzem in Verhandlungen um den TVöD-H (Tarifvertrag öffentlicher Dienst-Hessen) und TVöD-L (Länder). Ein völlig unzureichendes Ergebnis, diesmal für einen Rahmentarifvertrag, wurde angenommen.

Die Verhandlungsführungen der Gewerkschaften – ver.di und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) einigten sich auf einen Abschluss, der vor allem durch ein kompliziertes Regelwerk auffällt, dessen Hauptvorzug darin bestehen dürfte, dass es sich leichter schönreden lässt als andere Ergebnisse.

Tatsächlich bekommen die Beschäftigten eine ellenlange Laufzeit von knapp 5 Jahren vom 1. Juli 2022 bis zum 31. Dezember 2026 serviert.

Darüber hinaus konnte die Forderung nach einer Höhergruppierung überhaupt nur für Teile der Beschäftigten umgesetzt werden. Auch die Erhöhungen blieben weit unter den Forderungen, die bis zu 400 Euro betragen hatten. Für die Laufzeit des Vertrages soll es für Erziehende in den Gehaltsgruppen S 2 bis S 11a eine monatliche Zulage von 130 Euro geben. Für Beschäftigte in den Sozialdiensten der Gehaltsgruppen S 11b bis S 12 sowie S 14 und S 15 sind es immer noch Reallohnverlust bedeutende 180 Euro. Bei einer Inflation von derzeit fast 8 % gibt es nämlich durchschnittlich nur eine 3,7-prozentige Anpassung. Zudem muss man bedenken, dass die Gehaltsaufstockungen sich über die gesamte lange Laufzeit von fünf (!) Jahren nicht verändern.

Wird die Zulage anteilig umgewandelt, können zu 2 beschlossenen Entlastungstagen jährlich 2 weitere hinzukommen. Fraglich bleibt, wie diese im dicht gestrickten Berufsalltag überhaupt gewährt werden sollen. Immerhin haben Vor- und Nachbereitungszeiten eine Erhöhung von 19,5 auf 30 Stunden erfahren. Praxisanleitung wird derweil mit 70 Euro im Monat vergütet, jedoch nur wenn der Anteil an Ausbildungsanleitung 15 % der  Arbeitszeit übersteigt.

Für Heilerziehungspflegende soll nun ihr Ausbildungsentgelt tariflich geregelt werden. In der Behindertenhilfe wurde eine erhöhte Wohnzulage über 100 Euro beschlossen. Wer durch erworbene Berufspraxis mit mehr Tempo in höhere Stufen aufsteigen will, wird jedoch mit einer Wartezeit bis zum 1. Oktober 2024 rechnen müssen.

Ver.di-Spitze rechnet das Ergebnis schön

Von Seiten ver.dis heißt es auf Instagram neben dem trügerischen Hinweis, dass im Januar 2023 sowieso wieder der Vergütungstarifvertrag TVöD verhandelt werde, bloß: „Das Ergebnis werden wir jetzt natürlich mit unseren Mitgliedern diskutieren.“ Die lassen hier aber bereits gefrustet ihre dicke Luft raus oder können es erst gar nicht glauben. Die Gewerkschaft vertröstet nur vage, „ dass Themen wie Personalaufbau, Personalschlüssel … nicht in der Tarifrunde, sondern gesetzlich geregelt werden müssen“.

Die Verhandlungs„partnerin“ VKA prangert zwischenzeitlich insbesondere eine „Sonderstellung“ der in Sozial- und Erziehungsdiensten Beschäftigten an und faselt in der FAZ vom 20. Mai 2022 von „herausfordernden“ Ergebnissen. Sondervermögen werden hierzulande wohl ausschließlich für Aufrüstung akzeptiert.

Ver.di-Vorsitzender Frank Werneke selbst meint wiederum ganz im Sinne dieser „Sozialpartnerin“, mithilfe der derzeitigen Ergebnisse „wirksam gegen Fachkräftemangel vorzugehen“. Eine Entscheidung dazu wird es spätestens nach der Mitgliederbefragung bis Mitte Juni 2022 geben.

Hauptforderungen und Arbeitsbedingungen

Wie schlecht der Abschluss wirklich ist, verdeutlicht ein Abgleich mit den drei Hauptforderungen für die Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE). Die ver.di-Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst hatte am 17. Dezember 2021 beschlossen: erstens eine Besserung der entkräftenden Arbeitsbedingungen, zweitens Gehaltserhöhungen sowie drittens ein Vorgehen gegenüber dem ausufernden Fachkräftemangel. Laut ver.di werden jetzt schon 170.000 Fachkräfte zusätzlich an Kitas benötigt. Weitere 70.000 werden bis 2025 wohl noch hinzukommen.

Kommunal gut 245.000 Erzieher:innen, 55.000 Sozialarbeiter:innen und -pädagog:innen sowie 30.000 Heilpädagog:innen und in der Behindertenhilfe Tätigen fehlt es akut an Raum, Zeit sowie an personeller und gesundheitlicher Stabilität. Durch Krieg und Krise steigt die Last zusätzlich. Geschlechtliche Ungleichverteilung wie auch (rassistische) Ausbeutung im Kapitalismus spiegeln sich in den prekären Bedingungen der unverzichtbaren, gesellschaftlichen Fürsorgearbeiten wider. Ein Viertel der Erzieher:innen würde den untragbaren Job sogar augenblicklich hinschmeißen wollen, was eine nochmals verschärfte Personalsituation zur Folge hätte. Es schrie also nur so nach konsequentem, branchenweitem Streik!

Arbeitskampf

Bereits seit Sommer 2020 wurde mit coronabedingten Unterbrechungen der Tarifvertrag SuE verhandelt. Die Fortsetzung der Auseinandersetzung von Ende Februar 2022 lieferte zunächst kein Ergebnis für die rund 330.000 kommunal Tätigen. Verhandlungsrunde Nr. 2 zwischen VKA und ver.di blieb bis Ende März 2022 weiterhin ohne Angebot der kommunalen Seite. Wiederholte Warnstreiks über mehrere Monate waren die Folge.

Allein an die 26.000 Beschäftigte kamen deutschlandweit zu Warnstreiks am 4. Mai 2022 zusammen. Kindergärten und Betreuungen an Schulen blieben währenddessen vereinzelt v. a. in Städten geschlossen. Wie ver.di rief gleichfalls die GEW zwischen dem 11. und 13. Mai erneut in verschiedenen Städten und Bundesländern bis zu 50.000 zu Warnstreiks auf. So forderten etwa die Kitavernetzung Frankfurt und die Betriebsgruppe ASB-Lehrerkooperative unter dem Banner von ver.di und GEW zusammen den TVöD für alle. Momentan wird das Gehalt derer, die zwar im SuE beschäftigt, aber nicht kommunal, sondern bei einem freien oder kirchlichen Träger tätig sind, (oftmals nur teilweise) an das Ergebnis der Tarifrunde angeglichen. Das ist relevant für nunmehr mehr als 1,2 Million weitere Beschäftigte in Sozial- und Erziehungsdiensten. Mehr als 83 % davon sind Frauen.

Wichtig und richtig war, dass es auch Verstärkung von gleichgesinnter Seite gab: U. a. Pflege- und Klinikbeschäftigte hatten sich etwa in Baden-Württemberg mit einem weißen Block den Kämpfenden im SuE angeschlossen. Gemeinsam forderten sie mehr Personal, Entlastungen und Aufwertungen.

Wie weiter?

Wirklich kämpferische und politische Forderungen, wie sie auch von gewerkschaftlicher (Basis-)Seite sonst in der Öffentlichkeit immer wieder zu hören sind, fanden zu keiner Zeit ihren Niederschlag in den Warnstreiks. Im Gegenteil ließ Werneke bereits vor Ende der 3. Verhandlungsrunde öffentlich verlauten, „nicht wochenlang streiken“ zu wollen, „um die Belastung nicht noch mehr zu vergrößern“. Die Sozialpartner:innenschaft lässt er hier deutlich durchblicken und auch die nie direkt mitverhandelnde GEW distanziert sich fälschlicherweise keineswegs davon. Was aber belasten denn einige weitere Wochen Arbeitskampf gegenüber Jahrzehnten voller Überbeanspruchung?

Nun hat die dritte Tarifrunde am 16./17. Mai in Potsdam gezeigt, dass es weitere Schritte braucht. Es ist eben genau diese selbst geschaffene Aussichtslosigkeit, die verdeutlicht, dass gerade jetzt aktive Basisstrukturen in den Einrichtungen geschaffen werden müssen. Der Kurs der Sozialpartner:innenschaft kommt letztlich nur den sog. Arbeitergeber:innen zugute. Zugleich verschärfen faule Kompromisse nicht nur den Notstand im Erziehungswesen und die chronische Überlastung der Beschäftigten. Sie unterminieren auch die gewerkschaftliche Organisation und Kampfkraft, die die Kolleg:innen in den letzten Jahren immer wieder gezeigt haben.

Daher brauchen wir nicht nur aktive Basisstrukturen und von unten gewählte und abwählbare Aktions- und Streikkomitees. Wir brauchen vor allem eine organisierte antibürokratische Basisopposition, die all jene Beschäftigten sammelt, die für eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik und ein Ende der sozialpartnerschaftlichen Unterordnung eintritt, für die die Apparate stehen.

Das Ergebnis muss auf Betriebs- und Gewerkschaftsebene diskutiert und in der kommenden Mitgliederbefragung zurückgewiesen werden. Eine Urabstimmung findet ja nach Warnstreiks nicht statt. Nur so kann der früher oder später in den Verhandlungen einknickenden Gewerkschaftsbürokratie nachhaltig etwas entgegengesetzt werden, wenn sich die mit dem Abschluss Unzufriedenen in ver.di und GEW jetzt entsprechend zusammenschließen und organisieren. Nur dann können wirkliche Verbesserungen mit der Umsetzung branchenweiter und politischer Forderungen gelingen. Was gegenwärtig fürs Ziel gefragt ist, lässt sich in drei Worte zusammenfassen: Mut zur Ablehnung!




Schulschließungen – wer entscheidet?

Christian Gebhardt, Infomail 1176, 19. Januar 2022

Die Omikronwelle trifft nun „überraschend“ Deutschland. Auch wenn sich die Mitteilungen mehren, dass die Krankheitsverläufe milder verlaufen und weniger Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen als in den vorherigen Wellen, ist die schiere Wucht der Infektionszahlen erdrückend. Dies wird in den nächsten Wochen die Gesellschaft vor viele Probleme in den „systemrelevanten“ Bereichen stellen. Ob Bildung und Gesundheit der Kinder zu diesen gehören, wird vonseiten der Politik und EntscheidungsträgerInnen mit einem klaren Nein beantwortet. Die Schulen und Kitas sollen unter allen Umständen offen bleiben, damit die Wirtschaft weiterlaufen kann.

Stattdessen sieht die Regierung als „Lösung“ des Problems die Verkürzung der Quarantäne vor und eine faktische Durchseuchung. Diese wird von den meisten Verantwortlichen nun als unumgänglich angesehen. Es wird seit einigen Tagen nicht mehr davon gesprochen, ob unsere Gesellschaft überhaupt durchseucht werden soll, sondern nur noch davon, wann der richtige Zeitpunkt dafür da ist und wie schnell diese vonstattengehen kann. Eine kategorische Ablehnung der Durchseuchungsstrategie ist nicht mehr erkennbar.

Vielmehr soll sie faktisch helfen, den grundlegenden inneren Widerspruch aufzulösen, der auch der bisherigen Corona-Politik zugrunde lag. Einerseits sollen der Kreislauf des Kapitalismus und die Profitmacherei möglichst aufrechterhalten werden, andererseits soll der Pandemie so weit Rechnung getragen werden, dass das Gesundheitswesens nicht überlastet wird und eine zu rasche und extreme Ausweitung des Virus nicht Infrastruktur und Produktion lahmlegt, weil zu viele zur gleichen Zeit erkranken.

Schulen und Kitas offenhalten – mit allen Mitteln?!

Aus den letzten Wellen wurde von Seiten der herrschenden Klasse vor allem eins gelernt: die Schließung von Bildungseinrichtungen ist viel zu schädigend für die Wirtschaft. Die Arbeitskraft der Erziehungsberechtigten wird dadurch auf Kosten ihrer Ausbeutung zu stark für die Aufsicht über ihre Kinder eingespannt.

Auch nimmt der internationale Konkurrenzdruck durch die lockeren Restriktionen in Ländern wie dem Vereinigten Königreich (Großbritannien) oder den USA dermaßen zu, dass sich die deutsche Wirtschaft Schließungen im großen Maßstab nicht nochmal leisten möchte. Finanziell leisten könnte sie es sich selbstverständlich. Im Gegensatz zu den eher trägen Verhältnissen in Deutschland regt sich in anderen Ländern Europas bereits Widerstand gegen die staatlich verordnete Durchseuchung des Bildungs- und Erziehungsbetriebes. Allein in Frankreich haben Zehntausende LehrerInnen aus Grund- und weiterführenden Schulen gemeinsam mit ihren SchülerInnen einen Großteil der Schulen des Landes bestreikt. In Griechenland haben SchülerInnen über 300 Schulen besetzt oder die Eingänge blockiert, um sich und ihre MitschülerInnen vor Infektionen zu schützen. Auch in Österreich haben SchülerInnen gegen eine verfehlte Bildungspolitik unter Pandemiebedingungen gestreikt.

Die Gewerkschaften spielen in Frankreich eine Schlüsselrolle in der Mobilisierung. In Österreich blieben sie allenfalls zurückhaltend und drückten ihre Solidarität mit den Protesten auf Druck der Massen nur zaghaft aus.

Interessant ist auch, darauf zu achten, was die deutschen Gewerkschaften im Bildungsbereich vorschlagen. Alle haben sich rhetorisch mehr oder weniger kritisch gegen die Entscheidung der KultusministerInnenkonferenz gestellt, die Bildungseinrichtungen auch trotz Omikronwelle offen zu halten. Die beschlossenen Maßnahmen tragen jedoch alle mit. Eine aktive Mobilisierung gegen die getroffenen Entscheidungen und die Artikulierung einer Alternative ist von keiner der Gewerkschaften zu vernehmen.

GEW

Was schlägt zum Beispiel die Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft (GEW) vor? Die Entscheidung, die Schulen auf alle Fälle offen zu halten, wurde auch von ihr kritisiert, jedoch schlussendlich angenommen und verteidigt. Man gibt sich jedoch „realistisch“ und spricht davon, dass es zu lokalen Schulschließungen kommen wird. Dies solle aber so gut wie möglich abgefangen werden durch die Bereitstellung von Luftfilteranlagen, FFP2-Masken für KollegInnen und SchülerInnen, die Ausweitung der Impfkampagne und Verfügbarkeit von omikronsensitiven Schnelltests. Was schlägt aber die GEW für die Zwischenzeit vor bzw. welche Maßnahmen sollen uns dabei helfen, diese Forderungen auch umzusetzen? Eine Antwort darauf sucht man vergeblich.

Die Vorsitzende der GEW, Maike Finnern, ging in einem Interview mit der Wirtschaftswoche sogar soweit, die Überlegung zu äußern, Lehrkräfte, die sich in Quarantäne befinden, könnten auch von zuhause aus arbeiten, um den Schulablauf abzusichern. Dies solle natürlich nur geschehen, wenn sich der/die KollegIn gesund fühlt, die technischen Gegebenheiten an der Schule vorhanden sind und genügend Personal vorhanden ist, um die Aufsicht sicherzustellen. Dies ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht aller an den Schulen und eine Forderung nach Mehrarbeit für genau die, die Maike Finnern vorgibt zu vertreten, nein, es würde ebenfalls bedeuten, dass die Bildungsschere bei Anwendung dieser Überlegungen noch weiter auseinandergeht. Die von Maike Finnern formulierten Voraussetzungen sind überwiegend in gut ausgestatteten Schulen und höheren Bildungseinrichtungen gegeben und somit hauptsächlich in sozial stärkeren Schichten der Gesellschaft. Mensch könnte auch sagen: Danke für nichts!

Nichtsdestotrotz müssen wir uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, wer über eventuelle Schulschließungen entscheidet und wie, wenn die Omikronwelle eine Schule oder Kita zu hart trifft, um den Regelbetrieb aufrechtzuerhalten? Hier gab es eine erfrischende Äußerung von Tom Erdmann von der Berliner GEW. Er forderte, dass nicht nur die Schulleitungen über eine mögliche Schulschließung entscheiden sollten.

Es sollen stattdessen die jeweilige Schulkonferenz und somit auch die SchülerInnenschaft, die Eltern und das Kollegium mit einbezogen werden. Ein solcher demokratischer Entscheidungsprozess ist stark zu begrüßen, auch wenn natürlich nicht nur eine Einbeziehung der Schulkonferenz in die Entscheidung der Schulleitungen nötig ist, sondern die verbindliche Entscheidungsgewalt von Beschäftigten, Eltern und SchülerInnen.

Vor allem aber stellt sich die Frage, wie die Forderung vonseiten der Berliner GEW durchgesetzt werden soll? Das alleinige Formulieren des Zieles bringt uns leider nicht weiter. Was wir brauchen, ist eine Mobilisierung und Durchführung von Aktionen zusammen mit den SchülerInnen- und Elternvertretungen. Hierfür sollte die GEW Berlin auf diese Organisationen und Vertretungen zugehen und gemeinsame Aktionen planen.

Die Notwendigkeit einer bundesweiten Bewegung!

Die Berliner GEW muss aber darüber hinausgehen. Wie die vorherigen Wellen eindrucksvoll bewiesen haben, sind alle Bundesländer davon betroffen. Daher benötigen wir nicht nur Aktionen und Mobilisierungen in einem Landesverband. Was wir brauchen, sind bundesweite Aktionen, um dafür zu kämpfen, dass die KollegInnen, SchülerInnen und Erziehungsberechtigten gemeinsam entscheiden, wann eine Schule geschlossen und wieder geöffnet werden soll. Die GEW darf auch nicht vor Demonstrationen und Mobilisierungen auf der Straße zurückschrecken. Die Erfahrungen der Mobilisierungen in der Tarifauseinandersetzung an Berliner Krankenhäusern haben gezeigt, wie wichtig eine aktive Mobilisierung auf den Straßen sowie eine demokratische Kontrolle der Proteste durch die Beschäftigten selbst ist!

Kitas nicht wieder vergessen!

Die derzeitige Debatte fokussiert sich wie in den letzten Wellen auch wieder hauptsächlich nur auf die Schulen. Einen weiteren sehr großen und gesundheitlich noch viel prekäreren Bereich stellen jedoch die Kitas dar. Auch diese sollten in eine bundesweite Kampagne für sichere Bildungseinrichtungen durch die GEW (und ver.di) einbezogen und mitgedacht werden. Die Frage der Notbetreuung, Personalmangel und -ausfall spielen auch dort eine sehr wichtige und dringende Rolle. Dies vor allem dadurch, dass es sich hierbei um die Bildungseinrichtungen handelt, in denen ein gutes Testsystem schwer zu etablieren ist und die KollegInnen einer größeren Gefahr ausgesetzt sind, da es keinen Impfstoff für diese Altersgruppe gibt.

Wir schlagen daher Folgendes vor:

  • Vollversammlungen der Beschäftigten an Schulen und Kitas, um über die aktuelle Lage zu diskutieren, Forderungen zur Pandemiebekämpfung im Interesse von Beschäftigten, SchülerInnen und Eltern zu beschließen. Bei den Versammlungen sollen Aktionskomitees an Schulen und Kitas gebildet werden.
  • Eine bundesweite Mobilisierung basierend auf diesen Strukturen, um auf die unsichere Lage an den Bildungseinrichtungen hinzuweisen und den Forderungen der GEW nach Luftfiltern, Masken für alle, einer flächendeckenden Impfkampagne und der Bereitstellung von omikronsensitiven Tests Gewicht zu verleihen.
  • Vollversammlungen von Beschäftigen, SchülerInnen und Eltern an jeder Schule oder Kita sollten entscheiden können, wann der Betrieb ihrer Bildungseinrichtung sicher ist und wann nicht. Sollte eine Bildungseinrichtung geschlossen werden müssen, muss den Erziehungsberechtigten bezahlter Sonderurlaub gewährt werden.
  • Bundesweiten Aufbau von Basisgruppen von GEW und ver.di an Schulen und Kitas, um die pandemische Lage zu diskutieren und eine solche Kampagne voranzutreiben.
  • Eine Verbindung der Kampagne mit der #ZeroCovid-Strategie! Die Bildungseinrichtungen können nur ein Baustein im Kampf gegen die weitere Pandemieentwicklung sein. Was wir benötigen, ist die internationale Durchsetzung einer #ZeroCovid-Strategie, um unseren Kindern nicht nur eine möglichst reibungslose Bildung auch zu Pandemiezeiten zu gewähren, sondern auch um ihre körperliche Unversehrtheit und Gesundheit zu schützen.



Wir wollen die FÜNF! Vom Warnstreik zum Vollstreik!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1169, 9. November 2021

Gebt uns fünf! So lautet der Slogan der Gewerkschaften bei den laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst: 5 % mehr Lohn, mindestens 150 Euro und eine Laufzeit von einem Jahr. Zusätzlich zu diesen Hauptforderungen geht es um 100 Euro mehr für alle Auszubildenden, eine stufengleiche Höhergruppierung für die Angestellten, einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte sowie bessere Arbeitsbedingungen für prekär beschäftigte Hochschulangehörige. Nach Jahren des Verzichts stellen diese Forderungen eigentlich das Minimum dessen dar, was uns zusteht. Die Arbeiter„geber“Innen sehen dies aber natürlich anders und sperren sich. Dies sollte uns aber nicht verwundern.

5 % mehr Lohn bei einer Laufzeit von einem Jahr sind mehr als geboten. Wenn wir dies mit der derzeitigen Inflation vergleichen, und gemessen an den Zugeständnissen und Opfern während der Pandemie sind die 5 % viel bescheidener, als sie klingen. Ja, eigentlich sollte unsere Forderung höher ansetzen, um nicht nur unsere Löhne der derzeitigen Inflation anzupassen, sondern sie auch zu erhöhen: 8 – 10 % wären eigentlich angemessen!

Aber eine Forderung ist noch kein Ergebnis. Verhandlungen allein werden die sog. ArbeitergeberInnen nicht beeindrucken, weder bei Prozenten noch der Laufzeit. Die warmen Worte zu Pandemiezeiten zählen am Verhandlungstisch nicht. Egal ob wir 5 % oder mehr fordern, eins ist klar: uns wird nichts geschenkt! Im Gegenteil wir werden Beleidigungen hören wie „irrational“ oder „überzogen“!

Vom Warnstreik …

Warnstreiks sind eine erste Antwort auf die Mauertaktik der Gegenseite. Bisher konzentrieren sie sich aber auf punktuelle Aktionen an einzelnen Tagen in einzelnen Regionen. Doch das kann nur ein erster Schritt sein. Sie erfüllen ihren Zweck, wenn sie genutzt werden, um möglichst viele Kolleginnen und Kollegen zu erreichen, zu informieren und zu aktivieren. Deshalb sollten sie überall stattfinden. Aber um den Widerstand der anderen Seite zu durchbrechen, ist etwas anders nötig!

… zum unbefristeten Vollstreik

Werden einzelne Nadelstiche die Arbeiter„geber“Innen zum Umdenken veranlassen? Sicher nicht. Nur durch Druck auf der Straße und in den Dienststellen werden wir es schaffen können, unsere Forderungen durchzusetzen. Die Verhandlungsrunde hat schon gezeigt, was die Gegenseite von unseren Forderungen hält. Sie verweisen auf leere Kassen und die Schuldenbremse. Und diese politischen Vorgaben der bürgerlichen Politik, der alten Regierung und der neuen KoalitionärInnen sollen wir einfach schlucken?

Dabei hat selbst die Reaktion der Regierungen auf die Pandemie gezeigt, wie schnell und wie viel Geld da ist, wenn es politisch gewollt wird. Da verdienen sich manche Firmen mit Masken oder Impfstoff dumm und dämlich, die Reichen werden noch reicher und die arbeitende Bevölkerung bekommt die Rechnung! Die fünf Prozent sind locker finanzierbar, wenn das Kapital zur Kasse gebeten würde: Spitzensteuersatz hoch, Vermögenssteuer einführen!

Keine Illusionen in die nächste Verhandlungsrunde!

Es ist daher klar, dass bei der nächsten, dritten Verhandlungsrunde kein für uns befriedigendes Ergebnis rauskommen wird, wenn wir den Kampf nicht auf eine höhere Stufe schrauben. Ansonsten droht ein mieser Abschluss wie in Hessen mit vier Prozent bei 28 (!) Monaten Laufzeit. Die Gewerkschaften müssen daher den nächsten Schritt vorbereiten – Urabstimmung und bundesweiten Vollstreik, bis unsere Forderungen voll durchgesetzt sind!

Raus auf die Straße – Aufbau von Streikkomitees

Den obigen Punkten wird als Argument schnell entgegengebracht: „Wie sollen sich denn die VerhandlungsführerInnen neben den Verhandlungen auch noch um das alles kümmern?“ Wir entgegnen: „Das müssen sie gar nicht! Es müssen Basisstrukturen in allen Betrieben, Einrichtungen und Verwaltungen aufgebaut werden.“ Diese könnten nicht nur Streikmobilisierungen für dem derzeit laufenden Tarifkampf vorbereiten und durchführen, sondern auch Solidaritätsarbeit mit der Bevölkerung organisieren: Gespräche mit vom Streik betroffenen Menschen wie z. B. Eltern oder PatientInnen führen und sie für die Unterstützung des Streikes gewinnen. Wenn wir bessere Arbeitsbedingungen haben, können wir auch bessere Leistungen erbringen. Wir können uns ruhig ein Beispiel an der vorbildlichen Öffentlichkeitsarbeit im Berliner Krankenhausstreik nehmen, der zeigte, wo’s langgehen kann.

Gleichzeitig könnten solche, den Mitgliedern verantwortliche und von diesen gewählte Streikkomitees auch den Kontakt zu KollegInnen unterschiedlicher Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes bzw. einer Bildungseinrichtung, aber auch darüber hinaus organisieren. So könnten Themenfelder und Forderungen gemeinsam erarbeitet werden, um mobilisierungsstark und dynamisch die Tarifrunde zu führen. Dies sollten wir für unsere Streiks nutzen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt solcher Streikkomitees wäre aber nicht nur, den „Rücken unserer VerhandlungsführerInnen freizuhalten“, sondern auch die Möglichkeit, die Verhandlungsergebnisse und einen Abschluss kollektiv zu diskutieren und zu bestimmen.

  • Volle Erfüllung der Forderungen! Urabstimmung und Vollstreik vorbereiten! Aktionskomitees bilden!
  • Die Reichen sollen zahlen! Höherer Spitzensteuersatz und eine Vermögens- und Erbschaftssteuer!
  • Kontrolle über Verhandlungen und Aktionen durch Vollversammlungen, gewählte Streik- und Aktionskomitees!

Falls Du Interesse an einer aktiveren Gewerkschaft hast und Dich in einer klassenkämpferischen Basisopposition dafür einsetzen möchtest, dass die Gewerkschaftsstrukturen basisdemokratischer und aktiver für unsere Interessen genutzt werden, dann tritt gerne mit uns in Kontakt: mail@arbeiterinnenmacht.de

Anhang: Und was ist mit dem Schutz unserer Gesundheit?

Viele von uns haben sich sicher schon die Frage gestellt. Warum spielen keine Gesundheits- sowie Personalfragen eine Rolle in der jetzigen Tarifrunde? Die ersten zaghaften Mobilisierungen der LehrerInnen in Berlin rund um die Initiative „Tarifvertrag Gesundheit“ sowie die langanhaltenden Arbeitskämpfe im Gesundheitsbereich, u. a. erst zuletzt in den Berliner Krankenhäusern, haben uns gezeigt, dass diese Themen wichtig sind und sich darum KollegInnen in großen Zahlen mobilisieren lassen. Warum wurde dies aber nicht zum bundesweiten Fokus der derzeitigen Tarifverhandlungen gemacht bzw. lokal in die Kampagne integriert? Wieso hält sich die Berliner GEW derzeit mit ihrer Mobilisierung rund um ihre Forderung nach einem „Tarifvertrag Gesundheit“ zurück und verschiebt weitere Aktionen ins neue Jahr?

Das Argument unserer Gewerkschaftsvorstände lautet hier, dass Forderungen nach dem Gesundheitsschutz bzw. zur Entlastung in dieser Tarifrunde nicht verhandlungsfähig wären, d. h. diese „Punkte“ würden derzeit nicht zur Diskussion auf dem Tisch liegen. Jede Seite kann bei Verhandlungen Forderungen einbringen. Das können auch unsere Verhandlungsdelegationen. Die Themen sind alle lange bekannt und die vierte Welle der Pandemie macht viele davon dringend!

Eines ist richtig: Mehr Stellen und mehr Gesundheitsschutz kriegen wir genauso schwer wie eine ordentliche Tariferhöhung. Alle diese Punkte erfordern nicht nur den Willen zur Mobilisierung der ganzen Kraft, sondern auch, dass die Gewerkschaftsführungen mit ihrem Stillhalten im Umgang mit der Pandemie brechen müssen! Sie haben sich im Sinne der SozialpartnerInnenschaft eng an die Seite der Regierung sowie des Kapitals gestellt und malen das Bild einer gemeinsam notwendigen Anstrengung, um die Coronapandemie zu überwinden. Dies bedeutete für die Beschäftigten letztes Jahr absolute Passivität auf der Straße, Nullrunde, erhöhten Arbeitsaufwand bzw. Mehrarbeit im Beruf und gesundheitlich unsichere Arbeitsbedingungen. Jetzt, wo die Regierung den pandemischen Notstand für beendet erklärt, zeigt sich das Fatale dieser Seite der SozialpartnerInnenschaft erneut. Die Beschäftigten müssen sie in Form erhöhter Gesundheitsrisiken und zusätzlicher Belastung nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in den Kitas oder Schulen ausbaden.




Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Gebt uns fünf!

Christian Gebhardt, Neue Internationale 260, November 2021

Gebt uns fünf! So lautet eine Forderung der derzeit laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder: 5 % mehr Lohn, mindestens 150 Euro und eine Laufzeit von einem Jahr. Zusätzlich zu diesen Hauptpunkten fordern die beteiligten Gewerkschaften – allen voran die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di – 100 Euro mehr für alle Auszubildenden, eine Höhergruppierung der Beschäftigten sowie einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte neben besseren Arbeitsbedingungen für prekär beschäftigte Hochschulangestellte.

Klingen 5 % mehr Lohn bei einer Tariflaufzeit von einem Jahr zunächst einmal sehr radikal, vergeht einem das Lachen innerhalb von Minuten, wenn man dies mit der aktuellen Inflation von über 4 % vergleicht. Gleichzeitig steht natürlich wie bei jeder Tarifverhandlung auch noch die Frage im Raum, ob es überhaupt zu einem Abschluss von 5 % kommt oder  die Gewerkschaften Kompromisse eingehen und entweder bei der Frage der Prozente zurückschrauben oder die Vertragslaufzeit verlängern werden.

Gerade für die unteren Lohngruppen spielt der finanzielle Aspekt eine zentrale Rolle. Schon in den letzten Jahren blieben große Teile des öffentlichen Dienstes mehr und mehr hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurück. Die Preissteigerung lebensnotwendiger Güter wie Wohnung, Heizung und Strom liegt zudem noch deutlich über der Inflationsrate, sodass eigentlich 5 % längst nicht genug sind, um die Kaufkraft zu halten. In Anbetracht dieser Fakten müsste eigentlich ein Plus von 8 – 10 % gefordert werden.

Führung der Kampagne

Dabei ist der finanzielle Aspekt der Tarifrunde für viele KollegInnen längst nicht das einzige, für manche nicht einmal das drängendste Problem.

Die KollegInnen im öffentlichen Dienst – vom Gesundheitswesen, über Verwaltungen bis hin zum Bildungswesen stehen angesichts der Inflation voll hinter den monetären Forderungen. Jedoch spielen die Fragen des Gesundheitsschutzes, der weiteren Strategie der Pandemiebekämpfung, der Arbeitsüberlastung und des Personalmangels eine zentrale, wenn nicht die entscheidende Rolle im Alltagsgeschäft – und faktisch keine in der Tarifrunde.

Die ersten zaghaften Mobilisierungen der LehrerInnen in Berlin rund um die Initiative „Tarifvertrag Gesundheit“ sowie die lang anhaltenden Arbeitskämpfe in den Berliner Krankenhäusern haben gezeigt, dass diese Themen den Beschäftigten wichtig sind und sich auch darum mobilisieren lässt. Warum wurde dies aber nicht zum bundesweiten Fokus der derzeitigen Tarifverhandlungen gemacht bzw. lokal in die Kampagne integriert? Wieso hält sich die Berliner GEW derzeit mit ihrer Mobilisierung rund um ihre Forderungen nach einem „Tarifvertrag Gesundheit“ zurück und verschiebt weitere Aktionen ins nächste Jahr?

Das Argument der Gewerkschaftsführungen lautet hier, dass Forderungen nach Gesundheitsschutz in dieser Tarifrunde nicht verhandlungsfähig wären, d. h. diese „Punkte“ würden derzeit nicht zur Diskussion auf dem Tisch liegen. Hier wird aber gerne vergessen, dass es auch die Gewerkschaftsführungen sind, die die Diskussionspunkte und Schwerpunkte beschließen. Somit könnten sie auch Gesundheitsfragen auf die Tagesordnung setzen und zum Fokus dieser Verhandlungsrunde erklären.

Ein solcher zusätzlicher Schwerpunkt der Verhandlungsrunde würde aber bedeuten, dass die Gewerkschaftsführungen mit ihrer derzeitigen Strategie im Umgang mit der Pandemie brechen müssten: die Ausfüllung ihrer Rolle als stillhaltende SozialpartnerInnen! Hierbei stellen sie sich eng an die Seite der Regierung sowie des Kapitals und malen das Bild einer gemeinsam notwendigen Anstrengung, um die Coronapandemie zu überwinden. Dies bedeutete für die Beschäftigten letztes Jahr absolute Passivität auf der Straße, Nullrunde, erhöhten Arbeitsaufwand bzw. Mehrarbeit im Beruf und gesundheitlich unsichere Arbeitsbedingungen. Jetzt, wo die Regierung den pandemischen Notstand für beendet erklärt, zeigt sich das Fatale der SozialpartnerInnenschaft erneut. Die Beschäftigten müssen sie in Form erhöhter Gesundheitsrisiken und zusätzlicher Belastung nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in den Kitas oder Schulen ausbaden.

Die Gewerkschaftsspitzen wiederum sind nicht daran interessiert, diese Strategie aktiv zu ändern. Ein Ausdruck dessen ist hier das Ausklammern der Arbeits- bzw. Gesundheitsschutzfragen in der laufenden Tarifrunde.

Die GEW

Exemplarisch lässt sich dies am Verhalten der GEW erkennen. Sie stellt während der Tarifverhandlungen die kleine Partnerin neben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dar, welche auch den Verhandlungsvorsitz innehat. Ver.di gibt somit den Ton vor und die anderen Gewerkschaften haben sich daran zu orientieren. Dies wird innerhalb der GEW gerne als Ausrede verwendet, um ihre Inaktivität damit zu begründen, dass ver.di alles vorgibt und sie selbst „nichts zu sagen hätte“. Aber auch hier muss wieder kritisch die Frage gestellt werden: „Warum tritt die Gewerkschaftsführung der GEW nicht aktiver auf?“

Ihre oben schon angesprochene Initiative in Berlin „Tarifvertrag Gesundheit“ wäre eine gute Möglichkeit, um sich nicht nur als aktive Gewerkschaft während der Tarifverhandlungen darzustellen, sondern auch ein Thema zu besetzen, welches den Beschäftigten wichtig ist und um das auch größere Mobilisierungen durchgeführt werden könnten. Auch wenn der Punkt „Gesundheit“ in den Tarifverhandlungen nicht „auf dem Tisch liegt“, könnte die GEW dies als „Begleitmusik“ ihrer Tarifkampagne in den Fokus stellen und die beiden Themenkomplexe wirtschaftliche Forderungen und Gesundheitsschutz miteinander verbinden. Sie könnte es nicht nur in Berlin zur Mobilisierung nutzen, sondern auch Solidaritätsaktionen für die Berliner Initiative in weiteren Bundesländern fördern, um den Berliner KollegInnen solidarisch bei ihrem Kampf um den „Tarifvertrag Gesundheit“ zur Seite zu stehen, wie auch eine Debatte in anderen GEW-Landesverbänden zu diesem Thema anstoßen und einen Vorstoß „Tarifverträge Gesundheit“ auf Bundesebene lancieren.

Eine solche Initiative müsste, ja dürfte sich nicht nur auf die GEW begrenzen, sondern sollte innerhalb der DGB-Gewerkschaften auf Bundesebene kommuniziert und vorbereitet werden. Hierfür könnten ebenfalls die derzeitigen Tarifverhandlungen genutzt werden, um die Debatte unter den KollegInnen verschiedener Gewerkschaften zu organisieren und zu strukturieren.

Digitale Kampagne?

In den Jahren seit dem Ausbruch der Pandemie spielten aber nicht nur das Thema Gesundheitsschutz eine wichtige Rolle im Arbeitsalltag der KollegInnen, sondern auch die Frage, ob Aktionen auf der Straße überhaupt legitim sind und wir uns nicht eher nur im digitalen Rahmen aufhalten sollten. Wie die katastrophale Fehlentscheidung der Gewerkschaften, die Erster-Mai-Mobilisierungen 2019 nicht stattfinden zu lassen, gezeigt hat, ist eine aktive Mitgliedschaft auf der Straße von großer Bedeutung. Wie wird aber die derzeitige Tarifkampagne geführt? Kurz gesagt: Altbekannte Tarifrituale werden mit Onlinekampagnen garniert!

Als Beispiel kann hier wieder die GEW dienen. Anstatt aktiv auf die Belegschaft zuzugehen und in Diskussionsveranstaltungen und Mitgliederversammlungen die Tarifrunde zu verbreitern und führen, wird dafür eine externe Agentur engagiert. Anstatt dies in die Hände der KollegInnen zu legen, wird es der Berliner Agentur „Ballhaus West“ überlassen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Gewerkschaftsführung politisch die Kontrolle über die Kampagne behält und die Schwerpunkte vorgeben kann. Dass eine solche von oben aufgestülpte „Mobilmachung“  von den KollegInnen nicht angenommen wird, zeigt auch eindrücklich die Resonanz auf die Onlinekampagne der GEW in den „sozialen“ Medien. Bis zum 30.10.21 haben sich gerade einmal 393 AbonnentInnen in den Telegram-Informationskanal der GEW für die laufende Tarifrunde verirrt. Eine aktive Beteiligung der Belegschaft bundesweit wie auch eine Mitgestaltung dieser sieht anders aus.

Raus auf die Straße – Aufbau von Streikkomitees!

Den obigen Punkten wird als Argument schnell entgegengebracht: „Wie sollen sich denn die VerhandlungsführerInnen neben den Verhandlungen auch noch um das alles kümmern?“ Wir würden entgegnen: „Das müssen sie gar nicht! Es müssen Basisstrukturen in den jeweiligen Betrieben, Einrichtungen und Verwaltungen aufgebaut werden.“ Diese könnten nicht nur Streikmobilisierungen für die derzeit laufenden Tarifverhandlungen unterstützen, vorbereiten und durchführen, sondern auch Solidaritätsarbeit mit der Bevölkerung entfachen, Gespräche mit betroffenen Menschen wie z. B. Eltern oder PatientInnen führen. Man darf sich ruhig ein Beispiel an der vorbildlichen Öffentlichkeitsarbeit im Berliner Krankenhausstreik nehmen, der zeigte, wo’s langgehen kann.

Gleichzeitig könnten solche, den Mitgliedern verantwortliche und von diesen gewählte  Streikkomitees auch den Kontakt zu KollegInnen unterschiedlicher Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes bzw. einer Bildungseinrichtung aber auch darüber hinaus organisieren. So könnten Themenfelder und Forderungen gemeinsam erarbeitet werden, um mobilisierungsstark und dynamisch die Tarifrunde zu führen.

Eins ist klar: Die 5 % werden auch nur durch eine starke Gewerkschaft auf der Straße und durch einen massiven, bundesweiten und unbefristeten Streik durchgesetzt werden können, ganz zu schweigen von anderen Forderungen wie nach besserem Gesundheitsschutz.

Daher müssen kämpferische GewerkschafterInnen, Basisversammlungen, Betriebsgruppen und andere gewerkschaftliche Strukturen auch dafür kämpfen, dass es keine Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, keine Geheimabsprachen mit den Arbeit„geber“Innen gibt. Die Verhandlungen sollten vielmehr öffentlich übertragen werden.

Zweitens sollten die Gewerkschaften zur Kenntnis nehmen, dass es ohne große Mobilisierung keinen Abschluss geben kann, der die Löhne auch nur sichert. Ver.di und GEW sollten daher so rasch wie möglich die Verhandlungen für gescheitert erklären und die Urabstimmung einleiten.

Belegschaftsversammlungen, Wahl und Abwählbarkeit von Tarifkommission und Streikkomitees sind dabei unerlässlich, um den Kampf zu organisieren und demokratisch zu kontrollieren; um sicherzustellen, dass am Ende keine faulen Kompromisse, sondern Abschlüsse herauskommen, die die Lage der Beschäftigten verbessern und deren Kampfkraft stärken.




Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder: Keine Bescheidenheit!

Helga Müller, Neue Internationale 259, Oktober 2021

Am 8. Oktober beginnt die erste Verhandlungsrunde für die rund 2,3 Mio. Beschäftigten der Länder im öffentlichen Dienst. Für die 1,2 Millionen BeamtInnen fordern die Gewerkschaften die Übernahme der Gehälter und Arbeitsbedingungen. Am 26. August hatte die Bundestarifkommission ihre Forderungen aufgestellt.

Die Hauptforderungen: 5 % mehr Lohn und ein monatlicher Mindestbetrag von 150 Euro. Nach dem Vorbild der letztjährigen Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen soll es zum Gesundheitsbereich einen separaten Verhandlungstisch geben. Hier fordert ver.di eine Erhöhung der Gehälter um 300 Euro und die Umsetzung der noch offenen Regelungen aus der Tarifrunde 2019 – die Erhöhung des Zeitzuschlags für Samstagsarbeit bei Wechsel- oder Schichtarbeit. In dieser Branche verhandelt ver.di für ca. 246.000 Beschäftigte. Der Bereich der Schulen und Kitas, für die hauptsächlich die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) zuständig ist, stellt die drittgrößte Gruppe mit ca. 215.000 Beschäftigten dar. Für die Hochschulbeschäftigen – mit 291.000 Personen die größte Gruppe – fordern ver.di und GEW eine Verpflichtung zur Aufnahme von Verhandlungen zu einem Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte.

Die Gegenseite

Dass die öffentlichen Arbeit„geber“Innen nicht von einer normalen Tarifrunde ausgehen, haben sie  bereits vor Beginn der ersten Verhandlung klargemacht: Sie unternehmen jetzt einen neuen Anlauf zur Änderung des sog. Arbeitsvorgangs. Was nichts anderes bedeutet, als dass vor allem Neueingestellte zu schlechteren Bedingungen beschäftigt und ihre Arbeit abgewertet werden sollen. Hatte die unerwartet hohe Mobilisierung in der letztjährigen Tarifrunde zum TVöD diesen Angriff noch abwehren können, versucht die Arbeit„geber“Innenseite jetzt die Gunst der Zeit zu nutzen, um dies in der Ländertarifrunde durchzusetzen – wohl wissend, dass ver.di in diesem Bereich unter weniger Kampftruppen verfügt als im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.

Das ist eine Kampfansage an ver.di, GEW und Belegschaften. Sie wollen in dieser Tarifrunde einen Einbruch in die Gehaltsstrukturen erreichen. Das ist nichts anderes, als die KollegInnen für die Kosten der Milliardenausgaben für die Pandemie zahlen zu lassen. Da reicht ein Vorrechnen von Seiten ver.dis, dass die Steuereinnahmen 2021 wieder ansteigen und mit 812 Milliarden Euro wieder die Höhe des Vorkrisenjahres 2019 (nach: www.verdi.de: Zahlen, Daten, Fakten zum öffentlichen Dienst) erreichen oder gar übertreffen könnten, nicht. Auch ein moralischer Appell, dass ein höherer Lohn zusätzlich die Binnenwirtschaft ankurbeln würde, verhallt bei den öffentlichen Arbeit„geber“Innen ungehört. Sie wollen genauso wie die private Wirtschaft – allen voran die Automobilindustrie – die KollegInnen für die Krise zahlen lassen.

Derweil ist der gesellschaftliche Reichtum vorhanden. Allein die Automobilindustrie, die am meisten von den Kurzarbeitergeldern und anderen staatlichen Millionensubventionen profitiert hat, ist weiterhin auf Gewinnkurs. Im Jahr 2020 machten die 3 größten deutschen AutobauerInnen (VW, BMW, Daimler) trotz Krise einen Gewinn von 17,9 Milliarden US-Dollar. Politische Forderungen wie eine Vermögensabgabe, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine progressive Besteuerung von Kapitalgewinnen sind jetzt nötig anstatt des ewig gleichen Rituals, dass die KollegInnen eine Gehaltserhöhung verdient hätten – was natürlich stimmt. Aber damit holt man zum einen keinen Kollegen und keine Kollegin hinterm Ofen hervor, noch beeindruckt man zum anderen die politisch Verantwortlichen in den Länderregierungen.

Mobilisierung

Notwendig ist es, die KollegInnen in den Einrichtungen, Schulen, Krankenhäusern und Betrieben darauf vorzubereiten, dass nicht wir für die Krise zu zahlen haben, sondern wir uns das holen, was uns seit Jahrzehnten genommen wurde, und die zahlen, die sie auch zu verantworten haben. Und zum anderen, dafür auch flächendeckend in den Kampf zu gehen. Ver.di sagt selber immer wieder, dass die KollegInnen im öffentlichen Dienst der Länder einen Nachholbedarf haben sowohl gegenüber denen in Bund und Kommunen als auch – und vor allem – gegenüber denen in der Privatwirtschaft: Seit dem Jahr 2000 sind die Gehälter der KollegInnen bei den Ländern um 58,1 Prozent gestiegen – in der Gesamtwirtschaft dagegen um 60,3 Prozent und in der Metallindustrie sogar über 69 Prozent (nach: www.verdi.de).

Dass es möglich ist, auch KollegInnen in Bereichen, die bisher nicht so kampfstark waren, in einen unbefristeten Durchsetzungsstreik zu führen, zeigen derzeit die Beschäftigten von Vivantes, den ausgliederten Vivantes-Tochterunternehmen und der Charité in Berlin. Dort befinden sie sich seit dem 9. September im unbefristeten Durchsetzungsstreik für mehr Personal und die Angleichung an die Gehälter und Arbeitsbedingungen des TVöD bei den Tochterunternehmen. Durch diesen vorbildhaften Kampf konnte auch der Organisationsgrad von ver.di massiv gesteigert werden. Gerade die Pflegekräfte galten ja immer als die Belegschaftsteile, die sehr schwer zu Streiks zu bewegen seien, weil sie ihre PatientInnen nicht im Stich lassen wollen.

Kontrolle

Dieses Beispiel gilt es, auch im Bereich der Länder aufzugreifen. Sicherlich wurden auch hier TarifbotschafterInnen gewählt. Diese müssen aber auch auf ihre Rolle als TrägerInnen der Mobilisierung zu Streiks und öffentlichen Aktionen und vor allem als diejenigen, die auch über die Vorgehensweise zusammen mit den KollegInnen in den Dienststellen, Einrichtungen und Betrieben diskutieren und entscheiden, vorbereitet werden. Auch hierfür sind die KollegInnen aus Berlin ein gutes Beispiel.

Das Durchsetzen eines entschlossenen Arbeitskampfes erfordert, dass dieser selbst unter Kontrolle der Mitglieder gestellt wird, Aktions- und Streikkomitees auf Vollversammlungen gewählt und von diesen abwählbar sind, die Tarifverhandlungen öffentlich geführt werden und die Tarifkommission von der Basis gewählt und dieser rechenschaftspflichtig ist. Ferner sollte die Mitgliedschaft über jedes Ergebnis abstimmen dürfen – auch ohne vorherige Urabstimmung und Streiks.




Systemrelevant und ignoriert – LehrerInnen und ErzieherInnen wehren sich!

Lucie Damsch und Christian Gebhardt, Infomail 1143, 23. März 2021

Fast pünktlich zum einjährigen „Jubiläum“ der Pandemie ist das Thema Corona so präsent wie eh und je. Auch die Bildungseinrichtungen erleben dadurch eine starke Veränderung. Seit fast einem Jahr wird die Betreuungs- und Bildungslandschaft im Zuge der Pandemie von Woche zu Woche vor neue Herausforderungen gestellt, teilweise durch spontane und nicht durchdachte Beschlüsse der Regierungen gebeutelt. Dazu kommen Ängste um die eigene Gesundheit und um die der Kinder und SchülerInnen. Dass uns der Kurs, welchen die Regierungen einschlagen – mit drastischen Einschränkungen und Isolationsmaßnahmen im Privaten und Sozialen auf der einen Seite und extremen finanziellen Zuschüssen für große Unternehmen und die Offenhaltung aller Produktionsbetriebe auf der anderen – nicht zu konstant niedrigen beziehungsweise null Infektionswerten führt, haben wir lange genug hingenommen.

Veranstaltung der VKG

Die Stimmen der Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen wurden hierbei lange verschwiegen. Vor allem die der ErzieherInnen wurden oft überhört oder gingen in den Diskussionen rund um die Schulen unter. Um den beiden Bereichen eine Stimme zu geben, organisierte die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in Berlin eine Onlineveranstaltung mit dem Titel: „Systemrelevant und ignoriert – Lehrer*innen und Erzieher*innen wehren sich!“

Die Veranstaltung war mit rund 40 – 45 TeilnehmerInnen gut besucht. Sie begann mit drei Beiträgen von Beschäftigen aus Schule und Kita. Es sprachen Christoph Wälz (Lehrer und Vorsitzender des GEW-Bezirksverbandes Berlin-Pankow), Lucie Bevermann (Erzieherin und Studentin, Mitglied der Jungen GEW Berlin) und Daniel Keller (Lehrer, VKG Berlin).

Christoph Wälz bezog sich thematisch vor allem auf den „Massenaufstand der LehrerInnen im Januar“, ausgelöst durch eine Petition eines besorgten Vaters in Berlin. Die Senatsverwaltung wollte entgegen der damaligen Stimmungslage als eines der ersten Bundesländer die Schulen wieder öffnen. Die Petition erhielt nicht nur viele Unterschriften, es kam auch dazu, dass sich viele Beschäftigte an Berliner Schulen versammelten, an ihre Gewerkschaft schrieben und von ihr Aktionen einforderten. Auch der Ruf nach Streik wurde von unten immer lauter. Die Protestaktionen und Forderungen zeigten Wirkung: Der Senat gab nach und sagte die Schulöffnungen wieder ab.

Anschließend berichtete Lucie Bevermann von der Situation der ErzieherInnen in Kitas und informierte über die Aktivitäten einer Basisinitiative von GEW-Mitgliedern, in welcher sie aktiv ist. Diese tritt für die Durchführung eines Aktionstages durch die Organisation der GEW für mehr Gesundheitsschutz ein und brachte die Idee eines Aktionstages teilweise erfolgreich in und über die Junge GEW Berlin auch in den Landesverband der GEW mit ein. Zusätzlich bezog sie sich auf die schon vor der Pandemie vorherrschenden schlechten Arbeitsbedingungen von ErzieherInnen und gab diesen oft überhörten Beschäftigtengruppen eine Stimme auf dieser Veranstaltung, wurden und werden ihre Arbeitsbedingungen durch die Pandemie doch noch zusätzlich verschärft. Der klassische Gesundheitsschutz (Abstand halten und Masken tragen) ist in der Arbeit mit den jüngsten Kindern nicht realisierbar. Diese Berufsgruppe setzt sich also tagtäglich einem enormen Risiko aus, um die Kinder zu betreuen. Durch die Beschlüsse der Regierung (in einigen Bundesländern wurden lediglich Bitten an die Eltern gerichtet, ihre Kinder zuhause zu betreuen, so dass diese kein Argument ihren Arbeit„geber“Innen gegenüber hatten, um für eine Betreuung dort entschädigt zu werden) wurde deutlich, dass die Gewährleistung der uneingeschränkten Arbeitskraft der Eltern im Hauptfokus dieser Schritte stand und steht. Des Weiteren waren und sind die beschlossenen Schutzmaßnahmen oft nicht bis zu Ende durchdacht und teilweise fernab jeder praktischen Realisierbarkeit. Um den Forderungen und der Empörung der Beschäftigten Gehör zu verschaffen, verdeutlichte Lucie noch einmal die Idee der GEW-Basisinitiative, als Gewerkschaft aktiv unsere Forderungen in Form eines bundesweiten Aktionstages auf die Straße zu tragen und nicht nur passiv Verbesserungen und Dialog einzufordern.

Als letztes sprach Daniel Keller und fokussierte sich als Sprecher für die VKG Berlin vor allem darauf, die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie herauszuarbeiten und auf die Notwendigkeit einer koordinierten Auseinandersetzung mit gerade dieser hinzuweisen, mit der sich eine jede kämpferische Basisbewegung innerhalb der Gewerkschaften konfrontiert sehen wird. Er unterstrich damit die Wichtigkeit des Aufbaus der VKG über Gewerkschafts- und Branchengrenzen hinweg.

Bildungseinrichtungen öffnen oder schließen?

An die Inputreferate schloss sich eine sehr lebhafte und breite Diskussion an. Sie zeichnete sich nicht nur durch Beiträge von anwesenden politischen Gruppierungen aus, sondern wurde auch durch Erzählungen aus dem Alltag anwesender KollegInnen aus dem Bildungsbereich ergänzt und bereichert. Dies konnte für die VKG Berlin als Erfolg angesehen werden. Im Fokus der Diskussion standen vor allem folgende Themenfelder: der frisch beschlossene Aktionstag am 12.03 in Berlin, die Einschätzung der derzeitigen Stimmung rund um das Thema „Öffnung der Bildungseinrichtungen“ und davon abgeleitet das sehr kontrovers diskutierte Themenfeld #ZeroCovid.

Prinzipiell bestand große Übereinstimmung bezüglich der Notwendigkeit eines Aktionstages und einer darüber hinausreichenden Vernetzung und Organisation der Proteste im Bildungs- und Erziehungsbereich. Auch wurde die Argumentation, dass dieser nach Möglichkeit auf der Straße und in der Öffentlichkeit stattfinden sollte, um mehr Druck aufzubauen, bestärkt. In den letzten Monaten zeigten viele gut organisierte Demonstrationen, dass es auch in Zeiten der Pandemie möglich ist, dringende Forderungen in Präsenz vorzubringen und dadurch auch ein Stück weit gegen das Gefühl der Vereinzelung und Ohnmacht anzutreten.

Der Aspekt der Schließung oder Öffnung der Kitas und Schulen wurde jedoch kontroverser diskutiert. In dieser Diskussion und dem damit verbundenen Themenfeld von #ZeroCovid wurden die Unterschiede der politischen Perspektiven der an dieser Diskussion beteiligten Gruppen ersichtlich. Die Diskussion drehte sich stark um die Frage, ob derzeit die Forderung nach „Schließung der Schulen, bis diese sicher sind“ überhaupt noch aufgeworfen werden sollte. Dies wurde hauptsächlich damit begründet, dass einerseits auch das Wohl der Kinder und Jugendlichen bei den Entscheidungen betrachtet werden soll und andererseits sich die Stimmung innerhalb der Bevölkerung und den Kollegien geändert hätte. Diese würde nun im Vergleich zum Beginn des Jahres mehr in Richtung Öffnungen tendieren. Daran angelehnt wurde auch die Konzeption der #ZeroCovid-Kampagne kritisiert und vor allem von VertreterInnen der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol) abgelehnt. Diese sei derzeit nicht vermittelbar und wäre der Organisation von Widerstand hinderlich.

Die neuesten Fallzahlentwicklungen zeigen jedoch, dass sich diese Aussage nicht als richtig erwiesen hat, führen sie in den letzten Tagen doch zu einem erneuten Anschwellen der Angst innerhalb der Bevölkerung und der Kollegien, dass die Öffnung der Schulen und Kitas ein großes Sicherheits- und Infektionsrisiko darstellt und mit für die Anstiege der Neuinfektionen verantwortlich ist. Eine kämpferische Vernetzung innerhalb der Gewerkschaften sollte sich gerade nicht von kurzzeitigen Stimmungsschwankungen leiten lassen und an die rückschrittlicheren Positionen innerhalb der ArbeiterInnenklasse anpassen. Sie muss eine klare Perspektive und einen klaren Standpunkt beziehen. Es war auch schon zur Zeit der Veranstaltung abzusehen, dass die Fallzahlen wieder steigen werden und die Frage der Schul- und Kitaschließungen erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden wird.

Wirtschaftslockdown als Brücke zum Kindeswohl!

Hier überzeugten vor allem die Argumente innerhalb der Diskussion, die sich entlang der #ZeroCovid-Strategie orientierten. Diese forderten die Schließung nicht systemrelevanter Betriebe, um die Fallzahlen zu drücken. Eine solche Perspektive würde es der Gesellschaft dann auch unter bestimmten Bedingungen erlauben, kontrolliert die Bildungs- und Erziehungseinrichtungen wieder zu öffnen wie auch Raum zu geben, um Jugendlichen und Kindern soziale Kontakte im Privaten zu ermöglichen (z. B. Öffnungen von Jugendzentren etc.). Es sollte doch gerade nicht der Fehler begangen werden anzunehmen, dass das psychosoziale Wohl der Jugendlichen und Kindern alleine von den sozialen Kontakten innerhalb von Schulen und Kitas abhängt. Dieser Logik zu folgen, würde bedeuten, „der Wirtschaft“ in die Hände zu spielen. Eine ihrer wichtigsten Forderungen ist es, die Kinderbetreuung zu gewährleisten, damit die uneingeschränkte Arbeitskraft der Eltern für die Aufrechterhaltung der Wirtschaftskraft des Landes im internationalen Wettbewerb zur Verfügung steht. Hier ist es jedoch wichtig aufzuzeigen, dass es eine Alternative zum bürgerlich organisierten Lockdown gibt. Einen Lockdown organisiert durch und orientiert an den Interessen der ArbeiterInnenklasse! Als kämpferische GewerkschafterInnen ist es hierbei unsere Pflicht aufzuzeigen, welche Rolle die DGB-Gewerkschaften spielen müssten, und dafür auch innerhalb der Gewerkschaften zu kämpfen, anstatt sich hinter Stimmungsschwankungen zu verstecken oder sich von ihnen desorientieren zu lassen.

Besonders die Phase des zweiten Lockdowns, in welcher es zunächst für die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes kein Kriterium war, ob die Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiteten oder nicht, zeigte offen, welche Interessen den Beschlüssen der Regierung zugrunde liegen. Durch die Aussetzung der Liste der systemrelevanten Berufe als Voraussetzung für Kinderbetreuung ließ die Regierung den Arbeit„geber“Innen freie Hand im Umgang mit ihren Angestellten. Von Lohnfortzahlungen bei Stundenreduzierung oder zusätzlichen bezahlten Urlaubstagen im Zuge der freiwilligen Kinderbetreuung zuhause war keine Rede, und die Eltern sahen sich gezwungen, ihrer nicht systemrelevanten Tätigkeit weiterhin voll nachzugehen und ihr Kind institutionell betreuen zu lassen. Zusammen genommen bilden die Forderungen nach Schließung der nicht systemrelevanten Betriebe sowie die nach Stundenreduzierung bei voller Lohnfortzahlung bzw. bezahlten Urlaubstagen ein Scharnier, das es einer kämpferischen Basisbewegung ermöglicht, das psychosoziale Wohl der Kinder und Jugendlichen mit den Bedürfnissen der beschäftigten Eltern zu vereinen.

Aktionstag in Berlin

Im Nachklang der Veranstaltung fand am 12.03. in Berlin der schon angesprochene Aktionstag statt, hauptsächlich organisiert durch die Junge GEW Berlin. Dieser stellte Forderungen für mehr Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte der Kinder- und Jugendhilfe, Sozialarbeit, Schule und Hochschule auf und trug diese in Form einer Kundgebung in die Öffentlichkeit. Mithilfe einer Petition wurden Unterschriften gesammelt und diese der Senatsverwaltung übergeben. Für Personen, denen eine Teilnahme an der Kundgebung nicht möglich war, gab es eine Fotoaktion.

Die Idee des Aktionstages inklusive Präsenzveranstaltung und die Kritik an einer zu passiven Gewerkschaftsführung ging zurück auf die durch Lucie Bevermann vertretene Initiative, die zunächst mit ihrer Idee eines (bundesweiten) Aktionstages Gehör in der jungen GEW Berlin fand. Bürokratische Manöver durch die Gewerkschaftsführung der örtlichen GEW verhinderten die Ausweitung des Aktionstages. Obwohl es für diesen eine knappe Mehrheit im Landesvorstand der GEW Berlin gab, wurde er nur in geringem Maße durch die Hauptamtlichen der GEW Berlin unterstützt und wurden auch nur Mitglieder unter 35 Jahren dafür mobilisiert. Dieses Vorgehen der Gewerkschaftsführung und deren bürokratische Verzögerungstaktiken zeigen einmal mehr die Notwendigkeit einer kämpferischen Basisopposition innerhalb der GEW und der restlichen DGB-Gewerkschaften auf.

Deshalb begrüßen wir, dass sich nun der Beginn einer Vernetzung an GEW-KollegInnen im Bundesgebiet gebildet hat, die die Idee eines bundesweiten Aktionstages verbreitet und dafür innerhalb der GEW und darüber hinaus argumentieren möchte. Wir rufen deshalb alle interessierten KollegInnen in den Bildungseinrichtungen dazu auf, sich dieser GEW-Vernetzung anzuschließen und mit uns in Kontakt zu treten. Umso deutlicher die Stimmung innerhalb der GEW nach einem bundesweiten Aktionstag vernommen wird, umso mehr müssen der Bundesvorstand sowie die jeweiligen Landesvorstände darauf reagieren und unsere Gewerkschaftsstrukturen für das nutzen, für das sie gedacht sind: für die aktive Interessenvertretung der Beschäftigten!

Die Zeit des Bittens hat ein Ende. Lasst uns unsere Organisation dazu nutzen, um unseren richtigen und wichtigen Forderungen Druck auf der Straße zu verleihen! Denn das haben wir alle in über einem Jahr Corona gelernt: Ohne Druck wird die Politik weiterhin den Lockdown im Sinne der Wirtschaft und nicht in unserem organisieren.




Sichere Schulen und Kitas? Bundesweiter Aktionstag!

Christian Gebhardt, Neue Internationale 253, Februar 2021

Die Bildungseinrichtungen sind wie viele Institutionen in Zeiten von Corona ein heiß umkämpfter Ort. PolitikerInnen erzählen uns seit Monaten mit Krokodilstränen in den Augen, dass sie nicht geschlossen werden können, da wir es den Bildungsperspektiven einer gesamten Generation schuldig sind. Die Kürzungspolitik der letzten Jahrzehnte sowie die ausbleibenden Investitionen in den Bildungsbereich passen da jedoch nicht ganz zur heutigen Rhetorik. Im Grunde genommen ist es recht einfach: Damals wie heute sind der Politik die Bildungsaussichten vieler unserer Kinder und Jugendlichen reichlich egal. Nur dient dies derzeit als vorgeschobenes Argument, um das eigentliche Ziel erreichen zu können: Die Schulen und Kitas müssen offen bleiben, so dass die Eltern ohne Probleme zur Arbeit gehen können. Der Profit für einzelne Wenige soll weiter sprudeln, dafür müssen die Eltern zur Arbeit und dürfen nicht zuhause auf die Kinder aufpassen.

Verwirrspiel

Die Politik und die Wirtschaft sich sich hier auch nicht zu schade, die Bevölkerung über lange Zeit zu verwirren und ihr keinen reinen Wein einzuschenken. Es werden Studien über Studien herangenommen und gegeneinandergestellt, die für die eine oder andere Seite argumentieren, am Ende steht aber immer: „Kinder und Jugendliche wären keine TreiberInnen der Pandemie, daher könnten Schulen und Kitas auch gut und gerne offen bleiben.“ Ob dabei aber die Gesundheit der Kinder, Jugendlichen und PädagogInnen in Gefahr gebracht wird, steht hier schnell nicht zur Debatte. Die Bildungsperspektiven und psychische Gesundheit der nachwachsenden Generation seien höher einzustufen. Hier wird leider stark zwischen zwei Polen diskutiert. Auf der einen Seite steht die Option: „Schulen offen halten“ und auf der anderen Seite: „Schulen schließen“. Gibt es aber auch eine andere Möglichkeit?

Die bisher geführte Debatte wird auch so stark polarisiert, damit andere Lösungsvorschläge gar nicht erst aufgegriffen werden, obwohl sie eigentlich auf der Hand liegen und schon seit Jahrzehnten Bestandteil des Forderungskatalogs der GEW darstellen: Senkung des Betreuungsschlüssels, Einstellung von mehr ausgebildeten PädagogInnen, Ausbau der vorhandenen bzw. Anmietung von neuen Räumlichkeiten und Reduzierung der Arbeits-/Deputatsstunden, um sich intensiver und enger um seine/ihre Aufgabe als PädagogIn in der jeweiligen Einrichtung kümmern zu können.

Die Umsetzung dieser Forderungen (gepaart mit dem Ausbau von Testkapazitäten, der Bereitstellung von FFP2-Masken sowie von digitalen Endgeräten) würde auch unter Pandemiebedingungen einen „normaleren“ Betreuungsalltag an Kitas oder Unterricht an Schulen gewährleisten. Dies kostet aber Geld, welches nicht in die Hand genommen werden möchte. Politik und Wirtschaft verfolgen lieber die Strategie des Aussitzens und Abwartens. Warten auf den Sommer, warten auf den Impfstoff und eine dadurch eintretende Normalität. Wieso jetzt soviel Geld in die Hand nehmen, wenn danach wieder alles „normal“ wird?

Eins ist klar, um die oben beschriebenen Maßnahmen und Forderungen umzusetzen, reicht es nicht aus, diese Forderungen nur zu propagieren und von der Politik in Petitionen und Online-Streiks einzufordern. Dafür ist ein aktiveres Auftreten der Gewerkschaften (namentlich der GEW) sowie aller Organisationen der ArbeiterInnenklasse notwendig, um dafür zu mobilisieren und Druck aufzubauen. Um diese Notwendigkeit innerhalb der GEW anzusprechen und dafür zu werben, hat sich in ihr eine Basisinitiative rund um einen offenen Brief an ihre Führung gegründet. In diesem wird sie dazu aufgefordert, aus ihrer Passivität herauszutreten und ihre Mitgliedschaft aktiv für sichere Schulen und Kitas auf die Straße zu mobilisieren.

Aktoinstag, aber wie?

Diese Initiative zeigt erste kleine Erfolge. So hat sie in der Jungen GEW Berlin dazu geführt, dass diese nun die Organisation eines Aktionstages in Berlin plant und auch an die GEW Berlin herangetreten ist, mit der Bitte einen solchen ebenfalls zu unterstützen. Zusätzlich soll die Idee an den bundesweiten Koordinierungsvorstand der GEW herangetragen werden, um einen solchen Aktionstag auch bundesweit und nicht nur landesweit zu organisieren.

Eins zeigen uns die Erfahrungen der Basisinitiative jedoch auch: ein Aktionstag ist nicht gleich ein Aktionstag, stehen sich doch in der Diskussion zwei Arten eines solchen gegenüber. Der Vorschlag der Gewerkschaftsführung besteht auf einem Online-Aktionstag, da in der derzeitigen Pandemielage keine „Präsenzveranstaltung“ in Form einer Demonstration oder Kundgebung stattfinden könne.

Dem gegenüber steht als Vorschlag die Durchführung dezentraler Aktionen vor den einzelnen Bildungseinrichtungen, gepaart mit einer zentralen Kundgebung unter Einhaltung der notwendigen Hygienemaßnahmen. Letzterer besäße nicht nur den Vorteil, dass die Durchführung eines solchen Aktionstages auf mehrere Schultern verteilt und auch die Einbindung von Eltern, Kindern und SchülerInnen erleichtert würden.

Eine solche zentrale Kundgebung würde auch den Menschen vor Augen führen, dass sie Teil einer kollektiven Aktion und viele ihrer Meinung sind. Dies würde sich nicht nur positiv auf die Kampfmoral der KollegInnen auswirken, sondern auch die Gewerkschaft selbst stärken und den Organisationsgrad innerhalb der Kollegien heben.




Schulen coronafrei, statt für Corona schulfrei!

Richard Vries und Christian Gebhardt, Infomail 1128, 30. November 2020

Im ersten Lockdown noch sehr zurückhaltend agierend, blickt die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) nun ziemlich besorgniserregenden Zahlen und Aussichten entgegen: 3.200 Schulen in der BRD befinden sich Mitte November nicht im Regelbetrieb, 4,2 % der LehrerInnen und 3,4 % der SchülerInnen (26.123) waren derweil hessenweit in Quarantäne.

Die Fallzahlen-Dunkelziffer wiederum ist gerade bei Letzteren besonders hoch, da jüngere Menschen eher asymptomatische oder symptomfreie Krankheitsverläufe aufweisen, wohingegen die Weiterverbreitung entsprechend aktueller Studien zumindest unter den älteren Jahrgängen gleichbleibend hoch liegt.

Mit 52 an Covid-19 Verstorbenen innerhalb von 24 Stunden verbucht sich daneben auch noch Mittwoch, der 25. November 20, als bisheriger Negativrekordtag in Hessen sowie bundesweit, mit erstmals über 400 Verstorbenen.

Trotz alledem werden in jenem November 2020 in Frankfurt/Main und Offenbach (https://www.op-online.de/offenbach/corona-offenbach-hanau-darmstadt-maskenpflicht-main-kinzig-covid-19-hohe-inzidenz-90091554.html), obgleich Inzidenzwerte von weit über 200 bzw. 300 Infizierten pro 100.000 EinwohnerInnen registriert wurden, lediglich die positiv getesteten SchülerInnen in eine Quarantäne geschickt, nicht aber deren Kontaktpersonen. Hier gilt das Motto: Jedes Gesundheitsamt und jedeR SchuleiterIn entscheidet für sich selbst, was „vertretbar“ und vor allem „machbar“ ist, um das höhere Ziel der Weiterführung des Schulbetriebes zu gewährleisten. Da werden dann auch gerne mal Probleme schlicht und ergreifend „wegdefiniert“, wenn nun erst ab einer Inzidenz von 200 pro 100.000 EinwohnerInnen ein Hotspot für Schulen festgelegt ist. Der Sommer wurde vonseiten der Politik, u. a. des Kultusministeriums, verschlafen und die Schulen auf die absehbaren „harten Wintermonate“ nicht vorbereitet.

Warum wird an Schulöffnung festgehalten?

Es würde nur ca. 1 Milliarde Euro kosten, um alle Schulen in ganz Deutschland für diese Jahreszeit mit Luftfilteranlagen auszustatten. Kein Vergleich etwa zu den weiteren still und heimlich bewilligten 3 Milliarden Euro für die Autoindustrie im Monat November – ohne Auflagen oder gar benötigte, detaillierte Antragstellungen, versteht sich. Trotzdem soll dort etlichen Tausend MitarbeiterInnen gekündigt werden, wie das Beispiel bei der Lufthansa eindrucksvoll zeigt. Die Staatshilfen rollen weiterhin fast ungehemmt. Unterdessen gibt es bis dato nicht einmal kostenlose Masken für die Beteiligten an den Schulen.

Unabhängig davon untermalt die Bundesregierung immer wieder ihre Forderung nach dem Ausbleiben von Schulschließungen wie zum Anfang des Jahres. In Anbetracht der damaligen Erfahrungen hinsichtlich eines bis auf die Spitze getriebenen Auseinanderdriftens der Bildungsschere sowie der sozialen und digitalen Umstände ist das sicherlich auch nachvollziehbar. Wobei unter anderem von Markus Söder (CSU) nebenbei auch völlig offen der tatsächliche Grund für diese konsequente Haltung genannt wird: Die Betreuung der Kinder, damit ihre Eltern trotz der Pandemie weiterhin ihrer Arbeit nachgehen können.

Der Leiter des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, betont indes gebetsmühlenartig, dass kein einziges Bundesland die Empfehlungen seiner Bundesoberbehörde für Schulen bisher wirklich umsetze.

Hiernach würde schon bei 35 Infektionen pro 100.000 EinwohnerInnen eine erweiterte Maskenpflicht im Unterricht gelten und nicht erst bei „deutlich mehr“ als 50 Infektionen pro 100.000 EinwohnerInnen sowie ab der 7. Klasse, wie nun im gemeinsamen Beschlusspapier von Bund und Ländern am Mittwoch, den 25.11.20, verabschiedet. Tiefer greifende, unbestimmte Maßnahmen solle es demzufolge erst ab Inzidenzen von über 200 geben. Nach dem neu veröffentlichten „Corona-Fahrplan“ für Bayern und den dortigen „neuen Hotspots ab 200“ soll an weiterführende Maßnahmen in Schulen sogar erst ab einer Inzidenz von 300 gedacht werden.

Um den vorgeschlagenen Mindestabstand in Schulen aber überhaupt einhalten zu können, müssten, gemäß dem Ratschlag des RKI, allerdings bereits ab 50 Infektionen pro 100.000 EinwohnerInnen grundsätzlich eine Aufteilung von Schulklassen oder Wechselunterricht stattfinden. Letzterer ist aufgrund von Platz- und Personalmangel aber meist überhaupt gar nicht umsetzbar oder wird, obwohl mit eigenem und durchdachtem Konzept der jeweiligen Lehrkräfte vor Ort versehen, fortlaufend vom Kultusministerium und nun eben auch nochmal auf Bundesebene untersagt.

Die Rolle der GEW

Die GEW hat sich nach ihrem eher zaghaften Auftreten im ersten Lockdown immer stärker und mit klareren Forderungen hervorgetan. Sie verlangt die Umsetzung der RKI-Vorgabe nach Wechselunterricht, die Entzerrung der Arbeitslasten auf die Lehrkräfte sowie die Notwendigkeit des Ausbaus der Digitalisierung, um überhaupt einen effektiven und alle SchülerInnen erreichenden Wechselunterricht zu ermöglichen.

Aber auch andere Vorschläge der GEW-Vorsitzenden Marlis Tepe wie, die Räumlichkeiten von leeren Jugendherbergen zu nutzen, um dort zusätzlich Unterricht abzuhalten, werden vernachlässigt ebenso wie Unterrichtsstaffelungen oder Hybridunterricht, weil mit einer Welle der Hoffnung durch die zeitnahen Impfstoffankündigungen sowie bundesweit beschlossenen, verfrühten Winterferien ab Samstag, den 19. Dezember, etwaige Fortschritte in anderen Bereichen vereitelt werden.

Zusammenfassend für viele Bundesländer, darunter Hessen und Baden-Württemberg, haben sich keine substantiellen Änderungen kraft der „neuen“ Beschlüsse vom 25. November  ergeben. Außer einigen kosmetischen Beschlüssen (wie das Vorziehen der Weihnachtsferien) gab es keine neuen Vorgaben, die nicht schon in einigen Bundesländern seit Beginn des Schuljahres eingesetzt werden und sich dort als nicht ausreichend erwiesen haben. Das einzig Neue ist, dass an Schulen eine neue Teststrategie des Bundes Abhilfe schaffen soll. Sollte es zu einer positiven Infektion in einer Klasse kommen, sollen nun bundesweit alle MitschülerInnen dieser Gruppe für 5 Tage in Isolation gehen. Erst nach einem negativen Schnelltest soll der Besuch des Präsenzunterrichts wieder aufgenommen werden.

In Hessen wurde vonseiten des dortigen Landesverbandes der GEW die Initiative für eine Petition mit dem Aufruf „Hessen braucht ein Konzept für den Unterricht unter Pandemiebedingungen – und zwar jetzt!“ gestartet. Diese trifft an sich auch durchaus den Kern der Sache, wenn sie feststellt:

„Ausgerechnet im Bereich der Schulen mit 900.000 Schülerinnen, Schülern und Beschäftigten bleibt die Landesregierung untätig. Schwere Versäumnisse der vergangenen Jahre schlagen in dieser Situation zusätzlich zu Buche: Marode Schulgebäude, Fachkräftemangel, unzureichende Digitalausstattung usw. (…) Um flächendeckende Schulschließungen zu verhindern, müssen die Schulen zum Wechselmodell zwischen Präsenzunterricht und Distanzunterricht übergehen. Hierfür haben die Schulen bereits im Frühjahr praktikable Konzepte entwickelt, die weiter ausgebaut werden.“

Um auf eine solche Situation an den Schulen sowie entsprechende Forderungen gezielt aufmerksam zu machen, ist das Mittel der Petition hier zunächst sicherlich angebracht, aber eben auch bei weitem nicht genug. Die GEW sollte sich nicht hinter Petitionen und dem bloßen Propagieren von Forderungen verstecken. Sie sollte dazu übergehen, die Kraft ihrer Mitgliedschaft in die Waagschale zu werfen und physische Aktionen in Form von Kundgebungen, Personalversammlungen und Streiks zu organisieren. Ganz nach dem Motto: „Coronafreie Schulen statt für Corona schulfrei!“

Ansatzpunkte und Vorbilder

Denn Ansatzpunkte für gemeinsame Aktionen mit unseren SchülerInnen gibt es allemal. Ob in Kassel unter dem Motto „Unverantwortlich!“, in Berlin unter dem Slogan: „Schule sicher oder Schule zu!“ oder mit dem geplanten Streik an mehreren Schulen in Frankfurt/Main zeigen die SchülerInnen den LehrerInnen der GEW, welche Aktionsformen derzeit notwendig sind, um Druck aufzubauen. Hier sollte die GEW die Zusammenarbeit suchen und gemeinsame Aktionen mit den SchülerInnen planen.

Als Vorlage dafür dienen können auch Beispiele aus Frankreich. So berichtet die Junge Welt am 6. November: „Blockierte Schuleingänge, streikende Lehrer, Schüler die Flugblätter verteilen und Banner aufhängen. (…) Initiiert hat das ein breites Bündnis von Gewerkschaften, darunter die CGT, Force ouvrière sowie SNES-FSU, die größte Organisation im Erziehungsbereich. Letztere hat zum Streik bis zum 13. November aufgerufen, die CGT sogar bis zum Monatsende.“

Die Forderungen sind währenddessen nahezu deckungsgleich mit denen hierzulande.

Zum nationalen Aktionstag des Gesundheitsstreiks am 10. November beteiligten sich im Nachbarland indes 20 % der Lehrkräfte, im Großraum Paris sogar fast die Hälfte dieser an weiteren Protesten. Grund dafür mag wohl auch sein, dass ein noch breiteres Bündnis aus ganzen 6 Gewerkschaften dazu aufgerufen hatte. Alles übrigens unter Corona-Auflagen.

„Strategiewechsel statt Weiterführung des sozialpartnerschaftlichen Kurses für den ,Standort Deutschland‘!“ fordert zwischenzeitlich die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in ihrer Abschlusserklärung vom 26.01.20 in Frankfurt/Main. Anders als mit einer solch klaren Richtungsänderung der Gewerkschaftsapparate insgesamt, angestoßen durch eine klassenkämpferische Basis, die nicht selbst die Kosten der Krise zahlen will, wird sich auch und gerade im Bereich von Bildung und Erziehung mittel- und langfristig nichts ändern. Dieser Tatsache muss jetzt die GEW entgegenblicken, um ihren Forderungen wirklich ernst gemeinten Nachhall zu verleihen.

Wir als Gruppe ArbeiterInnenmacht sprechen uns ebendeswegen für kämpferische Mobilisierungen zu Aktionen unter Einhaltung der Corona-Auflagen ein, sofern keine ausreichenden Hygienekonzepte an Schulen vorzufinden sind. Kontrollkomitees, zusammengesetzt aus LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern, sollten dann während eines Streiks selbst entscheiden, was passieren muss, damit die Einrichtung schnellstmöglich und coronasicher wieder geöffnet werden kann. Nur so kann schließlich verhindert werden, dass es nicht nur bei gutgemeinten Phrasen bleibt.

Die GEW hat hierfür im Vergleich zum Jahresanfang Schritte in die richtige Richtung gemacht. Zu beobachten wird bleiben, ob sie diese auch zielgerichtet fortführt und ihre Mitgliedschaft zusammen mit SchülerInnen, Eltern und der breiteren ArbeiterInnenbewegung mobilisiert. Um dies zu erreichen, dürfen wir uns zugleich nicht auf die Ankündigungen der GEW-Spitze verlassen. Klassenkämpferische Gewerkschaftsmitglieder müssen sich selbst an der Basis zusammenschließen und gemeinsam mit SchülerInnen und Eltern von unten Druck machen und gemeinsame Aktionen und Streiks einfordern, vorbereiten und organisieren, um sichere Schulen zu erkämpfen.

Schließlich eines führt uns diese Corona-Pandemie nunmehr deutlich vor Augen: Die Auswirkungen der Krise sollen wir bezahlen! Daher muss sich ein Kampf für sichere Schulen auch als Teil einer bundesweiten, ja internationalen Antikrisenbewegung begreifen.