Tarifvertrag Länder: Ausverkauf neu aufgelegt

Mattis Molde, Infomail 1238, 12. Dezember 2023

Das Ergebnis der Tarifverhandlungen ist nicht wirklich eine Überraschung. Nachdem in ver.di und der GEW die gleiche Forderung wie beim TVÖD, dem Tarifvertrag für die Beschäftigten beim Bund und bei Kommunen, aufgestellt worden war, war klar, dass die Gewerkschaftsführung dieses Ergebnis auch für die Beschäftigten bei den Ländern anstrebt.

„Mit diesem Ergebnis knüpfen die Beschäftigten der Länder an die Tarifentwicklung bei Bund und Kommunen an.“, sagt der Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Werneke. Mehr sollten sie wohl auch nicht bekommen:

  • Inflationsausgleich von insgesamt 3000 Euro in Teilzahlungen. 1800 Euro davon sollen bereits in diesem Dezember fließen, weitere 120 Euro dann jeweils in den Monaten von Januar bis Oktober 2024.

  • Für Auszubildende, Dualstudierende und Praktikant:innen gäbe es dementsprechend 1000 Euro im Dezember 2023 und sie erhalten von Januar bis Oktober 2024 jeweils 50 Euro pro Monat.

  • Zum 1. November 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden.

  • In einem zweiten Schritt soll im Februar 2025 der dann erhöhte Betrag noch einmal um 5,5 Prozent steigen. Die gesamte Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen (was nur für ganz wenige in der Entgeltstufe 1 zutrifft ).

  • Die Laufzeit soll sich auf 25 Monate (bis 30.10.2025). erstrecken, also einen Monat länger als beim TVÖD.

Im März hatte Werneke den damaligen Abschluss so gelobt: „Das ist eine nachhaltige Steigerung der Einkommen, die beachtlich ist“.

Das ist damals wie heute eine Lüge. Der Abschluss bedeutet einen heftigen Reallohnverlust. Die prozentuale Steigerung auf 12 Monate bezogen, liegt zwischen 4,2 und 8,1 Prozent, für die Mehrheit der Beschäftigten bei 5-6 Prozent. Das liegt unter der Inflation der letzten 2 Jahre und vermutlich auch der kommenden Zeit. Zur Erinnerung: Für die vergangenen 24 Monate hatte es gerade mal 2,8 Prozent gegeben und eine steuerfreie Prämie von 1300 Euro.

Einmalzahlungen

Die Einmalzahlungen von insgesamt 3000 Euro sehen auf den ersten Blick gut aus. Das ist jedoch eine mehrfache Täuschung:

  • Dieser Betrag geht wieder nicht in die Tabelle ein. Das Gesamteinkommen über die Laufzeit des Tarifvertrages fällt also nach dessen Ende automatisch. Die erreichten Preiserhöhungen werden mit Sicherheit nicht wieder entfallen.

  • Er geht auch nicht in Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld ein und in alle Zulagen, die sich prozentual auf das Grundgehalt beziehen.

  • Auch in den vergangenen Jahren waren in den Tarifverträgen Einmalzahlungen von insgesamt 1300 Euro vereinbart worden, die jetzigen sind also teilweise nur eine Fortsetzung dieser Zahlungen. Eine „Entwicklung“(Werneke) stellen nur weniger als 1700 Euro dar, die, bezogen auf 25 Monate, knapp 70 Euro „Inflationsausgleich“ monatlich darstellen.

  • Aus diesen Einmalzahlungen werden keine Rentenbeiträge abgeführt. Die Beschäftigten zahlen also auch mit zukünftigem Rentenminus;

  • Weil diese Prämie kein „regelmäßiges Einkommen“ darstellt, wird sie auch nicht bei „Transferleistungen“ berücksichtigt, z.B. Elterngeld, Arbeitslosengeld oder Krankengeld. Wer z.B. am 1.11. 2024 in Elternzeit geht, erhält 150 Euro weniger Elterngeld im Monat als wenn sie/er eine Gehaltserhöhung von 3000 Euro netto während des ersten Jahres der Tarifvertrags- Laufzeit bekommen hätte. Der Staat holt sich als einiges davon zurück, so bei Eltern, Leuten, die länger krank sind oder arbeitslos werden.

Diese Inflationsausgleichprämie war als gesetzliche Möglichkeit bei der „Konzertierten Aktion“ (also einvernehmlich zwischen Regierung, Gewerkschaften und den KapitalvertreterInnen) im Herbst 2022 ausgehandelt worden, und sie fließt seitdem in alle Tarifverträge ein, ohne von Gewerkschaftsseite je in den Forderungen aufgetaucht zu sein. Genauso sind die Folgen dieser Prämie in keiner Gewerkschaft wirklich dargestellt und diskutiert worden. Einzige Ausnahme ist die NGG, bei der einige Tarifverträge auf die volle Ausschöpfung der 3000 Euro verzichten und stattdessen höhere Tabellenerhöhungen angestrebt wurden.

Weitere Ergebnisse

Weitere Aspekte sind Zulagen für Psychiatrien, den Justiz- und Maßregelvollzug, die Sozial- und Erziehungsdienste sowie den Straßenbetriebsdienst. Pflegekräfte im Gesundheitsbereich sind etwas „besser“ gestellt worden, indem sie dynamisierte Zulagen erhalten. Aber auch diese sind weit weg von einem Inflationsausgleich oder Anreiz im Beruf zu bleiben oder um neue Kräfte zu gewinnen. Darüber hinaus wird in Berlin die Hauptstadtzulage des TV-ÖD übernommen, die Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben warme Worte erhalten: eine Gesprächszusage für Mitte 2025.

Es wurde kein TV-Stud, der angestrebte Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, auf Bundesebene durchgesetzt. Dieser TV ist auf den Sankt Nimmerleinstag abgeschoben worden. Hier werden ein paar popelige Lohnerhöhung ab dem Sommersemester 2024 auf 13,25 Euro/Stunde und ab dem Sommersemester 2025 auf 13,98 Euro in Aussicht gestellt. Auch einige kleine Änderungen bei Befristungen gibt es. Zum Vergleich, die GEW hatte ursprünglich 22 Euro gefordert. Was der „erste wichtige Schritt hin zu einem zukünftigen Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte“, von dem Werneke spricht, sein soll, hat er wohl aus gutem Grund nicht ausgeführt.

Auf die Beamt:innen soll dieser Vertrag wertgleich übertragen werden. Die vielen Beschäftigten, die nicht direkt dem TV-L unterliegen, aber für die selbiger angewendet wird, („Anwender:innen“) werden bisher überhaupt nicht erwähnt, ihnen drohen weitere Abstriche je nach Arbeit“geber:in“.

Warum diese Niederlage?

Das Ergebnis kann nicht ohne den Ablauf der Tarifrunde bewertet werden. Am Anfang wurden bei GEW und ver.di alle Diskussionen über die Forderungen unterdrückt und gegebenenfalls abgewürgt. Stattdessen wurde eine „Befragung“ organisiert, bei der keine eigenen Vorschläge gemacht werden konnten.

Eine solche Art von gesteuerter „Diskussion“ erlaubte es der Führung, eine Forderung aufzustellen, die sie offensichtlich von vornherein beabsichtigt hatte. Warum aber haben die Spitzenbürokrat:innen nicht im Vorfeld offen für diese geworben? Die Argumente, mit denen sie diese Forderung rechtfertigten, hätten sie auch schon 2 Monate zuvor in einer demokratischen Debatte innerhalb der Gewerkschaften vorbringen können, nämlich dass der Öffentliche Dienst doch eine Gemeinschaft sei, egal ob Bund, Länder oder Kommunen, dass die wirtschaftliche Lage ähnlich sei, die Inflation vielleicht sogar etwas zurückgegangen sei.

Ganz offensichtlich sollte nicht nur genau diese Forderung durchgedrückt, sondern auch eine innergewerkschaftliche Debatte vermieden werden. Diese hätte auch die soziale Lage, die Politik der Regierung, die diese mitverursacht hat, die TVöD-Runde, in der die Gegenseite mal wieder das berüchtigte Schlichtungsabkommen zog (an dem die Bürokratie aber festhält, obwohl es der Gewerkschaft immer nur Nachteile verschafft), und den Abschluss einbezogen.

Es wären also die Kritik gekommen, die jetzt nach dem erneut vollzogenen Reallohnverlust kommt, und den Spielraum für Manöver eingeschränkt. Es hätte im Übrigen auch Raum für ein Kritik an der Ampel von links, von den Gewerkschaften her, geschaffen, stattdessen wird diese Kritik völlig den Rechten überlassen, die Gesellschaft und Ampel in eine wüste rassistische Debatte hineintreiben.

Was bedeutete dieses Vorgehen?

Das antidemokratische Vorgehen der Führung schon während der laufenden Tarifrunde hat eine klare Botschaft: Wir entscheiden, wie die Forderung aussieht, wir entscheiden, ob und wie gekämpft wird, und wir entscheiden, was abgeschlossen wird.

Es bekräftigt die Aussage des TVöD-Tarifkampfes: Ihr könnt die Forderung von unten hochdrücken, ihr könnt Euch und Eure Kolleg:innen besser mobilisieren als die letzten 15 Jahre, wir drücken trotzdem das durch, was wir für richtig halten, was wir mit der Regierung in der Konzertierten Aktion vor einem Jahr abgesprochen haben, und wir werden es schaffen, uns durch unverbindliche „Befragungen“ oder „Voten“ eine Legitimation zu holen. Die Zustimmung der Bundestarifkommission zu diesem Ergebnis, die erneute Durchführung eines „Votums“ statt Vollversammlungen in den Ämtern, Behörden und Betrieben, ja, die Weigerung der GEW selbst eine solche „Befragung“ durchzuführen, bestätigt diesen Durchgriff von oben!

Es bekräftigt die Gesamtaussage aller großen Tarifauseinandersetzungen des letzten Jahres, dass, egal wie hoch der Organisationsgrad und die Kampfbereitschaft sind, sie schützen nicht davor, in Tarifverhandlungen von der Führung ausverkauft zu werden. Im Verlauf des letzten Jahres haben Chemie, Metall, TVöD, Post und EVG sehr ähnliche Abschlüsse erzielt. Jetzt wurde bei dem angeblich so schlecht organisiertem Öffentlichen Dienst der Länder an  wenigen, zersplitterten Streiktagen das gleiche Ergebnis erzielt, wie bei Bund und Kommunen mit 29 Streiktagen! Viele Gewerkschaften, aber eine Politik!

Was bedeutet dies für kämpferische Gewerkschafter:innen?

Die Tatsache, dass offensichtlich die ver.di-Spitze ein abgekartetes Spiel spielt, darf keinesfalls bedeuten, auf Tarifkampf zu verzichten. Das würde gerade den rechten Bürokrat:innen in der Gewerkschaft entgegenkommen. Die verzichten gern auf kämpferische Leute und stützen sich auf Trägheit und Gehorsam. Letztlich macht das auch der „linke“ Flügel des Apparates, der zwar auf mehr Dynamik und organisierte Mobilisierung setzt, aber nicht minder energisch auf die Kontrolle der Tarifbewegung und des Ergebnisses pocht. Zum Des Weiteren würde die Gegenseite eine Schwäche der Gewerkschaft sofort ausnutzen, einen noch schlechteren Abschluss durchzudrücken.

Alle, die unzufrieden sind und ein anderes Ergebnis wollen, müssen sich zum Sprachrohr der teilweise großartigen Mobilisierung machen, die in den Stadtstaaten, aber auch in den Unikliniken der Länder und anderen Hotspots, z. B. Sozialwesen, deutlich stärker war als in früheren Runden. Woche für Woche beteiligten sich zehntausende Landesbeschäftigte – Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Lehrer:innen, Beschäftigte an den Hochschulen, an Kultur- und Bildungseinrichtungen der Länder, aus der Verwaltung, von Landesklinken, studentische Beschäftigte und viele mehr – an den Warnstreiks.

In vielen Städten und Regionen widerlegten sie so eindrucksvoll die Behauptung, dass die Landesbeschäftigten mobilisierungsschwach und faktisch kampfunfähig wären. Am Stadtstaatenstreik beteiligten sich in Berlin, Hamburg und Bremen am 22. November um die 20.000 Kolleg:innen. Am Bildungsstreiktag, dem 28. November, gingen lt. Gewerkschaften in Leipzig 7.000, in Berlin 6.000 Streikende auf die Straße, bundesweit wohl Zehntausende. Dabei hatten sich schon dem Branchenstreik der Sozial- und Erziehungsdienste, der studentischen und universitären Beschäftigten und anderer am 24. November lt. ver.di 42.000 Gewerkschaftsmitglieder angeschlossen. Aber letztlich waren sie im Kalkül der Führung nur Statist:innen für einen Abschluss, den sie immer schon anvisierte.

Vom Unmut über den Abschluss zum Kampf gegen die Bürokratie

Die Taktik der Bürokrat:innen nach einem solchen Abschluss ist es stets, die Diskussion in ein Klein-Klein zu zerreden, den heftigsten Kritiker:nnen einzelne kleine Fehler zuzugestehen und darauf zu vertrauen, dass die Masse der Unzufriedenen murrt, aber passiv bleibt.

Es gilt also einerseits klar zu machen, dass die Gewerkschaftsspitzen dieses und kein anderes Ergebnis wollten. Für sie sind die Interessen des Staates bzw. des Kapitals unantastbar, bestimmte Grenzen dürfen nicht überschritten werden: Die Firmen müssen weiterhin genügend Profit abwerfen und im Konkurrenzkampf bestehen, die Entscheidungen des Staates, z. B. zur Aufrüstung, für Waffenlieferungen oder Unternehmenssubventionen werden nicht in Frage gestellt. Dem ordnen sie die elementaren Lebensinteressen der Arbeitenden unter. Die Gewerkschaftsbürokratie hat eine andere Interessenslage als die Mitglieder.

Das zeigt sich in Tarifkämpfen und in diesem besonders deutlich. Aber was können wir tun? Eine große Kampfbereitschaft von Seiten der Basis ist zwar nötig, aber nicht ausreichend, wenn es darum geht, faule Kompromisse und Ausverkauf auf dem Rücken der Beschäftigten zu verhindern. Wir müssen gerade jetzt klare Forderung formulieren, die den Bürokrat:innen ihre Tricks und Manöver unterbinden. Unmittelbar heißt das:

Nein zum Abschluss!

  • Stimmt mit Nein bei der ver.di-Mitgliederbefragung! Fordert verbindliche Abstimmungen über das Ergebnis ein!

  • In allen Betrieben, Abteilungen, Schulen und Kitas müssen Mitgliederversammlungen und Treffen der Betriebsgruppen einberufen werden, die das Ergebnis nicht nur diskutieren und bewerten, sondern auch Beschlüsse fassen, die es klar ablehnen.

Alle, die mit Nein stimmen, sollten miteinander in Kontakt treten und diskutieren, wie wir weiter vorgehen. Auch wenn wir das Ergebnis kaum noch kippen können, so müssen wir uns für die weiteren Auseinandersetzungen koordinieren und nicht bis zur nächsten Tarifrunde warten.

Klassenkämpferische Alternative ist nötig!

Aber es braucht auch eine Perspektive und Lehren über die unmittelbare Ablehnung des Abschlusses hinaus. In den kommenden Jahren und Monaten stehen nicht nur Tarifrunden an. Die Haushaltkrise wird auch in Form von Kürzungen die Beschäftigten treffen. Wir können daher keine zwei Jahre warten, bis die nächsten Tarifverhandlungen ins Haus stehen, sondern müssen auch dazu mobilisieren. Wir müssen darum kämpfen, dass die Mobilisierung unter Kontrolle der Basis stattfindet. Sie soll entscheiden, ob und wann Arbeitsstreiks, Warnstreiks oder ein Flächenstreik stattfinden. Schluss mit der Zersplitterung bei Aktionen. Gemeinsamer Kampf der Beschäftigten bei Ländern, Bund und Kommunen u. a. durch Zusammenlegung der Tarifrunden TV-L und TVÖD! Kündigung der Schlichtungsabkommen!

Bei Tarifrunden darf es keinen Abschluss ohne Zustimmung der Basis geben. Alle Gewerkschaften sollen ihre Kämpfe und Streiks koordinieren, z. B. einen Schulterschluss mit der GDL und dem Handel herstellen und Solidaritätsaktionen in anderen Branchen bei ver.di, GEW, IG BAU wie in allen anderen DGB-Gewerkschaften organisieren.

Die Entscheidungen müssen transparent und demokratisch sein! Daher sollten nicht nur Mitglieder- und Belegschaftsversammlungen einberufen, sondern auch Streikkomitees gewählt werden. Die bundesweite Streikleitung und die Verhandlungsführung müssen diesen gegenüber rechenschaftspflichtig und durch sie wähl- und abwählbar sein, um einer wirklichen Kontrolle unterzogen zu werden. Statt Geheimverhandlungen brauchen wir öffentliche, transparente Tarifrunden.

Forderungen müssen von den Mitgliedern diskutiert und entschieden, nicht von oben diktiert werden! Die Tarifkommissionen müssen gewählt werden. Stimmrecht nur für Delegierte, die dem jeweiligen Tarifvertrag unterliegen, also kein Stimmrecht für die Angestellten der Gewerkschaften! Rechenschaftspflicht und jederzeitige Abwählbarkeit aller Kommissionsmitglieder! Schluss mit der Schweigepflicht!

Dazu ist nötig, dass wir uns auf allen Ebenen vernetzen und eine oppositionelle, klassenkämpferische Basisbewegung aufbauen, so dass wir von kritischen Betriebsgruppen zu einer bundesweiten ver.di-Opposition, z. B. im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), kommen. Nur so können wir die Tricks und Manöver der Bürokratie erkennen und bekämpfen und einen wirklichen Kurswechsel in den Gewerkschaften herbeiführen.




TV-Länder: Wo bleibt Plan B?

Martin Suchanek, Infomail 1238, 29. November 2023

Woche für Woche beteiligen sich zehntausende Landesbeschäftigte im Rahmen der Tarifrunde öffentlicher Dienst an den Warnstreiks. Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Lehrer:innen, Beschäftigte an den Hochschulen, an Kultur- und Bildungseinrichtungen der Länder, aus der Verwaltung, von Landesklinken, studentische Beschäftigte und viele andere gingen in den letzen Wochen auf die Straße.

In vielen Städten und Regionen widerlegen sie eindrucksvoll die Behauptung, dass die Landesbeschäftigten mobilisierungsschwach und faktisch kampfunfähig wären. Am Stadtstaatenstreik beteiligten sich in Berlin, Hamburg und Bremen am 22. November um die 20.000 Kolleg:innen. Am Bildungsstreiktag, dem 28. November, gingen lt. Gewerkschaften in Leipzig 7.000, in Berlin 6.000 Streikende auf die Straße, bundesweit wohl Zehntausende. Dabei hatten sich schon dem Branchenstreik der Sozial- und Erziehungsdienste, der studentischen und universitären Beschäftigten und anderer am 24. November lt. ver.di 42.000 Gewerkschaftsmitglieder angeschlossen.

Natürlich bedeutet das nicht, dass ein Vollstreik im öffentlichen Dienst nicht auch vor reale Probleme der Mobilisierung gestellt würde, weil in vielen Ländern die gewerkschaftlichen Strukturen schwächer geworden sind. Aber es zeigt auch, dass Zehntausende Beschäftige mobilisierbar sind und es möglich ist, eine über Warnstreiks und Verhandlungen hinausgehende Mobilisierung vorzubereiten, aufzubauen und durchzuziehen. Zumal dann, wenn ver.di, die GEW und die IG BAU auch eine echte Verbindung mit anderen Beschäftigtengruppen und Gewerkschaften suchen würden.

So läge es auf der Hand, wenn ver.di die Warnstreiks und Demonstrationen der Tarifrunden im Handel mit jener der Landesbeschäftigen koordinieren und so schlagkräftiger machen würde. So läge es auf der Hand, den Schulterschluss mit der GDL zu suchen, die derzeit die Urabstimmung durchführt. So läge es auf der Hand, bei ver.di, GEW, IG BAU wie in allen anderen DGB-Gewerkschaften die Mitglieder zu Solidaritätsaktionen und -streiks mit den Beschäftigten aufzurufen. Und so läge es auch auf der Hand, die Mobilisierung in einem gemeinsamen, bundesweiten Warnstreik kulminieren zu lassen, um so allen Beschäftigten ein Gefühl gebündelter Stärke zu vermitteln und deutlich zu machen, dass ein bundesweiter Streik möglich ist.

Und die Gewerkschaftsführungen?

Doch das passt offenkundig nicht zur Streiktaktik der Verhandlungsführung und der Gewerkschaftsspitzen. Diese werden zwar nicht müde zu betonen, dass die Länder bis heute kein Verhandlungsangebot vorgelegt haben. Doch was folgt daraus? Bereiten sie eine Eskalation vor? Was tun sie, wenn die Verhandlungen nicht einmal zu einem „vorzeigbaren Kompromiss“ führen, also zu einem faktischen Ausverkauf, der wie das Ergebnis des TVöD allenfalls schöngeredet werden kann? Und was tun, wenn es angesichts des offenkundigen Fehlens eines Plans B – also von Urabstimmung und Streik – nicht einmal dazu reicht? Warum sollen die sog. Arbeitergeber:innen im öffentlichen Dienst überhaupt Zugeständnisse machen, wenn die Gewerkschaften mit der Urabstimmung nicht einmal drohen?

Bis zum 7. Dezember, der dritten Verhandlungsrunde, werden die Länder wahrscheinlich noch etwas vorlegen. Man muss aber kein/e Prophet:in sein, um vorherzusehen, dass das hinten und vorne nicht reichen wird. Schließlich werden die Verhandlungsführer:innen der Länder nicht müde, das Lied von den leeren Kassen zu singen. Angesichts der aktuellen Haushaltskrise werden sie auch noch darauf verweisen, dass sie ohnedies „sparen“ müssen, also weitere Kürzungen vornehmen, jeder Cent Lohnerhöhung zu weniger Personal führen würde.

Dann reicht es nicht, wenn die Gewerkschaften darauf verweisen, dass bei den Reichen genug Geld da wäre, die Milliardengewinne der Kapitalist:innen nur abgeschöpft werden müssten. Schließlich geht es bei der Tarifrunde nicht um „bessere Argumente“, ein imaginäres, über allen Klassen stehendes „Gemeinwohl“, sondern um gegensätzliche Klasseninteressen. Daher entscheidet nicht der Appell ans „Verständnis“ der Gegenseite, an deren „Vernunft“, sondern die Kampf- und Durchsetzungskraft.

U wie Urabstimmung, S wie Streik

Damit die Forderungen der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst – 10,5 % Entgelterhöhung, mindestens aber 500 Euro, 200 Euro und Übernahme für die Azubis und das alles bei einer Laufzeit von einem Jahr – durchgesetzt werden können, braucht es einen Plan B der Gewerkschaften, genauer einen Plan U wie Urabstimmung und einen Plan S wie Streik. Die GDL, an der es sicher auch viel zu kritisieren gibt, macht zur Zeit vor, wie sich eine Gewerkschaft verhalten sollte, auf deren Forderungen die Gegenseite nicht eingeht. Sie sollte die ganzen Verhandlungsrituale bleiben lassen und den Streik vorbereiten. Und diese Mobilisierung sollte nach einer Urabstimmung auch durchgezogen und nicht wie bei der TVöD-Runde im Rahmen einer Schlichtung geopfert werden.

Daher sollten alle Gewerkschafter:innen bei ver.di, GEW und IG BAU von ihren Funktionär:innen die Durchführung von Mitglieder- und Belegschaftsversammlungen einfordern, wo offen über die weitere Mobilisierung, über die Kampfstrategie, Urabstimmung und Vollstreiks diskutiert und beschlossen wird.

Der Arbeitskampf muss demokratisiert werden. Zur Zeit wird er vollständig von den Gewerkschaftsapparaten und hier an erster Stelle vom ver.di-Apparat kontrolliert. Diese bestimmen die Kampftaktik, die Verhandlungsführung und letztlich auch, welcher Abschluss annehmbar sei.

Wenn wir uns darauf verlassen, wird bei der Tarifrunde allenfalls ein Ergebnis wie beim TVöD rauskommen. Und das ist einfach zu wenig, deckt es doch längst nicht die Preissteigerungen und Einkommensverluste der letzten Jahre und wahrscheinlich auch nicht die Kosten der kommenden. Hinzu droht im öffentlichen Dienst angesichts der Budgetkrise eine weitere Welle von Kürzungen, Personalabbau und Privatisierungen. Auch die müsste jetzt in der Tarifrunde thematisiert und zum Gegenstand der Auseinandersetzung gemacht werden. Doch vor dieser Politisierung scheuen die Gewerkschaftsführungen zurück, weil sie eine direkte Konfrontation mit der Regierung, dem Parlament, Verfassungsgericht und anderen „heiligen“ Kühen fürchten.

Daher sollten nicht nur Mitglieder- und Belegschaftsversammlungen einberufen, sondern auch Streikkomitees gewählt werden. Die bundesweite Streikleitung und die Verhandlungsführung müssen diesen gegenüber rechenschaftspflichtig, durch sie wähl- und abwählbar sein, um einer wirklichen Kontrolle unterzogen zu werden. Statt Geheimverhandlungen brauchen wir öffentliche, transparente Tarifrunden.

Zur Zeit stehen die Beschäftigten der Länder in einer wichtigen Auseinandersetzung. Im Grunde ziehen die Gewerkschaftsspitzen bei dieser Tarifrunde aber nur einmal mehr durch, was sie seit der Pandemie und dem Beginn des Ukrainekrieges immer wieder tun. Sie betreiben Tarifpolitik im Rahmen der Konzertierten Aktion, mittels  sozialpartnerschaftlicher Abkommen zwischen Kapital, Arbeit und Regierung. Die Mobilisierungen verkommen dabei zur Begleitmusik für faule Kompromisse, die vor allem die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals und den Burgfrieden im Rahmen der globalen Konfrontation mit Russland, China und anderen wirtschaftlichen und geostrategischen Rival:innen sichern sollen. Eine solche Politik kann nur auf Kosten der Beschäftigten gehen.

Zur Durchsetzung einer klassenkämpferischen Tarifpolitik braucht es eine Demokratisierung der Gewerkschaften. Diese muss aber Hand in Hand gehen mit dem Aufbau einer klassenkämpferischen politischen Alternative zum bürokratischen,  reformistischen Apparat. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften stellt dafür einen Ansatz dar. Lasst sie uns gemeinsam aufbauen!




TV-L: Die Forderung von 10,5 % und was sie wirklich aussagt

Mattis Molde, Infomail 1233, 14. Oktober 2023

Am 11. Oktober hat die Große Tarifkommission von ver.di die Forderung von 10,5 %, mindestens 500 Euro, aufgestellt. Exakt die gleiche Forderung wie beim TVöD.

Eine echte Diskussion war im Vorfeld nicht zugelassen worden. Auf allen Versammlungen wurden Beiträge zur Höhe der Forderung unterbunden oder gleich gar keine Diskussion vorgesehen. Stattdessen erfolgte eine „Befragung“, in der die Mitglieder jeweils individuell  vorgegebene Fragen beantworten konnten. Keine Diskussion, keine eigenen Vorschläge machen dürfen – das ist „Demokratie“ nach Art der Bürokratie!

Eine solche Art von gesteuerter „Diskussion“ erlaubte es der Führung, eine Forderung aufzustellen, die sie offensichtlich von vorneherein beabsichtigt hatte. Warum aber haben die Spitzenbürokrat:innen nicht im Vorfeld offen für diese geworben? Die Argumente, die sie jetzt vorbringen, hätten auch schon vor 2 Monaten den gleichen Wert gehabt:

  • dass der Öffentliche Dienst doch eine Gemeinschaft sei, egal ob Bund, Länder oder Kommunen,
  • dass die wirtschaftliche Lage ähnlich sei, die Inflation vielleicht sogar etwas zurückgegangen.

Ganz offensichtlich sollte nicht nur eine innergewerkschaftliche Debatte um die soziale Lage, um die Politik der Regierung, die diese mitverursacht hat, um die TVöD-Runde, in der die Gegenseite mal wieder das berüchtigte Schlichtungsabkommen zog – an dem die Bürokratie aber festhält, obwohl es der Gewerkschaft immer nur Nachteile verschafft –, und um einen Abschluss, der ohne richtigen Streik zu einer fetten Niederlage führte, vermieden werden. Statt der geforderten 10,5 %, mindestens aber 500 Euro bei einem Jahr Laufzeit, wurde folgendes vereinbart:

  • Inflationsausgleich von insgesamt 3.000 Euro in Teilzahlungen.
  • 1.240 Euro davon sind bereits in diesem Juni geflossen, weitere 220 Euro dann jeweils in den Monaten von Juli bis Februar 2024.
  • Zum 1. März 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden.
  • In einem zweiten Schritt soll der dann erhöhte Betrag noch einmal linear um 5,5 Prozent steigen. Die Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen.
  • Die Laufzeit beträgt 24 Monate.

Dieses Ergebnis war und ist vor allem durch 2-jährige Laufzeit ein herber Reallohnverlust.

Was bedeutet die Forderung konkret?

Wenn man von einer Inflationsrate für 2022 von 8 % und für 2023 von 6 % ausgeht, wie es die ver.di-Oberen z. B. auf der Tarifbotschafter:innen-Versammlung am 11. Oktober getan haben, dann sind das zusammen knapp 14,5 %. Die letzte Tariferhöhung von 2,8 % wurde also komplett aufgefressen, und selbst 10,5 % in 12 Monaten könnten das nicht mehr wettmachen.

Wenn die ver.di-Spitze jetzt die gleiche Forderung für den TV-L aufstellt,  kann man davon ausgehen, dass sie den gleichen oder einen sehr ähnlichen Abschluss anstrebt bzw. damit zufrieden ist. Angesichts des schlechteren Organisationsgrades bei den Ländern haben die Bürokrat:innen an der Spitze auch schon ein wohlfeiles Argument, um die Verantwortung für einen noch schlechteren Abschluss abzuwälzen.

Was bedeutet dieses Vorgehen?

Das antidemokratische Vorgehen der Führung hat eine klare Botschaft: Wir entscheiden, wie die Forderung aussieht, wir entscheiden, ob und wie gekämpft wird, und wir entscheiden, was abgeschlossen wird.

Es bekräftigt die Aussage des TVöD-Tarifkampfes: Ihr könnt die Forderung von unten hochdrücken, ihr könnt Euch und Eure Kolleg:innen besser mobilisieren als die letzen 15 Jahre, wir drücken trotzdem das durch, was wir für richtig halten, was wir mit der Regierung in der Konzertierten Aktion vor einem Jahr abgesprochen haben, und wir werden es schaffen, uns durch „Befragungen“ oder „Voten“ eine Legitimation zu holen.

Es bekräftigt die Gesamtaussage aller großen Tarifauseinandersetzungen des letzten Jahres, dass, egal wie hoch der Organisationsgrad und die Kampfbereitschaft sind, sie schützen nicht davor, in Tarifverhandlungen von der Führung ausverkauft zu werden. Im Verlauf des letzten Jahres haben Chemie, Metall, TVöD, Post und EVG sehr ähnliche Abschlüsse erzielt. Viele Gewerkschaften, aber eine Politik!

Was bedeutet dies für kämpferische Gewerkschafter:innen?

Es darf keinesfalls bedeuten, jetzt auf den Tarifkampf zu verzichten. Das würde gerade den rechten Bürokrat:innen in der Gewerkschaft entgegenkommen. Die verzichten gerne auf kämpferische Leute und stützen sich auf Trägheit und Gehorsam.

Zum Zweiten würde die Gegenseite eine Schwäche der Gewerkschaft sofort ausnutzen, einen noch schlechteren Abschluss durchzudrücken.

Für uns kommt es darauf an, den Kampf für ein gutes Ergebnis damit zu verbinden, die Kolleg:innen in unseren Betrieben zu aktivieren, zur Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie anzuregen und diese auch in die Gewerkschaft gemeinsam hineinzutragen. Wir müssen in der Tarifrunde darum kämpfen, dass die Mobilisierung unter Kontrolle der Basis stattfindet, es keinen Abschluss ohne deren Zustimmung geben darf. Wir müssen uns klar vor Augen halten, dass wir nur dann die Forderungen durchsetzen können, wenn wir uns nicht auf Geheimverhandlungen einlassen, sondern möglichst rasch zur Urabstimmung und zu einem flächendeckenden Streik kommen. Natürlich wird das schwer, aber wir müssen dafür nicht nur breit im öffentlichen Dienst mobilisieren, sondern die Auseinandersetzung verbreitern und gemeinsam mit anderen Gewerkschaften führen.

Dazu ist nötig, dass wir uns auf allen Ebenen vernetzen und eine oppositionelle, klassenkämpferische Basisbewegung aufzubauen, so dass wir von kritischen Betriebsgruppen zu einer bundesweiten ver.di-Opposition z. B. im Rahmen der VKG kommen. Nur so können wir die Tricks und Manöver der Bürokratie erkennen und bekämpfen und einen wirklichen Kurswechsel in den Gewerkschaften herbeiführen.




GEW-Berlin: Und monatlich grüßt der Warnstreik?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 277, Oktober 2023

Unterhält man sich mit Kolleg:innen hier in Baden-Württemberg über die Streikbemühungen der Berliner Kolleg:innen rund um den Tarifvertrag Gesundheit (TV-G) kommt neben zustimmenden Antworten auch oft eine Frage zum Vorschein: „Wie viele Warnstreiks haben die Berliner Kolleg:innen eigentlich schon durchgeführt?“ Eine Frage, die einerseits die große Kampfbereitschaft der Kolleg:innen aufgreift und würdigt, aber gleichzeitig auch den Finger in die Wunde legt und indirekt die Frage stellt: „Bekommen sie eigentlich das, wofür sie auf die Straße gehen?“

Ruf nach Ausweitung

Solche Fragen stellen sich nicht nur Kolleg:innen im entfernten Baden-Württemberg, sondern auch direkt vor Ort in Berlin. Eindrucksvoll spiegelte sich dies in den Abstimmungen auf der letzten zentralen Streikversammlung Ende des vergangenen Schuljahres wider, stimmten dort in einer großen Mehrheit die Berliner Kolleg:innen doch für eine Veränderung der bisherigen Streikstrategie und die Radikalisierung des Arbeitskampfes. Die aufeinanderfolgenden Streiktage sollten auf 5 erhöht werden und eine offene Debatte sowie Abstimmung über einen notwendigen Erzwingungsstreik stattfinden. Hierbei sollte die Basis miteinbezogen und nicht nur die Entscheidung alleinig der Tarifkommission überlassen werden. Diese Abstimmung zeigte auch, dass die mühsame Basisarbeit einer Basisgruppe innerhalb der (Jungen) GEW in Berlin auf offene Ohren gestoßen ist, schlug diese Gruppierung doch eine Diskussion über genau einen solchen Kampagnenplan vor mit dem Ziel der Ausweitung der Streikaktivitäten und der offenen Diskussion über einen Erzwingungsstreik.

Auf fruchtbaren Boden fielen diese Vorschläge aufgrund des offensichtlichen Scheiterns der bisher befolgten Strategie der Tarifkommission und der Berliner GEW-Bürokratie. Diese will letztlich eine entscheidende Konfrontation mit dem Senat vermeiden. Daher scheut sie auch vor einem Erzwingungsstreik zurück, weil dabei alle Seiten ihre Karten auf den Tisch legen müssten.

Hier wird deutlich, dass die Führung der GEW Berlin nicht an die eigene Mobilisierungsstärke und damit verbunden auch nicht an den Erfolg des Tarifkampfes glaubt. Stattdessen versucht sie, den Fokus der Verhandlungen weg von einem Tarifvertrag und hin auf eine Gesetzesänderung zu lenken, welche die Klassengröße festschreiben soll. Jede/r Kolleg:in weiß aber, dass politische und dienstliche Zwänge schnell dazu führen, dass gesetzlich festgeschriebene Klassenteiler schnell unter den Tisch fallen, wenn die Anzahl der Lehr- und Betreuungskräfte nicht stimmt oder die Schule nicht genügend Räume zur Verfügung hat. Diese Vorstellung war schon unter Rot-Grün-Rot fragwürdig. Unter dem neuen CDU-SPD-Senat wird sie vollends zur weltfremden Chimäre.

Es kann daher als Erfolg gewertet werden, dass die Demobilisierungsversuche der GEW-Bürokratie ins Leere liefen und sie stattdessen damit konfrontiert wurde, dass die aktiven Kolleg:innen für die Ausweitung der Streikaktionen plus transparente Debatte stimmten! Ein Erfolg, der begleitet wird von der Forderung, die Basis des Streikes zu verbreitern, indem aktiv schwach organisierte Schulen besucht werden sollen, um Unterstützung im Aufbau von GEW-Aktionsgruppen, für Streikversammlungen, Mobiveranstaltungen etc. anzubieten, um somit die Streikkraft der Bewegung zu vergrößern. Ein vollkommen verständlicher Vorschlag, da die abnehmende Zahl an Streikenden über die letzten Streiktage hinweg durchaus die Gefahr birgt, dass die Kolleg:innen ausgebrannt werden und keinen Sinn mehr in den Streikaktionen sehen. Damit dies nicht dem Senat sowie der GEW-Bürokratie in die Hände spielen kann, sind solche Vorschläge von kämpferischen Gewerkschafter:innen positiv aufzugreifen und zu unterstützen.

Darüber hinaus dient die Verbreiterung der Basis auch gleichzeitig dazu, den Druck auf die GEW-Bürokratie sowie auf die Tarifkommission zu erhöhen, um zu verhindern, dass sie die Abstimmung der Streikversammlung einfach umgehen. Dies erkennen wir daran, dass vonseiten der GEW-Führung nun nur ein 3-tägiger und kein 5-tägiger Warnstreik ausgerufen wurde. Hier redet sich die Bürokratie damit heraus, dass die Streikversammlungen keine demokratische Legitimität besäßen und von dieser keine Mandate ausgehen könnten.

Dieses Manöver zeigt deutlich, dass der Einfluss des Teils der Basis, welcher für die Ausweitung der Streikbemühungen einsteht, noch zu gering ist, um die Mehrheit auf Streikversammlungen auch wirklich in Aktionen der Gewerkschaft zu übertragen. Klar muss dem Manöver der Bürokratie widersprochen werden. Gleichzeitig sollte aber auch der Unmut über diese Entscheidung innerhalb des aktiven Kreises dazu verwendet werden, um Basisstrukturen aufzubauen, die sich kritisch mit der Rolle der GEW-Bürokratie auseinandersetzen und auch offen die demokratischen, gewerkschaftsinternen Prozesse der Streikführung kritisieren und diskutieren. Darüber hinaus müssen diese Diskussionen eingebunden werden in die oben schon angesprochenen Bemühungen zur Ausweitung der Basisstrukturen, um sich in zukünftigen Entscheidungen auf Streikversammlungen wie auch in konkreten Aktionen danach manifestieren zu können.

Schließlich sollte während des dreitägigen Warnstreiks vom 10. – 12. Oktober eine gut vorbereitete Vollversammlung stattfinden, die über die weitere Vorgehensweise beschließt. Es gibt keinen Grund, das demokratische Mandat einer solchen Versammlung anzuzweifeln, wenn schon im Vorfeld an Schulen und in den gewerkschaftlichen Strukturen genau diese Fragen anhand von Anträgen an die Vollversammlung diskutiert werden.




Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder: Für die Durchsetzung eines realen Inflationsausgleichs!

Helga Müller, Neue Internationale 277, Oktober 2023

Am 11. Oktober 2023 entscheidet die Bundestarifkommission von ver.di über die Forderungen für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder. Derzeit läuft die Online-Mitgliederbefragung zu den Forderungen.

Auch einzelne betriebliche Organe wie die ver.di-Betriebsgruppe der FU-Berlin – diese hat eine Petition gestartet – haben ihre Forderungen aufgestellt. Inwieweit diese von der Bundestarifkommission aufgenommen werden, bleibt dabei völlig im Unklaren. In der letzten Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen konnte aufgrund des Drucks von unten eine höhere Forderung als vom Bundesvorstand beabsichtigt durchgesetzt werden.

Im Unterschied zu den Ländern gibt es vor allem bei den Kommunen eine viel höhere gewerkschaftliche Organisierung und auch viel mehr Erfahrung mit Voll- und Warnstreiks. Aber auch bei den Ländern existieren wichtige Erfahrungen aus Kämpfen und, wie diese aufgebaut werden können, teilweise auch gegen den Willen der Gewerkschaftsverantwortlichen. Insbesondere die Krankenhausbewegungen von Berlin und NRW, die ja zum größten Teil Unikliniken umfassten, zeugen von dieser Erfahrung.

Zusätzlich zu den Länder- kämpfen auch die studentisch Beschäftigten für einen Tarifvertrag (TVStud). Ein solcher wurde bisher nur in Berlin durchgesetzt. Gerade studentische Hilfskräfte müssen unter äußerst prekären Bedingungen arbeiten: befristete Verträge, schlechte Bezahlung, die noch hinter der der Länderbeschäftigten hinterherhinkt, um ihr Studium zu finanzieren. Sinnvoll wäre es, die Forderungen der Studierenden direkt in den Katalog der Tarifrunde Länder aufzunehmen und den bisherigen TVStud zu einem Bestandteil des TV-L zu machen, um die gemeinsame Kampfkraft von studentischen und Länderbeschäftigten zusammenzuführen und damit durchsetzungsfähiger zu werden.

Und der Vorstand?

Auf Mobilisierung und Durchsetzungsstreiks scheint es der Vorstand von ver.di aber nicht anzulegen. Der Bundesvorstand hat bereits drei Verhandlungstermine festgelegt: Der erste findet am 26. Oktober, der zweite am 2./3. November und der dritte – nach der Regie des Bundesvorstands auch letzte Verhandlungstermin – am 7./8. Dezember statt.

In der Zwischenzeit erfolgen in der Regel einzelne Warn- und noch keine Durchsetzungsstreiks. Erst wenn es in der dritten Verhandlungsrunde zu keiner Einigung kommt, dann kann die Bundestarifkommission eine Urabstimmung über unbefristete Streiks durchführen. Aber auch das ist noch keine Garantie, dass es dazu kommt, wie die letzte Tarifrunde zum TVöD gezeigt hat.

Der ver.di-Vorstand und die Spitzen der anderen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst setzen nicht auf Konfrontation, sondern auf Tarifrundenritual mit Verhandlungen. Zugleich soll dem Vorgehen ein möglichst demokratischer Anstrich gegeben werden. Daher organisiert ver.di eine Umfrage zu den Forderungen unter den Mitgliedern, deren Fragestellungen jedoch vom Apparat vorgegeben werden. Hinzu kommt, dass die einzelnen Gewerkschafter:innen hier nicht nach einer demokratischen Diskussion z. B. in ihrer Betriebsgruppe abstimmen, sondern individualisiert online ihre Kreuzchen machen müssen. Eine wirkliche Debatte um Forderungen sieht anders aus.

Aber zunächst geht es einmal darum, für Forderungen zu kämpfen, die auch wirklich einen Inflationsausgleich für alle bedeuten. Wir schließen uns hier den meisten Forderungen, die die Kolleg:innen der ver.di-Betriebsgruppe der FU Berlin aufgestellt haben, an. Diese sollten, wie in der Petition vorgeschlagen, von möglichst vielen Betriebsgruppen, Vertrauensleutestrukturen, aber auch ver.di-Ortsvereinen, -Fachgruppen, -Landesfachbereichsvorständen diskutiert, beschlossen und an die Bundestarifkommission und den Bundesvorstand geschickt werden, um einen möglichst hohen Druck auf diese auszuüben:

  • 1.000 Euro für alle!
  • Automatische Anpassung an die Inflation!
  • Überführung TV Stud in TV-L!
  • Übernahme der Azubis in unbefristete Verträge!
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • Laufzeit von einem Jahr – maximal bis Ende 2024!

Politische Rahmenbedingungen

Aber gerade in den Tarifrunden des öffentlichen Dienstes kommt es darauf an, auch den politischen Rahmen, in dem die Verhandlungen stattfinden, mit aufzunehmen: Derzeit laufen die Lesungen zum Bundeshaushalt. Hier hat die Ampelregierung deutlich gemacht, in wessen Interesse sie handelt: Einzig der Rüstungshaushalt soll massiv erhöht werden (100 Milliarden Euro Sondervermögen, in Zukunft sollen mindestens 2 % des BIP für den Rüstungsetat aufgewendet werden). Alle anderen Ressorts müssen sich auf Kürzungen gefasst machen. Insgesamt sollen 30 Milliarden Euro an Kürzungen umgesetzt werden. Gleichzeitig möchte FDP-Finanzminister Lindner die Schuldenbremse wieder in Kraft setzen. Wer dies zahlen soll, ist jetzt schon klar: wir Beschäftigten, ob in der Privatwirtschaft oder beim Land, Bund oder in den Kommunen, die Jugendlichen, Kinder, Rentner:innen, Arbeitslosen, Asylsuchende und Migrant:innen – die Mehrheit der Bevölkerung.

Den Länderbeschäftigten wird vorgehalten, dass kein Geld für höhere Löhne in den Kassen und von daher nicht viel zu erwarten sei.

Aber Geld ist da, vor allem die Energieunternehmen, aber auch die Autoindustrie haben trotz Krise und Pandemie Rekordgewinne erzielt, die abgeschöpft werden müssen durch eine Übergewinnsteuer und eine progressive Erhöhung der Steuerabgaben auf Kapitaleinkommen. Dann wäre genug Geld in den öffentlichen Kassen! Ein Inflationsausgleich ist machbar! Die Kolleginnen und Kollegen können auf eine kräftige Lohnerhöhung nicht verzichten! Zum einen sind die Preise gerade bei den Lebensmitteln, bei der Energie immer noch sehr hoch und zum anderen hat die letzte Tariferhöhung von 2021 nur eine bescheidene Erhöhung von 2,8 % gebracht. Schon von daher brauchen wir in dieser Tarifrunde einen wirklichen Inflationsausgleich! Mit Einmalzahlungen ist das nicht zu machen – was wir brauchen ist eine reale Erhöhung auf die Tariflöhne!

Nicht nur die Forderungen, wie oben vorgeschlagen, müssen gegen den Bundesvorstand durchgesetzt, sondern auch deren Umsetzung erzwungen werden – wie es auch schon die Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gezeigt hat. Dafür ist es notwendig, dass sich die Kolleg:innen, die dafür kämpfen wollen, über die Betriebe, Dienststellen, aber auch über die Bezirke und Länder hinweg enger zusammenschließen. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und ihre lokalen Strukturen bieten dafür einen Rahmen. Setzt Euch mit diesen in Verbindung!

Gleichzeitig müssen die streikenden Kolleg:innen die Möglichkeit erhalten, über Streikmaßnahmen zu diskutieren und zu entscheiden, und zwar auf Streikversammlungen, in denen alle zusammengefasst werden. Um dies zu organisieren und damit die Kolleg:innen die Kontrolle über ihren Streik erhalten, ist der Aufbau von Streikkomitees, die z. B. aus demokratisch gewählten Tarifbotschafterinnen aus den Abteilungen bestehen sollten, die auch wieder abgewählt werden können, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, notwendig. Darüber hinaus brauchen die Kolleg:innen die volle Transparenz über die Verhandlungen statt Geheimabsprachen der Bundestarifkommission mit den öffentlichen Arbeit„geber“:innen.




Schule muss anders! Aber wie?

REVOLUTION, Neue Internationale 276, September 2023

Warum das Bildungssystem in einer fundamentalen Krise steckt und was wir dagegen tun können

Nach 10 Stunden Frontalunterricht mit mindestens 25 Schüler:innen in einer Klasse kommen wir nach Hause und möchten uns einfach nur noch die Bettdecke über den Kopf ziehen und raus aus dieser Scheiße. Nachdem von den Französischvokabeln, den Anaphern im Goethe-Gedicht und der mathematischen Integralgleichung kaum noch was hängengeblieben ist, scheint wenigstens eins klar zu sein: Dieses Bildungssystem ist genauso marode wie das Schulgebäude, in dem es durch die Decke tropft und in der Umkleidekabine schimmelt.

Leistungsterror als Antwort auf Unterfinanzierung

Obwohl Bildungsstreikbewegungen, Jugendorganisationen und Gewerkschaften schon seit über 10 Jahren davon reden, scheint es nun auch bei der sogenannten Allgemeinheit angekommen zu sein, dass neben Unis und Kitas vor allem auch unsere Schulen in einer fundamentalen Krise stecken. Von FAZ bis taz verdrückt die bürgerliche Presse eine dicke Krokodilsträne nach der anderen darüber, dass immer neue Vergleichsarbeiten bestätigen, dass es den Schüler:innen an elementaren Grundkenntnissen wie Rechnen, Lesen und Schreiben mangelt. Kein Wunder, denn die PISA-Studie hat bestätigt, was wir schon lange wussten: Bildungserfolg hängt in Deutschland vor allem vom Einkommen unserer Eltern ab. Und das in Deutschland in sogar noch stärkerem Maße als in Mexiko, Ungarn oder Polen. Aber anstatt das Problem der massiven Unterfinanzierung unserer Schulen anzugehen, wird uns Schüler:innen eingeredet, wir würden uns halt einfach nicht genug anstrengen und seien demnach auch selber schuld, wenn wir den ganzen Tag nur am Handy „daddeln“ (Boomersprache für „das Handy benutzen“; Boomer: über 50 Jahre alte Person, die sich über das Verhalten der Jugend  aufregt). Aber nachdem nun auch die bürgerliche Presse auf die Probleme in den schulischen Leistungen hingewiesen hat, mussten die Landesregierungen handeln. Anstatt eines Investitionspakets Bildung, der Einstellung neuer Lehrkräfte und der Bereitstellung von kostenloser Nachhilfe hat man sich gedacht: „Wenn die Schüler:innen zu faul zum Lernen sind, müssen wir halt den Druck und die Vergleichbarkeit erhöhen.“ Praktisch bedeutet das für uns eine schärfere Selektion im 3-gliedrigen Schulsystem, die Erhöhung der Anzahl von Prüfungen und eine Verkürzung der Regelschulzeit von 13 auf 12 Jahre im Rahmen des sogenannten „G8“-Abis. Corona hat diesem Prozess noch das Sahnehäubchen aufgesetzt. Der durch die Lockdowns verpasste Lernstoff soll jetzt einfach noch zusätzlich draufgepackt werden. Dieser künstlich erzeugte Leistungsdruck geht auf unsere (mentale) Gesundheit. So ist die Anzahl derer von uns, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden, in den letzten 10 Jahren um mehr als das Doppelte angestiegen.

Mit Privatisierung gegen die Bildungskrise?

Obwohl die klassisch neoliberale Antwort „Der Markt wird’s schon lösen“ bereits in der Coronapandemie, der Klimakrise, der Wohnungskrise und der Inflationskrise nicht funktioniert hat, wird sie nun auch in der Bildungskrise versucht, indem auf die „unternehmerische Initiative des freien Marktes“ gesetzt wird. Praktisch heißt das: Privatisierung statt stabiler öffentlicher Ausfinanzierung. Eine Öffnung unserer Schulen für den freien Markt findet heute insbesondere unter den Vorzeichen der „Digitalisierung“ statt. Klingt ja erstmal eigentlich ganz gut, denn während der Coronapandemie haben wir gemerkt, dass weder unsere 70 Jahre alte Mathelehrer:in noch unsere 70 Jahre alte Technik für das Homeschooling bereit waren. Doch unter Digitalisierung versteht der Staat keine flächendeckenden Investitionen in eine auf Open Source basierte digitale Infrastruktur unserer Schulen, sondern eine Öffnung des öffentlichen Sektors für die Privatwirtschaft. Über Sponsoringverträge mit Softwarekonzernen kann eine Schule ein nagelneues Computerkabinett oder eine Schulcloud bekommen, wenn sie sich nur dazu verpflichtet, das Konzernlogo gut sichtbar aufzuhängen und alle weiteren Update- und Softwarepakete von derselben Firma zu erwerben. Wenn sich Schulen weigern, geht’s halt weiter mit dem Mathebuch, mit den Bildern, auf denen die coolen Kids aus den 1990ern Spaß beim Lernen haben. Doch auch die Schulbücher werden nicht vom Staat kostenlos bereitgestellt, sondern wir müssen natürlich dafür zahlen. Für die meisten Familien, die unter inflationsbedingtem Reallohnverlust leiden, ist jedoch am Monatsende kaum noch Geld für Schulbücher da. Dazu kommen dann auch noch die ganzen anderen privatisierten Kosten für Kunstmaterial, Sportzeug, Klassenfahrten, Mensaessen, Arbeitsmaterial usw. Hinzu kommt, dass wir auch mit dem ganzen neu gekauften Kram nicht lernen können, denn entweder gibt es nicht genügend Räume für alle Klassen oder die Klassenräume sind so ekelhaft, dass man lieber raus geht für den Unterricht. Bei speziellen Fachräumen mit besonderem Equipment zum Beispiel für Chemie, Physik, Informatik, Musik und Kunst sieht die Lage noch schlimmer aus. Sportunterricht kann teilweise nicht stattfinden, weil es im Winter keine beheizten Hallen gibt. Ein Grund für den massiven Unterrichtsausfall ist also auch der Mangel an Räumen. Auch wenn Unterrichtsausfall erst einmal immer nach mehr Spaß und Freizeit klingt, heißt das im Umkehrschluss, dass diese ausgefallene Unterrichtszeit privatisiert wird, indem sie nach Hause verlagert wird. Eigentlich praktisch, denn da muss der Staat weder Wasser noch Heizung noch Miete noch Personal bezahlen. Meistens passiert das durch die Berge von Hausaufgaben, die eigentlich nur ins Private verlagerte Unterrichtszeit darstellen. Dasselbe gilt für „Online-Unterricht“, der uns dann auch als Schulung digitaler Kompetenzen schmackhaft gemacht werden soll.

Angriffe auf die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften

Nicht nur aus uns Schüler:innen wird versucht, alles Verwertbare auszupressen, auch aus unseren Lehrer:innen. Diese sollen bei gleichbleibendem Lohn nun immer mehr Schüler:innen in einer Klasse unterrichten und immer mehr zusätzliche Aufgaben wie Inklusion, Digitalisierung, Berufsorientierung und Verwaltung übernehmen. Kein Wunder, dass laut einer Studie der Bildungsgewerkschaft GEW über ein Drittel unserer Lehrer:innen im Laufe ihrer Berufslaufbahn ein Burnout oder Anzeichen dafür entwickeln. Immer weniger Menschen wollen diesen Job machen, so dass es in den letzten 10 Jahren bis zu 14 Prozent weniger Lehramtsstudiumsabsolvent:innen gab. Für uns wird das am massiven Unterrichtsausfall deutlich und daran, dass das Wort „Vertretungsunterricht“ aus dem Stundenplan in die Geschichtsbücher geflüchtet ist. Prognosen nehmen an, dass aktuell bis zu 100.000 Lehrkräfte fehlen. Für unsere Lehrer:innen heißt das, dass sie die Arbeit von den fehlenden 100.000 Lehrkräften zusätzlich tragen müssen und das natürlich zum gleichen Lohn.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte spielt auch die Demographie eine wichtige Rolle: So gehen aktuell die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten „Babyboomer“ in Rente, während die geburtenschwachen Millennials jetzt in das Berufsleben eintreten und zahlenmäßig nicht ausreichen, um die Pensionierungswelle der Boomer auszugleichen. Hinzu kommt, dass die jetzt eingeschulten Jahrgänge wieder angewachsen sind durch stärkere Geburtenraten und Migration aus der Ukraine. Während die Bildungsstreikbewegung und die GEW diese Entwicklung bereits Anfang der 2000er Jahre prognostiziert haben, haben Land und Bund das Problem systematisch kleingerechnet und als „unnötige Panikmache“ abgetan. Das ist nun nicht mehr so leicht möglich. So hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusminister:innenkonferenz (kurz KMK, hier treffen sich die Verantwortlichen für Bildung und Kultur aller Bundesländer) ein Papier veröffentlicht, das bestätigt, dass es einen massiven Lehrkräftemangel in Deutschland gibt. Man könnte jetzt denken, dass die Landesregierungen sich nun Maßnahmen überlegen, wie man wieder an mehr Lehrkräfte kommt, um uns Schüler:innen unser verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf Bildung zu gewähren. Doch die dafür nötigen 100 Milliarden werden für die Bundeswehr gebraucht. Also hat die KMK Vorschläge erarbeitet, nicht wie unsere Schulen an mehr Lehrer:innen kommen (denn das kostet Geld), sondern wie sie mit weniger Lehrer:innen besser zurechtkommen können. Die dort vorgeschlagenen Maßnahmen sind eine dicke Schelle ins Gesicht von uns allen: Die Klassengröße soll erhöht werden, pensionierte Lehrer:innen sollen aus dem Ruhestand zurückgeholt werden, die Pflichtzahl an wöchentlichen Unterrichtsstunden für Lehrkräfte soll erhöht werden und durch Online-Unterricht soll eine Lehrkraft mehrere Klassen gleichzeitig unterrichten können. Und das ist keine dunkle Fantasie einer dystopischen Hölle: In NRW, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wurden Teile davon sogar schon umgesetzt. In Berlin wird derweil laut darüber nachgedacht, angeblich weniger wichtige Fächer wie Geschichte, Politik, Ethik, Sport, Musik und Kunst einzukürzen.

Lasst uns unsere Schulen zurückholen!

Dass wir in einer tiefen Bildungskrise stecken, müssen wir nicht mehr diskutieren, das sieht mittlerweile auch die FDP ein. Offen bleibt nur, wer die Kosten dieser Krise zahlen soll. Sind es wir Schüler:innen durch mehr Leistungsterror, größere Klassen und schärfere Selektion oder Regierungen und Kapital, die tiefer in die Tasche greifen müssen, um Geld für unsere Bildung lockerzumachen. Ersteres zu verhindern und Zweiteres zu erreichen, stellt den zentralen Kampf dar, den wir führen müssen. Krise heißt ebenso wie beim Klima oder der Wirtschaft auch immer Potenzial für eine Bewegung dagegen.

Einen Ansatzpunkt dafür bietet der Aktionstag von „Schule muss anders“ (SMA) am 23.9.! Wir unterstützen die Hauptforderungen der Initiative nach 1. kleineren Klassen, 2. mehr Investitionen in die Bildung, 3. multiprofessionellen Unterrichtsteams und 4. einer unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung zu 100 Prozent und schließen uns mit allen unseren Ortsgruppen der Aktion an. Doch gehen uns diese Forderungen noch nicht weit genug. Um die Dynamik des Aktionstages zu nutzen und weitere Schritte im Aufbau einer bundesweiten Bildungsbewegung zu gehen, müssen wir die 4 Forderungen von SMA in unseren Schulen diskutieren und erweitern. Wir brauchen dafür Vollversammlungen der gesamten Schüler:innenschaft und Komitees an den einzelnen Schulen, die weitere Forderungen erarbeiten. Indem wir unsere Forderungen auf Schilder schreiben, auf dem Protesttag lautstark vertreten und vor allem in die Schule durch kleinere Aktionen und Versammlungen hineintragen, können wir verhindern, dass wir auf ewig ignoriert und totgeschwiegen werden. Beispiele für sinnvolle Forderungen in Ergänzung zu SMA könnten die folgenden sein:

  • Kostenloses und ökologisches Mensaessen! Selbstverwaltete Speisepläne von uns Schüler:innen!
  • Bildung eines Kontrollausschusses aus Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen, der eine Maximalgrenze für Hausaufgaben festlegt!
  • Gegen jede Einflussnahme auf und Präsenz der Bundeswehr an unsere/n Schulen!
  • Für die Möglichkeit, den Namen und Geschlechtseintrag in der Schule einfach und unbürokratisch zu ändern! Schluss mit Deadnames auf der Klassenarbeit!
  • Von Schüler:innen selbstorganisierte Freiräume, die in den Pausen für alle frei zugänglich sind, an jeder Schule!
  • Für eine flächendeckende Modernisierung und energetische Sanierung aller Schulgebäude sowie ihrer Heizungs-, Wasser- und Belüftungssysteme! Bezahlt werden soll das von denen, die vom Krieg und den steigenden Energiepreisen profitieren!
  • Für eine demokratische Kontrolle des Lehrplans durch Schüler:innen, Eltern, Lehrer:innen und Organisationen der Arbeiter:innenklasse! Wir bestimmen selbst, was wir lernen wollen!
  • Schluss mit dem 3-gliedrigen Schulsystem! Eine Schule für alle und Abschaffung aller Privatschulen!
  • Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft und ein volles Streikrecht für Schüler:innen, damit wir Verbesserungen erkämpfen können!

Die Forderungen von SMA sind nur der Ausgangspunkt, von dem aus wir uns fragen müssen, wessen Schulen das eigentlich sind. Es sind unsere Schulen, denn es sind wir und nicht Bettina Stark-Watzinger (Bundesbildungsministerin, FDP), die unter zu großen Klassen leiden. Es sind wir Schüler:innen, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und Schulpsycholog:innen, die diese Bildungskrise ausbaden müssen. Dann sollten wir doch auch darüber entscheiden können, wie viele Schüler:innen in einer Klasse erträglich sind. Wir wollen nicht in einem Geschichtsunterricht sitzen, in dem einfach nicht über deutsche Kolonien gesprochen wird. Wir wollen im Sexualkundeunterricht auch etwas über nicht-heterosexuellen Sex lernen. Wir wollen an einem Ort lernen, den wir auch selbst gestalten dürfen. Und das zusammen mit unseren Friends, auch wenn ihre Eltern Toiletten putzen oder kein Deutsch sprechen.

Dafür gehen wir nicht nur selbst zum SMA-Aktionstag, sondern fordern alle linken Jugendorganisationen von [’solid], den Jusos, bis hin zur SDAJ und Young Struggle auf, sich daran zu beteiligen. Und zwar nicht nur symbolisch mit Fahne, sondern durch die Mobilisierung der kompletten Basis. Die von SMA geforderte Bildungskonferenz bietet einen wichtigen Ansatzpunkt, wo wir unsere Forderungen miteinander diskutieren und weitere Aktionen gemeinsam planen können. Ebenso gilt es, den Schüler:innenprotest mit dem der Lehrer:innen zu verbinden. In Berlin streiken Lehrer:innen bereits seit über einem Jahr für kleinere Klassen und einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz. Diesen Kampf gilt es, durch eine Unterstützung ihrer Streiks gemeinsam zu führen und außerhalb Berlins durch Diskussionen mit der GEW auszuweiten. Ebenso wird im Oktober in der Tarifrunde der Länder über die Höhe des Lehrer:innenlohns verhandelt. Auch bei diesen Streiks im gesamten Bundesgebiet braucht es unsere Solidarität und unsere Initiative, um weitere Aspekte der Bildungskrise und eine volle Ausfinanzierung unserer Schulen in die Debatte zu tragen. Darüber hinaus gilt es, den Protest gegen die Bildungskrise mit den aktuellen Bewegungen rund um die Klimakrise zu verbinden, denn betreffen tun uns beide und ihre kapitalistische Ursache ist dieselbe! Lasst uns gemeinsam für eine Zukunft kämpfen, in der die Schulen uns gehören!




Nein zur Kündigung von Inés: Gewerkschaftlich gegen Union Busting organisieren!

REVOLUTION, ursprünglich veröffentlicht auf https://onesolutionrevolution.de, Infomail 1228, 20. Juli 2023

Inés ist Sozialarbeiterin an einer Berliner Schule und aktives Mitglied der GEW und jungen GEW. Am 10.07.2023 wurde sie seitens ihres Trägers Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) außerordentlich und fristlos gekündigt. Grund dafür war die Tatsache, dass sie ihre Kolleg:innen über eine Kundgebung gegen die geplanten Sparmaßnahmen im Neuköllner Sozialetat informiert hat.

Mit der rechtlich absolut haltlosen Kündigung versucht der Träger gewerkschaftliches und politisches Engagement im Betrieb zu verhindern und an Inés ein Exempel zu statuieren. Kolleg:innen sollen eingeschüchtert werden. Der Träger will uns zeigen, was uns droht, wenn wir den Mund aufmachen. Getroffen hat es Inés, aber gemeint sind wir alle, die sich unseren Betrieben, Schulen und Unis für bessere Arbeitsbedingungen und gegen sozialen Kahlschlag einsetzen. #WirsindInés

Umso wichtiger ist es nun, dass diese Gewerkschaftsfeinde nicht mit ihrer miesen Nummer durchkommen. Wir solidarisieren uns mit Inés und fordern die Rücknahme der Kündigung seitens der Geschäftsführung und Geschäftsführer Thomas Hänsgen!

Die junge GEW Berlin hat eine Petition zur Unterstützung ihrer Kollegin gestartet. Wir rufen euch dazu auf, diese zu unterzeichnen:

https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLScZFsRwzEuusmSerFPma0t876gnrCjKP48nChprnrmO3C7T4Q/viewform

Die Petition hat bereits etliche Unterschriften bekommen und setzt den Träger vermutlich bereits stark unter Druck. Dennoch braucht es weitere Schritte. Wenn die GEW tatsächlich die Interessen der Angestellten gegenüber den Bossen vertreten will, muss sie sich als Ganzes mit Inés solidarisieren und öffentlichkeitswirksam hinter ihre Kollegin stellen. Es braucht Solidaritätsaktionen in unseren Schulen – und insbesondere in der Schule von Inés – zu der die GEW Berlin mit voller Stärker mobilisiert.

Auch in den kommenden Streiks für den Tarifvertrag Gesundheit und den Tarifvertrag der Länder muss sich gegen das gewerkschaftsfeindliche Handeln des Trägers ausgesprochen werden. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass der tjfbg mit seinem hinterhältigen Union Busting nicht durchkommt. Gemeinsam können wir die Erfahrung machen, dass unsere Solidarität stärker ist, als die Kündigungsversuche der Bosse. Gemeinsam können wir damit noch viel mehr Kolleg:innen ermutigen, sich für bessere Lern- und Lehrbedingungen in unseren Schulen einzusetzen!




Berliner GEW-Streik braucht einen Kampagnenplan

Martin Suchanek, Infomail 1224, 9. Juni 2023

Zum 14. Mal legten Berliner Lehrer:innen im Kampf für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz vom 6. – 8. Juni die Arbeit nieder. 14 Streiks, an denen sich jeweils Tausende Beschäftigte anschlossen; 14 Streiks, die vom Berliner Senat – zuerst von Rot-Grün-Rot und jetzt von CDU/SPD – ignoriert wurden. Über einen Tarifvertrag könne das Land Berlin leider leider nicht gegen den Willen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verhandeln, so ließen bisher alle Senatsparteien verlauten.

In der Tat stellt der geforderte Tarifvertrag Gesundheitsschutz eine fortschrittliche Neuerung für den Bildungssektor dar. Die GEW Berlin fordert darin eine Reduktion der Klassengrößen, um die Beschäftigten zu entlasten und zugleich die Bildung für die Schüler:innen zu verbessern. Natürlich müsste das mit einer massiven Einstellung weiterer Lehrkräfte und verbesserter Bezahlung einhergehen – und genau das wollen weder der Berliner Senat noch die Tarifgemeinschaft der Länder. Um das heiße Eisen erst gar nicht anzufassen, weisen sie jede Zuständigkeit von sich.

Empörung

14 Streiks, die teilweise zwei oder gar drei Tage andauerten, beweisen, dass die Forderung nach einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Entlastung der Lehrkräfte und qualitativ besseren Lehrbedingungen ein reales Problem treffen – und zwar von Lehrenden, Lernenden und auch deren Eltern.

Daher beteiligten sich tausende Gewerkschaftsmitglieder seit Mitte 2021, also seit rund zwei Jahren, regelmäßig an den Arbeitskämpfen. Die Sympathie unter Eltern und Schüler:innen ist groß – schließlich sind sie selbst Hauptopfer der Unterfinanzierung des gesamten Bildungssystems.

Ursprüngliche Strategie gescheitert

Doch 14 Streiks werfen bei weiterhin ausbleibender Gesprächsbereitschaft seitens des Senats auch immer drängender die Frage auf: Mit welcher Kampfstrategie können die Forderungen durchgesetzt, ja überhaupt Verhandlungen erzwungen werden? Die CDU hat zwar im Wahlkampf eine Reform des Schulgesetzes ins Spiel gebracht, um der Streikbewegung die Spitze zu nehmen und die Lehrer:innen mit einigen Reförmchen abzuspeisen. Doch nicht einmal das wird bisher ernsthaft angeboten.

Zweitens aber sollten die Lehrer:innen ein solches „Angebot“ nicht ablehnen, jedoch dürfen sie sich davon auch blenden lassen und müssen an ihrem Ziel eines Tarifvertrages festhalten. Eine Reduktion der Klassengrößen per Schulgesetzänderung stellt allenfalls eine Willensbekundung des Senats dar, deren Nicht-Umsetzung sich mit Verweis auf den Lehrer:innenmangel leicht entschuldigen lässt. Ein Tarifvertrag hingegen holt die Entscheidung über Klassengrößen raus aus den verschlossenen Türen der Ministerialbürokratie an den Verhandlungstisch mit den Beschäftigten und bietet ihnen eine einklagbare Grundlage für Entlastung am Arbeitsplatz. Für die streikenden Lehrkräfte muss klar sein: Eine Schulgesetzänderung kann kein Ende ihres Kampfes bedeuten!

Das Ausbleiben jedes Angebots seit zwei Jahren verdeutlicht jedoch auch, dass die ursprüngliche Politik der GEW-Führung gescheitert ist, den Berliner Senat mittels einiger Warnstreiks an den Verhandlungstisch zu bringen und dann einen mehr oder weniger guten Kompromiss auszuhandeln. Ein Tarifvertrag Gesundheitsschutz ist durch befristete Tagesstreiks nicht zu haben. Alles andere bedeutet nur, sich selbst und den Streikenden etwas vorzumachen.

Entwicklung der Bewegung

Aber nach 14 Streiks steht die Frage im Raum, wie es weitergehen kann. Schon bei den letzten Arbeitsniederlegungen zeigte sich, dass die Zahl der Streikenden stagniert, an manchen Schulen sogar abnimmt, während andere dazustoßen. Bei den jüngsten drei Kampftagen vom 6. – 8. Juni stießen die Aktiven zusätzlich auf das Problem, dass sich viele  Gewerkschafter:innen nur an einzelnen Tagen beteiligten.

Generell kann gesagt werden, dass die Bewegung zahlenmäßig stagniert. Sie kann sich einerseits auf eine Schicht von mehreren Tausend zuverlässig Streikenden stützen. Doch die bilden bei rund 35.000 Lehrkräften nur eine Minderheit.

Das bedeutet aber auch, dass die bisherige Taktik, alle ein bis zwei Monate die Arbeit niederzulegen, nicht reicht, um den Senat auch nur zu Verhandlungen zu zwingen. Vom Standpunkt der Bildungsverwaltung und der regierenden Koalition ist es nur folgerichtig, die Aktionen weiter auszusitzen. Sie setzten, nicht ohne Grund, darauf, dass sich die Bewegung totlaufen wird.

Zugleich hat sich in den letzten beiden Jahren die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder, die die Aktionen tragen, deutlich erhöht. Neue, vor allem junge Lehrkräfte wurden in die Bewegung gezogen, auf diese stützen sich viele Streiks, Demonstrationen und Streikcafés in den Bezirken und Kiezen. Letztere sind eine Form von Basisversammlungen aktiver Gewerkschafter:innen, die eine Vernetzung verschiedener Schulen darstellen und damit auch als Mittel zum Aufbau weiterer Basisgruppen und zur Gewinnung neuer Mitglieder dienen. Diese Schicht war bei der Berliner Streikversammlung am 8. Juni besonders stark vertreten, an der über 1.000 Menschen teilnahmen.

Während also die Zahl der Streikenden insgesamt stagniert, so hat sich die Zahl der aktiven, den Kampf vorantreibenden Gewerkschafter:innen erhöht und verbreitet. In diesem, qualitativen Sinne können wir keineswegs von einer Stagnation der Bewegung sprechen, weil sich mit der Vergrößerung der Aktivist:innen auch die Möglichkeiten zur Verbreiterung der Streikbewegung verbessert haben.

Wie weiter?

Dies geht jedoch nicht ohne innere Konflikte. Denn wir müssen auch klar festhalten, dass die Strategie der GEW-Führung in den letzten Monaten immer mehr an ihre Grenzen gestoßen, ja objektiv gescheitert ist. Es braucht eine klare Vorstellung, mit welchen Schritten der Streik ausgeweitet, wie letztlich ein unbefristeter Erzwingungsstreik vorbereitet werden kann.

Indirekt erkennt auch die Führung der GEW dieses Problem an. Angesichts von Monaten der Verhandlungsverweigerung braucht es natürlich Eskalationsschritte wie den dreitägigen im Unterschied zum eintätigen Streik. Doch das allein ist keine Strategie, keine wirkliche Perspektive.

Eine solche setzt nämlich nicht nur ein klares Ziel, den Tarifvertrag Gesundheitsschutz, sondern auch voraus, die notwendigen Kampfschritt offen zu benennen, um so unter den organisierten wie auch den noch nicht organisierten Lehrer:innen und Erzieher:innen deutlich zu machen, welche Kampfformen notwendig sind, um den Tarifvertrag durchzusetzen.

Das wird wahrscheinlich nur mit einem unbefristeten Erzwingungsstreik möglich sein. Das ist sicher mit dem aktuellen Organisationsgrad nicht möglich. Aber um diesen vorzubereiten, muss er auch schon heute klar als Mittel benannt werden.

Kampagnenplan

Vor dieser Frage drückt sich letztlich die GEW-Führung herum. Eine Gruppe von aktiven Gewerkschafter:innen, viele davon junge GEWler:innen, haben daher die Initiative ergriffen und in den Streikcafés, bei der Demonstration und Streikversammlung Flugblätter verteilt und einen Vorschlag für einen Kampagnenplan zur Diskussion gestellt.

Dieser empfiehlt für die ersten Wochen des nächsten Schuljahrs einen fünftägigen Warnstreik. Dieser soll zur Vorbereitung eines unbefristeten Streiks genutzt werden, um die Mobilisierungsfähigkeit zu erhöhen, Streikversammlungen an den Schulen abzuhalten, Mobimaterialien herzustellen und zu verteilen, Veranstaltungen durchzuführen, schwächer organisierte Schulen durch stark organisierte zu unterstützen, kiez- und bezirksweite Demonstrationen durchzuführen. Darüber hinaus sollen auch Erzieher:innen in den Streik einbezogen werden.

Den Kern des Plans bildet aber auch eine Verbreiterung und Demokratisierung der Entscheidungsstruktur durch eine berlinweite Streikversammlung, die über die Strategie der Bewegung und die Politik der Tarifkommission bestimmt. Sie soll auch darüber entscheiden, wie der Streik fortgesetzt wird, falls sich der Senat auch nach der ersten fünftägigen Aktion nicht zu Verhandlungen bereiterklärt.

Damit formulieren die Streikenden ein Konzept zur Überwindung der aktuellen zahlenmäßigen Stagnation. Der Fokus auf Streikversammlungen und deren Entscheidungsbefugnis erlaubt auch eine viele breitere Einbeziehung aller, vor allem der aktiven Träger:innen des Streiks. Natürlich geht es dabei auch um stärkere Kontrolle der bestehenden Strukturen der GEW und der Tarifkommission. Aber das ist letztlich nur ein Aspekt.

Wenn es wirklich einen längeren, letztlich unbefristeten und auch viel breiteren Erzwingungsstreik geben soll, muss die GEW ihre Aktivenbasis vergrößern. Das wird letztlich aber nur möglich sein, wenn diese (a) praktische Verantwortung für den Kampf übernimmt (also Erstellen von Material, Streikposten, Verbindung zu Eltern und Schüler:innen, Kiezversammlungen mit Anwohner:innen usw.) und (b) auch real über die Streikstrategie und die Politik der Tarifkommission und einer etwaigen Verhandlungskommission bestimmt.

Dazu braucht es Massenversammlungen wie die Streikversammlung am 8. Juni. Damit diese über grundlegende Fragen entscheiden können, müssen sie natürlich auch besser vorbereitet und Anträge im Voraus über die GEW verschickt werden. So können Argumente und Gegenargumente über einen längeren Prozess ausgetauscht werden, was einer großen Versammlung wiederum erleichtert, rasch Entscheidungen zu treffen. Diese wären nicht nur viel demokratischer als jene einer wenig an die Basis gebundenen Tarifkommission. Sie würden viel direkter die Mehrheit der Mitgliedschaft zum Ausdruck bringen – und zwar vor allem des aktiven, engagierten kämpferischen Teils.

Wir rufen alle kämpferischen Gewerkschafter:innen auf: Unterstützt die Vorschläge für einen Kampagnenplan, tretet mit den Kolleg:innen in Kontakt!




Vollen Support an die junge GEW Berlin!

REVOLUTION, Infomail 1213, 8. Februar 2023

Der Berliner Ableger der Gewerkschaftsjugend der Bildungsgewerkschaft GEW hat sich mit einem offenen Brief an ihren Landesvorstand gewandt, um einen Erzwingungsstreik zu organisieren. Nach mittlerweile 8 Warnstreiks und 0 Gesprächsbereitschaft seitens des grünen Finanzsenators Daniel Wesener wollen sie den Druck auf den Senat dadurch erhöhen, dass die Verhandlungen für gescheitert erklärt werden, eine Urabstimmung eingeleitet und zu einem unbefristeten Streik aufgerufen wird, der erst aufhört, wenn das Ziel erreicht ist. Unsere Lehrer:innen kämpfen dabei für einen Tarifvertrag-Gesundheit, dessen Ziel es ist, überfüllten Klassen zu verkleinern. Für sie heißt das: weniger Stress und Arbeitsbelastung. Für uns heißt das: besser Lernen, mehr Zeit und weniger genervte Burn-Out-Mathelehrer. Lasst uns diese Kämpfe verbinden! Wie das genau funktionieren soll, erfahrt ihr in unserer neuen Schüler:innenzeitung oder auf unserer Homepage. Außerdem findet hier den offenen Brief der jungen GEW zum Nachlesen. Streik in der Schule, Uni und Betrieb: Das ist unsere Antwort auf ihre Politik!

Im Folgenden spiegeln wir den offenen Brief:

Erzwingungsstreik jetzt

Wir fordern den Landesvorstand auf, die Verhandlungen um den Tarifvertrag-Gesundheit mit dem Berliner Senat für gescheitert zu erklären. Wir, die streikenden Lehrer:innen, wollen selbst Einfluss auf die Frage nehmen, wie unser Arbeitskampf geführt wird. Der LV möge deshalb alle nötigen Schritte für eine Abstimmung über einen Erzwingungsstreik einleiten. Wir streiken, bis wir unseren Tarifvertrag haben!

Begründung

Die Arbeitsbelastung in den überfüllten Klassen unserer Schulen ist unzumutbar. Während die Schüler:innenzahlen 2023 weiter ansteigen werden, fehlen noch immer rund 1.000 Kolleg:innen in Berlin. Noch immer hat der Senat keinerlei Schritte unternommen, um diesen Mangel zu beheben.

Die Untätigkeit des Berliner Senats hat uns zum Handeln gezwungen. Mit unserem Kampf für einen Tarifvertrag-Gesundheit möchten wir die Arbeitsbelastung für uns alle durch eine gesetzliche Verankerung von kleineren Klassengrößen verringern. So waren wir im vergangenen Jahr mit ganzen sieben Warnstreiks auf der Straße. Wir waren viele und wir waren laut. Auch der Landeselternausschuss hat sich unseren Forderungen angeschlossen. Und trotzdem lehnt der grüne Finanzsenator Daniel Wesener bis heute ab, überhaupt mit uns zu sprechen. Wir finden: Jetzt reicht’s! Wir finden, dass wir mehr Druck machen müssen, um den Senat endlich von seiner Blockadehaltung abzubringen. Wir finden, dass wir einen Erzwingungsstreik zur Durchsetzung unserer Forderungen brauchen.

Während der Senat unsere monatlichen Warnstreiks noch teilweise ignorieren konnte, kann die Bildungsverwaltung bei einem Erzwingungsstreik nicht mehr den Kopf in den Sand stecken und Augen und Ohren vor uns verschließen. Ein Erzwingungsstreik ist unser verfassungsmäßig geschütztes Recht nach gescheiterten Tarifverhandlungen den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen. Wir fordern deshalb unsere Verhandlungsführer:innen Anne Albers (Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik) und Udo Mertens (Leiter des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik) auf, der Wahrheit ins Auge zu sehen: Erkennt, dass es keine Verhandlungen geben wird, wenn wir den Druck nicht erhöhen! Erklärt die Verhandlungen für gescheitert! Auf mehreren Personalversammlungen hat uns Udo versprochen, im kommenden Jahr die „Daumenschrauben anzuziehen“. Udo, halt dich an dein Versprechen und leite eine Urabstimmung für einen Erzwingungsstreik ein!

Wir lassen uns nicht lähmen von der Verzögerungs- und Hinhaltetaktik des Senats. Wir wollen unseren Tarifvertrag, denn unter den gegebenen Umständen, weiß kaum jemand von uns, wie wir diesen Job, den wir doch alle eigentlich irgendwo auch lieben, die nächsten zehn Jahre weiter machen sollen. Lasst uns deshalb gemeinsam das Thema Bildung auf die Tagesordnung des Berliner Wahlkampfes setzen!

Dafür wollen wir nun endlich „die Daumenschrauben anziehen“. Wir fordern den GEW-Landesvorstand mit diesen Unterschriften dazu auf, alle notwendigen Schritte für einen Erzwingungsstreik in die Wege zu leiten und diesen aktiv zu organisieren. Natürlich freuen wir uns auch über Solidarität von Kolleg:innen aus anderen Bundesländern, denn die Frage von kleineren Klassen betrifft nicht nur Berlin.




Personalmangel an Schulen: Mehrarbeit und Yoga sollen es richten

Christian Gebhardt, Infomail 1212, 4. Februar 2023

Die Katze ist aus dem Sack: Zu viele Schüler:innen treffen auf zu wenig Lehrkräfte. Es herrscht Lehrkräftemangel an unseren Schulen. Laut dem Berater:innengremium „Ständige Wissenschaftliche Kommission“ (SWK) der Kultusminister:innenkonferenz (KMK) fehlen jetzt schon 12.000 Stellen und in den kommenden Jahren soll diese Lücke jährlich um etwa 1.600 Lehrer:innen ansteigen.

Diese Lage ist der KMK nicht erst seit heute bewusst. Und natürlich nimmt jede:r Beschäftigte:r in einer Bildungseinrichtung schon lange das zunehmende Problem wahr. Jedoch sind die oben angesprochenen Zahlen der KMK mit Vorsicht zu genießen. Studien des Bildungswissenschaftlers Prof. Dr. Klaus Klemm, die er im Auftrag unterschiedlicher Organisationen wie z. B. der GEW oder des VBE (Verband Bildung und Erziehung) durchgeführt hat, sprechen eher dafür, dass die KMK ein stark geschöntes Bild zeichnet und mit einer weitaus größeren Lücke bis 2030 zu rechnen ist.

Das dahinter liegende Problem zeichnet sich wie folgt: Geburtenschwache Jahrgänge nehmen in den kommenden Jahren ihr Studium auf, während geburtenstärkere eingeschult werden – eine größere Schüler:innenschaft steht einer kleineren Anzahl an potentiell neuen Lehrer:innen gegenüber. Die Zunahme der Schüler:innenzahlen durch Migration von Geflüchteten verstärkt diesen Effekt noch. Hier wird zwar gerne nach einem Sündenbock gesucht, doch den alleinigen Auslöser für das Problem stellt diese bei weitem nicht dar.

Laut Klemm basieren seine Berechnungen wie die der KMK auf einer ähnlichen Annahme des Anstiegs der Schüler:innenzahl bis 2030 sowie ähnlicher Zahlen der notwendigen Stellen. Interessant wird es aber, wenn ein Fokus darauf gerichtet wird, wie sich das Neuangebot frisch ausgebildeter Lehrkräfte bis 2030 entwickelt. Die KMK geht hier von einer konstant bleibenden Zahl aus. Klemm prognostiziert im Gegensatz dazu ein Sinken der Anzahl jährlich neu ausgebildeter Lehrkräfte. Dies begründet er durch den Verweis auf die oben schon angesprochenen geburtenschwachen Jahrgänge, die in den kommenden Jahren ihr Studium beginnen werden. Weniger potenzielle Lehramtsstudierende bedeuten auch eine geringere Anzahl an Neulehrkräften. Die Rechnung der KMK beschreibt er in diesem Punkt als schlicht unseriös.

Durch diese unterschiedliche Herangehensweise sieht Klemm im Gegensatz zum KMK für 2030 einen Lehrkräftemangel von 81.000 voraus (480 % mehr als die KMK). Wichtig anzumerken bleibt, dass diese Zahl notwendig ist, um nur den derzeitigen Status quo aufrechtzuerhalten.

Um bildungspolitische Ziele wie Inklusion, Ganztagsausbau, zusätzliche Betreuung geflüchteter Jugendlicher zu gewährleisten oder die durch Corona entstandenen Lernrückstände aufzuholen, werden noch viel mehr neue Lehrkräfte benötigt. Die wirkliche Zahl beläuft sich laut Klemm daher bis 2030 somit auf weit über 100.000 Fehlstellen, möchte man diese ausgerufenen Ziele auch wirklich erreichen.

Problem erkannt, Problem gebannt?

Nach den obigen Ausführungen können wir schon einmal festhalten, dass die KMK das Problem nicht erkennen, sondern politisch kleinreden und leugnen möchte. Auch bei dessen Lösung sieht es nicht besser aus.

Am 27. Januar 2023 stellte die KMK die Vorschläge der SWK vor. Darin wird u. a. Folgendes vorgeschlagen:

  • Die Möglichkeit der Teilzeit soll eingeschränkt werden.

  • Die zu unterrichtenden Unterrichtsstunden pro Woche (Deputat) sollen befristet erhöht werden.

  • Auslandsabschlüsse sollen einfacher anerkannt werden, um ausländische Lehrer:innen schneller einsetzen zu können.

  • Pensionierte Lehrer:innen sollen aus dem Ruhestand geholt werden.

  • Mithilfe des Fernunterrichts soll eine Lehrkraft nicht nur eine Klasse, sondern mehrere gleichzeitig unterrichten.

Die Vorschläge wurden richtigerweise von der Vorsitzenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, als „Ausdruck einer Hilflosigkeit“ sowie als „blanker Hohn“ bezeichnet. Sie weist auch darauf hin, dass u. a. die GEW schon seit Jahren auf die Schönrechnerei der KMK aufmerksam macht. Passiert sei aber nichts. Die GEW verweist auf ihre „15 Punkte gegen den Lehrkräftemangel“, die sie zur Diskussion stellt.

In diesem Artikel können wir nicht näher auf alle Punkte des „15-Punkte-Programms“ eingehen. Die Strategie der GEW geht jedoch über ein Anbieten von Diskussionen und Verhandlungen nicht hinaus. Im Grunde ist das überhaupt keine Strategie, sondern nur eine Form des Vermeidens einer offenen Konfrontation mit der KMK. Das Problem soll eher mitverwaltet und „gemeinsam überwunden“ werden, anstatt die Interessen der Beschäftigten darzustellen und offensiv gegenüber der KMK zu vertreten und durchzusetzen.

Was könnte die GEW anders machen?

Einer der Punkte, die die GEW als Lösung vorschlägt ist u. a.:

„Um ausgebildete Lehrkräfte an den Schulen zu halten, müssen die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbessert und damit attraktiver werden (Senkung der Arbeitszeit, kleinere Klassen, mehr Ausgleichsstunden, besserer Gesundheitsschutz, höhere Altersermäßigung, Unterstützungssysteme für Lehrkräfte wie Team-Coaching und Supervision usw.).“

Diese Forderungen finden sich nicht umsonst unter „Punkt 1“ ihrer Liste! Sie stellen zentrale Fragen dar, durch den der Lehrer:innenberuf attraktiver gestaltet werden kann, um so Kolleg:innen im Beruf zu halten und junge Leute für diesen zu begeistern. Leider widerspricht der Vorschlag der KMK fast allen Forderungen. Dies verdeutlicht, dass hier kein Kompromiss auszuhandeln ist. Es muss sich vonseiten der GEW auf eine langanhaltende Auseinandersetzung und Angriffe auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Schulen und darüber hinaus eingestellt werden.

Für die GEW spielt daher der Kampf um einen „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ und für „kleinere Klassen“ in Berlin eine nicht zu unterschätzende Vorreiterrolle! Dieser wird um eine der zentralen Fragen ausgefochten: Wer holt die Kohlen aus dem Feuer? Die Beschäftigten durch Mehrarbeit und schlechtere Arbeitsbedingungen – und infolgedessen auch die Schüler:innen und Eltern – oder werden Verbesserungen erkämpft und durchgesetzt, die die Krise im Sinne der Beschäftigen, Schüler:innen und Eltern lösen?

Um diesen Kampf aber zu gewinnen, muss die GEW in Berlin ihre Streikstrategie ändern. Die bisherigen eintägigen Warnstreiks haben gezeigt, dass sie nicht ausreichen, um den Senat zum Umdenken zu bewegen. Sie sollte die Gespräche für gescheitert erklären, die Organisation sowie Durchführung eines unbefristeten Erzwingungsstreiks einleiten und ihre Kampfkraft zusammen mit den Kolleg:innen im öffentlichen Dienst, bei der Post und im Nahverkehr auf der Straße vereinigen. Hier können wir positiv auf die Initiative der Jungen GEW Berlin verweisen, die richtigerweise eine Unterschriftenliste gestartet hat, indem sie den Vorstand der GEW Berlin dazu aufruft, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären sowie die notwendigen Vorbereitungen und Durchführung eines Erzwingungsstreiks einzuleiten (https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSdDESQdkzQGP6lqAFjbYToI6ylV8LGk9bOyqpJxw-qDr137eQ/viewform).

Bundesweite Solidaritätskampagne für die Berliner Kolleg:innen!

Die GEW bundesweit muss aber nicht nur zuschauen, was in Berlin passiert, sondern sollte schnellstmöglich damit beginnen, den Kampf ihres Berliner Landesverbandes voll zu unterstützen. Sie sollte eine Solidaritätskampagne initiieren, in der sie Lehrkräfte, Schüler:innen und Eltern in Solidarität mit dem Berliner Tarifkampf sammelt. Neben dem Aussprechen von Solidarität sollte sie auch darauf abzielen, politischen Druck aufzubauen, indem sie die SPD und LINKE dazu aufruft, ihre Blockadehaltung zu durchbrechen. Hierbei sollte sich gezielt auf diese beiden Parteien fokussiert werden, sind es doch gerade die SPD und LINKE, die am meisten in den Gewerkschaften verankert sind und somit durch eine gewerkschaftliche Initiative erreicht und unter Druck gesetzt werden können. Zusätzlich stellen Parteien wie die CDU oder FDP gewerkschaftsfeindliche Parteien dar, von denen nichts zu erwarten ist. Hier sollte keine politisch diffuse Kampagne gefahren werden, in der Hoffnung ein paar mehr Solidaritätsstimmen zu bekommen. Aus einer klassenkämpferischen Gewerkschaftspolitik muss hier eine Klassenlinie gezogen werden und die CDU bzw. FDP stehen hier auf der anderen Seite.

Eine solche Solidaritätskampagne könnte in zweierlei Hinsicht nützlich sein. Erstens könnte sie dazu führen, exemplarisch in einem Bundesland „Kleinere Klassen“ tariflich festzuschreiben. Zweitens könnte sie auch als Ansatzpunkt fungieren, um diese Forderung in einer bundesweiten Initiative zu kanalisieren und mit weiteren Forderungen des „15-Punkte-Plans“ zu verbinden. Diese bundesweite Initiative sollte diese Forderungen als Bestandteil der kommenden Tarifverhandlungen rund um den „Tarifvertrag der Länder“ (TV-L) vorschlagen und diese in die Tarifverhandlungen integrieren.

So hätten alle Kolleg:innen im Bildungsbereich, ob Schule oder Kita, die Chance, nicht nur in Berlin, sondern bundesweit zusammen mit unseren Schüler:innen und ihren Eltern auf die Straße zu gehen und der KMK ein klares „Nein“ auf ihre Vorschläge entgegenzurufen. Wir haben die Krise nicht verursacht! Wir werden auch nicht dafür geradestehen!