Anti-AfD-Proteste: Welche Rolle sollten Gewerkschaften spielen?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 281, April 2024

Das Jahr 2024 fing ermutigend an: Jede Woche war von größeren Demonstrationen zu lesen. Gar von einer Protestewelle war die Rede, als in ca. 200 deutschen Städten am Wochenende Menschen auf die Straße gingen, um gegen die bekanntgewordenen Remigrationspläne der AfD und ihnen nahestehender rechter Strukturen zu demonstrieren – Pläne, die viele Menschen betreffen würden. So war es nicht verwunderlich, dass sich bis Ende Februar etwa 4 Millionen Menschen beteiligten, nicht nur in Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum. Doch nun scheint der Protest abzuebben – und das liegt nicht daran, dass der Rechtsruck aufgehalten wurde. Woran also sonst? Und welche Rolle spielen dabei die Gewerkschaften?

Kern des Protests

Während die CORRECTIV-Recherchen über das Hinterzimmertreffen der AfD und die „Remigrationspläne“ zwar Auslöser für die Proteste waren, so lag deren Hauptimpuls jedoch nicht in der Besorgnis um den gesellschaftlichen Rechtsruck oder die massenhaften Abschiebungen, sondern die Gefahr, die daraus für den Status quo der herrschenden Ordnung und damit den parlamentarisch-demokratischen Teil des kapitalistischen Überbaus erwächst. Oder kurz: die Angst vor dem drohenden Faschismus, verkörpert durch die AfD, sowie drohende „Weimarer Verhältnisse“. Konkret, dass die AfD für Verfassungsfragen die Größe einer sogenannten Sperrminorität erreichen könnte und somit keine Beschlüsse mehr mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden könnten. Dies ist wichtig zu verstehen, um den Protest entsprechend zu charakterisieren.

Das heißt nicht, dass Antirassismus keine Rolle gespielt hat und nicht für viele ebenfalls ein Beweggrund gewesen ist. Nur spielte dieser nicht die Hauptrolle. Das ist einer der Gründe, warum sich die aktuellen Regierungsparteien so einfach unter den Protest mischen konnten, ohne für ihre aktuelle Abschiebepraxis kritisiert zu werden. Dadurch wurde es FDP, CDU/CSU, Grünen, SPD und der LINKEN ermöglicht, mit dem Finger auf die AfD zu zeigen und für das kommenden Superwahljahr von ihrer menschenverachtenden Asylpolitik in Landes- und Bundesregierungen abzulenken.

Vertreten auf den Protesten waren jedoch nicht nur Regierungsparteien, sondern auch andere unterschiedliche Organisationen der „Zivilgesellschaft“, von NGOs über Kirchen bis hin zu den DGB-Gewerkschaften. Doch nach ein paar Wochen zeigte sich schnell ein bekanntes Mobilisierungsmuster aus den letzten Jahren, wie bei den #unteilbar- Demonstrationen: ein breites, buntes Bündnis soll dafür gewonnen werden, moralisch die Ideologie der extremen Rechten zu verunglimpfen. Doch nach den einzelnen Kundgebungen sowie Demonstrationen passierte nicht mehr viel. Das hilft wenig im Kampf gegen rechts, genauso wenig wie etwaige Verbotsdiskussionen. Damit der Protest nicht verpufft, könnte vieles getan werden. Insbesondere den Gewerkschaften fällt hier eine Schlüsselposition zu.

Eine der zentralen Fragen ist also: Wie kann so ein Protest zu einer Bewegung werden, die nicht nur gegen die AfD moralisiert, sondern dem Rechtsruck insgesamt etwas entgegenstellen kann?

Vom Protest zur Bewegung

Um gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu ändern, reicht es nicht aus, dass diejenigen, die eh schon gegen die AfD sind, einfach auf die Straße gehen. Das hat vor 10 Jahren recht wenig gebracht und bringt heute noch weniger. Vielmehr muss der Protest in den Alltag getragen werden, an Schulen, Universitäten – und in die Betriebe. Hier sitzen die Gewerkschaften in einer Schlüsselposition. Theoretisch könnten sie ihre Mitgliedschaft mobilisieren, tausende von Betriebsversammlungen organisieren und damit einer Bewegung massiven Anschub leisten. Auf solchen Versammlungen reicht es jedoch nicht, nur mit moralisierenden Argumenten oder leeren Floskeln wie „Humanität“ und „Toleranz“ zu kommen. Um wirklich etwas zu verändern, müssen konkrete Verbesserungen erkämpft werden. Auch dies wäre durch die Gewerkschaften möglich, schließlich spielen sie eine Schlüsselrolle und können so effektiv auf den Produktionsprozess Druck ausüben.

Warum ist das notwendig?

Die AfD ist nicht über Nacht erfolgreich geworden, sondern existiert seit 10 Jahren. Damit wird sie mittlerweile nicht mehr einfach nur aus Protest gewählt von jenen, die mal eben den etablierten Parteien eins auswischen wollen. Vielmehr ist sie Resultat der

immer offener auftretende Krisen, die Zukunftsängste erzeugen und für die die etablierten Parteien keine adäquaten Lösungsansätze bieten können. Schließlich sind sie doch selbst das Problem oder haben über Jahrzehnte hinweg die Auswirkungen dieser Krise in den Augen vieler verwaltet und mitverantwortet. In diesem Windschatten konnte sich die AfD erst hinter ihrer Anti-EU-, dann Anti-Geflüchteten- und nun ihrer Anti-Ampelpolitik immer weiter aufbauen, an Stimmen gewinnen und auch politische Themen bestimmen und diese nach rechts drängen. Anstatt die Politik der Rechten aktiv zu bekämpfen, konnten die „Verwalter:innen“ des Systems nicht anders, als deren Forderungen und darüber hinaus aufzunehmen und dabei die politische Landschaft insgesamt nach rechts zu verschieben.

Aber nicht nur die politischen Parteien, sondern auch die Gewerkschaften haben zu dieser Stimmung beigetragen. Durch ihre starke Verbindung mit der SPD und in gewissem Masse mit der LINKEN, bildeten sie stets einen Stabilisierungsaktor für die Regierungspolitik. Durch ihre sozialpartnerschaftliche Strategie sorgten sie nicht nur für das Abwälzen von Krisenlasten auf breite Teile der arbeitenden Gesellschaft (und somit auf ihre eigenen Mitglieder), sondern trugen auch durch ihre Positionen zum Ukrainekrieg und Nahostkonflikt dazu bei, dass sie als Teil des „Problems“ wahrgenommen werden und nicht als eine Organisation, von denen sich Menschen Lösungen für ihre Krisenängste erwarten.

Wer nun erfolgreich gegen rechts kämpfen will, muss mit dieser Politik brechen, konkreter: mit der Sozialpartner:innenschaft.

Fesseln der Sozialpartner:innenschaft

Diese Strategie stellt eine der größten Fesseln dar, die die Gewerkschaften, vermittelt durch ihre Bürokratie und die reformistischen Parteien, an das kapitalistische System bindet und sie dazu verdammt, die Sozial-, Migrations- oder Außenpolitik der Regierung zu verteidigen. Dies bedeutet, dass die Gewerkschaftsbürokratie die herrschende Politik samt ihrer Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse mittels ihrer Klassenversöhnungsstrategie und Führung ihrer Arbeitskämpfe abdeckt und unterstützt. Dies äußert sich derzeit vor allem in den geführten Tarifauseinanedersetzungen, die sich alle unabhängig von der Kampfkraft der Beschäftigten an der „Konzertierten Aktion“ orientieren. Diese wurde zusammen mit dem Kanzler, den Regierungsparteien und den DGB-Gewerkschaftsspitzen abgesprochen und vereinbart, um klare Haltelinien für die Tairfverhandlungen festzulegen. Diese sollen es einerseits der Regierung ermöglichen, ihre Programme zu verwirklichen und gleichzeitig der Gewerkschaftsbürokratie erlauben, ihren Stammbelegschaften Erleichterungen zu versprechen, kämpferische Töne anzuschlagen, ohne aber sie in für die Regierung gefährliche Richtung lenken zu müssen.

Was könnten die Gewerkschaften denn tun?

Mit Hinblick auf die Bewegung gegen rechts geht es vor allem darum, Antworten zu geben, wie an dieser angesetzt werden und ihr eine politische Stoßrichtung gegen die Politik der Regierung und der Abwälzung der unterschiedlichen Krisenlasten auf unsere Schultern gegeben werden kann. Diese Abwälzung muss verhindert werden. Sie verkörpert eine der realsten Zukunftsängste vieler Menschen. Es muss sich aktiv gegen die von der AfD (wie auch anderen konservativen Parteien) betriebene Sündenbockpolitik in Gestalt von „Ausländer:innen“, „Migrant:innen“, „Bürger:innengeldbezieher:innen“ oder „Arbeitslosen“ entgegenstellt werden, anstatt diese Erklärungsmuster wie beim BSW zu verinnerlichen. Die Probleme müssen klar angesprochen und offengelegt werden: Für die zunehmenden Krisen und Zukunftsängste ist das Kapital mit seinen internationalen Konkurrenzkämpfen, die sie auf unseren Rücken austrägt, verantwortlich, also wirklich Sündenbock.

Die Gewerkschaften könnten durch die Organisierung von Geflüchteten, Migrant:innen, Arbeiter:innen, Jugendlichen sowie Arbeitslosen und Rentner:innen Brücken schlagen zwischen diesen Menschen. Durch Massenmobilisierungen können diese zusammengeführt und unterschiedliche politische Themen angesprochen werden. Dadurch lässt sich zum Beispiel der Kampf gegen rechts im Betrieb mit dem gegen Lohnabbau und Sozialkürzungen gut verbinden. Hierbei kann doch aufgezeigt werden, dass nicht die Bezüge für Arbeitslose bzw. Migrant:innen schuld daran sind, dass es zu Reallohnverlusten während der Inflation kommt, sondern es daran liegt, dass das Kapital nicht mehr Geld lockermachen möchte, obwohl für Managerboni wie bei der Bahn die Millionen fließen können. Dies kann praktisch dadurch geschehen, dass wir für Verbesserungen für alle auf die Straße gehen – finanziert durch die Reichen – und dabei nicht zurückschrecken, klare antirassistische Positionen zu beziehen. Zentrale Forderungen für eine Kampagne, die unterschiedliche Proteste zusammenführen kann, könnten u. a. folgende sein:

  • Mehr für uns: Anhebung des Mindestlohns für alle und Mindesteinkommen gekoppelt an die Inflation! Für das Recht auf Arbeit und die gewerkschaftliche Organisierung aller Geflüchteten, keine Kompromisse bei Mindestlohn und Sozialleistungen!

  • Wohnraum muss bezahlbar bleiben: Nein zum menschenunwürdigen Lagersystem! Enteignung leerstehenden Wohnraums und Nutzbarmachung öffentlicher Immobilien zur dezentralen und selbstverwalteten Unterbringung von Geflüchteten und für massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus statt Privatisierung! Nein zu Leerstand und Spekulation!



An die Vorstände des DGB und seiner Einzelgewerkschaften Israel-Gaza: Nein zu Krieg, Zerstörung und Terror!

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 26. Oktober 2023, zuerst veröffentlicht auf www.vernetzung.org, Infomail 1235, 29. Oktober 2023

Im Folgenden veröffentlichen wir die Erklärung der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften. Auch wenn wir einzelne Formulierungen nicht teilen und für eine klare Unterstützung des palästinensischen Widerstandes eintreten, so halten wir es für einen wichtigen Schritt, dass sich Gewerkschafter:innen klar gegen die Unterstützung der imperialistischen und pro-zionistischen Politik der Bundesregierung und der Vorstände der DGB-Vorstände aussprechen. Vor allem aber halten wir es für wichtig, in den Betrieben und Gewerkschaften gemeinsam für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Palästina-Solidarität und gegen alle Waffenlieferungen an Israel zu kämpfen.

An die Vorstände des DGB und seiner Einzelgewerkschaften Israel-Gaza: Nein zu Krieg, Zerstörung und Terror!

Wir kritisieren sehr deutlich die einseitigen offiziellen Erklärungen des DGB und der Einzelgewerkschaften der „Solidarität mit Israel“, die keinerlei Kritik am Vorgehen und der Politik des israelischen Staates gegen die palästinensische Bevölkerung und der aktuellen repressiven Politik durch die Bundesregierung enthalten. Aus der Ablehnung des Hamas-Angriffs, den auch wir verurteilen, wird ein Freibrief für die israelische Regierung. Das vernachlässigt wesentliche Ursachen des Krieges in Palästina/Israel.

Die tiefere Ursache für solche Ereignisse und selbst für die Existenz von Organisationen wie der arbeiter*innen- und frauenfeindlichen Hamas liegt in der jahrzehntelangen Besatzung und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch den Staat Israel bzw. die Abriegelung und Belagerung des Gaza Streifens, immer neue Vertreibungen aus Jerusalem und im Westjordanland. Gaza wird zu recht von vielen als „Freiluft-Gefängnis“ bezeichnet. Bei unbewaffneten Protesten gegen die Errichtung der Mauer um dieses Gefängnis wurden über 50 Menschen vom israelischen Militär erschossen, darunter Sanitäter:innen und Journalist:innen. Laut Statistik der UNO wurden in der Zeit von 2008 bis vor den Angriff 308 Israelis und 6407 Palästinenser:innen getötet.

Die Reaktion der Hamas, auf Terror mit Terror zu reagieren, führt zu weiteren Opfern in der Zivilbevölkerung, zur Eskalation und verbaut den Weg, für den wir als Gewerkschafter:innen stehen: Für die Einheit aller Kolleg*innen – egal welcher Nationalität, Religion oder Geschlecht und gegen jede nationale oder rassistische Spaltung!.

Die Reaktion des Staats Israel – die völlige Abschottung des Gaza-Streifens, die Bombardierung und der zu erwartende Einmarsch der israelischen Armee – führt zu erneutem Leid der palästinensischen Bevölkerung, zu tausenden Toten, Vertreibung und der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage. Wir fordern ein sofortiges Ende dieser Angriffe und ein Ende der Unterstützung durch die Bundesregierung. Wir sind entsetzt, dass die Bundesregierung sich sogar gegen eine Waffenruhe ausgesprochen hat.

Wir stehen an der Seite der Masse der Bevölkerung auf beiden Seiten, die um ihr Leben, ihre Sicherheit oder ihre Angehörigen bangen. Unsere Gedanken sind bei ihnen.

Wir fordern von unseren Gewerkschaften:

  • Kampf für die Aufhebung aller Verbote und demokratischer Rechte hierzulande, die sich gegen diejenigen richten, die ihre Stimme gegen das Töten der Zivilbevölkerung in Gaza erheben. Für Meinungs- und Versammlungsfreiheit!

  • Gewerkschaftliche Aktionen gegen jede Waffenlieferung!

  • Kampf gegen Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus

  • Offene, demokratische und konstruktive Diskussion in den Gewerkschaften, keine Ausgrenzungen und Diskussionsverbote!

Die Gewerkschaften müssen alle Ansätze für demokratische Massenbewegungen in der Region gegen Krieg, Besatzung, Unterdrückung und Ausbeutung und den Aufbau gewerkschaftlicher Organisationen von Arbeiter*innen und Jugendlichen unterstützen. Diese können, indem sie zusammenkommen, die nationale Spaltung nur von unten und im Kampf für ihre gemeinsamen Interessen überwinden.

Die Welt gerät nicht nur im Nahen Osten in eine immer schlimmer werdende Spirale von Kriegen, Handelskriegen und multipler Krise. Die arbeitende Klasse verliert bei jedem dieser Kriege, egal welche Seite ihre Regierungen unterstützen. Sie braucht daher eine unabhängige Klassenposition in den Konflikten, die die gemeinsamen Interessen der Arbeiter*innen unabhängig von ihrer Nationalität und Religionszugehörigkeit zum Ausdruck bringt. Es ist auch nötig, eine gesellschaftliche Perspektive jenseits des auf Profitmaximierung und Konkurrenz basierenden Kapitalismus zu entwickeln, denn dieser schafft so immer wieder Unterdrückung und Kriege.




Fahimi muss zurücktreten! Schluss mit Interessensverrat und Sozialpartnerschaft!

Stellungnahme der VKG zu den Äußerungen der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi, 10. Januar 2023, Infomail 1210, 16. Januar 2023

Kurz vor Ende eines historischen Krisenjahres sorgt die Vorsitzende des DGB Yasmin Fahimi mit Statements für Unmut bei GewerkschafterInnen. Wie kann die Vorsitzende des DGB ernsthaft unterstützen, dass Konzerne, die mehr als 50 Millionen Euro „Krisenhilfe“ vom Staat erhalten, diese Millionen direkt als Dividende an die Aktionäre und als Boni an die Manager weiterreichen dürfen? Selbst die Regierung hat es nicht gewagt, sich hinter diese dreiste Forderung der Unternehmerverbände zu stellen. Aber sie, als Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes, der Vertretung von knapp 6 Millionen Beschäftigten, stellt sich auf die Seite des Kapitals. In einer Situation, in der Hunderttausende nicht wissen wie sie über die Runden kommen, unterstützt sie, dass Steuergelder an Bosse und Manager verschenkt werden.

Für Fahimi sind das „die normalen Mechanismen der Marktwirtschaft“. „Es mag ja sein, dass die einem nicht gefallen. Aber jetzt ist nicht die Zeit für kapitalismuskritische Grundsatzdebatten, sondern für effektives Handeln in der Realität.“ Mehr Zynismus wäre kaum denkbar von einer Gewerkschaftsführerin, die hier ohne Scham im Sinne des Kapitals argumentiert – gegen die Interessen der abhängig Beschäftigten, die sie als Vorsitzende vertreten sollte. Mit solchen Aussagen macht sie sich als Vorsitzende des DGB untragbar. Fahimi muss zurücktreten!

Zur Begründung ihrer Haltung, greift Fahimi die Schreckgespenster „Deindustrialisierung“, „Arbeitsplatzabbau“ und „Wertschöpfungskette Deutschland verlassen“ auf, die seit Jahrzehnten von Vertreter des Industriekapitals heraufbeschworen werden. Mit diesen Drohungen und Erpressungen haben die Konzerne in den letzten dreißig Jahren zahllose Verschlechterungen durchgesetzt. Sie haben Tausende Stellen abgebaut, die Löhne abgesenkt, in Tochterfirmen zu Niedrigstlöhnen ausgelagert…

Viele Mitglieder verlassen aufgrund solcher Stellungnahmen die Gewerkschaften, weil sie sich nicht mehr von ihnen vertreten fühlen. Solche Erklärungen setzen auch die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften auf’s Spiel.

Es ist nötig einen organisierten Kampf um eine politische und personelle Alternative in den Gewerkschaften zu führen, wenn wir diese als kämpfende Organisationen wieder und weiter aufbauen wollen. Gerade jetzt, gerade in der Krise, bei explodierenden Preisen, bei sinkendem Lebensstandard brauchen die Beschäftigten kämpferische Gewerkschaften an ihrer Seite, Gewerkschaften, die ihre Interessen vertreten, um sich gegen Angriffe und Erpressungen wehren zu können und die sozialen und tariflichen Errungenschaften zu verteidigen. Schluss mit Sozialpartnerschaft, Komanagement und Klassenverrat! Stärken wir einen kämpferischen Kurs und die innergewerkschaftliche Demokratie!




Energiekrise und Preisexplosion: Oh weh, wo bleibt der DGB?

Leo Drais, Neue Internationale 268, Oktober 2022

7,9 Prozent Inflation im August und die IG Metall geht artig mit 8 % in die Tarifrunde Metall und Elektro. Man kann sich denken, wie das weitergeht. Ein bisschen hin und her, vielleicht wird auch mal gestreikt, dann wieder verhandelt, und am Ende gibt‘s einen Abschluss, der definitiv unter der Teuerungsrate liegt, zumal diese im Winter wahrscheinlich zweistellig werden wird.

„Solidarität gewinnt“ ist das Motto dieser Tarifrunde. Es fragt sich bloß: Solidarität mit wem?

Der Gesamtmetallchef Wolf hatte kackdreist eine Nullrunde gefordert. Der arme Mittelstand sei durch die Inflation und die Energiekrise ansonsten existenzbedroht. Die von Verarmung bedrohte Arbeiter:innenklasse hat dem davon bedrohten Kapital unter die Arme zu greifen!

Und auch wenn die gewünschten 8 % natürlich nicht der Kapitalforderung nach einer Nullrunde entsprechen, so stellen sie doch ein Zugeständnis dar. Ohne irgendeinen Kampf ist bereits von vornherein klar, dass der Abschluss selbst bei unwahrscheinlicher vollster Durchsetzung einen Reallohnverlust bedeutet. Seit Corona beteiligt sich die IG Metall an der Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiter:innenklasse, unterschrieb eine Nullrunde, schloss einmal handzahm ab.

Bezeichnend

Das Verhalten der IG Metall ist ein für alle Gewerkschaften bezeichnendes. Mit dem niederträchtigen Überfall Russlands auf die Ukraine stellte sich der DGB untertänig stramm hinter die Kriegsziele des deutschen Imperialismus und damit auch hinter Sanktionen und die Bestrebung, wegzukommen vom Putin-Gas, koste es, was es wolle.

Das 100 Milliarden-Paket für die Bundeswehr wurde nur insofern kritisiert, als dass es nicht auf Kosten sozialer Ausgaben gehen dürfe. Ansonsten wurde das Geschenk an den bundesdeutschen Militarismus nicht hinterfragt oder sogar frenetisch begrüßt. Die IG-Metall-Betriebsräte in den Panzerfabriken Rheinmetalls sabberten auf ihren fürstlich gedeckten Schreibtisch.

Dann schlugen die sozialen Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen voll durch. Der Kreml machte ernst mit der deutschen Unabhängigkeit vom sibirischen Gas und drehte den Hahn zu. Die Preise für Strom, Gas und Sprit explodierten. In der Folge auch die für Lebensmittel, nicht ohne dass der eine oder andere Energieriese dabei fette Gewinne abkassierte, die natürlich in privater Hand bleiben werden. Immerhin stellt die FDP das Finanzministerium. Die marode Uniper-Bude wird dafür mit 30 Milliarden auf Steuergeldkosten gerettet, anstatt die Energiekrise durch die entschädigungslose Enteignung des gesamten Sektors anzugehen.

Einen Sommer lang hielt der DGB die Füße still. Statt eine gesamtgesellschaftliche Antwort durch die gesamte Klasse zu vertreten, wurden Kämpfe gegen die Teuerung nur vereinzelt in Betrieben wie den Nordseehäfen geführt. Gerade mal im Ansatz wurde hier das Kampfpotential der Belegschaft genutzt. Nach drei Warnstreiks und einer offensiv geführten Demonstration zog ver.di es vor, sich in drei Verhandlungen halb über den Tisch ziehen zu lassen. Nicht, dass sich Geschlossenheit, Kampfgeist und Selbstvertrauen der Hafenarbeiter:innen am Ende noch am berufsmäßig feigen Gewerkschaftsapparat entladen, der sein ganzes borniertes selbstgefälliges Dasein sowohl einer passiv gehaltenen Basis als auch aktivem Kuscheln mit den Bossen verdankt.

Forderungspaket

Nach einem Sommer des Stillhaltens veröffentlichte der DGB am 22. September ein Forderungspaket, um die sozialen Auswirkungen der Energiekrise und Inflation zu bekämpfen.

Einiges Richtiges steht da drin, sei es die Besteuerung von Übergewinnen, Superreichen sowie großen Erbschaften, der Schutz von Mieter:innen oder eine Gaspreisbremse. Vieles fehlt, vor allem aber jede Kampfperspektive.

Charakteristisch steht der Schlussabsatz des DGB-Papiers für die gesamte klassenverräterische Politik des Gewerkschaftsdachverbandes und seiner Teilgewerkschaften: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben schon immer in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen: für die Arbeitnehmer*innen, für die Unternehmen, für unsere Gesellschaft. Wir tun dies auch jetzt!“

„Für unsere Gesellschaft“, das heißt doch nichts anderes als für den deutschen demokratischen Imperialismus und sein Kapital, seine Unternehmen. Nicht „nur“ für die Ausgebeuteten, sondern auch für die Ausbeuter:innen übernimmt die DGB-Spitze Verantwortung. Nicht für die Belange der Klasse wird gekämpft, nein, es wird der sozialpartnerschaftliche, solidarische Ausgleich mit dem Kapital gesucht. Folgerichtig wird kurz zuvor auch nochmal die Richtigkeit der Sanktionspolitik betont, ganz gleich, welche sozialen Auswirkungen diese auf die russische oder deutsche Arbeiter:innenklasse zeitigt.

Entsprechend sagt uns der DGB auch überhaupt nicht, wie sein Forderungspaket erkämpft werden soll. Wozu auch, wenn die Ampel ohnedies auf dem richtigen Weg zu sein scheint? So lobt die DGB-Chefin Fahimi Anfang September das Entlastungspaket 3 über den grünen Klee: „Insgesamt ist der Maßnahmenkatalog geeignet, die Belastungen der Menschen und der Unternehmen tatsächlich spürbar zu verringern. Er hat eine klare soziale Handschrift und trägt zur Stabilisierung von Nachfrage und Konjunktur bei.“

Bürokratie und Kapital

Die Führungen von DGB, IG Metall, ver.di und Co. tragen die Verantwortung dafür, dass die Gewerkschaften mitunter wie Pressestellen der Bundesregierung agieren. Vermittelt über die enge Verbindung mit der regierenden SPD wird dem Kapital die servile, privilegierte Treue gehalten. Bloß kein Klassenkampf!

Der Apparat der Gewerkschaften, aber auch der Betriebsräte in den Großunternehmen ist derart in den deutschen Kapitalismus, in seine Konzerne und seinen Staat eingebunden, dass er selbst über weite Strecken wie eine politisch-ideologische Polizei fungiert. Die Ideologie der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeiter:innen und Kapital ist der ideelle Ausdruck dieser sozialen Funktion – und zugleich Mittel, die Illusionen in die „soziale“ Marktwirtschaft am zuverlässigsten zu verbreiten.

Dass der institutionalisierte Klassenkompromiss so tiefe Wurzeln geschlagen hat, diese Ideologie auch noch besonders hartnäckig verteidigt wird, wenn sie immer weniger Resultate erzielt, hängt mit tiefen Faktoren zusammen.

Charakter des gewerkschaftlichen Kampfes

Einer hängt eng mit dem Wesenskern des gewerkschaftlichen Kampfes zusammen. Für sich genommen stellt dieser das Lohnarbeit-Kapital-Verhältnis nicht in Frage. Im Gegenteil, Preis und Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft, also Löhne und Arbeitszeit, bilden dessen Kern. Dieser ökonomische Kampf ist einerseits unerlässlich, um überhaupt sicherzustellen, dass die Lohnabhängigen ihre Arbeitskraft zum Wert verkaufen, also ihre Reproduktion sichern können. Andererseits geht mit dem Lohnkampf auch die Vorstellung einher, dass ein „gerechter Lohn“ nicht bloß die Reproduktionskosten der Arbeitskraft decken würde, sondern auch der gesamten geleisteten Arbeit entsprechen würde. Hinter der Vorstellung von „fairen“ Löhnen, die in der kapitalistischen Gesellschaft automatisch das Bewusstsein der Lohnabhängigen prägen, verschwindet der Mehrwert, die eigentliche Basis des kapitalistischen Reichtums.

Die gesamte Ideologie der Sozialpartner:innenschaft, die gesamte Vorstellung vom „gerechten Ausgleich“ zwischen allen Klassen baut auf diesem falschen Bewusstsein auf. Die Stellung der Gewerkschaftsbosse beruht auf ihrer Funktion als Profis bei der Aushandlung eines „fairen Lohns“ und darauf, die Gewerkschaften auf den ökonomischen Kampf und reformistischen Ausgleich zwischen den Klassen zu beschränken.

Bürokratische Kaste

Für den Tausende Funktionär:innen zählenden bürokratischen Apparat lohnt sich zudem diese Ideologie und Praxis in Form von Aufsichtsratsposten, Karrieren und zum Teil einem Einkommen, das das eines/r prekären Lohnabhängigen, um das mehr als 10-Fache übersteigt. Natürlich umfasst diese Kaste auch untere Schichten, gewissermaßen Einsteiger:innen, Trainees, die ihre Eignung zum/r Gewerkschaftssekretär:in erst unter Beweis stellen müssen.

Auch wenn dieser Apparat auf dem Boden des rein gewerkschaftlichen Kampfs und seiner politischen Verlängerung im Reformismus entstanden ist, so kann eine so große Bürokratie wie in Deutschland nur auf Grundlage eines bestimmten globalen Klassenverhältnisses entstehen und dauerhaft reproduziert werden. Die Bürokratie weiß auch, wem sie das verdankt. Ihre Existenz knüpft sich an zwei Bedingungen.

Erstens ist sie selbst Ausdruck einer bessergestellten Schicht in der Arbeiter:innenklasse, der Arbeiter:innenaristokratie. Für sie vermag die Bürokratie auch immer wieder noch was rauszuholen oder für die Mitgliedschaft zumindest halbwegs akzeptable Abwehrkämpfe zu führen, oft genug auf Kosten anderer Teile der Klasse oder Belegschaften. Abseits davon stellen Gewerkschaften zudem Rechtsschutz, Brillenzuschläge oder Wohnzuschüsse nur für Mitglieder, was auch einen guten Teil der Mitgliedschaft bindet. Der Umfang einer solchen Aristokratie hängt jedoch nicht vom Geschick der Gewerkschaftsführungen ab, sondern ganz entscheidend auch von der Stellung des nationalen Kapitals auf dem Weltmarkt, von der Fähigkeit, Extraprofite aus der Überausbeutung der Arbeiter:innenklasse in den vom Imperialismus beherrschten Ländern zu ziehen. Daher auch die Tendenz von nationalen Gewerkschaften oder Betriebsratsfürst:innen, „ihren“ Betrieben, „ihren“ Standorten, „ihren“ Unternehmen in der globalen Konkurrenz beizustehen und diese nationalchauvinistische Ideologie in den Belegschaften zu stärken.

Zweitens hängt die Bürokratie auch am Futtertrog der Bosse und des Staates selbst. Sie ist dort unterm Strich eine in Tarifkämpfen vielleicht manchmal nervige, aber im Ganzen sehr nützliche Aus-der-Hand-Fresserin aus Sicht des Kapitals. Ist sie doch eine korrumpierbare Verhandlungspartnerin, die gerade wegen ihrer Privilegien gar keinen Bock darauf hat, Arbeitskämpfe bis zur Erfüllung der allerletzten Forderung durchzufechten. Erst recht hegt sie kein Interesse, die Kontrolle über diese Kämpfe an die Klasse selbst abzugeben, warum auch? Sie wäre vor allen Augen als überflüssig offenbart.

Daher bewegt sich die Gewerkschaftsbürokratie auch immer entlang einer Grenzlinie zwischen dem Angewiesensein auf eine große Mitgliedschaft einerseits und ihrer chronischen Nichteinbindung in Aktivitäten andererseits.

Nur alle paar Jahre, in operettenhaft ritualisierten Tarifrunden, wird in Betrieben selbst mobilisiert. Vielleicht auch mal zum Ersten Mai, wobei jene, die da auf die Straße gehen, in der Mehrzahl selbst betriebliche oder gewerkschaftliche Funktionsträger:innen sind, also Leute, die auf die eine oder andere Weise selbst in den Apparat eingebunden sind.

Heißer lauwarmer Herbst

In Zeiten der Hochkonjunktur vermochte die reaktionäre sozialpartnerschaftliche Politik, nicht nur die privilegierten Teile der Klasse, sondern die Masse der Lohnabhängigen in einen gewissen „Ausgleich“ zu integrieren, der mit der Ausweitung des sog. Sozialstaates und sozialer Rechte verbunden war. Diese erodieren seit Jahren. Umso hartnäckiger hält aber die Bürokratie an der Klassenzusammenarbeit fest, vereinigt die Basis der Gewerkschaften auf kleiner werdende, aber besser organisierte und besser bezahlte Sektoren, die oft für die Profitmacherei von entscheidender Bedeutung sind. Gegenwärtig befinden wir uns freilich in einer Lage, wo selbst die tradierte Arbeiter:innenaristokratie mehr und mehr in Frage gestellt wird – was die Widersprüche in den Gewerkschaften objektiv vertieft und den Handlungsdruck auf die Apparate erhöht.

Doch selbst wenn sich der DGB unter dem Eindruck größer werdender Proteste an Mobilisierungen gegen Energiekrise und Preisexplosion flächendeckend beteiligen sollte – teilweise tun das lokale Gliederungen von Mitgliedsgewerkschaften ja auch schon – der Zustand der Gewerkschaften ist ein denkbar schlechter, um den Kampf gegen die Krise zu gewinnen. Und wie oben gezeigt, kommt die Misere nicht von ungefähr. Die Führungskrise der Arbeiter:innenklasse und die Krise der Gewerkschaften sind aufs Engste miteinander verschränkt. Alles, was sie derzeit anbieten, ist ein unentschlossenes Lauwarm, aber davon lässt sich keine Wohnung heizen.

Es führt Mitglieder in die Resignation, den Austritt oder in die Fänge der Rechten. Denn gepaart mit der Krise der Linken stehen wir vor einer Situation, wo der Wettlauf um die Führung eines heißen Herbstes für die organisierte Arbeiter:innenbewegung schwer zu gewinnen ist. Rechte und faschistische Kräfte halten in Städten wie Leipzig oder Plauen bisher eindeutig die Initiative in der Hand und versuchen, die Krise für ihr eigenes reaktionäres Programm zu nutzen. Wenn sie auch kein kohärentes Programm bieten, Nord Stream 2 öffnen wollen und die Klimakrise wegleugnen, so stellen sie doch den Platz für Wut dar.

Und auch der DGB selbst hat es mitzuverantworten, dass unter seinen Mitgliedern die AfD mehr Zuspruch erfährt als im Bundesschnitt. Längst zählt die AfD in Sachsen unter Gewerkschaftsmitgliedern zu den beliebtesten Parteien, vor der SPD und LINKEN.

Ohne Großmobilisierung, ohne glaubwürdiges Programm gegen die Teuerungen ist der Forderungskatalog des DGB nicht ernst zu nehmen. Das Feld bleibt den Rechten überlassen, gegenüber denen der DGB seit vielen Jahrzehnten in seinen eigenen Reihen keine tauglichen Antworten liefert. Ein bisschen Bildung hier, ein Hashtag da reichen nicht. Gegen die Aufnahme Geflüchteter sträubte sich der DGB, gegen den Rauswurf rechter, nicht erst in letzter Instanz arbeiter:innenfeindlicher Kräfte auch.

Dabei ist der rechte Sumpf nur trockenzulegen, wenn Unzufriedenheit und Wut in eine Bahn gelenkt werden, die eine glaubwürdige Perspektive aufweist. Der Reformismus der Gewerkschaften repräsentiert diese in Krisenzeiten zusehends schlechter, denn sie steuert permanent darauf zu, einen kriselnden Kapitalismus retten zu müssen, um die eigenen Begünstigungen zu behalten, bezahlt mit Verrat, Stillhalten und Halbheiten.

Gewerkschaftsopposition

Und so wird zwangsläufig der Kampf gegen die Inflation, für einen Energiepreisdeckel, für das Begleichen der Rechnung durch die Reichen und die Krisengewinner:innen zu einem gegen den bürokratischen Zwangsapparat der Gewerkschaften.

Sie müssen aufgefordert werden, voll zu mobilisieren und der Ampel den Kampf anzusagen.

Nicht, dass wir die Illusion hätten, dass sie das einfach so machen. Die Führung der Gewerkschaften und des DGB wird sich erst bewegen, wenn große Teile einfacher Gewerkschaftsmitglieder schon auf der Straße sind oder Druck machen. Eine ähnliche Geschichte erzählen die Proteste gegen die Hartz-Gesetze, eine Geschichte, die uns warnt.

Denn selbst wenn der DGB den Arsch hoch kriegt, mobilisiert, Großdemos abhält und eine Führungsrolle gegen die Krise einnehmen sollte, kann die Bürokratie das Ganze auch genauso schnell wieder abblasen. Das zeigt die Geschichte der Anti-Hartz-Proteste.

In jedem Fall werden Fahimi, Hofmann und Werneke immer mit einem Fuß auf der Bremse stehen, Mittel wie einen politischen Streik oder gar einen Generalstreik werden sie gesetzestreu bekämpfen. Ihre Bürokratien sind längst zum ersten Hindernis für erfolgreiche gewerkschaftliche Kämpfe geworden. Lange bevor man mit den Bossen oder den Bullen konfrontiert ist, stellen sich Gewerkschaftsapparatschiks und Betriebsratsfürst:innen in den Weg.

Dagegen ist der Aufbau einer innergewerkschaftlichen Opposition mit eigenen Strukturen dringend notwendig.

Die beste Keimzelle für eine antibürokratische, klassenkämpferische Strömung stellt seit drei Jahren die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften dar. Aber sie ist vergleichsweise klein und stagniert im Ganzen.

Viele Kräfte der radikalen Linken beteiligen sich bisher nicht an ihrem Aufbau, entweder weil sie das organisatorische Gewicht der Gewerkschaften für die Arbeiter:innenklasse negieren oder unterschätzen oder weil sie selbst im Apparat aufgingen oder es anstreben. Vielleicht sogar ehrgeizig und mit dem ehrlichen Ziel, etwas für die Klasse zu tun, wie so viele vor ihnen, die sich dann eines Tages im Spiegel betrachteten und in das Gesicht einer selbstzufriedenen Bürokratie blickten und das Problem nicht mehr erkannten.

Für alle Linken und kämpferischen Gewerkschafter:innen ist essenziell zu verstehen: Es ist nicht möglich, einfach die bestehenden Gewerkschaftsstrukturen zu übernehmen und besetzen. Für Aktivist:innen, die dies individuell und ohne Basis in den Betrieben versuchen, ergeben sich drei Wege: Isolation als linkes Feigenblatt, Einbindung in den Apparat bei Aufgabe der eigenen Politik, ihr Ausschluss.

Der Apparat ist ideologisch und strukturell so gestrickt, dass er nicht einfach klassenkämpferisch übermalt werden kann. Eine kämpferische Antwort auf die Inflation ist von ihm nicht zu erwarten. Allenfalls kann sie ihm von unten aufgezwungen werden. Nur eine organisierte, koordinierte oppositionelle Bewegung, die sich explizit als antibürokratisch versteht, kann ihn herausfordern und perspektivisch die Gewerkschaften basisdemokratisch reorganisieren.

Programm

Aber dafür braucht es auch ein Programm, um das Aktivist:innen und kritische Gewerkschaftsmitglieder versammelt werden können. Es muss die Krise der Gewerkschaften korrekt analysieren und die Anforderungen an sie benennen. Gegenwärtig bedeutet das: Volle Mobilisierung gegen die Teuerungen, Schluss mit den Sanktionen, Durchsetzung mit Großdemos und politischen Streiks. Zugleich muss bei allen Diskussionen um die Gasversorgung dem Klimawandel Rechnung getragen werden. Die Eröffnung von Nord Stream 2 ist nicht nur unnötig, sondern auch ökologisch katastrophal.

Ebenso müssen Kampftaktiken benannt werden: Aufbau oppositioneller Betriebsgruppen, bei Kämpfen: selbstgewählte Komitees, demokratische Entscheidungen über Forderungen und Kampfmethoden direkt durch die Belegschaften.

Und wie sollen die Gewerkschaften künftig aufgebaut sein? Anstatt bürokratischer Strukturen muss für die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit aller Funktionen gekämpft werden genauso wie für das Verbot, Aufsichtsratsposten zu besetzen oder mehr als den Durchschnittslohn von Arbeiter:innen zu verdienen.

Endlich bedarf die Entwicklung eines solchen Programms einer politisch bewussten Instanz: einer revolutionären Arbeiter:innenpartei. Spontan und innerhalb der Gewerkschaften entsteht kein sozialistisches oder revolutionäres Klassenbewusstsein. Es bleibt Aufgabe von Revolutionär:innen, es in die Klasse, in die Gewerkschaften hineinzutragen.




Neue DGB-Vorsitzende: Aufbruch in eine neue Zukunft?

Helga Müller, Infomail 1188, 17. Mai 2022

Yasmin Fahimi, SPD-Mitglied, Bundestagsabgeordnete und Partnerin des Vorsitzenden der sozialpartnerschaftlich orientierten IG BCE, Vassiliadis, wird auf dem DGB Kongress in Berlin mit überwältigender Mehrheit als Nachfolgerin von Rainer Hoffmann gewählt. Zum ersten Mal steht eine Frau an der Spitze des DGB. Schon wird das als Meilenstein in der Gewerkschafts-Historie bezeichnet, gar als Aufbruch zu einem moderneren Erscheinungsbildes gefeiert, auch, um dem zunehmenden Mitgliederschwund entgegenzuwirken.

In ihrer Rede nennt sie als einen ihrer Schwerpunkte die Gleichstellung von Frauen und anderen aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Orientierung diskriminierten Menschen. Auch wolle sie die neue Ampelregierung unter Kanzler Olaf Scholz, ihrem Parteifreund, „kritisch“ begleiten. In ihrer Antrittsrede fordert sie neben der Frage der Gleichberechtigung, die Schuldenbremse, die Finanzminister Lindner spätestens 2023 wieder wirken lassen will, nicht wieder einzuführen und mehr soziale Rechte.

Doch ob sie eine wirkliche Opposition gegen die Ampelregierung anführen wird, darf man getrost in Frage stellen. Schon die Aufstellung der Kandidat:innen für die Wahl des neuen Vorsitz selbst – nachdem sowohl ver.di Chef Wernecke als auch IG BCE Chef Vassiliadis die Nominierung im Vorfeld ablehnten oder nicht mehr kandidieren sollten – spielte sich im Rahmen der alten Sozialpartnerschaftspolitik der Führung der DGB-Gewerkschaften ab.

Natürlich war Fahimi wie alle bisherigen DGB-Vorsitzenden eine „Kompromisskandidatin“. Das kann aber in einem DGB, dessen Politik, Linie und Führungspersonal selbst nur Ausdruck eines Übereinkommens zwischen den Bürokratien der großen Einzelgewerkschaften sind, auch gar nicht anders sein. Die Machtzentrale der deutschen Gewerkschaftsbewegung bilden schließlich nicht die DGB-Führung, sondern die Vorstände und Apparate von IG Metall, ver.di und IG BCE sowie der wichtigsten Betriebsräte in den Großkonzernen.

Dem entspricht auch eine „Demokratie“, die auf einen Formalismus reduziert ist, bei der die Masse der Gewerkschaftsmitglieder nicht mitzureden hat. Die Auswahl der Kandidat:innen findet statt, ohne dass die Gewerkschaftsmitglieder auch nur befragt würden. Die Delegierten zum DGB-Kongress, selbst schon von der Masse der einfachen Mitglieder weit entfernt, dürfen schließlich die Kandidatin formal bestätigen, damit auch alles sein statuarische Ordnung hat.

Reaktionen

Mit ihrer Wahl sind, wie zu erwarten war, nicht nur die Führungen der Einzelgewerkschaften hochzufrieden. Auch die Reaktionen einiger SPD-Politiker:innen verdeutlichen wie nahe sich SPD- und DGB-Spitze sind. So meinte die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, dass sie sich „auf die Fortsetzung der guten Zusammenarbeit“ freue (zitiert nach sueddeutsche.de, 9.5.2022). Ähnlich äußerte sich der SPD-Ministerpräsident vom VW-Land Niedersachsen, Stephan Weil.

Die Aussage, dem Aufrüstungsprogramm der neuen Bundesregierung „kritisch“ gegenüberzustehen, ist nicht mehr als ein unverbindliches Lippenbekenntnis, um den „linken“ Apparat zufriedenzustellen und zugleich der Regierung zu signalisieren, dass daraus nichts folgt. Die Zustimmung der neuen Vorsitzenden zu Waffenlieferungen – auch von schweren Waffen – in die Ukraine bezeugt hingegen, dass sich unter Fahimi kein Kurswechsel oer gar Kampf gegen die kommenden Angriffe auf die sozialen und Arbeitsbedingungen der Arbeiter:innenschaft, Rentner:innen, Jugendlichen und Geflüchteten anbahnt.

Das Gegenteil ist zu erwarten. Beschlüsse, die es im DGB und seinen Gewerkschaften gegen Waffenlieferungen in Krisenregionen und gegen die Aufrüstung der Bundeswehr gibt, werden von ihr kurzerhand über Bord geworfen, mit dem Argument, „dass diese Zeit neue Antworten braucht“ (zit. nach: sueddeutsche.de, 9.5.2022) und biedert sich gerade dem Paradigmenwechsel der SPD-geführten Ampelregierung in der Kriegs- und Aufrüstungsfrage an!

Natürlich dürfen einige Versprechungen und markige Wort nicht fehlen. So heißt es gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wir wollen einen grundlegenden Umbau unserer Wirtschaft“(…) „Nötig seien Gemeinwohlorientierung und gute Daseinsvorsorge“ und „mehr soziale Rechte.“ „Ganze Familien säßen in Armutsfallen fest…“ „Ohne diese sozialen Rechte bleiben viel zu viele Menschen Bittsteller.“ Außerdem fordert sie eine „dynamische Investitionsstrategie der öffentlichen Haushalte“. Scholz wisse, dass er „keinen Schmusekurs“ kriege.

Diese und ähnliche Äußerungen gehören für DGB-Vorsitzende wie Fahimi zum üblichen sozialpartnerschaftlichen Gepräge. Sicher hat der Kanzler andere Sorgen als ein paar Sprüche einer Gewerkschaftsführung, die sich seit Jahren als verlässliche Stütze der SPD an der Regierung bewährt hat – und auf die sich die Sozialdemokratie weiter verlassen kann.

Solange der DGB und vor allem die DGB-Gewerkschaften nur die Lage allenfalls anders kommentieren, wird sich daran nichts ändern. Im Gegenteil, die Spitzen passen sich sogar immer enger dem Regierungskurs an.

Opposition

Doch dieser Kurs wird gerade in der aktuellen Periode, angesichts von Krieg, Preissteigerung und weiteren Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse immer prekärer. Der rapide zunehmende Mitgliederschwund und der damit verbundene politische Machtverlust werden so nicht gestoppt werden können. Eine notwendige Kursumkehr ist von Fahimi und von der gesamten sozialdemokratisch kontrollierten Bürokratie nicht zu erwarten.

Dabei wäre dieser im Kampf gegen Aufrüstung, Krieg und Sozialabbau dringend nötig. Eine Interessensvertretung der Arbeiter:innenschaft muss gerade in der heute zugespitzten Situation klar Stellung beziehen und benennen, was die Regierung tut. Sie betreibt ein gigantisches Aufrüstungsprogramm im Interessen der großen Konzerne und Banken im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, im Kampf um Ressourcen und neue Absatzmärkte. Diese immer stärkere Unterordnung unter Kapitalinteressen werden die Massen zahlen müssen mit Angriffen, die die Bundesrepublik noch nie gesehen hat.

Und dagegen helfen nicht gute ausgewählte, völlig leere Sprüche oder Schulterklopfen mit SPD-Verantwortlichen in der Regierung, sondern nur die Mittel des Klassenkampfes: Massendemonstrationen, Besetzungen, Blockaden Streiks bis hin zu politischen Massenstreiks. Doch dazu braucht es auch eine organisierte oppositionelle Kraft in den Gewerkschaften, die für einen solchen Kurs kämpft – eine antibürokratische, klassenkämpferische Basisbewegung.




DGB am Ersten Mai 2022 – Proteste gegen nationalen Schulterschluss

Susanne Kühn, Infomail 1187, 3. Mai 2022

203.500 Menschen beteiligten sich lt. DGB an den Demonstrationen und Kundgebungen der Gewerkschaften am 1. Mai 2022. Nach zwei Jahren Corona-Pause fällt auf, dass die Mobilisierung weit unter den Zahlen von 2019 liegt, als der DGB von 381.500 sprach.

Allein diese Zahlen sollten in den Gewerkschaftszentralen Anlass zur Sorge – und auch zur politischen Selbstkritik – bieten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Spitzen der DGB-Einzelgewerkschaften und deren Redner:innen loben sich vor allem selbst.

Die Botschaft des DGB

Während der Pandemie hätten sie für Gesundheitsschutz gesorgt und für fairen Lastenausgleich. Kein Wort davon, dass sie gegen mangelnde Schutzmaßnahmen und den Notstand im Gesundheitswesen nicht gekämpft, vielmehr Streiks, Aktionen und ganze Tarifrunden abbliesen und verschoben haben. Kein Wort davon, dass die Arbeiter:innenklasse in den letzten Jahren massive reale Einkommensverluste hinnehmen musste, während die Preis z. B. am Wohnungsmarkt weiter anzogen. Kein Wort davon, dass sie alles getan haben, um vorübergehenden Schließungen in der Großindustrie zu verhindern, die Interessen der Lohnabhängigen und den Gesundheitsschutz über zwei Jahre den kurzfristigen Profitinteressen des Kapitals untergeordnet haben.

Auf den nationalen Schulterschluss während der Pandemie soll nun offenbar der Burgfrieden während des Kriegs um die Ukraine folgen. So stimmt DGB-Chef Hoffmann in das bürgerliche Narrativ ein. Der reaktionäre Angriff des russischen Imperialismus auf die Ukraine wird nicht als Teil eines größeren, globalen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt begriffen, sondern als einer auf „unsere“ Werte: „Dieser menschenverachtende Krieg ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung und auf unsere Demokratie.“

Nachdem der eigenen herrschenden Klasse eine grundsätzliche Unterstützung versichert wurde, dürfen natürlich einige „friedenspolitische“ Phrasen nicht fehlen: „Wir sagen Nein zu Militarisierung und massiver Aufrüstung. Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats. Militärische Friedenssicherung darf niemals zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.“

Daher soll die Anhebung des Rüstungsetats nicht dauerhaft erfolgen, sondern nach dem Waffengang mit Russland beendet werden. Solange der aber noch nicht zu „unseren“ Gunsten entschieden ist, geht die Aufrüstung in Ordnung, sofern sie nicht „zulasten des sozialen Friedens“ erkauft würde. Der Verweis darf keinesfalls als Kritik an der Regierung missverstanden werden. Vielmehr soll er daran erinnern, dass die Gewerkschaftsführung für die Burgfriedenspolitik auch Entgegenkommen, also einen sozialchauvinistischen Bonus, erwartet.

Pfiffe und Eier für SPD-Prominenz

Um die Nähe zur Regierung und damit zum Staat des Kapitals auch am Ersten Mai zu demonstrieren, durften neben der DGB-Prominenz die Redner:innen aus der „Politik“, vornehmlich aus der SPD, nicht fehlen. So hatte Kanzler Scholz seinen Auftritt in Düsseldorf, in München war Oberbürgermeister Reiter, in Berlin Franziska Giffey geladen.

Dass führende SPD-Politiker:innen, zumal solche mit Regierungsfunktionen, auf den Ersten-Mai-Kundgebungen als zentrale Redner:innen auftreten dürfen, gehört zum üblichen Ritual einer Gewerkschaft, die sozialdemokratisch geprägt und dominiert ist.

Neu – und positiv – war jedoch, dass die Teilnehmer:innen wichtiger Kundgebungen wie in Düsseldorf, Berlin und München das Gedöns der sozialdemokratischen Regierungsleute nicht einfach über sich ergehen ließen, sondern mit Sprechchören, Pfeifkonzerten, Buhrufen ihre Kritik und Ablehnung der Kriegspolitik der Regierung und der klassenfeindlichen Politik in Bund, Ländern und Kommunen zum Ausdruck brachten.

Olaf Scholz wurde zu Recht für seine Milliardenaufrüstung, Sanktionen und Waffenlieferungen angegriffen, die Deutschland als NATO-Staat faktisch zu einer Kriegspartei in der Ukraine machen.

In München wurde Oberbürgermeister Reiter ausgepfiffen, weil sich der SPD-Politiker gegen den Erzieher:innenstreik in seiner Stadt gestellt hatte. Linke Gewerkschafter:innen enthüllten Schilder gegen den Krieg.

Berlin

Einen Höhepunkt der Aktionen erlebten wir in Berlin. Schon DGB-Chef Hoffmann wurde bei seiner Rede immer da von Sprechchören unterbrochen, wo er offen oder implizit die Kriegs- und Rüstungspläne der NATO, der EU oder der Bundesregierung unterstützte.

Eine gebührenden Empfang bereiteten mehrere Hundert Unterstützer:innen des klassenkämpferischen Blocks bei der Abschlusskundgebung in Berlin der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Sie kann auf eine lange unrühmliche Geschichte zurückblicken, sei es als Unterstützerin rassistischer Abschiebungen, von Privatisierungen und zahlreichen anderen arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen.

In den letzten Jahren und als Regierungschefin eines angeblich linken rot-grün-roten Senats steht die Verhinderung der Enteignung der Immobilienkonzerne ganz oben auf ihrer Agenda. Statt dem Votum einer klaren Mehrheit von über einer Millionen Berliner:innen, die für die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. gestimmt haben, zu folgen, will Giffey dieses zur Zeit in einer sog. Expert:innenkommission politisch entsorgen.

Dennoch sollte sie als eine Hauptrednerin die Leute mit leeren Phrasen einseifen. Doch dazu kam es nicht. Nicht nur die Genoss:innen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und der Klassenkämpferische Block, den auch die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION mitorganisierten, sorgten für lautstarken Protest und intonierten Sprechchöre wie „Volksentscheid – umsetzen“ und „Enteignung – jetzt!“ Auch viele andere Gewerkschafter:innen unterstützten die Rufe und das Pfeifkonzert. Als schließlich ein Ei Richtung Giffey flog, brach sie ihre Rede ab.

Nachträglich entrüstet sich Giffey über dieses „undemokratische“ Vorgehen und den „tätlichen Angriff“. Dabei sollte doch eher die Frage gestellt werden, was der Wurf eines Eis im Vergleich zum Rauswurf all der Mieter:innen, die nach Zwangsräumungen ihre Wohnung verloren, darstellt.

Ver.di Berlin entrüstet sich in einer Pressemitteilung vom 2. Mai über den „verabscheuenswürdigen“ Angriff. Schließlich sei der „Dialog mit demokratischen Parteien und der politischen Führung der Stadt sehr wertvoll.“

Dass eine Person, die einen Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienkonzerne hintertreibt, Geflüchtete abschieben lässt, die S-Bahn privatisieren will und auch ansonsten dem Kapital den roten Teppich ausrollt, ausgerecht bei der Mai-Demonstration der Gewerkschaften eine zentrale Rede halten sollte, verdeutlicht die Krise der Gewerkschaften in Deutschland.

Klassenkämpferische Basisbewegung

Die Krise hat gleich mehrere Namen: Sozialpartner:innenschaft und nationale Einheit mit der Regierung sind nur zwei davon. Diese Politik der Klassenzusammenarbeit dient nicht den Lohnabhängigen, sondern dem Kapital und seiner Regierung. Die schrumpfenden Demonstrationen sind nur ein numerischer, alarmierender Ausdruck einer Politik, die seit Jahren zum weiteren Niedergang der Gewerkschaften geführt hat und diese an die herrschende Klasse und die Regierung kettet.

Die Proteste gegen Scholz, Reiter, Giffey verdeutlichen jedoch, dass sich Widerstand, Opposition gegen den sozialpartnerschaftlichen Kurs und die Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung regt. Die Tatsache, dass sie nirgendwo ernsthaft vom Apparat verhindert werden konnten, sondern bei vielen Gewerkschafter:innen, darunter auch Kolleg:innen aus der Sozialdemokratie, auf ein positives Echo stießen, zeigt, dass die reformistischen Apparate in Zeiten der Krise, der „Zeitenwende“ auch Risse bekommen, Risse, die wir vertiefen müssen.

Wir brauchen keine Politik der falschen Toleranz gegenüber Leuten wie Giffey. Wir brauchen keinen Kuschelkurs mit den politischen Vertreter:innen des Kapitals, selbst wenn sie sich „arbeiter:innenfreundlich“ geben. Stattdessen benötigen wir einen Bruch mit der Politik der Unterordnung unter das „nationale“ Interesse, unter die imperialistische Politik des deutschen Staates und unter die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals. Wir brauchen keine Politik des „sozialen Friedens“, sondern eines des Klassenkampfes.

Das heißt aber auch, dass wir in den Betrieben und Gewerkschaften eine oppositionelle, antibürokratische Kraft aufbauen müssen, die eine politische Alternative zum Apparat und zur reformistischen Führung liefert – eine klassenkämpferische Basisbewegung. Der Aufbau der VKG in den einzelnen Städten, die Gewinnung weiterer Strömungen in den Gewerkschaften und von kämpferischen Aktivist:innen stellen einen nächsten wichtigen Schritt in diese Richtung dar.




Deutscher Militarismus: Aufrüstung, Krieg und der DGB

Helga Müller, Neue Internationale 264, Mai 2022

Drei Tage nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine beschloss die Bundesregierung mit Hilfe der CDU und CSU ein sogenanntes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr! Zusätzlich sollen zukünftig über 2 % des BIP für Aufrüstungsausgaben jährlich zur Verfügung stehen.

Es gibt dafür weder eine Vermögenssteuer oder -abgabe noch eine Erhöhung der Kapitalsteuern für die Banken und Konzerne. Laut Lindner soll dies aus dem laufenden Bundeshaushalt bewältigt werden, der noch dazu unter dem Damoklesschwert des Wiederinkrafttretens der Schuldenbremse steht. D. h. also nichts anderes, als dass die Finanzierung mit einem gigantischen Sozialabbau, der allein die Kolleg:innen, Rentner:innen, Jugendlichen, Geflüchteten und Frauen trifft, verbunden sein wird. Nichts – außer ein paar Almosen in Form von einmaligen Prämien – für die Pflegekräfte in den Kliniken, die Kolleg:innen in den Schulen, Kindertagesstätten oder Jugendfreizeitstätten, die Bus- und Straßenbahnfahrer:innen, die Kolleg:innen im Einzelhandel, die seit über 2 Jahren trotz Pandemie und schlechter werdenden Bedingungen alles am Laufen gehalten haben.

Aufschrei der Gewerkschaften?

Schon dies alleine hätte beim DGB und seinen Gewerkschaften zu einem sofortigen Aufschrei führen müssen. Stattdessen Unterstützung des Regierungskurses für Sanktionen gegen Russland, bei denen auch der DGB weiß, dass diese nicht in erster Linie die Oligarch:innen treffen werden, die hinter Putins Kriegskurs stehen, sondern die arbeitende Bevölkerung, Arbeitslose und RentnerInnen. Dann zarte Kritik an den 100 Milliarden Sondervermögen, die doch besser im sozialen Bereich hätten investiert werden sollen, und gerade mal eine kritische Haltung, aber nicht Ablehnung des Ziels, den Rüstungsetat auf über 2 % des BIP jährlich zu erhöhen.

Werneke, Chef von ver.di, die ja immer als eine sehr politische und kritische Gewerkschaft galt, äußerte sich wenige Tage nach dem Bundestagsbeschluss in einem Interview dazu. Er nimmt hier eine mehr als zweideutige Haltung gegenüber dem sog. Sondervermögen für Aufrüstung ein:

„Richtig ist, dass der Zustand der Bundeswehr in Teilen wirklich schlecht ist, trotz der vielen Milliarden, die jetzt schon im System sind. Das betrifft die Ausrüstung, den Zustand von Kasernen, aber auch die Attraktivität als Arbeitgeber. …  Ich will eine Bundeswehr, die als Verteidigungsarmee funktioniert und die auch ein guter Arbeitgeber ist. … Eine Rechtfertigung für einen dauerhaft höheren Militärhaushalt ergibt sich daraus für mich nicht. …“ Weiter: „Ich sehe allerdings die dringlichsten Handlungsbedarfe nicht bei den Ausrüstungsdefiziten in der Bundeswehr. Wir stehen in Deutschland vor der größten Flüchtlingswelle seit dem zweiten Weltkrieg.“

Erst nachdem es mehrere Beschlüsse von verschiedenen ver.di-Gremien gab, die sich gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete und vor allem gegen das Aufrüstungsprogramm insgesamt richteten, wie z. B. die Resolution der ver.di-Mitgliederversammlung der Beschäftigten bei Vivantes, Charité und Vivantes-Töchtern oder die Entschließung des geschäftsführenden Bezirksvorstandes ver.di-Südhessen vom 13. März, lehnte der Gewerkschaftsrat in einer Resolution  „die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf einen dauerhaften Anteil von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt, wie es das NATO-Ziel vorsieht“, ab. Jedoch bleibt diese bzgl. des 100 Milliarden Sondervermögens genauso vage wie Werneke.

Halbherzig – bestenfalls

Alles halbherzige Bekenntnisse, mit denen sich die Gewerkschaftsverantwortlichen noch stärker als jemals zuvor den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen Konzerne und Banken mitsamt ihrer Regierung unterordnen. Dies spiegelt sich auch in der diesjährigen Tarifpolitik: durch die Bank weg haben die Gewerkschaften bei den Tarifrunden in der Druckindustrie, Chemie und bei den öffentlichen Banken mehrjährige Entgelttarifverträge abgeschlossen, die alle einen Reallohnverlust für lange Zeit verankern!

Wir wissen aber, dass die Kolleginnen und Kollegen, um die Zeche für Deutschlands Wettrüsten mit anderen Weltmächten finanzieren zu können, zahlen müssen. Die Heizungs-, Energie- und Lebensmittelpreise werden weiter in die Höhe schnellen je länger der Krieg dauert. Obendrauf kommen dann noch die Kosten für die Aufrüstung!

Angeblich soll damit die Sicherheit der Bundesrepublik garantiert werden. In Wirklichkeit geht es um die Sicherung der wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen Banken und Konzerne im Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

Was tun?

Angesichts dieser höchst gefährlichen Situation kommt auf unsere Gewerkschaften eine große Verantwortung zu! Sie verlangt von ihnen, sich eindeutig von den Beschlüssen der Bundesregierung zu distanzieren und vor allem den Kampf dagegen aufzunehmen. Erfreulicherweise gibt es mittlerweile sowohl in ver.di als auch in der IG-Metall Beschlüsse, die sich eindeutig gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung richten.

Diese Resolutionen sind wichtig und richtig, aber wir brauchen kämpferische Aktionen – wie Demonstrationen bis hin zu Streiks. Dies wäre ein wichtiger Beitrag der deutschen Gewerkschaften zum notwendigen Aufbau einer starken internationalen Antikriegsbewegung, die in der Lage ist, diesen Krieg zu beenden und weitere zu verhindern!

Ein erster Schritt wären massive Protestdemonstrationen und Arbeitsniederlegungen gegen das 100 Milliarden Programm zur Aufrüstung an dem Tag, wenn die Verfassungsänderung im Parlament diskutiert und beschlossen werden soll.




Nein zum Ausschluss des Palästinakomitees aus dem Festival gegen Rassismus der Stuttgarter DGB-Jugend!

Stellungnahme des Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Metallertreff Stuttgart, Infomail 1174, 22. Dezember 2021

Das Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften sowie der Metallertreff Stuttgart hat folgende Erklärung gegen den Ausschluss des Palästinakomitees von dem Festival gegen Rassismus der Stuttgarter DGB-Jugend abgegeben. Der Text wurde ursprünglich auf der Seite der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) veröffentlich. Die Gruppe ArbeiterInnenmacht unterstützt die Stellungnahme und solidarisiert sich mit dem Palästinakomitee (PaKo). Hier der Text im Wortlaut von Zukunftsforum und Metallertreff im Wortlaut:

Nein zum Ausschluss des Palästinakomitees aus dem Festival gegen Rassismus der Stuttgarter DGB-Jugend!

Gewerkschaften müssen antirassistisch sein, denn jede Spaltung der Klasse durch Rassismus ist eine Schwächung ihrer Kampfkraft. Gewerkschaften müssen sich dem Erstarken der Rechten widersetzen, indem sie den Kampf gegen Rassismus aktiv und gemeinsam mit AkteurInnen sozialer und demokratischer Bewegungen führen, und dieses Bewusstsein dadurch in der Klasse verankern. Genauso müssen Gewerkschaften sich dem staatlichen Rassismus, der uns spaltet und schwächt, entgegenstellen. Wir unterstützen daher vollkommen die Initiative der DGB-Jugend Stuttgart, im Sommer 2022 ein „Festival gegen Rassismus“ zu organisieren.

Umso mehr sind wir empört, wie die zuständige DGB-Sekretärin bereits nach dem ersten Treffen von UnterstützerInnen des Festivals elementare Grundsätze des gewerkschaftlichen Antirassismus opfert, um einem regierungskonformen Bild von „Antirassismus“ gerecht zu werden. Im Nachgang des Treffens teilte die DGB-Jugendbildungsreferentin Anja Lange dem Stuttgarter Palästinakomitee den Ausschluss aus dem eben gebildeten Vorbereitungskomitee mit. Die Rechtfertigung für diesen Schritt ist mehr als dürftig und gipfelt in der Behauptung, das Palästinakomitee zeige auf seinen Plakaten „antisemitische Darstellungen von Jüd*innen“. Auf welche Plakate sie sich bezieht, führt sie nicht aus. Wir halten diese Darstellung für haarsträubend, verleumderisch und den Ausschluss für undemokratisch. Das Palästinakomitee (PaKo) ist in Stuttgart seit Jahren regelmäßig auf antifaschistischen/antirassistischen Aktionen vertreten und hat auch mehrfach u.a. in öffentlichen Veranstaltungen das Erstarken des Antisemitismus thematisiert und in einen Zusammenhang gestellt zum zunehmenden gesellschaftlichen Rassismus im Allgemeinen und gegen die PalästinenserInnen im speziellen.

Der Ausschluss wurde offensichtlich nicht unter den UnterstützerInnen diskutiert, geschweige denn demokratisch beschlossen. Auf dem zweiten Treffen des Festivalkomitees führte diese Missachtung demokratischer Grundsätze dazu, dass sich 5 der 10 am Treffen teilnehmenden Organisationen unmittelbar zum Austritt aus der Initiative gezwungen sahen. Auf dieser Grundlage wird es kein Festival geben, das sich „antirassistisch“ nennen kann!

Das Pako ist ein Bündnispartner im Kampf gegen Rassismus, und das muss auch für das „Festival gegen Rassismus“ der DGB-Jugend gelten. Wir sind wütend über den Ausschluss aus dem Festivalkomitee und fordern von der DGB-Jugend Stuttgart, diesen Schritt zu revidieren. Wir rufen auch alle gewerkschaftlich Aktiven und alle TeilnehmerInnen des Festivalkomitees auf, sich klar gegen den Ausschluss zu positionieren und eine demokratische Debatte darüber einzufordern! Eine derart schwerwiegende politische Anschuldigung, wie Anja Lange sie vorbringt, muss offen für alle zur Diskussion gestellt werden. Das Palästinakomitee hat das Recht, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, wie auch alle Beteiligten im Festivalkomitee die Möglichkeit haben sollen, Stellung zu beziehen. Wir zitieren daher an dieser Stelle aus einem offenen Brief, den das Palästinakomitee als Reaktion auf den Ausschluss verfasst hat:

Mit dem Palästinakomitee Stuttgart e.V. greift ihr einen Verein an, für den es seit der Gründung im Jahr 1982 selbstverständlich ist, Jüd:innen und Juden als Teil der gemeinsamen Bewegung gegen die Unterdrückung der Palästinenser:innen in alle unsere Initiativen einzubeziehen. Seit unserer Gründung sind wir selbstverständlich auch bei antifaschistischen und antirassistischen Aktionen in Stuttgart und Umgebung aktiv.

(…)

Euer Vorgehen macht deutlich, dass wir es mit einem Missbrauch des Antisemitismusvorwurfes zu tun haben, mit dem Kritiker:innen der israelischen Politik diffamiert werden. Das ist sehr gefährlich, denn es lenkt die Aufmerksamkeit ab von ultrarechten Kräften, die in erster Linie für den Antisemitismus in der BRD verantwortlich sind. Diese Rechtsextremen nutzen selbst sehr gerne den Antisemitismusvorwurf, um in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen und die Linke unter Druck zu setzen, von diesem Druck sind in erster Linie die zahlreichen Migrant:innen aus der Region sowie die Palästinasolidarität betroffen. Dafür gibt es in Stuttgart passende Beispiele: Seit dem Jahr 2018 ist es die AFD, die mit an erster Stelle die Ausgrenzung des Palästinakomitees Stuttgart und dessen Ausschluss aus städtischen Institutionen und von Fördermitteln betreibt.

Das Verhalten von Anja Lange widerspricht auch dem Instagrampost, in dem die DGB-Jugend Baden-Württemberg die Initiative angekündigt hat:

Dabei wollen wir explizit darauf achten, dass das Festival in seiner Vorbereitung und Durchführung auch von Rassismus betroffenen Menschen mitgestaltet wird. Konsequent im Sinne des Festivals ist natürlich, dass bewusst diskriminierendes oder bedrohendes Verhalten von uns Veranstalter*innen nicht geduldet wird.

Dieses Bekenntnis gilt offenbar nicht für einen Verein von und in Solidarität mit den PalästinenserInnen, der nicht zuletzt auch die palästinensische Diaspora und deren Kampf gegen rassistische Politik repräsentiert, und der dabei einen dezidiert linken Standpunkt vertritt. Gewerkschaftlicher Antirassismus muss alle fortschrittlichen und demokratischen Organisationen von MigrantInnen und solche, die soziale und demokratische Fragen in den Herkunftsländern im Blick haben, einbeziehen!

Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Metallertreff Stuttgart




Gewerkschaften unter Corona: Versagen auf der ganzen Linie!

Mattis Molde, Neue Internationale 255, Mai 2021

Im letzten Jahr haben über eine Million Menschen ihren Arbeitsplatz verloren, 477.000 sozialversicherungspflichtig und 526.000 geringfügig Beschäftigte hat es getroffen. Das antwortet die Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN. Darüber hinaus wurden 128.000 regulär Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe entlassen, vor allem in der Metall- und Elektroindustrie. Allerdings sei diese Branche bereits vor der Coronapandemie von einem strukturellen Wandel gezeichnet gewesen sei, schreibt die Regierung.

Eine Million Menschen verlieren ihre Existenz und die Regierung schiebt das auf Pandemie und Strukturwandel. Sie hat ihr Politsprech schon so verinnerlicht, dass für sie struktureller Wandel gleichbedeutend mit der Zerstörung von Arbeitsplätzen ist. Natürlich sagt die Regierung nicht, was wirklich los ist:

Die Unternehmen lassen die Beschäftigten für die Krise bezahlen. Sie planen, das auch weiterhin zu tun. In der Metallindustrie stehen weitere 300.000 Arbeitsplätze zur Disposition, zigtausende im Handel, und das ist noch lange nicht alles. Die Regierung benennt diese Angriffe nicht. Sie beschwört den „Zusammenhalt der Gesellschaft“, den es für die KapitalistInnen mitnichten gibt. Was sie zusammenhalten, ist ihr Kapital – koste es, was es wolle. Und sie laden die Kosten der Gesellschaft und den arbeitenden Menschen auf.

Eine Situation, in der sich Unmut zusammenbraut. Er richtet sich gegen die Regierung – aber oft unter falschen Vorzeichen und mit rechten und reaktionären Parolen. Regierung und Staat kommt das sehr gelegen: Sie wollen auf jeden Fall diejenigen aus dem Feuer nehmen, die in diesem System profitieren und die es gerade auch in und trotz der Krise tun: die GroßkapitalistInnen.

Dass dieser Unmut nicht die wirklich Verantwortlichen trifft, ist das Verdienst der Gewerkschaften, genauer gesagt ihrer Führungen.

Versagen oder Absicht?

Die Pandemie hat die Krise der Gewerkschaften nicht erzeugt, aber noch offensichtlicher gemacht.

Die Gewerkschaftsführung akzeptiert nicht nur millionenfache Jobverluste, sondern auch Niederlagen bei Lohnrunden und Einbrüche in die Tarifverträge. Sie trägt die Coronapolitik der Regierung im Interesse des Großkapitals mit, verfolgt eine Politik der nationalen Einheit und deckt damit auch den anhaltenden Jo-Jo-Lockdown auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung.

Die Krise trifft unterschiedliche Gruppen von Beschäftigten auf verschiedene Weise. So kann Kurzarbeit für relative gut bezahlte Beschäftigte eine erträgliche Lösung sein, für andere, z. B. im Niedriglohnbereich, nicht. Viele bekommen sie noch nicht mal angeboten, sondern werden sofort entlassen. Deshalb hilft das Herumdoktern an Teillösungen – und das ist das Maximum, das Gewerkschaften in diesem Jahr geleistet haben – letztlich nicht weiter. Deshalb ist eine übergreifende, also politische Bewegung nötig.

In Zeiten allgemeiner Krise ist eine einheitliche Bewegung ein entscheidender Faktor dafür, Kämpfe in einzelnen Betrieben oder Branchen zu gewinnen. Aber die Gewerkschaftsführungen haben nicht nur die Ansätze für eine allgemeine Bewegung gegen die Abwälzung der Krisenlasten nicht gefördert, sondern bislang aktiv jeden hoffnungsvollen Ansatz im Keim erstickt. Streiks und Tarifrunden wurden in den Sand gesetzt. Solidarität heißt nur noch gemeinsamer Verzicht – wo gemeinsamer Kampf so wichtig wäre!

Entsprechend steht nicht ein einziger Erfolg, nicht ein einziger Sieg für die Gewerkschaftsbewegung zu Buche. Es gibt nur diese schrecklichen Teil„erfolge“, bei denen „Schlimmeres“ vermieden wurde, weil Schlimmes von vornherein akzeptiert worden war: „Erfolge“, für die immer der Preis stets höher war, als das Erreichte wert ist. Und alles wird so schöngeredet oder zurechtgelogen wie eine Verlautbarung von Andreas Scheuer oder Jens Spahn.

Mit ihrem Vorgehen ist die Führung auch dafür verantwortlich, dass Tausende den Gewerkschaften den Rücken gekehrt haben. Die Mitgliederzahlen haben einen neuen historischen Tiefstand in einer Zeit erreicht, wo sie dringend gebraucht würden. Die FunktionärInnen geben die Schuld daran der Basis, die sich nicht wehren kann. In den Organisationsstrukturen kommt sie praktisch nicht mehr vor. Das innergewerkschaftliche Leben wurde noch weiter erstickt, dafür ist Corona immer nützlich. Zu Beginn der Pandemie schon wurde die Anweisung des ver.di-Vorstandes bekannt, dass jede einzelne Verlautbarung von ihm genehmigt werden müsse. Diskussion ist kaum mehr möglich. In Internetforen dürfen Fragen gestellt werden, deren Zulassungen die AdministratorInnen prüfen.

Das hat zu einer Situation geführt, wo für die Mehrheit der Werktätigen Gewerkschaft nicht mehr stattfindet. Sie werden nicht nach Tarif bezahlt und haben keine Betriebsräte. Insbesondere Beschäftigte in Leiharbeit verdanken ihre miese Lage der Zustimmung der Gewerkschaften zu dieser rechtlosen Lage. Aber auch Werkvertrags- und andere prekär Beschäftigte haben weder das Geld übrig für Mitgliedsbeiträge noch wirkliche Vorteile aus einer Mitgliedschaft. Und für die meisten BürokratInnen „lohnt“ es sich auch nicht, Ressourcen für die Organisierung dieser Schichten aufzuwenden. Dies würde nämlich regelmäßig Konflikt mit den Unternehmen bedeuten. Aber sie wollen nicht kämpfen, sie wollen mit ihren SozialpartnerInnen verhandeln.

Natürlich gibt es weiterhin engagierte GewerkschaftssekretärInnen, die versuchen, beispielsweise Beschäftigte im Handel oder in den Fleischfabriken zu unterstützen gegen die widerwärtigen Formen der Ausbeutung, die dort stattfinden. Aber das Gesamtbild der DGB-Gewerkschaften wird dadurch geprägt, dass der mächtigste Einzelverband, die IG Metall, noch nicht mal in „ihren“ Betrieben gegen prekäre Arbeitsverhältnisse vorgeht. In der Automobilproduktion wäre es ein Leichtes, mit Aktionen, Warn- oder Vollstreiks richtig Druck auf die Unternehmen auszuüben. Selbst die Verweigerung von Sonderschichten und Überstunden könnte sie z. B. derzeit empfindlich treffen.

IG Metall

Aber die Betriebsräte und die IGM sind so sehr dem Profit verpflichtet, dass sie akzeptieren, dass bald die Hälfte der Beschäftigten in der Autoproduktion für Werkverträge und Leiharbeit arbeitet. Da geht es nicht nur um Firmenprofite, sondern um internationalen Wettbewerb, um Deutschlands Führungsrolle in Europa und seine Position in der Welt. Diese Arbeit„nehmer“vertreterInnen decken deshalb auch den Abgasbetrug und die Rüstungsexporte. Sie unterstützen Rationalisierung und Digitalisierung, die ihrerseits zehntausende Arbeitsplätze kosten, ja auch Verlagerungen in Niedriglohnländer, die sie dann „sozial“ gestalten, und natürlich die erhöhte Ausbeutung in diesen.

Die abgelaufene Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie verdeutlicht diese Politik exemplarisch:

Es gibt dieses Jahr keine Erhöhung der Löhne und Gehälter oder – um das Tarifvokabular zu benutzen – der Monatsentgelte. Diese wurden zuletzt im April 2018 um 4,3 % erhöht. Die nächste mögliche Erhöhung kann ab Oktober 2022 kommen: also nach mindestens viereinhalb Jahren Stillstand!

Es gibt für 2021 lediglich eine Einmalzahlung von 500 Euro netto. Sie wird Coronaprämie genannt, damit die gesetzliche Regelung dazu genutzt werden kann: Es müssen keine Steuern gezahlt werden. Außerdem wurde ein „Transformationsgeld“ erfunden. Es ist eine jährliche Sonderzahlung, die vierte neben dem „Weihnachtsgeld“, dem Urlaubsgeld und dem „tariflichen Zusatzgeld“ (T-ZUG). Rechnerisch beträgt es 2,3 % des Monatsentgeltes. Dieses muss nicht gezahlt werden. Wahlweise kann auch die Arbeitszeit abgesenkt werden. Das kann jede/r Beschäftigte individuell tun, es können aber auch betriebliche Regelungen zwischen Betriebsrat und Management vereinbart werden.

Weil mit 2,3  % nicht mal eine Arbeitsstunde pro Woche finanziert werden kann, eröffnet der Tarifvertrag auch noch die Möglichkeit, das Urlaubs- und „Weihnachtsgeld“ dafür einzusetzen. Das nennt sich dann „Teillohnausgleich“ und lügt damit: Es ist kein „Lohnausgleich“ in dem Sinne, dass ein Teil der Arbeitszeitverkürzung vom Unternehmen „ausgeglichen“ würde, sondern die Beschäftigten verlieren exakt den Betrag, den sie erarbeitet hätten.

Die Flexibilisierung im Sinne des Kapitals geht also weiter mit neuen Puffern nach unten zur schon länger vereinbarten „tariflichen“ Kurzarbeit und zu den „Entlastungen“ der Unternehmen von Urlaubs- und „Weihnachtsgeld“ bei Kurzarbeit.

Zusammengefasst: keine Erhöhung der Monatsentgelte für 4,5 Jahre, nur Einmalzahlungen und Sonderzahlungen, die auch ohne Zustimmung der Beschäftigten entfallen können.

Prämien für Stammbelegschaften

Das ist das Tarifergebnis. Zugleich haben aber die Stammbelegschaften der Autokonzerne „Prämien“ für das abgelaufene Jahr 2021 erhalten:

  • Bei Daimler erhalten diese zusätzliche 500 Euro und eine „Corona“-Prämie von 1000 Euro.
  • Bei VW sind es 2700 Euro, nach 4950 Euro im letzten Jahr.
  • Bei BMW kann ein/e durchschnittliche/r FacharbeiterIn diesmal mit zusätzlichen 2160 Euro rechnen. In Top-Jahren betrug diese Prämie über 9000 Euro. Dazu ein zusätzlicher Beitrag für die Betriebsrente in Höhe von 450 Euro.
  • Porsche: Die Beschäftigten erhalten für ihre Leistung eine Sonderzahlung von bis zu 7850 Euro.

Damit übersteigen diese „Prämien“ das von der IG Metall so hoch gepriesene Tarifergebnis um ein Mehrfaches. Auch wenn sie dieses Jahr geringer ausfallen, wären sie für die prekär in den Autobuden malochenden ArbeiterInnen das Vielfache eines Monatslohnes. Aber sie bewirken nicht nur eine Spaltung der Belegschaften in diesen Konzernen, sondern auch eine innerhalb der IG Metall: Die Masse bekommt ein Tröpfchen Tariferhöhung, wenn sie es überhaupt bekommt. Die Belegschaften, die von ihrem Organisationsgrad, ihrer Kampfkraft und ihrer wirtschaftlichen Wirkung die stärkste Waffe in einem Tarifkampf darstellen würden, werden aus diesem Kampf rausgenommen und auf Prämienverhandlungen orientiert. Tatsächlich wurde zum Beispiel Daimler Sindelfingen komplett aus der Tarifrunde ausgeklinkt: Überstunden statt Warnstreiks.

Damit wurde aber nicht nur die Kampfkraft dieser Belegschaften für eine echte Lohnerhöhung für alle beeinträchtigt, es wurde auch das zentrale Thema dieser Tarifrunde, die Verteidigung der Arbeitsplätze, sabotiert. Gerade dafür hatten sich viele bedrohte Belegschaften mobilisiert, teilweise weit über die „geplanten“ Aktionen hinaus. Die Tarifrunde war die große Chance, das hohe Engagement von bedrohten Belegschaften mit der hohen Wirksamkeit von überausgelasteten Betrieben zu verbinden.

Es war die bewusste Entscheidung der IG Metall-Führung, genau das nicht zu tun: Kampfbuden aus der Tarifrunde ausklinken, keine Solidarität organisieren, keine gemeinsamen Konferenzen der bedrohten Belegschaften, stattdessen so viele Abwicklungsverträge wie möglich noch vor und während der Tarifrunde unterschreiben: bei Bosch, bei Daimler Untertürkheim, bei Mahle oder Conti.

Der Charakter der Bürokratie

Das Beispiel der IG Metall ist nicht deshalb so wichtig, weil andere Branchen zweitrangig sind oder die dort Beschäftigten nicht kämpfen könnten. Im Gegenteil: Es belegt, dass die Spaltung und Entsolidarisierung der Gewerkschaften auf allen Ebenen eine durchgehende politische Strategie ist, die dem Zweck dient, die Politik der Regierung und die Bedürfnisse des Kapitals durchzusetzen.

Im Tarifkampf des öffentlichen Dienstes übersetzte sich diese dahingehend, das zuvor geschmähte „Diktat der Arbeitgeberverbände“ zu akzeptieren und lediglich das Geldvolumen zwischen den Branchen umzuverteilen, weil klar war, dass aus dem Gesundheitswesen ein stärkerer Druck kam.

Das ist eine durchgängige Politik einer kastenartigen, bürokratischen Schicht, die in den Gewerkschaften eine Politik zugunsten des Kapitals betreibt. Natürlich muss diese als „Interessen“politik verkleidet werden, und das geht nur, in dem jeweils behauptet wird, dass sie im Namen einer bestimmten Gruppe geschehe: Im Interesse der Beschäftigten des Gesundheitswesens sollen die anderen Reallohnverzicht üben. Im Namen der von Entlassung Bedrohten sollen die anderen auf Entgelt verzichten. Ja und natürlich sollen die Porsche-Leute mehr für sich rausholen, wenn sie es können. Aber der eigentliche Gewinner ist immer das Kapital.

Aber weil es Schichten gibt, die tatsächlich bessergestellt werden, und zwar ganz bewusst, weil diese von der Bürokratie dazu erzogen werden, ihre Privilegien höher zu schätzen als die Solidarität aller, verfügt die Bürokratie auch über eine Stütze in den Gewerkschaften, obwohl ihre Strategie letztlich auch die Position dieser ArbeiterInnenaristokratie untergräbt.

Die Bürokratie hat derzeit die nahezu absolute Macht in den DGB-Gewerkschaften, gerade auch weil sie die Industriegewerkschaften beherrscht. Es gibt keinen Flügel im Apparat, der dagegen Widerstand leistet. Auch die AnhängerInnen und Mitglieder der LINKEN ordnen sich dieser Strategie unter, so wie sich diese Partei generell dieser Politik unterordnet, auch wenn sie SPD-Rezeptur reinsten Wassers ist.

Das heißt nicht, dass einzelne Betriebsratsmitglieder oder auch GewerkschaftssekretärInnen im Einzelfall ein offensiveres Vorgehen an den Tag legen können – wenn der Druck von unten stärker wird. Aber das kann und wird keine grundlegende und nachhaltige Veränderung bewirken: Die Strukturen sind so angelegt, dass alle Macht beim Apparat liegt. Wenn die Bewegung erschöpft ist, übernehmen die Apparate wieder.

Das gleiche Spiel läuft ab, wenn Betriebe oder Branchen sich neu organisieren. Natürlich sollen und müssen sich diese neu gewonnenen AktivistInnen mit den KollegInnen derselben Branche  verbinden. Aber die Kontrolle über diese Verbindungen hat die Bürokratie. Wenn diese neuen AktivistInnen nicht von vorneherein verstehen, warum sie von der Bürokratie bisher nicht wertgeschätzt worden sind, wenn sie deren Politik nicht verstehen und bekämpfen können, werden sie deren Manövern hilflos ausgeliefert sein, sich anpassen oder sich rausdrängen lassen.

Eine organisierte Opposition ist nötig!

Es gibt nur einen Weg: Eine klassenkämpferische, antibürokratische Opposition aufbauen, eine, die sich nicht auf den Kampf um einzelne Entscheidungen beschränkt oder auf einzelne Betriebe. Die jeden Konflikt nutzt, um die gesamten Zusammenhänge zwischen Kapitalismus, seiner Krise und der Politik der reformistischen Gewerkschaften und Parteien aufzuzeigen. Die Niederlagen nicht beschönigt, sondern auf die notwendigen Konsequenzen hinweist.

Eine Opposition aufzubauen, wird nicht leicht fallen, der Apparat ist mächtig. Aber auch wenn seine Konzeption in vielen Fällen funktioniert, wie oben beschrieben, so scheitert sie doch mit Zunahme der Systemkrise immer mehr. Oder um ein Beispiel zu geben: Gegen den Abbau von 400.000 Arbeitsplätzen allein in der Autoindustrie werden 2,3 % „Transformationsgeld“ aus dem neuen Tarifvertrag nicht helfen.

Es gibt kleine Ansätze für eine solche Opposition. Aber sie muss zu einer klassenkämpferischen Basisbewegung werden: Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft mit dem Kapital, Kontrolle der Gewerkschaft durch die Basis anstelle der Bürokratie!




DGB-Facebook-Gruppe nach kontroverser Diskussion dicht gemacht, Aufbau einer Basisopposition muss die Antwort sein

Lukas Müller, Infomail 1107, 17. Juni 2020

Auf der ganzen Welt wird seit dem Tod von George Floyd kontrovers über dAuf der ganzen Welt wird seit dem Tod von George Floyd kontrovers über die Rolle der Polizei diskutiert. Vor einigen Tagen kam auch in der DGB-Facebook-Gruppe eine Debatte über die Rolle der Gewerkschaft der deutschen Polizei (GdP) auf, welche innerhalb des DGB organisiert ist. Den Aufschlag hatten GenossInnen von Klasse gegen Klasse (KgK) gemacht, welche in einem verlinkten Artikel gegen die GdP innerhalb des DGB argumentierten.

Zensieren statt diskutieren

Statt sich in der Frage inhaltlich zu positionieren, reagierten die AdministratorInnen um den hauptamtlichen Funktionär Olaf Schwede mit der Löschung des Beitrages und warfen mehrere Mitglieder von KgK kurzerhand aus der Gruppe. Daraufhin entbrannte die Debatte umso heftiger, zum einen um die Frage der GdP, zum anderen um den Umgang der AdministratorInnen mit kontroversen Themen. Mehrere Dutzend GewerkschafterInnen außerhalb von KgK bezogen sich ebenfalls kritisch auf die Organisierung von PolizistInnen innerhalb des DGB und argumentierten gegen das Abwürgen der offensichtlich notwendigen Auseinandersetzung. UnterstützerInnen von Olaf Schwede begannen sodann eine Kampagne gegen sämtliche KritikerInnen, welche als vermeintliche „TrotzkistInnen“ gebrandmarkt und diffamiert wurden. Diskussionen unter Beiträgen wurden gesperrt. Heute Morgen wurde die gesamte Gruppe mit ihren über 7.000 Mitgliedern dichtgemacht.

Das Agieren der Admins hat abermals deutlich gezeigt, dass die DGB-Bürokratie auf der Seite derer steht, die so tun, als gebe es kein Rassismus-Problem in der deutschen Polizei. Das ist lächerlich. Alle GewerkschafterInnen und Beschäftigte wissen, dass es überall ein Rassismus-Problem gibt. In der Polizei ist es besonders hoch, wie schon alle People of Colour und MigrantInnen selbst erfahren haben, aber auch die/der weiße Gewerkschaftsapparatschik erkennen kann, wenn sie/er den überdurchschnittlichen Anteil an AfD- WählerInnen in der Polizei anschaut.

Die Polizei stellt eben keine Berufsgruppe wie viele andere dar. Sie bildet vielmehr einen Kernbestandteil des bürgerlichen Staats- und Unterdrückungsapparats, was sich auch im Verhalten und Bewusstsein ausdrückt. Vor allem aber zeigt sich ihre Funktion bei allen wichtigen gesellschaftlichen Konflikten – sie hat das Privateigentum, die bürgerliche Ordnung gegen die Lohnabhängigen bei Besetzungen oder Streiks zu verteidigen. Daher vertreten wir seit Jahren, dass die GdP keinen Platz im DGB haben darf und Berufsgruppen wie die Feuerwehr, die nicht zur Polizei gehören, heute aber in der GdP organisiert sind, in andere Gewerkschaften – z. B. ver.di – integriert werden sollen.

Aber offensichtlich hat die DGB-Bürokratie kein Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung um Kritik und kontroverse Fragen. Lieber macht man eine ganze Gruppe mit über 7.000 GewerkschafterInnen dicht, statt sich der Debatte zu stellen. Unabhängig davon, wie man zur Frage der GdP steht, sollten GewerkschafterInnen dieses undemokratische Verhalten scharf verurteilen.

Opposition

Der Vorfall unterstreicht aber auch: Gegen bürokratische Manöver und für die Demokratisierung der Gewerkschaften reicht Online-Aktivismus nicht aus. Der Aufbau einer realen gewerkschaftlichen Basisopposition mit festen Strukturen ist notwendig. Gemeinsam mit vielen BasisaktivistInnen und anderen linken Gruppen wie der DKP, SAV, DIDF, ISO und SOL haben wir deshalb die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) gegründet. Gemeinsam wollen wir in den Gewerkschaften gegen die Politik der Sozialpartnerschaft und der faulen Kompromisse mit den Bossen und für die Macht der Basis kämpfen. In vielen Städten ist die VKG bereits auf der Straße und in den Betrieben aktiv geworden, um Kämpfe nach vorne zu treiben und zusammenzuführen, so zum Beispiel am ersten Mai. Wir rufen die GenossInnen von Klasse gegen Klasse abermals dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen und den Kampf aufzunehmen.