Indien: Modi – Meister der Pogrome

Dave Stockton, Infomail 1093, 4. März 2020

In der Nacht vom
23. Februar waren die MuslimInnen in der indischen Metropole Delhi am ersten
von drei Tagen dem ausgesetzt, was die westlichen Medien als „kommunale Unruhen“
bezeichneten. Währenddessen ergingen sich US-Präsident Donald Trump und der
indische Ministerpräsident Narendra Modi in Ahmedabad, der wirtschaftlich
bedeutendsten Stadt von Modis Heimatstaat Gujarat, in gegenseitiger Bewunderung.

Tatsächlich
handelte es sich um ein Pogrom, das von lokalen und nationalen PolitikerInnen
der Bharatiya Janata Party (BJP; Indische Volkspartei) Modis angezettelt und
von der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS; Nationale Freiwilligenorganisation),
einer faschistischen Organisation, die der BJP angegliedert ist, durchgeführt
wurde.

In dem Pogrom
wurden Moscheen und kleine muslimische Geschäfte verwüstet, Häuser abgefackelt
und ihre BewohnerInnen geschlagen. Mindestens 42 Menschen wurden brutal getötet
und 300 weitere schwer verletzt.

Systematische Hetze

Die Aufhetzung
durch Größen der BJP ist deutlich genug. Einige Wochen zuvor hatte die BJP eine
Kundgebung abgehalten, auf der der Minister für Finanzen und
Unternehmensfragen, Anurag Thakur, diejenigen verurteilte, die gegen das neue
StaatsbürgerInnenschaftsänderungsgesetz protestierten, und erklärte sie zu: „VerräterInnen
des Landes, erschießt sie“. Seitdem wurde auf BJP- Kundgebungen immer wieder
der Sprechchor „Erschießt die VerräterInnen!“ gehört. Das neue Einbürgerungsgesetz
privilegiert die Anträge nicht-muslimischer MigrantInnen auf die indische
StaatsbürgerInnenschaft, eine dreiste Verletzung der säkularen Verfassung
Indiens.

Kurz vor Beginn
der Angriffe vom 23. bis 25. Februar hielt ein BJP-Politiker aus Delhi, Kapil
Mishra, den die Niederlage bei den jüngsten Stadtratswahlen geschmerzt hatte,
eine provozierende Rede gegen die BürgerrechtlerInnen. Neben einem hochrangigen
Polizeibeamten stehend, nahm er die Protestlerinnen aufs Korn, die in Shaheen
Bagh, einem ArbeiterInnenviertel der Hauptstadt mit einer beträchtlichen
muslimischen Bevölkerung, einen friedlichen Sitzstreik veranstalteten. „Entweder
müssen die PolizistInnen sie aus dem Weg räumen“, sagte Mishra, „oder wir
werden die Dinge selbst in die Hand nehmen“. Innerhalb weniger Stunden traf ein
Mob von RSS-AnhängerInnen, der Safranfahnen schwenkte und „Jai Shri Ram“ (Heil
dem Herrn Rama) skandierte, auf dem Gebiet von Shaheen Bagh ein. Die Polizei in
Delhi unter der Leitung von Innenminister Amit Shah stand entweder untätig
daneben oder begleitete die Mobhorden sogar.

Am Dienstag, den
25. Februar, lud Richter S. Muralidhar vom Obersten Gericht Delhis die Polizei
vor, um sie zu rügen, weil sie es versäumt hatten, eine Klage gegen Mishra und
zwei weitere BJP-PolitikerInnen einzureichen. Am nächsten Tag wurde Muralidhar
von Delhi an ein Gericht im Punjab (Pandschab) überstellt, und der Oberste
Gerichtshof Indiens vertagte die Anhörung der Petitionen zur Gewalt. Es ist
klar, dass Modi neben der Zerstörung der halbautonomen Regierung in Indiens
einzigem muslimischen Mehrheitsstaat Kaschmir Indien absichtlich in eine
kommunalistische Richtung lenkt, die nur zu internen und internationalen
Konflikten führen kann.

Modi und Trump

Modi selbst hat
eine lange Geschichte der Aufstachelung zu rassistischer Gewalt. Im Alter von 8
Jahren wurde er für die RSS rekrutiert, die die politische Ideologie der BJP,
Hindutva (Hinduismus), hervorgebracht hat, die den indischen
Minderheitsreligionen gegenüber besonders feindlich eingestellt ist. Im
Vergleich zur hinduistischen Mehrheit, die 79,8 Prozent der Bevölkerung
ausmacht, haben MuslimInnen ein Anteil von 14,2 Prozent, ChristInnen 2,3
Prozent und Sikhs 1,7 Prozent.

Modi wurde im
Februar 2002 berüchtigt, als er, damals Premier von Guajarat, und seine Partei
zu Tagen von gewaltsamen kommunalistischen Unruhen aufriefen, nachdem
moslemische TerroristInnen einen Bus mit hinduistischen PilgerInnen angegriffen
und Reisende getötet hatten. Die FührerInnen seiner BJP und ihre Verbündete,
die religiöse Organisation Vishwa-Hindu, drängten die Hindus offen dazu, „den
MuslimInnen eine Lektion zu erteilen“. Gujarat stand tagelang in Flammen und
tausend MuslimInnen wurden getötet. Modi selbst hielt Brandreden, in denen er
die Opfer verspottete.

Offensichtlich
teilen Modi und Trump die Taktik, Gewaltanwendung gegen Minderheiten anzustacheln,
sowie die Notwendigkeit, ungeheuerliche Schmeicheleien auszuteilen. Während
seines Besuchs legte Trump noch eine Schippe drauf und nannte Modi „einen außergewöhnlichen
Führer, einen großen Verfechter Indiens, einen Mann, der Tag und Nacht für sein
Land arbeitet, und einen Mann, den ich stolz bin, meinen wahren Freund zu
nennen“. Gleichzeitig versicherte er den JournalistInnen, dass er die Morde von
Delhi nicht erwähnt habe. Doch auf einer Pressekonferenz in der Stadt zum
Abschluss seiner Reise, als die Nachricht von dem Pogrom die Medien der Welt
erfüllte, sprang Trump zu Modis Verteidigung bei: „Der Premierminister sagte,
er wolle, dass die Menschen Religionsfreiheit haben“. Und er fuhr fort. „Sie
haben wirklich hart daran gearbeitet.“

Trump hatte
gute, wenn auch zynische Gründe für dieses Schweifwedeln, abgesehen von seinem
Mitgefühl für einen Islamophoben. Er ist hinter etwas her. Er begrüßte die „globale
strategische Partnerschaft zwischen den USA und Indien“, ein Projekt, das das
Land zu einem Verbündeten gegen China machen soll. Dennoch wurden keine
konkreten Schritte in Richtung des „großen“ Handelsabkommens unternommen, das
Trump angestrebt hat. Das würde Indiens 1,38 Mrd. EinwohnerInnen als Markt für
die Plünderung durch US-Unternehmen öffnen. Es liegt auf der Hand, dass es ein
schwieriges Unterfangen ist, die „USA wieder groß zu machen“, während Indien
wirtschaftlich und militärisch zu einer Weltmacht der ersten Division werden
soll.

Gleichzeitig
erlebt Indien tatsächlich eine wirtschaftliche Abkühlung, wobei die
Arbeitslosigkeit vor kurzem einen 45-Jahres-Hochstand erreicht hat und seit
2016 eine Welle von Massenprotesten der ArbeiterInnen, einschließlich eintägiger
Generalstreiks, zu verzeichnen ist. Indem sie den Hindutva-Chauvinismus schüren,
wollen Modi und die BJP/RSS ihre Stoßtruppen gegen den Widerstand nicht nur der
ArbeiterInnenklasse, sondern auch der Frauen- und Jugendbewegungen sowie
nationaler, religiöser und kastenbezogener Minderheiten einsetzen. Ihr Ziel ist
es, die wachsende Wut und Frustration der Bevölkerung abzulenken, die
demokratischen Rechte zu untergraben und die ArbeiterInnenklasse mit reaktionärem
Hass zu vergiften.

Modis
Islamfeindlichkeit und die Bereitschaft der BJP, Pogrome anzustiften und zu
organisieren, haben eine internationale Dimension, insbesondere gegenüber
Pakistan, einem Staat mit muslimischer Verfassung. Imran Khan verurteilte das
Pogrom von Delhi, aber seine wackelige Regierung könnte auch eine Ablenkung von
ihren innenpolitischen Problemen gebrauchen. Ein indisch-pakistanischer Krieg könnte
unabsehbare Folgen haben.

Aus all diesen
Gründen müssen die ausgebeuteten Klassen und unterdrückten Völker auf dem
gesamten Subkontinent dem Gift „religiöser“ und kommunalistischer Konflikte
widerstehen, die nicht das Produkt „alten Hasses“ sind, sondern von
PolitikerInnen erzeugt werden, die bereit sind, die Religion zynisch für
reaktionäre und unmenschliche Zwecke auszubeuten. Die Grundlage für diesen
Widerstand muss die Klassensolidarität sein – internationale
Geschwisterlichkeit.

Es sei darauf
hingewiesen, dass die Proteste gegen das Staatsbürgerschaftsergänzungsgesetz
indische ArbeiterInnen, StudentInnen und FreiberuflerInnen auch über religiös-sektiererische,
kasten- und ethno-sprachliche Grenzen hinweg vereinten. Menschen aus der
ArbeiterInnenklasse haben über diese Spaltungen hinweg auch gegen die Morde in
Delhi protestiert. Es gibt sogar Berichte von hinduistischen NachbarInnen, die ihre
Opfer aufgenommen und vor den SchlägerInnen, die von außerhalb des Bezirks
kamen, geschützt haben.

Offensichtlich
ist sich Modi bewusst, dass die vielfältigen wirtschaftlichen und politischen
Missstände des Landes einen „perfekten Sturm“ des Widerstands auslösen könnten.
Sie könnten sogar zur Schaffung einer vorrevolutionären Situation führen, wenn
die riesige ArbeiterInnenklasse, die sich Anfang Januar 2020 in einem eintägigen
Generalstreik in zweistelliger Millionenstärke erhoben hat, die Führung übernehmen
würde. Auf dem gesamten großen Subkontinent sollten die SozialistInnen ein Ziel
vorantreiben, das Selbstbestimmung und Selbstverwaltung für die verschiedenen Völker
mit der Einheit verbindet, die für die Entwicklung seiner riesigen natürlichen
und menschlichen Ressourcen erforderlich ist, und zwar auf eine Weise, die seine
Umwelt schützt. Dies wären die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Südasien.

Heute zeigen
alle fortschrittlichen Kämpfe und Widerstandsbewegungen gegen
rechtspopulistische DespotInnen auf der ganzen Welt eine tiefgreifende „Führungskrise“,
d. h. das Fehlen oder die Schwäche einer politischen und organisatorischen
Kraft, die den Weg nach vorn weist. All dies weist auf die Notwendigkeit neuer,
revolutionärer ArbeiterInnenparteien in diesen Ländern sowie in den
imperialistischen „Kernländern“ hin, die in einer neuen, einer Fünften
Internationale vereint sind.