Naziaufmärsche in Dresden verhindern – Pull em‘ up now, before they take root!

Peter Böttcher, Neue Internationale 244, Februar 2020

Kurz vor dem Ende des
Zweiten Weltkriegs, vom 13. bis 15. Februar 1945, wurde die Stadt Dresden von
der Royal Air Force bombardiert. Den Luftangriffen fielen offiziellen
Schätzungen zufolge ca. 22.700-25.000 Menschen zum Opfer.

Seit den 1990er Jahren
marschieren jährlich FaschistInnen durch Dresden, um die Bombardierung der
Stadt für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Mehr noch als das: sie versuchen,
die Geschichte zu verfälschen, indem sie das Dritte Reich als unschuldiges
Opfer der alliierten Bombenangriffe darstellen und zu den vorangegangenen
Kriegsverbrechen der Nazis schweigen. So wird durch das Herbeifantasieren von
mehreren hunderttausend Bombentoten, durch die ständige Rede von versuchtem
Genozid, durch die Bezeichnung der Luftangriffe als „alliierter
Bombenholocaust“ gezielt versucht, einen Opfermythos um das faschistische
Deutschland zu schaffen. Gleichzeitig wird der eigentliche Holocaust von den
AnmelderInnen der Nazidemos geleugnet.

Entwicklung

Anfangs waren die
TeilnehmerInnenzahlen der sogenannten „Trauermärsche“, die unter solch Titeln
wie „Ehre den Opfern des Bombenterrors“ beworben wurden, noch recht
überschaubar. Im Laufe der Jahre und durch die zunehmende Unterstützung aus den
Nachbarländern erhielten diese jedoch massiven Zulauf. In den Jahren 2009-2010
erreichten die faschistischen Mobilisierungen zum 13. Februar ihren Höhepunkt,
als bis zu 6.500 Rechte durch Dresden marschierten und den sogenannten
„Trauermarsch” als einen der größten Naziaufmärsche Europas etablierten.

Im Jahr 2009 gründete
sich auch auf Initiative der Interventionistischen Linken (IL) hin das
antifaschistische Bündnis „Dresden Nazifrei“. Diesem gehörten linke Parteien,
verschiedene Strömungen der radikalen Linken, Gewerkschaften, kirchliche sowie
auch „zivilgesellschaftliche“ Initiativen an. Durch die damit erreichte
bundesweite Vernetzung und Mobilisierung gelang es in den Folgejahren, die
faschistischen Demonstrationen mittels Massenaktionen und Blockaden zu
verhindern. Daraufhin ging die Beteiligung an den „Trauermärschen” bis 2015 auf
ein Minimum zurück und nahm erst infolge des Rechtsrucks wieder zu.

In den letzten Jahren
gelang es den Neonazis erneut, überregional zu mobilisieren und die Beteiligung
zu steigern. Gleichzeitig war es aufgrund einer nach den anfänglichen
Blockadeerfolgen allgemein rückläufigen und wieder regional begrenzten
Gegenmobilisierung seither nicht mehr möglich, den faschistischen Aufmärschen
effektiv etwas entgegenzusetzen. In den letzten Jahren gab es zwar auch immer
Gegenaktionen und kleinere Blockadeversuche, dennoch konnten die
„Trauermärsche“ beinahe ungehindert stattfinden und die TeilnehmerInnenzahlen
an den Demos der Rechtsradikalen wie auch an den antifaschistischen
Gegenaktionen waren nahezu gleich. Während die Beteiligung an den Neonazi-Demos
vor einigen Jahren nur noch bei wenigen Hunderten lag, ist diese bis zum
letzten Jahr wieder kontinuierlich auf etwa 1.000 angewachsen.

Hierfür gibt es
unterschiedliche Gründe: Die steigenden TeilnehmerInnenzahlen auf Seiten der
Rechten stehen im Zusammenhang mit dem allgemeinen Erstarken des
Rechtspopulismus in Deutschland und der Welt. Wahlerfolge von rechten Parteien
wie dem Rassemblement National in Frankreich (ehemals Front National), der PiS
in Polen oder der AfD hierzulande zeigen, dass nationalistisches und
rassistisches Gedankengut von breiten Teilen der Gesellschaft mitgetragen wird
und in Parlamenten und Regierungen wieder salonfähig geworden ist. Von den
Wahlerfolgen abgesehen konnten wir aber auch gerade in Dresden die Entstehung
und das Wachsen der völkisch-nationalistischen PEGIDA-Bewegung beobachten,
welche WählerInnen und PolitikerInnen der AfD, aber auch rechtsradikale
Gruppierungen wie die „Identitäre Bewegung“, die „Freie Kameradschaft Dresden“
(FKD) und die „Gruppe Freital“ in sich vereinte und zeitweise bis zu 25.000
Menschen mobilisieren konnte. Anfangs als „besorgte BürgerInnen“ abgetan konnte
so ein Schulterschluss zwischen militanten Neonazis, der „Neuen Rechten“ und
breiten Teilen der nach rechts gerückten Gesellschaft stattfinden.

Rechtsruck und
Kapitalismus

Angesichts des
gesellschaftlichen Rechtsrucks ist davon auszugehen, dass die Naziaufmärsche
weiter an Zulauf gewinnen werden. Was es aber braucht, um die Demos der
FaschistInnen rund um den 13. Februar dieses Jahr sowie in Zukunft mit
Massenblockaden zu verhindern, aber auch, um den Rechtsruck zu stoppen, ist
eine überregionale, breit aufgestellte antifaschistische Bewegung. Eine
Aktionseinheit der Gewerkschaften, linken Parteien und Gruppen wäre durch die
Einbindung einer Vielzahl der bereits organisierten ArbeiterInnen nicht nur
imstande, den „Trauermärschen“ ein Ende zu setzen, sondern könnte auch durch
das Aufwerfen von Forderungen nach Verbesserungen der Arbeits- und
Lebensbedingungen für alle und durch das Entfachen entsprechender Kämpfe um
diese Forderungen ein guter Ansatz für eine soziale Bewegung sein, die dem
Rechtsruck in der Gesellschaft tatsächlich etwas entgegensetzen kann.

Denn dieser und das damit
einhergehende Erstarken faschistischer Kräfte hat seine Wurzeln im
Kapitalismus. Konkurrenzdenken, systemimmanente Wirtschaftskrisen und die damit
einhergehende Gefahr des sozialen Abstiegs für das KleinbürgerInnentum, Sozialabbau,
Prekarisierung und soziale Ungleichheit im Allgemeinen sind der Nährboden für
rassistische Vorurteile und reaktionäre Bewegungen. Wenn die
ArbeiterInnenbewegung keine fortschrittliche Antwort und Kampfperspektive zu
weisen vermag, kann die gesellschaftliche Angst und Verzweiflung leicht zum
Nährboden für die Kräfte der Reaktion, für Rechtspopulismus, Nationalismus oder
sogar Faschismus werden.

Deshalb müssen wir den
Aufbau einer antifaschistischen und antirassistischen
ArbeiterInneneinheitsfront mit einer schonungslosen Kritik an der Politik der
herrschenden Klasse und diesem Wirtschaftssystem verbinden. Wir müssen uns
bewusst machen, dass der Faschismus seinen Ursprung im Kapitalismus hat, dass
er mitsamt all der Katastrophen, die er über die Menschheit brachte, geschehen
ist und folglich wieder geschehen kann. Wir müssen uns auch vor Augen führen,
dass der historische Faschismus nur deshalb erfolgreich war und innerhalb
kürzester Zeit die antifaschistische ArbeiterInnenbewegung zerschlagen konnte,
weil diese damals uneinig und gespalten war, weil die Sozialdemokratie ihr Heil
im Bündnis mit den bürgerlichen Parteien suchte, während sich die KPD weigerte,
systematisch für die Einheitsfront gegen den Faschismus einzutreten.

Natürlich gibt es Differenzen
zwischen den einzelnen Parteien, Gruppen und Strömungen. Diese sollten nicht in
den Hintergrund gerückt werden, sondern ganz im Gegenteil: Die
unterschiedlichen Auffassungen, Positionen und Taktiken müssen offen diskutiert
und es muss um eine effektive Strategie im Kampf gegen rechts gestritten
werden. Jedoch dürfen uns diese Differenzen nicht davon abhalten,
zusammenzuarbeiten und die vorhandenen Ressourcen in der Einheit nach außen zu
bündeln. Die antikapitalistischen Kräfte müssen vielmehr versuchen, die
reformistischen Parteien und Gewerkschaften zum Kampf zu zwingen – auch um
ihrer Kritik an den Fehlern der Gewerkschaftsbürokratie, der Führungen von SPD
und Linkspartei bei deren AnhängerInnen besser Gehör zu verschaffen.

Weiterhin dürfen wir es
nicht dabei belassen, ausschließlich den Rechten auf den Straßen
entgegenzutreten. Wir begegnen auch in unserem Alltag, an den Orten, an denen
wir lernen, arbeiten und leben, faschistischem und rassistischem Gedankengut
und solchen Organisationen. Darum ist es notwendig, dass wir uns auch an den
Schulen, Unis und im Betrieb organisieren. In Dresden versuchen wir von
REVOLUTION, vor allem Jugendliche für die Gegenaktivitäten zu mobilisieren,
werden hierzu auch einen Infovortrag durchführen und uns mit einem Demotraining
auf die bevorstehenden Aktionen vorbereiten.

  • Ob rund um den 13. Februar oder an jedem anderen Tag: Verhindern wir die faschistischen Aufmärsche! Für eine antifaschistische und proletarische Einheitsfront! Keinen Fußbreit den FaschistInnen!
  • Infoveranstaltung und Demotraining von REVOLUTION Dresden, 8. Februar, 14.00, Zentralwerk, Riesaerstr. 32