Petitionen gegen Buschfeuer!?

Was gerade eigentlich in Australien abgeht und was Fridays for Future dagegen tun kann

Christian Mayer, REVOLUTION, Infomail 1084, 15. Januar 2020

Das derzeitige
verheerendste Buschfeuer in der Geschichte Australiens bewegt weltweit die
Menschen. Allein seit Ausbruch der Brände im Oktober letzten Jahres ist in den
Bundesstaaten New South Wales (NSW) und Victoria eine Fläche etwa so groß wie
die Schweiz verbrannt. Die Folgen sind katastrophal.

Folgen der
Brände

So sind in vier
Monaten nicht nur mindestens 24 Menschen in den Flammen umgekommen. Auch über
480.000.000 Tiere kamen dabei ums Leben – so bisherige Schätzungen. Die
Feuerwehr der betroffenen Bundesstaaten ist dabei machtlos: Durch ständige neue
Hitzerekorde und wechselnd starke Winde aus unterschiedlichen Richtungen sowie
seit Monaten ausbleibenden Regen sind die Brände völlig außer Kontrolle
geraten. Unzählige Ortschaften mussten bereits evakuiert werden. Längst haben
die Brände aber auch die Nähe zu den großen Metropolen erreicht. In Australiens
Hauptstadt Canberra wurde die Bevölkerung bereits dazu aufgerufen, sich durch
das Tragen von Atemmasken vor dem lebensgefährlichen Rauch zu schützen. Die
Feuerwehrleute, die versuchen, sich den Brandherden zu nähern, begeben sich in
akute Lebensgefahr. Innerhalb kürzester Zeit breiten sich die Flammen auf dem
meist flachen Land und in den Wäldern aus und überrollen alles, was sich ihnen
in den Weg stellt. Insbesondere Tiere wie Kängurus oder Koalabären gehören zu
den Opfern. Da diese aufgrund ihrer Anatomie nicht so schnell fliehen können
oder in Zäunen steckenbleiben, verbrennen sie qualvoll bei lebendigem Leib.

Ursachen

Nun mag man
vielleicht etwas irritiert sein, wenn man von Hitzerekorden jenseits der
45-Gradmarke liest. Schließlich gibt es Weltregionen, da ist dies die „normale“
Tagestemperatur. Das mag sein, allerdings handelt es sich dabei in der Regel um
Wüsten und nicht um Grasland oder Waldgebiete wie in Australien. Durch die
anhaltende Trockenheit, die durch diese Temperaturen entsteht, erhöht sich die
Wald- und Buschbrandgefahr automatisch (das kennen wir in Deutschland auch vom
letzten Sommer). Es reicht schon minimaler Funkenflug aus, um eine verheerende
Katastrophe auszulösen.

Doch die
Vegetation ist nicht Hauptursache für die Buschbrände. Die derzeitige
Hitzewelle im australischen Sommer ist eine direkte Folge des Klimawandels und
die akute Bedrohung ein Produkt der neoliberalen Politik der australischen
Regierung. Bereits im Jahre 2007 warnten WissenschaftlerInnen davor, dass die
Anzahl der Brände sich verdoppeln und die Folgen verheerend sein könnten, wenn
die CO2-Emissionen, welche vorwiegend durch die Kohleverstromung
erzeugt werden, nicht drastisch reduziert werden.

Kohleland

Australien ist
weltweit einer der größten Kohleproduzenten. Die dort abgebaute Kohle wird zum
Großteil nach Indien und China exportiert und dort zur Energiegewinnung
genutzt. Aber auch für die eigene Stromerzeugung dient sie. Eine
Abgasnachbehandlung, wie sie für europäische Kohlekraftwerke zum Betrieb
vorgeschrieben ist, gibt es in Australien fast nicht. Somit wird ungehindert
eine noch größere Menge an CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Durch
die damit einhergehende Erwärmung vertrocknet die Vegetation und die
Brandgefahr steigt. Unzählige Studien und Warnungen von WissenschaftlerInnen
hat die konservative Regierung von Australiens Premierminister Scott Morrison (Liberal
Party) heruntergespielt und einen Zusammenhang zwischen Kohleabbau und
Klimaerwärmung geleugnet. Noch während die ersten großen Brände ausbrachen, ist
Scott in den Urlaub nach Hawaii geflogen. Als ob diese Dreistigkeit angesichts
der tödlichen Katastrophenbrände noch nicht genug ist, ist er weiterhin der
Meinung, dass der Kohleabbau in Australien sogar noch weiter gesteigert werden
sollte! Doch auch die oppositionelle Labour-Partei steht ihm im in ihrer
Pro-Kohle-Politik in nichts nach.

Die aktuelle
Katastrophe in Australien zeigt ganz eindeutig auf, dass sich Klimaschutz und
Kapitalismus nicht miteinander vereinbaren lassen. Und die bürgerlichen Regierungen
lassen mal wieder erkennen, auf wessen Seite sie stehen: Die Profitinteressen
der Wirtschaft scheinen ihnen wichtiger zu sein als die Interessen der gesamten
Gesellschaft und der Natur. Hinzu kommt, dass durch die jahrelange neoliberale
Sparpolitik in Australien öffentliche Infrastruktur wie beispielsweise die
Feuerwehr immer weiter abgebaut wurde. Obwohl sich diese seit Jahren immer
wieder mit Protestbriefen an die Regierung gewendet hat, weil sie den
wachsenden Anforderungen mit zu geringem Personal und zu schlechter Ausrüstung
nicht gewachsen ist, hat die australische Regierung munter weiter gespart, um
das Geld den Kohlekonzernen in Form von Subventionen zukommen zu lassen.

Petitionen und
Entertainmentprogramm im Berliner Olympiastadion

Als Fridays for
Future können wir eine solche Katastrophe natürlich nicht unkommentiert lassen.
Im Gegenteil: Wir müssen hier vor Ort die verfehlte Politik von Morrison
angreifen und aktiv werden. Das heißt natürlich vor allem, gegen die
Kohlekonzerne vor unserer eigenen Haustür zu protestieren. Aber auch andere
exportorientierte deutsche Unternehmen verdienen auch im Ausland mit den
Klimakillern. So will beispielsweise der Großkonzern Siemens die
Bahninfrastruktur für den Bau der größten australischen Kohlemine stellen.
Dabei hat der Siemensvorstand noch vor kurzem ganz stolz verkündet, eine
Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz einnehmen und bis 2030 „klimaneutral“
werden zu wollen. Die Strategie von Siemens entspricht dem gängigen
„Greenwashing“ deutscher Konzerne. Hierzulande werden die Umweltbilanzen
geschönt, indem die umweltschädliche Produktion einfach im Ausland stattfindet.

Für viele in
Fridays for Future ist das ein Skandal, weshalb nun eine Petition gestartet
wurde, die Siemenschef Kaeser dazu auffordert, seine Investitionen noch einmal
neu zu überdenken. Mit großen Protestaktionen am Freitag haben wir den Druck
noch einmal verstärkt. Kaeser sah sich deshalb gezwungen, (die selbsternannte
Führungsfigur von Fridays for Future) Luisa Neubauer zu einem Gespräch
einzuladen. Währenddessen bot er ihr dann einen Platz im Aufsichtsrat von
Siemens an.

Auch diese
Taktik kennen wir schon. So versuchen viele Institutionen oder Unternehmen,
unserer Klimabewegung den oppositionellen Charakter zu nehmen, in dem sie anstreben,
uns in ihr System zu integrieren. Eine ähnliche Entwicklung hat auch die Partei
Die Grünen hingelegt, die sich auf ihrer Geburtstagsparty zum vierzigsten Gründungstag
am Wochenende auch noch dafür gefeiert hat.

Auch denken wir,
dass eine Petition kaum Einfluss auf einen Großkonzern wie Siemens haben kann,
denn dieser untersteht in erster Linie immer noch der Profitlogik. Der
Kapitalismus kann nur funktionieren, solange sich alles dem Profit unterordnet,
egal ob es nun die Umwelt, das Klima oder Menschenleben sind. Und wer wüsste
das besser als Siemens. Es gibt einige Beispiele für Petitionen aus den letzten
Jahren, die von den amtierenden Regierungen einfach ignoriert wurden, sobald
sie die Profitinteressen der jeweiligen Großkonzerne antasteten. Zum Beispiel
die europäischen Großpetitionen gegen TTIP oder Artikel 13. Bei der Petition
gegen Artikel 13 haben EU-weit zwar fast 4 Millionen Menschen unterschrieben,
aber das war dem EU-Parlament ziemlich egal: Artikel 13 und die Uploadfilter
kamen trotzdem.

Ähnliche
Folgenlosigkeit erwarten wir vom geplanten Bespaßungsevent am 12.06.2020 im
Berliner Olympiastadion. Es ist zwar bestimmt ganz unterhaltsam, wenn man sich
mit 60.000 anderen zusammen trifft, sich Vorträge von angeblichen „ExpertInnen“
anhört, um anschließend eine bereits ausgearbeitete Petition zu unterschrieben
– allerdings ist dann noch nicht gesagt, dass das auch ein verbindliches
Ergebnis nach sich zieht. Ja, es mag sein, dass sich der Petitionsausschuss des
Bundestags damit befassen muss bei 50.000 Unterschriften. Ob dann tatsächlich
ein Gesetz daraus wird, was verbindlich ist, steht auf einem anderen Blatt. Es
besteht durchaus die Gefahr, dass das Thema zwar im Petitionsausschuss
angesprochen wird, aber es kann genauso gut in den Untiefen der Bundestagsbürokratie
versumpfen oder es wird abgelehnt, das Thema überhaupt weiter zu verfolgen.
Statt passiven Konsumierens von „ExerpertInnenmeinungen“ und des stumpfen
Unterschreibens eines vorgefertigten Textes hätten wir außerdem lieber selber
über die Zukunft und Perspektive von Fridays for Future diskutiert. Hinzu
kommt, dass man sich vorher noch eine Eintrittskarte zu diesem Event kaufen
muss. 29,95 Euro sind für viele von uns eine große Summe Geld. Wir sind
entschieden dagegen, dass nur privilegierte AktivistInnen an den Aktionen von
FFF teilnehmen können.

Alternative:
#Klassenkampf

Auch wenn es
nicht schaden kann, eine solche Petition zu starten, können wir es nicht dabei
belassen. Gerade jetzt in einer Situation, in der die TeilnehmerInnenzahlen von
Fridays for Future kleiner werden und AktivistInnen zunehmend demoralisiert
sind, können wir uns keinen weiteren Misserfolg leisten. Solange eine Petition
alles ist, was wir dieser Politik entgegenstellen, werden wir verlieren und das
wird erneut für Frustration in der Bewegung sorgen. Wenn wir tatsächlich
Siemens stoppen wollen, müssen wir die dortigen Beschäftigten für unsere Ideen
gewinnen. Mit gemeinsamen Streiks von uns SchülerInnen/Studis und Beschäftigten
können wir den Konzern dort treffen, wo es ihm wirklich weh tut: nämlich bei
seinen Profiten. Es ist die kapitalistische Profitlogik, die zum immer weiteren
Ausbau der klimaschädlichen Kohleproduktion in Australien führt, die Anlass zu Kürzungsmaßnahmen
bei der australischen Feuerwehr gegeben hat und die auch im nächsten Jahr zu
Massenentlassungen bei Siemens führen könnte. Als Klimabewegung haben wir mit
den ArbeiterInnen gleiche Interessen und einen gemeinsamen Feind. Dafür müssen
wir Bewusstsein in Fridays for Future schaffen und das in unseren Aktionen zum
Ausdruck bringen. Der FFF-Nordkongress letzte Woche in Hamburg hat bereits
vorgemacht, wie das geht und sich mehrheitlich für einen Schulterschluss von
Fridays for Future mit den Gewerkschaften ausgesprochen. Das ein richtiges
Zeichen, auf dem wir aufbauen müssen! Ohne die soziale Frage hat Fridays for
Future keine Future.