Arbeiter:innenmacht

Einschränkung offener Diskussion: Antideutsche und Hausverbote

Tobi Hansen, Neue Internationale 243, Dezember 2019/Januar 2020

In ihrer Hetze gegen InternationalistInnen, AntizionistInnen und AntiimperialistInnen greifen antideutsche Gruppierungen nicht nur zu Lüge und Diffamierung – sie versuchen auch gezielt, linke Veranstaltungen zu verhindern. Davon sind palästinensische und antizionistische AktivistInnen, BDS, ja sogar die Friedensbewegung regelmäßig betroffen.

Hetze

Ähnlich erging es unserer Veranstaltungsreihe, „Antisemitismus – eine marxistische Analyse“, in der wir unsere theoretische Arbeit vorstellen. Bislang konnten wir diese in Berlin, Stuttgart, Dresden und Wien erfolgreich durchführen. An dieser Stelle schon mal vielen Dank an alle, die trotz massiven Drucks auf ihre Räumlichkeiten nicht eingeknickt sind, sondern die Durchführung der Veranstaltungen erlaubt haben. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die beteiligten GastrednerInnen vom Palästinakomitee Stuttgart und BDS Berlin. Vor allem die AusrichterInnen mit ihren Räumlichkeiten wurden nach der Ankündigung von der antideutschen Szene unter Druck gesetzt. Das führte zu Absagen in Berlin (Mehringhof) und Stuttgart (Büro der SJD – Die Falken) sowie zu einer Protestkundgebung einiger Verwirrter in Dresden gegenüber dem ausrichtenden kurdischen Verein.

In unserer Veranstaltung legten wir einerseits eine Analyse der Wurzeln des Antisemitismus, seiner Funktion im Kapitalismus und der Mittel, ihn zu bekämpfen, dar. Andererseits gingen wir auf die Diskurs-Verschiebung der letzten Jahrzehnte und deren politischen Zweck ein. So heißt es in der Veranstaltungsankündigung:

„Gleichzeitig hat sich der Zionismus durch die aktuelle Entwicklung der israelischen Politik in einen immer reaktionäreren Nationalismus gewandelt, der starke Momente des Rassismus in sich aufgenommen hat – und im Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung weiter radikalisiert. Damit wird der berechtigte Kampf gegen den Antisemitismus verwirrt durch einen Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs, der gegen alle verwendet wird, die sich nicht bedingungslos hinter die Apartheid-Politik der israelischen Regierung stellen.“

Die Kündigung von Räumlichkeiten stellt nur einen Ausdruck von Diffamierung und Hetze gegen alle dar, die sich der prozionistischen und imperialistischen Diskursverschiebung entgegenstellen.

Die sog. Antideutschen sind selbst im weitesten Sinn keine „Linken“. Ihr ganzer Existenzzweck besteht in der Verteidigung des westlichen Imperialismus und der postkolonialen Unterdrückung. Dazu schreckten einige ihrer ideologischen Köpfe und Magazine (Wertmüller, Bahamas) vor dem Hofieren der nationalistischen Rechten und Zusammenarbeit mit ihr nicht zurück. Sie stellen eine „radikale“, reaktionäre kleinbürgerliche Strömung dar, die deutlichst gegen jede Klassenpolitik kämpft und den Imperialismus verteidigt.

In den „deutschen“ Besonderheiten dieser Strömung werden Masse und Klasse als reaktionäre Grundformen begriffen. Jegliche „Personifizierung“ wird als „Verkürzung“ der Kapitalismuskritik dargestellt, die letztlich antisemitisch sei. Diese „post-intellektuelle“ Verhunzung von Marx und Engels ist nicht links, sondern durch und durch reaktionäre bürgerliche Ideologie.

Mit dieser Antisemitismus-Definition versuchen deren ParteigängerInnen seit Jahren, sich auch als treue HandlangerInnen des deutschen und US-amerikanischen Imperialismus innerhalb der ArbeiterInnenbewegung einzunisten. Israel stellt als Besatzungs- und Militärmacht auch aktuell einen wichtigen Stützpunkt des imperialistischen Systems dar. Jegliche Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand, jegliche Diskussion über das reale Apartheid-Regime in der Westbank, der „Ghettoisierung“ von Gaza wird zum „Antisemitismus“ verkehrt. Zugleich wird der reale, wachsende Antisemitismus verharmlost. Die Antideutschen zeigen sich einig mit der Bundesregierung, dem Verfassungsschutz, den DGB-Gewerkschaften, größeren Teilen der Linkspartei, aber auch der AfD. Denunziert werden alle palästinensischen, arabischen, internationalistischen und antiimperialistischen Gruppierungen. Das reicht schon mal für Haus- und Auftrittsverbote, Androhungen von physischer Gewalt, Zuhilfenahme der Polizei, Störungen von Veranstaltungen, Zusammenarbeit mit offen bürgerlichen und reaktionären Kräften – das ganze Repertoire von „zivilgesellschaftlicher“ und staatlicher Sabotage.

Zensur

Gefährlich wird es, wenn sich dieses Spektrum als Zensor dazu erheben möchte, Veranstaltungen zu verbieten.

Die Gruppe ArbeiterInnenmacht musste diese Erfahrung schon mehrmals machen.

So beim diesjährigen „Klimacamp“ im August 2019 (siehe: http://arbeiterinnenmacht.de/2019/08/11/klimacamp-leipzig-antiimperialismus-unerwuenscht) oder anlässlich unserer aktuellen Veranstaltungsreihe. So galt der Mehringhof in Berlin lange Zeit als ziemlich „offen“ für alle Spektren, auch wenn dies die Antideutschen einschloss (siehe: http://arbeiterinnenmacht.de/2019/11/03/diskutieren-geht-nicht-veranstaltungsreihe-zum-antisemitismus-wird-bekaempft-rede-und-versammlungsrecht-verteidigen/).

Nachdem uns die Hausversammlung des Mehringhofs die Räume für die Berliner Veranstaltung gekündigt hatte, forderten wir eine Begründung der Entscheidung und das Recht ein,  bei der nächsten Versammlung zumindest vorsprechen zu können. Selbst dieses demokratische Ansinnen betrachteten die selbsternannten SzenewächterInnen offenbar als Zumutung. Hinkünftig sollen die Räumlichkeiten an ArbeiterInnenmacht überhaupt nicht mehr vermietet werden – natürlich ohne Begründung. Wir fordern die Organisationen, die Mitglieder der Hausversammlung sind, auf, uns Rederecht zu geben, diese Willkür zu beenden und den Beschluss zu revidieren. Mit dem Verbot verhält sich der Mehringhof nicht nur als verlängerter Arm der Antideutschen, sondern als Erfüllungsgehilfe der deutschen, imperialistischen Nahostpolitik.

In jedem Fall werden wir uns diesem reaktionären Druck nicht beugen – und wollen und werden uns dabei verstärkt mit anderen internationalistischen Gruppierungen koordinieren.

Wir planen die Fortsetzung der Veranstaltung in Hamburg, München, Frankfurt/Main und Kassel. Wir rufen alle antiimperialistischen Linken dazu auf, in dieser Frage solidarisch zusammenzustehen. Dabei geht es eben nicht allein um die Darstellung unserer Positionen und  Schlussfolgerungen, es geht auch um den Kampf gegen Zensur und Einschüchterung sowie für demokratische Rechte.

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