Deutsche Wohnen und Co. enteignen! Entschädigungslos!

Aufruf der Gruppe ArbeiterInnenmacht zur Berliner Demonstration „Richtig deckeln, dann enteignen“ am 3. Oktober, Infomail 1069, 26. September 2019

77.000 Unterschriften sprechen eine deutliche Sprache. Die
BerlinerInnen wollen wirksame Maßnahmen gegen wuchernde Mietpreise,
Wohnungsspekulation, Verdrängung, Räumungen.

Immobilienlobby und Wohnungsbaukonzerne wie Deutsche Wohnen
oder Vonovia laufen Sturm. Die bürgerlichen und rechten Oppositionsparteien im
Berliner Abgeordnetenhaus – CDU, FDP und AfD – springen ihnen beherzt bei.
Schließlich stehen sie für Neoliberalismus, Abzocke und die Interessen von
Reichen und Kapital stramm. Wenn nur von Mietpreisbremse gesprochen wird,
wittern sie schon Sozialismus. Steht die Enteignung milliardenschwerer
Immobilienkonzerne im Raum, droht anscheinend der Untergang des Abendlandes.
Die „Freiheit“ sei in Gefahr, so das gemeinsame Gezeter – und sie offenbaren
damit nur, dass für sie die eigentliche Freiheit nicht mehr ist als die des
Privateigentums, der Bereicherung.

Wohnungsnot und Klassenfrage

In einem haben sie dabei Recht. Eine an den Bedürfnissen und
Interessen der großen Masse der MieterInnen, also der Lohnabhängigen – ob alt,
ob jung, ob tariflich oder prekär beschäftigt, ob Mann oder Frau, deutsche/r
StaatsbürgerIn oder nicht – orientierte Mietenpolitik ist mit den Interessen
der Immobilienwirtschaft und besonders der großen Wohnungskonzerne unvereinbar.
Ihr Geschäftsmodell basiert geradezu auf ständig steigenden Gewinnerwartungen –
also höheren Mieten und schlechterem Service für die MieterInnen.

Der öffentliche Erfolg des Volksbegehrens besteht gerade
darin, dass es eine Forderung populär gemacht hat, die noch vor wenigen Jahren
allen bürgerlichen PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und Medien als
politisches No-Go, als Spinnerei alt-kommunistischer Kader oder euphorischer
Jugendlicher erschien.

Der Wind hat sich offenkundig gedreht – nicht, weil die
Forderung plötzlich so peppig „vermarktet“ oder besser „vermittelt“ wurde.
Vielmehr hat das Kapital selbst dafür gesorgt, dass immer mehr Menschen die
Enteignung als realistisches, vielleicht sogar als einziges realistisches
Mittel erscheint, der Profitmacherei ein Ende zu setzen.

Und der Senat?

Der „linke“ Senat spielt in dieser Situation vor allem auf
Zeit. Anders als die Wohnungslobby und die bürgerliche Opposition geben sich
die Senatsparteien als „Verbündete“ oder zumindest „gesprächsbereit“.

SPD und Linkspartei tun so, als hätte es unter dem früheren
rot-roten Senat keine Massenprivatisierungen gegeben, oder umschiffen das Thema
zumindest. In der SPD gebärden sich die Jusos links, während Innensenator
Geisel vom rechten SPD-Flügel die „Prüfung“ der Unterschriften und der
„Rechtmäßigkeit“ des Volksbegehrens seit Wochen, ja Monaten verschleppt. Die
SPD hatte, nachdem sich die sog. „Mietpreisbremse“ als unwirksam erwies, den
„Mietpreisdeckel“ ins Spiel gebracht – sicher auch als Beruhigungspille und
Alternative zur Enteignungsforderung.

Dabei ist klar, dass ein Deckel das Problem allenfalls nur
lindern kann – jetzt gehen ihr selbst die Vorschläge der Linkspartei unter
Wohnungssenatorin Lompscher zu weit.

Die Grünen – ansonsten gern „voran“ – mogeln sich seit Monaten
auch um eine klare Position herum.

Klar an der Haltung der drei Senatsparteien ist nur soviel:
Die gemeinsame Regierung wollen sie fortsetzen. Die Unterstützung der Bewegung
und deren „offenes Ohr“ hätten sie gern, mit der Immobilienwirtschaft und, ganz
allgemein, den InvestorInnen wollen sie aber auch keine allzu harte
Konfrontation.

Dass das Kapital mit dieser Politik auch nicht zufrieden
ist, dass ihm schon die kleinsten „Reformvorhaben“ schnell zu weit gehen, ist
nur zu verständlich. Schließlich könnte das Mut zu mehr machen – in Berlin und
in der gesamten Bundesrepublik.

Uns hilft die kompromisslerische Politik des Senats, die
sich mit dem Wohnungskapital nicht anlegen will, jedoch auch nicht weiter. Wir
brauchen keine weiteren Beruhigungspillen oder halbherzige Reformversprechen.
Wir brauchen wirksame Maßnahmen gegen Mietpreissteigerungen, Wohnungsnot,
Verdrängung.

Enteignung ja, Entschädigung nein!

Wir unterstützen die Forderung nach einem wirksamen
Mietpreisdeckel. Schon jetzt wird er durchlöchert, der Senat weicht zurück,
statt gegen die Immobilienlobby vorzugehen. Damit er überhaupt dauerhaft von
Nutzen sein kann, kommt es nicht nur auf seine Höhe an – es geht auch darum,
wer ihn kontrolliert. Die Senatsverwaltung oder MieterInnenkomitees und
Gewerkschaften der in Wohnungsbau, Instandhaltung und Verwaltung Tätigen?

Außerdem erfordert Kontrolle auch die Offenlegung aller
Geschäftsbücher, Bilanzen, Konten, Transaktionen, Verträge oder
Planungsvorhaben der Immobilienkonzerne. Deren „Geschäftsgeheimnis“ erweist
sich in der Praxis als Geheimniskrämerei gegenüber den MieterInnen und der
Öffentlichkeit.

Diese Maßnahmen würden zugleich die Frage zuspitzen, wer
eigentlich über den Wohnungsbau, Mietpreise, Bauvorhaben, Planung, …
entscheidet – die EigentümerInnen und der Staat (die Stadt Berlin) oder die
MieterInnen und VertreterInnen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften?

Damit jene, die in den Wohnungen wohnen, solche
Entscheidungen treffen können, muss die Immobilienwirtschaft wie der gesamte Wohnungsbausektor
enteignet werden – und zwar entschädigungslos. Die Forderung nach Entschädigung
– ob nun „rechtskonform“ oder nicht – erschwert letztlich diesen Kampf. Warum
sollen schließlich milliardenschwere Konzerne auch noch dafür entschädigt
werden, dass sie sich auf unsere Kosten bereichert haben? Sollen die
SteuerzahlerInnen dafür aufkommen, dass sie in einer anderen Stadt oder einer
anderen Branche munter weitermachen?

Ob eine entschädigungslose Enteignung durchgesetzt werden
kann, ist wie jede grundlegende Maßnahme gegen Mietenwucher und Wohnungsnot
letztlich eine Machtfrage. Sie genügt sich auch nicht selbst, sondern muss
verbunden werden mit einem Wohnungsbauprogramm unter Kontrolle der MieterInnen
und Gewerkschaften – finanziert aus den Vermögen der Immobilienbranche und
durch Besteuerung des Kapitals. Als Sofortmaßnahme sollte auch leerstehender
Wohnraum der Reichen beschlagnahmt und Menschen mit geringen Einkommen oder
Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden.

Eine solche, grundlegend andere Wohnungspolitik könnte auch
sicherstellen, dass MigrantInnen und Geflüchtete, Alleinerziehende, Menschen
mit Behinderung, prekär Beschäftigte, Erwerbslose und generell Menschen mit
geringen Einkommen nicht weiter offen oder verdeckt diskriminiert und ausgegrenzt
werden.

Somit muss Wohnungspolitik zu einer Klassenpolitik werden,
die „Wohnungsfrage“ im Interesse aller Lohnabhängigen, aller ausgebeuteten und
unterdrückten Schichten der Bevölkerung gelöst werden. So kann nicht nur
verhindert werden, dass sie zur weiteren Verdrängung führt, sondern auch die
rassistische Spaltung der Gesellschaft, die am Wohnungsmarkt ständig
reproduziert wird, bekämpft werden.

Wie weiter mit dem Volksbegehren?

Die aktuelle Hinhaltepolitik beim Mietendeckel, das
Verzögern des Volksentscheides durch den Innensenator verdeutlichen auch, dass
sich das Volksbegehren darauf einstellen muss, dass es in den nächsten Monaten
auf vielfältige rechtliche und andere Hürden treffen wird. Selbst im Falle
eines klaren Mehrheitsentscheids der Bevölkerung wäre es noch nicht
rechtsverbindlich.

Es braucht daher eine Strategie der Mobilisierung, die den Kampf um die Enteignung in die Wohnviertel trägt, in die Gewerkschaften und Betriebe, um MieterInnenkomitees zu gründen, die auch andere Kampfmittel und Taktiken verfolgen können – so z. B. massenhaften und organisierten Mietboykott, politische Streiks, um Druck für Enteignung (oder auch einen wirksamen Mietdeckel) zu machen. Und es bedarf auch der bundesweiten Vernetzung und Koordinierung mit anderen MieterInneninitiativen und -verbünden.

Richtig deckeln, dann enteignen.

Demonstration des Bündnisses gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn/Deutsche Wohnen & Co enteignen

Berlin, 3. Oktober, 13.00, Berliner Congress Center (gegenüber von Alexa)