Mahle-Konzern: Gegen alle Entlassungen und Schließungen!

Karl Kloß, Neue Internationale 240, September 2019

Nachdem die Geschäftsführung des MAHLE-Konzerns im Mai
diesen Jahres ein Sparprogramm aufgesetzt hatte, wurden im weiteren Verlauf bis
Ende Juli die Schließungen der Standorte in Telford (Großbritannien) und
Öhringen (Deutschland) angekündigt.

Angriff mit Ansage

Dass weitere Standorte ebenfalls geschlossen werden sollen,
ist sehr wahrscheinlich. Darauf lässt bereits das Vorgehen der Geschäftsführung
in der Vergangenheit schließen. So wurden vor drei Jahren, kurz nachdem die
aktuelle Standort- und Beschäftigungssicherung abgeschlossen wurde, insgesamt
sechs Werke innerhalb weniger Wochen aus dem Konzern ausgegliedert und
anschließend verkauft. Und auch die immer wieder von Seiten der Geschäftsführung
ins Spiel gebrachte „Transformation“ wird dazu beitragen. Dabei geht es darum,
dass im Zuge der Umstellung der Produktionsprozesse auf E-Mobilität einerseits
und Digitalisierung andererseits mehrere tausend Arbeitsplätze in absehbarer
Zeit überflüssig werden. Denn die meisten der Produktionswerke in Deutschland
sind bei MAHLE, ähnlich wie auch bei anderen ZulieferInnen und auch
AutoherstellerInnen, größtenteils auf den Verbrennungsmotor ausgelegt. Da hilft
auch die „duale Strategie“ nicht viel, bei der auf beide Antriebskonzepte
gesetzt wird. Denn die Konkurrenz hat das Gleiche vor. Somit entscheidet sich
am Ende dieser Kampf dadurch, wer „effizienter“ und „kostenoptimierter“
produzieren lässt. Letzteres bedeutet, dass die Kapitalseite dort fertigen lässt,
wo sie höhere Profite aufgrund der besseren Ausbeutungsbedingungen erzielen
kann. Dass dies aufgrund des im europäischen Vergleich hohen Lohnniveaus nicht
in Deutschland sein wird, ist die logische Schlussfolgerung dessen.

Reaktion der IG Metall auf den Angriff

Nachdem der Angriff auf die Belegschaft verkündet wurde, kam
erst mal von Betriebsratsseite kein Widerstand, sondern nur Protest, dass sie
vorher nicht informiert worden wäre. Es gab keine Anstalten, überhaupt
irgendwelche Aktionen zu organisieren, um der Geschäftsführung zu
verdeutlichen, dass sie mit ihren Plänen nicht durchkommen darf. Das wäre in
diesem Moment die einzig richtige Antwort gewesen.

Das Stillhalten ging selbst der lokalen IG Metallspitze und
dem Bezirksleiter Zitzelsberger zu weit. Aber erst als die Geschäftsführung
ankündigte, Öhringen zu schließen, konnte er die Betriebsräte zu Aktionen
motivieren.

Darauf folgten mit Unterstützung der IG Metall dann im Juli
zwei Aktionstage, an denen sich insgesamt knapp 3.000 Beschäftigte aus ganz
Deutschland beteiligten.

Bei einer der Kundgebungen Ende Juli sagte Zitzelsberger
dann: „Die Anzeichen häufen sich, dass etliche Unternehmen den Wandel der
Zukunft mit Konzepten von gestern gestalten wollen. Dabei nutzen sie teils auch
das allgemeine Umfeld der Transformation aus, um strukturelle Probleme zu
lösen. Davor können wir nur warnen: Wer ganze Standorte kaputtspart und
Investitions- und Weiterbildungsbudgets zusammenstreicht, wird die Zukunft
nicht bewältigen können.“

Hier wird ziemlich deutlich, worum es auch der IG Metall –
wie den Betriebsräten – in Wahrheit nur geht: „mitzureden“ und
„mitzugestalten“. Die Belegschaften werden nur deshalb gegen Werksschließungen
und Verlagerungen mobilisiert, um die KapitalistInnen wieder an den Verhandlungstisch
zu bringen. Denen wird signalisiert, dass ihre Profitziele okay sind, aber die
Zukunft „fair“ gestaltet werden muss. Für die Belegschaften heißt das: Die IG
Metall will den geplanten Stellenabbau so „sozial“ wie möglich mitgestalten.
Dies wird auch am folgenden Zitat deutlich:

„Veränderung wird es immer geben und wir sind auch bereit,
diese Veränderungen mitzugehen. Aber dazu braucht es kluge Prozesse und
Weitsicht statt Streichkonzerte.“

Angst vor Kontrollverlust

Die Klassenzusammenarbeit ist den reformistischen
BürokratInnen in Fleisch und Blut übergegangen. Sie ignorieren, dass dieses
System weder Krisen vermeiden noch umwelt- oder menschengerecht „transformiert“
werden kann. Sie können sich keine Alternative vorstellen und wollen es auch
nicht, solange ihre Posten gesichert sind.

Die Kehrseite dieser Klassenzusammenarbeit – ihr Beitrag –
ist es, die Kontrolle über die Klasse zu bewahren. Die IG Metall-StrategInnen
sind immer darum bemüht, das Heft der Auseinandersetzungen mit der Kapitalseite
in der Hand zu behalten. Dabei ist es egal, ob es sich um einen
„Umstrukturierungsprozess“ im Sinne von Entlassungen, Schließungen usw. oder um
Streiks handelt.

So nahm der erste Bevollmächtigte der IG
Metall-Geschäftsstelle Schwäbisch Hall bei der gleichen Kundgebung Bezug auf
Flugblätter, welche in Öhringen verteilt worden waren. Anlässlich der dortigen
Werksschließung hatten diese aufgefordert, jede Verlagerung von Maschinen,
Anlagen und den Abtransport von Produkten zu verhindern und keine VertreterInnen
der Geschäftsleitung in das Werk zu lassen. Jetzt meinte der IG
Metall-Vertreter in etwa, man solle auf so was nicht hören, da die
VerfasserInnen der Belegschaft sowieso nicht helfen könnten.

Leider sagte er nicht, wie denn das Aktionsprogramm der IG
Metall für Öhringen aussieht, wie auch Zitzelsberger den tausenden
DemonstrantInnen nicht sagte, wie der Kampf  denn weiter geht.

Uns liegt das besagte Flugblatt vor und wir unterstützen die
Initiative der MitarbeiterInnen, die sich solidarisch mit den von Werksschließung
betroffenen KollegInnen sowohl in Öhringen wie auch in Telford zeigen. Ja, die
Belegschaften müssen die Kontrolle den BürokratInnen entreißen und selbst
entscheiden, wie gekämpft wird. Das heißt nicht, dass die BetriebsrätInnen und
IG Metall-SekretärInnen aus der Verantwortung gelassen werden dürfen: Sie haben
versprochen, für alle Arbeitsplätze zu kämpfen! Sie sind den Belegschaften
Rechenschaft schuldig, was sie verhandeln.

Bittstellerei

Nun hat der Gesamtbetriebsrat in einem Flugblatt erklärt,
dass das Vorgehen der Geschäftsführung (GF) nicht „fair“ sei. Stattdessen wird
erneut von „Zukunftsprodukten“ schwadroniert und sie dazu aufgefordert, man
möge doch bitte einen „Qualifizierungsfonds“ einrichten, mit dem dann die
MitarbeiterInnen für die Entwicklung und Produktion dieser „Zukunftsprodukte“
qualifiziert werden sollen. Weiter wird in diesem Flugblatt erneut gefordert,
dass die Arbeitsplätze sicher sein müssten, dass das Werk in Öhringen nicht
geschlossen werden dürfe und der Abbau gestoppt werden müsse. Von einem Aufruf
zum Kampf an die Beschäftigten fehlt dabei jede Spur. Stattdessen gibt es nur
Appelle an die GF. Ja sogar die Zusage: „Wir stehen dem Wandel nicht im Wege,
sondern wollen ihn aktiv gestalten.“ Passend dazu wurde auch der Slogan
„FairWandel – FairMAHLE“ von der IG Metall ins Leben gerufen.

Was nach einer sinnvollen Forderung klingt, ist bei näherer
Betrachtung allerdings eine reine Mogelpackung: Die Geschäftsführung wird zwar
„Zukunftsprodukte“ entwickeln und produzieren lassen, dies allerdings nicht in
Deutschland, sondern in den billigeren Werken in (Süd-)Osteuropa (z. B. in
Polen, Ungarn, Rumänien oder Slowenien). Damit werden zwei Ziele verfolgt:
Einerseits will man mit niedrigeren Lohnkosten den eigenen Gewinn steigern (nicht
umsonst gibt es von Seiten der GF nach wie vor das Ziel, den Umsatz auf 25 Mrd.
Euro bis 2030 zu verdoppeln und die Umsatzrendite auf 7,5 % zu steigern),
andererseits soll somit die Belegschaft gespalten und eine internationale
Solidarisierung verhindert werden, indem man sie gegeneinander ausspielt.

Perspektive

Gerade wenn es darum geht, sich europaweit gegen
Werksschließungen zu solidarisieren, bleibt die IG Metall ihre ganzen
Versprechen schuldig. Es ist zwar ein nettes Symbol, wenn eine kleine Delegation
aus einem Produktionswerk in Portugal zu einer Demo nach Deutschland kommt,
damit ist es aber noch längst nicht getan. Warum wurde z. B. niemand der
Betroffenen aus Telford zu der Demo und der Kundgebung am 25.07. angefragt? Und
warum gab es keinerlei Solidaritätsbekundungen von Seiten der RednerInnen mit
den Leuten aus Telford? Diese Fragen müssen sich die Verantwortlichen der IG
Metall gefallen lassen. Ebenso ist ihr anzukreiden, dass sie im Vorfeld dieses
Aktionstages großspurig von einem „europäischen Aktionstag“ getönt hatte, bei
dem „internationale Solidarität“ gezeigt werden sollte. Erst im Nachgang und
äußerst schleppend kam es dann zu einer Berichterstattung über die Aktionen in
anderen Ländern. Erst einen (!) Monat nach dem europäischen Aktionstag wird ein
Flugblatt verteilt, in dem inhaltlich nichts gesagt wird, außer dass es
diesen  gab, und man findet auf der
Rückseite ein paar schöne Fotos von ganzen sechs (!) Standorten bei insgesamt
92 Standorten in Europa. Wo ist der Plan, dass es nächstes Mal alle sind?

Hierbei zeigt sich also einmal mehr die Standortborniertheit
der IG Metall-Oberen: Statt weitergehende Aktionen gemeinsam mit anderen
Gewerkschaften aus anderen Ländern zu planen, zu koordinieren und gemeinsam
durchzuführen, beschränkt man sich lieber darauf, den Angriff der GF in
Deutschland möglichst sozial zu gestalten. Gerade bei einem global agierenden
Konzern wie MAHLE ist es dringend notwendig, dass man sich international
koordiniert und vernetzt um eine Spaltung der Belegschaften anhand nationaler
Grenzen zu vermeiden. Wir rufen daher dazu auf, Aktionskomitees innerhalb der
europäischen Gewerkschaften wie auch innerhalb der IG Metall zu gründen, um
eine bessere internationale Koordination bewerkstelligen zu können. Diese
müssen jederzeit der Basis rechenschaftspflichtig und zudem jederzeit wähl- und
abwählbar sein. Nur so kann volle demokratische ArbeiterInnenkontrolle
gewährleistet werden. Außerdem ist es wichtig, die Verhandlungsteams
demokratisch zu wählen. Diese müssen ebenso wie die Aktionskomitees
rechenschaftspflichtig, stets wähl- und abwählbar sein.

Wir brauchen daher ein Aktionsprogramm für den Widerstand
gegen die Angriffe der Geschäftsführung:

  • Keine Werksschließungen, keine Entlassungen! Rücknahme aller Sparmaßnahmen!
  • Blockade jeder Verhandlungen über Entlassungen und Überstunden – egal aus welchem Standort, ob Produktion oder Konzernzentrale!
  • Keine Vereinbarungen, keine Gespräche der Betriebsräte und der IG Metall über irgendwas! Dies ist das falsche Signal in der jetzigen Situation gegenüber der Belegschaft!
  • Stattdessen Versammlungen jede Woche, auf denen die Betriebsräte berichten, was die GF will und gegenüber der Belegschaft darstellen, wie sie mit Überstunden und anderen Anträgen seitens der GF verfahren!
  • Internationale Solidarität mit allen Werken, die von Schließungen und Entlassungen betroffen sind!
  • Besetzung der Werke, die geschlossen werden sollen!
  • Entschädigungslose Enteignung des Konzerns mit allen Tochtergesellschaften unter demokratischer ArbeiterInnenkontrolle!
  • Offenlegung aller Verträge und Konten, um zu prüfen, wie viel Kapital tatsächlich vorhanden ist!