„Fair“handeln ist keine Lösung! Zukunft müssen wir uns erkämpfen!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht zur Kundgebung der IG Metall am 29. Juni, Infomail 1060, 29. Juni 2019

Die großen Auto-Konzerne wie VW und Daimler, aber auch
Zulieferer haben klare Kampfansagen formuliert: Die Beschäftigten sollen die
Kosten für E-Mobilität bezahlen. Zehntausende Arbeitsplätze sollen wegfallen
und Werke geschlossen werden. Die bisher angekündigten Angriffe werden nicht
die letzten sein. Maschinenbau und Stahl werden folgen. Dazu kommen die
Digitalisierung und die nächste Krise. Auch damit wollen sie zehntausende
Stellen vernichten.

Ob wir die E-Mobilität wollen, ob es sinnvoll ist,
Verbrennungsmotoren durch Batterien zu ersetzen, das werden wir weder als
Beschäftigte noch als VerbraucherInnen gefragt. Aber zahlen sollen wir! Die
Digitalisierung hat den Zweck, menschliche Arbeit überflüssig zu machen. Grundsätzlich
ist gegen höhere Produktivität nichts einzuwenden, aber im Kapitalismus
bedeutet dies immer mehr Arbeitslosigkeit und Arbeitsverdichtung.

Die BetriebsratsfürstInnen und die IG Metall-Spitze
reagieren hilflos auf diese Kampfansagen. Sie schaffen es meist nicht mal
deutlich und klar, die Sparprogramme abzulehnen und dagegen zu mobilisieren.
Nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Bosch, gab es Proteste. Mobilisierung ist
gut, aber die Bosch-Betriebsräte haben unter anderem die Aufhebung der
Fahrverbote gefordert. Kann es die Arbeitsplätze retten, wenn dafür die Städte
verpestet werden und das Klima kippt?

Hofmann: Große Worte – hilflose Konzepte

Auch die Kundgebung heute in Berlin weicht den Problemen
aus: Hofmann tut so, als ob Digitalisierung und E-Mobilität aus Naturgesetzen
entspringen und fordert die Unternehmen und „die Politik“ auf, „endlich zu
handeln“. Das Schlimme ist aber, dass diese handeln! Sie haben sich für die
„Lösung“ entschieden, die ihnen weiter Profite sichern soll; die die
Beschäftigten dreifach mit Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und Verlagerungen
bezahlen sollen; die der Menschheit neue Umweltprobleme bescheren wird. Die
KapitalistInnen haben ein Konzept, das sie mit aller Macht durchsetzen wollen –
die IG Metall bittet um „Fairwandel“.

In den Betrieben werden die Sparprogramme von den
Betriebsratsspitzen abgenickt, wenn nur keine/r direkt gekündigt wird. Beispiel
Daimler: Wenn von den Angestellten keine/r rausfliegt und in der Produktion
alles mit Leiharbeit geregelt wird, nennen sie das „sozialverträglich“. Nein,
Leiharbeit bedeutet Lohndrückerei und Unsicherheit! Arbeitsplatzvernichtung ist
nicht sozialverträglich!

Klare Forderungen für alle MetallerInnen!

Die IG Metall kann mobilisieren, wenn sie wirklich will. Das
hatte schon die letzte Tarifrunde gezeigt. Es geht aber jetzt um ganz andere
Dinge als den Tarifzug. Gegen die Angriffe der Konzerne wird eine einzelne Demo
in Berlin ohne klare Forderungen bei weitem nicht reichen.

  • Was wir heute als IG Metall brauchen, ist ein Nein zu jedem Arbeitsplatzabbau!
  • Auf Digitalisierung und Transformation gibt es nur eine Antwort: Verkürzung der Arbeitszeit entsprechend der Arbeitseinsparung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das heißt: Kampf für die 30-Stunden-Woche in Ost und West und gemeinsam in ganz Europa! Kein erneuter Ausverkauf des Kampfes um die 35-Stunden-Woche im Osten!
  • Die LeiharbeiterInnen und Jugendliche drohen als Erste zum Opfer der Angriffe zu werden. Keine Entlassung der LeiharbeiterInnen, Übernahme in gleiche, tariflich gesicherte Beschäftigung, unbefristete Übernahme der Azubis, kein Einstellungsstopp!
  • Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Verkehrssysteme und der Energieversorgung, statt weiter den Ideen der Konzerne hinterher zu traben, welche sie immer auch mit der Regierung durchgesetzt haben. Geplante Ersetzung des Individualverkehrs durch massiven Aus- und Umbau des öffentlichen Verkehrs, kontrolliert von Gewerkschaften, Beschäftigten und NutzerInnen!
  • Wir dürfen nicht nur immer den „eigenen“ Betrieb im Auge haben: Die Autoindustrie ist global, die Klimakatastrophe und die Wirtschaftskrise sind es auch. Gerade die Gewerkschaft muss über den Tellerrand eines Betriebes und eines Landes hinausschauen und endlich damit aufhören zu versuchen, mit Standortsicherungen die eigenen Arbeitsplätze auf Kosten der KollegInnen in anderen Betrieben, Werken oder Ländern zu sichern. Das untergräbt die Solidarität und macht uns zum Spielball der ManagerInnen!
  • Gemeinsamer Kampf mit Geflüchteten und MigrantInnen gegen Rassismus und Nationalismus!
  • Entschädigungslose Enteignung aller Unternehmen, die Massenentlassungen oder Schließungen durchsetzen wollen, durch Massenstreiks und Betriebsbesetzungen erzwungen! Weiterführung und Neuausrichtung der verstaatlichten Betriebe unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Für den 20. September haben AktivistInnen der Fridays for Future Bewegung wie Greta Thunberg zu einem globalen Klimastreik aufgerufen, der alle Altersschichten umfassen soll und ArbeiterInnenbewegung und Umweltbewegung praktisch zusammenführen kann. Wir fordern von der IG Metall, den DGB-Gewerkschaften und dem Europäischen Gewerkschaftsbund eine volle Mobilisierung, um den Klimastreik zu einem internationalen politischen Massenstreik zu machen!

Das Problem heißt „Sozialpartnerschaft“

Diese Forderungen können nicht durchgesetzt werden, wenn
jede Belegschaft alleine mit Angriffen konfrontiert ist. Alle gemeinsam – wie
hier in Berlin – ist der richtige Ansatz. Aber die Zersplitterung in einzelne
Unternehmen und Werke hat einen Grund: Das politische Muster der
Betriebsratschefs und der ganzen IG Metall-Spitze ist, dass es für „unsere
Leute“ das Beste wäre, wenn „unsere Unternehmen“ fette Gewinne machen würden.
Dann würde für alle was abfallen: ein paar Prozent Lohnerhöhung für die
Kernbelegschaften der Auto-Industrie, auch mal ein paar Tausender Jahresprämie.

Diese Rechnung ist in den letzten Jahren scheinbar
aufgegangen, weil die deutsche Auto-Industrie und auch Stahl und Maschinenbau
die anderen Industrieländer nieder konkurriert haben.

In Wirklichkeit waren die „Belohnungen“ für die
MetallerInnen aber bescheiden, gemessen an den Profiten des Kapitals. Viele
Beschäftigte in der Zulieferindustrie, in der sogenannten „Produktionslogistik“
oder in Leiharbeit haben davon nichts abbekommen. Sie haben oft sogar
Reallohnverluste erlitten oder waren die Opfer, mit deren Lohneinbußen,
Ausgliederungen und Arbeitsplatzverlusten die Profite der Konzerne gesteigert
wurden. Die Bedingungen im Osten wurden bis heute nicht an jene des Westens angeglichen
und die Beschäftigen in den Leiharbeitsfirmen werden nicht nur schlechter
bezahlt, sondern dienen auch als Reserve, die viel leichter gefeuert werden
kann.

Ganz sicher ist, dass angesichts des Konjunkturrückgangs,
der massiven Arbeitsplatzvernichtung durch Digitalisierung und E-Mobilität
diese „Partnerschaft“ mit dem Kapital noch weniger funktionieren kann.

Neue Strategie – neue Bewegung

Die nötige Wende in der IG Metall kann nicht mit einem
Hofmann kommen, der vor den Kampfansagen des Kapitals die Augen verschließt,
und mit all den anderen, die weiter von „Partnerschaft“ träumen!

Es gibt in vielen Betrieben Kolleginnen und Kollegen, die
gegen die Kungelei der BR-Spitzen und der GewerkschaftssekretärInnen mit den
Vorständen vorgehen, die versuchen, Vertrauensleute zu stärken oder die eigene
BR-Listen aufstellen. Wir müssen erkennen, dass das Problem nicht an einzelnen
Führungspersonen liegt. Dahinter steht ein politisches Konzept. Die
Sozialpartnerschaft können wir nur mit einer entgegengesetzten Strategie
bekämpfen, die von den Interessen aller MetallerInnen und der ganzen Klasse
ausgeht und nicht einer Elite von Stammbelegschaften in den Großkonzernen. Wir
müssen dies gemeinsam erarbeiten und uns zusammenschließen, weil die Macht in
der IG Metall völlig unter der Kontrolle des Apparates ist.

Am 25./26. Januar 2020 wird in Frankfurt/Main eine
Strategie-Konferenz stattfinden, die Kolleginnen und Kollegen in diesem Sinne
zusammenbringen soll. Wir rufen Metaller und Metallerinnen auf, sich jetzt schon
auszutauschen und zu verbinden: Für eine oppositionelle Bewegung, die die
Angriffe der Unternehmen nicht sozial gestaltet, sondern konsequent bekämpft!
Für eine Bewegung, die auf Klassenkampf setzt statt auf Sozialpartnerschaft,
auf ein Aktionsprogramm gegen die Krise und für die Interessen aller
ArbeiterInnen statt auf Kungelrunden mit Kapital und Kabinett!

Anhang: Korruption ist Scheiße …

BetriebsratsfürstInnen greifen zu: Osterloh (VW) soll bis zu
750.000 in einem Jahr, Hück (Porsche) wohl eine halbe Million verdienen. Das
dürfte die Spitze des Eisbergs sein. Es gibt noch genug andere
SpitzenfunktionärInnen bei der IG Metall, deren Einkommen weit im Bereich von
Managergehältern liegen.

Die Genannten machen nach eigenen Worten so was wie
Topmanagement. Sie finden, dass sie für „ihre Firma“ arbeiten und zwar viel.
Sollen sie aber gar nicht! Sie sollen für die Interessen der Belegschaften
kämpfen und als Gewerkschafter für ALLE MetallerInnen! Das geht nicht mit
Managergehältern. Abgesehen davon ist es eine Beleidigung für alle
Vertrauensleute und Betriebsratsmitglieder, die mit Benachteiligung zu kämpfen
haben, mit Karriereknick oder (auch) in ihrer Freizeit unbezahlt aktiv sind.

  • Offenlegung aller Bezüge! Durchschnittliche Bezüge für alle Betriebsratsmitglieder, die jenen der Belegschaft entsprechen!