Die Krise der Europäischen Union, Liga für die Fünfte Internationale, Kapitel 9, Broschüre der Gruppe ArbeiterInnenmacht, April 2019
Die Unternehmen nutzen die Krise, um die Reallöhne zu senken und die prekären Arbeitsbedingungen auszuweiten. Millionen wurden bereits in Armut und Unsicherheit getrieben, was unsere kollektive Stärke untergrub. Davon werden in der nächsten Krise mehr Menschen bedroht sein. Wir fordern:
Das Patriarchat und die Dominanz der Männer im politischen, wirtschaftlichen, familiären und privaten Leben macht Männer, einschließlich derjenigen der ausgebeuteten Klassen, zu Begünstigten und Agenten der Frauenunterdrückung. Männlicher Sexismus ist jedoch gleichzeitig den Interessen der Männer der ArbeiterInnenklasse abträglich und behindert den täglichen Klassenkampf und das Ziel des Sozialismus. Es kann keinen Sozialismus ohne Frauenbefreiung geben.
Zugleich wird nur die Abschaffung des Kapitalismus, der letzten Form der Klassengesellschaft, die Frauen endlich befreien. Diese gemeinsame Aufgabe ist die der gesamten ArbeiterInnenklasse und all jener, die sich aus anderen Klassen für ihre Sache einsetzen. Deshalb können wir den Ausschluss von Frauen, auch durch Passivität und Ignoranz, von jedem Aspekt des Klassenkampfes nicht tolerieren. Heute müssen und können wir, als Frauen und Männer gemeinsam, Millionen Menschen im Kampf gegen die vielen Formen der Frauenunterdrückung, in Staat, Wirtschaft und in den Organisationen der ArbeiterInnenklasse mobilisieren.
In den letzten zehn Jahren haben die Regierungen den Bankiers riesige Subventionen verschafft und dann massive Kürzungen bei den sozialen Leitungen vorgenommen. Diese trafen die Arbeiterinnen doppelt hart: erstens als Mehrheit der Beschäftigten in Bildung und Erziehung von Kindern, in der Betreuung von Kleinkindern, Kranken und Älteren; zweitens in der Familie, wo sie die unbezahlte Arbeit der Betreuung von Menschen übernehmen müssen, deren Pflege der Staat aufgegeben hat.
Millionen von Frauen in Europa wird nach wie vor die Möglichkeit einer gut bezahlten Lohnarbeit verwehrt. Diejenigen, die in die Arbeitswelt eintreten können, werden oft in die am schlechtesten bezahlten Berufe gezwungen und leiden weiterhin unter Diskriminierung bei der Bezahlung, wobei sie oft wesentlich weniger für genau die gleiche Arbeit verdienen als Männer. Arbeitsunterbrechungen durch Schwangerschaften und Kinderbetreuung in den ersten Jahren werden genutzt, um Löhne, Gehälter und Renten von Frauen zu drücken.
In jeder Rezession und Krise erhöhen Armut und die Verzweiflung über Massenarbeitslosigkeit den körperlichen und geistigen Missbrauch von Frauen, einschließlich Vergewaltigung und häuslicher Gewalt. Auch hier sind die Mittel zur Bewältigung dieser Probleme, wie z. B. Frauenhäuser, Opfer von Sparmaßnahmen geworden. Aber mit zunehmender Unterdrückung wächst auch der Widerstand der Frauen. Die #Me-Too-Bewegung in den USA verbreitete sich weltweit, auch in Europa, und machte das allgegenwärtige Ausmaß der sexuellen Belästigung deutlich, unter der Frauen am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben leiden. Wichtige Teile der vermeintlich revolutionären Linken haben sich als davon nicht immun erwiesen, bei all ihren Bekundungen zur Unterstützung des Feminismus und der Frauenbefreiung.
Frauen der ArbeiterInnenklasse sind nicht nur mit einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen konfrontiert, sondern auch mit einer Propagandaoffensive der Rechten, die verkünden, dass der Platz einer „Frau im Haus“ sei. Dies geht Hand in Hand mit Maßnahmen zur Einschränkung der reproduktiven Rechte von Frauen. In einigen Staaten der Europäischen Union, wie Polen, wo die Kirche noch immer einen enormen Einfluss auf Bildung und Gesundheit hat, sind Abtreibungen für die überwiegende Mehrheit der Frauen schwierig bis unmöglich.
Der erdrutschartige Sieg des irischen Referendums (zur Abtreibung) im Mai 2018 und Polens „Schwarzer Montag“, die Mobilisierungen von Frauen im Jahr 2016, zeigen jedoch, dass Massenkampagnen sich der tief verwurzelten Macht der Kirchen und anderer ReaktionärInnen widersetzen und sie sogar brechen können.
Die Wahl von Donald Trump, berüchtigt wegen seiner Frauenfeindlichkeit und seiner Übergriffe, und Jair Bolsonaro zum Präsident Brasiliens hat ReaktionärInnen in ganz Europa ermutigt. Die Welle des Massenwiderstandes in Nord- und Südamerika hat jedoch die Idee und Praxis gleichzeitiger globaler Mobilisierungen wie den Internationalen Frauenstreik gefördert.
Die Wurzel der Unterdrückung der Jugend liegt in der Familie. In der bürgerlichen Familie ist das Kind fast völlig rechtlos und dem Diktat der Eltern unterworfen, eine Situation, die die Beziehungen zwischen Kindern und Eltern vergiftet. Jugendliche, die ihre eigenen persönlichen und sexuellen Beziehungen aufbauen, ihre eigenen Interessen verfolgen und irgendwann ihr eigenes Leben gestalten wollen, müssen die Autorität von Eltern, Schule und Polizei in Frage stellen.
Infolgedessen stehen junge Menschen an vorderster Front im Kampf um die Freiheit, und die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrtausends haben viele eindrucksvolle Beispiele dafür erlebt. Sie bildeten die Massenbasis der antikapitalistischen und Antikriegsbewegungen in den frühen 2000er Jahren. Der Selbstmord eines jungen tunesischen Straßenhändlers, der gegen Erpressung und Schikanen der Polizei protestierte, löste 2010/2011 eine Revolution aus, die den autoritären Führer des Landes vertrieb und den Arabischen Frühling in Ägypten, Libyen, Jemen, Bahrain und Syrien einleitete. Mit Hilfe der so genannten sozialen Medien organisierten Jugendliche eine Welle von Straßenmobilisierungen und Platzbesetzungen, die sich auf Europa und Nordamerika ausbreitete.
Die Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo wurde von 2010 bis 2015 von den Indignados in Spanien und in Italien, Portugal und Griechenland kopiert. Im Jahr 2010 motivierten Kürzungen in der Bildung als Teil der neoliberalen kapitalistischen Sparmaßnahmen Universitäts- und CollegestudentInnen, das Parlament in Großbritannien zu belagern. In vielen Generalstreiks standen junge Menschen an vorderster Front, um sich den Sparpaketen zu widersetzen, die in der Spitze dazu führten, dass die Jugendarbeitslosigkeit fast 50 Prozent betrug.
Im Jahr 2018 organisierten junge PalästinenserInnen den Rückkehrmarsch in Gaza, bei dem 200 unbewaffnete DemonstrantInnen von israelischen ScharfschützInnen erschossen wurden. Schulstreiks, die von der 16-jährigen schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg initiiert wurden, lösten 2019 in Deutschland und Großbritannien direkte Massenaktionen und eine sich weltweit ausbreitende Bewegung aus. Im Jahr 2019 kam es auch zu Massendemonstrationen junger Menschen in Algerien, die die 20-jährige Herrschaft von Abd al-Aziz Bouteflika beendeten, gefolgt von einem Massenaufstand im Sudan, bei dem sich junge Menschen, Frauen und GewerkschafterInnen zusammenschlossen, um das Ende des gesamten militärisch-bürokratischen Regimes zu fordern.
Fast ein Jahrzehnt nach der großen Krise ist die Arbeitslosigkeit, trotz der anhaltenden wirtschaftlichen Erholung, für die 15- bis 24-Jährigen hoch: in Griechenland 39,9 Prozent, in Italien 32,2 Prozent, in Spanien 34,4 Prozent und in Frankreich 20,8 Prozent.
Die Mehrheit der Erwerbstätigen ist in prekären Arbeitsverhältnissen tätig, mit befristeten Verträgen, Null-Stunden oder erzwungenen Teilzeitverträgen, und mit einem deutlich schwächeren rechtlichen Schutz als andere Beschäftigte. Firmen wie Amazon, Deliveroo und Uber beuten junge ArbeiterInnen übermäßig aus. Staatliche Ausbildungsprogramme zahlen Hungerlöhne und garantieren am Ende keinen Arbeitsplatz. Auf der Straße werden junge Menschen von der Polizei aufgegriffen und belästigt.
In den Schulen werden die Ungleichheiten und Machtstrukturen der Gesellschaft reproduziert und gerechtfertigt, denn dieses „Lernen fürs Leben“ bedeutet im Kapitalismus, jungen Menschen das Recht auf Teilnahme an der Entscheidungsfindung zu verweigern und sie einer willkürlichen Disziplin zu unterwerfen.
Wir sind gegen jede religiöse oder private Kontrolle des Schulwesens und kämpfen für eine säkulare, staatlich finanzierte Bildung. Die Lehrpläne sollen von den LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen selbst festgelegt und die Schulen demokratisch verwaltet werden. Junge Frauen müssen Zugang zur Geburtenkontrolle und das Recht haben, unerwünschte Schwangerschaften abzubrechen. Wir brauchen Jugend-, Sport- und Kulturzentren und den Zugang zu angemessenen Wohnungen, die vom Staat finanziert werden und unter der demokratischen Kontrolle der NutzerInnen und der dort beschäftigten ArbeiterInnen stehen.
Die demokratischen Rechte junger Menschen müssen gestärkt werden, mit dem Recht, mit 16 oder früher zu wählen, wenn sie arbeiten. Diejenigen, die alt genug sind, um zu arbeiten, sind alt genug, um zu wählen! Keine Zwangsrekrutierung junger Menschen in kapitalistische Armeen, aber die Ausbildung im Umgang mit Waffen soll für alle zugänglich sein.
Wo immer reformistische ParlamentarierInnen oder GewerkschaftsfunktionärInnen es für notwendig halten, junge Menschen zu organisieren, in angegliederten Jugendorganisationen oder -bewegungen, versuchen sie immer zu verhindern, dass sie ihre eigenen Forderungen äußern. Aufgrund der spezifischen Situation der Jugendlichen und des Charakters ihrer Unterdrückung wird eine wirklich revolutionäre Partei die Jugendorganisation niemals als untergeordnete Jugend-Abteilung unter der Vormundschaft erwachsener „FührerInnen“ behandeln. Stattdessen muss sie sich für die organisatorische und politische Unabhängigkeit der Jugendbewegung einsetzen, die in der Lage ist, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ihre eigene Tätigkeit zu bestimmen, über ihre eigene Politik zu diskutieren und entscheiden und gegebenenfalls die „erwachsene“ Partei zu kritisieren, die wiederum das Recht hat, sie zu kritisieren. Nur so können junge Menschen sowohl aus ihren Fehlern als auch aus ihren Erfolgen lernen.
Der Kapitalismus selbst hat jene Sitation geschafffen, die zu einer globalen Umweltkatastrophe zu führen droht. Die Wiederbelebung der akuten inter-imperialistischen Rivalität, der verschärfte Wettbewerb und die Handelskriege machen praktisch unmöglich, dass die kapitalistischen Staaten in der aktuellen Periode die Gefahr einer globalen Klimakatastrophe angehen oder gar lösen können. Um unsere natürliche Umwelt vor Verschmutzung, Überschwemmungen, Waldbränden, Wüstenbildung, Hungersnöten und dem Verlust der biologischen Vielfalt zu schützen, muss die Produktion von der Geißel des Profits und der Anarchie des Marktes befreit werden. An ihrer Stelle muss eine nachhaltige Produktion von Energie, Nahrung, Rohstoffen und Verkehr auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene geplant werden.
Ohne schnelles und entschlossenes Handeln wird der Klimawandel die Reproduktion der Menschheit selbst gefährden. Während sich die europäischen herrschenden Klassen als „grün“ präsentieren und empört sind über Trump und seinen Ausstieg aus den „Pariser Klimaabkommen“, wollen sie selbst nur, dass andere für ihr Versagen bei der Bewältigung der aktuellen Krise bezahlen. Sie verteidigen nicht die Umwelt und die Zukunft der Menschheit, sondern die Gewinne der Großindustrie, der Monopole im Automobil-, Öl-, Transport- und Energiesektor. Während sie gegenüber den von Katastrophen, Überschwemmungen, Wüsten und Wasserknappheit bedrohten halbkolonialen Ländern Lippenbekenntnisse ablegen, wollen sie eigentlich die Kosten des Klimawandels auf die Armen, die ausgebeuteten Länder, die Bauern-/Bäuerinnenschaft und die ArbeiterInnenklasse abwälzen.
Gleichzeitig beginnen Millionen von Menschen zu erkennen, dass wir einen Systemwechsel brauchen, um den Klimawandel zu stoppen. Die grünen, bürgerlichen, kleinbürgerlichen und reformistischen FührerInnen der Bewegung verstehen jedoch nicht den Charakter des Systems, des Kapitalismus, und damit des Mittels, ihn zu stürzen, den Klassenkampf. Um die Umweltfrage anzugehen, sind sofortige und entschlossene Maßnahmen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene erforderlich.
Der Kampf gegen den Terrorismus wurde als Vorwand benutzt, um unsere demokratischen Rechte anzugreifen, einschließlich einer längeren Untersuchungs- oder Schutzhaft von Verdächtigen („GefährderInnen“) ohne Beistand von AnwältInnen oder Erscheinen vor HaftrichterInnen. Die polizeiliche Überwachung der Bevölkerung unter dem Vorwand der Sicherheit wurde enorm verstärkt, da alle Formen der Kommunikation jetzt offen für Spionage sind. Das Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wurde eingeschränkt, und die Polizeikräfte haben neue Gesetze erhalten, um gegen protestierende ArbeiterInnen und migrantische Bevölkerungsgruppen vorzugehen.
Das Wachstum der Massenarbeitslosigkeit und der Verzicht auf Widerstand führen zu rassistischer Sündenböckensuche in Gestalt von Minderheiten und zur Zunahme des Faschismus. Gegen das Wachstum der rassistischen Rechten und der FaschistInnen! Kämpfen wir für:
Das Ende der Hegemonie der Vereinigten Staaten als Weltwirtschaftsmacht sowie ihre Entschlossenheit, keine echten Herausforderungen ihrer absoluten militärischen Dominanz durch China und Russland zu dulden, hat zu einer zunehmenden Rivalität zwischen Amerika, der Europäischen Union, Russland und China geführt. Die europäischen ArbeiterInnen, die sich zwar gegen die von den USA geführten Aktionen wie die Invasion und Besetzung Afghanistans und des Irak, ihre begrenzten Interventionen in Syrien oder ihre Drohungen gegen den Iran stellen, dürfen nicht in einen europäischen Patriotismus hineingezogen werden, in das Projekt des Aufbaus eines vereinten europäischen imperialistischen Staates, mit seiner eigenen Armee und seinem eigenen Projekt der Dominanz von Einflussbereichen in der ganzen Welt.
Die Propaganda der EU behauptet, dass eine solche neue europäische Supermacht eine friedlichere, demokratischere oder „sozialere“ Weltmacht wäre als ihre RivalInnen. Das ist eine völlige Täuschung, die SozialdemokratInnen, Labour, die Linksparteien und die Gewerkschaften gemeinsam mit den Bossen verbreitet haben.
Ein europäischer Superstaat wäre eine imperialistische Macht, die das Ziel der europäischen KapitalistInnen zur Neuaufteilung der Märkte und Ressourcen der Welt verfolgt. Eine solche Neuaufteilung mag mit einem verschärften Wettbewerb um den Handel und gegenseitigen Vorwürfen des „Protektionismus“ beginnen, aber das zwanzigste Jahrhundert hat gezeigt, wie dies endet – in ungemein zerstörerischen Weltkriegen. Wir müssen unsere Ablehnung dieser schrecklichen Perspektive jetzt beginnen, indem wir uns gegen die Schaffung einer Militärmacht der Europäischen Union aussprechen, auch wenn sie bisher nur in embryonaler Form existiert. Aktuell gibt es die unter dem NATO-Dach nach Afghanistan entsandten Streitkräfte und die verschiedenen „humanitären Kräfte“, die für Interventionen in Afrika aufgestellt wurden.
Die ArbeiterInnenbewegung sollte sich ihnen allen widersetzen. Aber wir sollten uns auch gegen die Ausweitung „unserer“ nationalen Streitkräfte und gegen die Rekrutierung von Jugendlichen an Schulen wenden, unter denen, die eine allgemeine und berufliche Bildung, Vollzeitarbeit suchen oder einfach nur die „Welt sehen wollen“. Kurz gesagt, allen, denen diese Ziele im Alltag des Kapitalismus missgönnt werden. Wir fordern den sofortigen Abzug aller im Ausland stationierten Streitkräfte und aller Ausgaben für die imperialistischen Streitkräfte. Wir wiederholen den alten sozialistischen Slogan, der immer noch ein Leitfaden dafür ist, wie man auf Forderungen zur Verteidigung des kapitalistischen Vaterlandes reagieren kann: keinen Cent, keine Person für die Verteidigung dieses Systems.
Wir unterstützen den Widerstandskampf der Völker auf der ganzen Welt gegen die europäischen Besatzungstruppen, zum Beispiel in Afghanistan und im Tschad. Die Niederlage der EU-Truppen in diesen Ländern wäre ein Sieg für die ArbeiterInnen und Volksmassen der Welt, ein Schlag gegen den Imperialismus. Wir fordern den sofortigen Rückzug aller europäischen Truppen und die Schließung der Militärbasen aller europäischen Mächte in Übersee.
Die Berge von „toxischen“ Schulden, die von MilliardärInnen angesammelt wurden, dürfen nicht den SteuerzahlerInnen der ArbeiterInnenklasse aufgehalst werden. Die Unternehmen, die in Produktion und Verteilung operieren oder nützliche Dienstleistungen erbringen, deren EigentümerInnen sie in den Ruin getrieben haben, müssen durch die entschädigungslose Übernahme in Staatseigentum „gerettet“ werden. Ihre Bilanzen müssen veröffentlicht, das Geschäftsgeheimnis gegenüber ArbeiterInnen und VerbraucherInnen abgeschafft und die Buchführung, Bilanzen und Unternehmenspläne vollständig offengelegt werden.
Eine Planwirtschaft könnte systematisch die Ungleichheiten in ganz Europa beseitigen, Ressourcen und Reichtum transferieren, um das Niveau der Länder im Osten zu erhöhen, die sich über Jahrzehnte in der Unterentwicklung befanden, und so den Boden untergraben, auf dem Nationalismus und Reaktion gedeihen können.
Selbst wenn die heutige Europäische Union in der Lage wäre, große Schritte in Richtung eines föderalen imperialistischen Superstaates zu verwirklichen, wäre dies kein Gewinn für die ArbeiterInnen und Unterdrückten innerhalb Europas, geschweige denn für unsere Klassenschwestern und -brüder außerhalb der Mauern der „Festung Europa“.
Daher sollten sich die Bewegungen der ArbeiterInnenklassen des Kontinents gegen die Europäische Union als eine Vereinigung stellen, die versucht, den deutschen und französischen Imperialismus in ihrem wirtschaftlichen Wettbewerb und ihrer militärischen Schlagkraft gegenüber anderen imperialistischen Mächten, den USA, China, Russland, Japan zu stärken – und somit und ihre Fähigkeit, die ArbeiterInnen der ganzen Welt auszubeuten.
Wir stehen zu den Worten des Kommunistischen Manifests, dass die ArbeiterInnenklasse kein Vaterland hat und, wie wir hinzufügen können, auch keinen Kontinent. Die Politik unserer Klasse muss konsequent international ausgerichtet sein, auf weltweiter Ebene, sonst wird sie nichts anderes sein als ein Werkzeug verschiedener Flügel ihrer AusbeuterInnen.
Gleichzeitig müssen wir die Argumente jener „Anti-EuropäerInnen“ ablehnen, die sich aus fremdenfeindlichen und nationalistischen Gründen gegen die EU stellen. Diese Kräfte und ihre sozialchauvinistische Politik, die sich in den Gewerkschaften und reformistischen Parteien widerspiegelt, stellen eine Sackgasse für die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten dar. Sie zielen darauf ab, unsere Bewegung nach nationalen und rassischen Gesichtspunkten zu spalten und uns „unseren“ nationalen HerrscherInnen unterzuordnen.
Obwohl wir für die Verteidigung dieser wenigen fortschrittlichen Errungenschaften kämpfen, die sich aus dem EU-Prozess ergeben haben, z. B. die Abschaffung der Grenzkontrollen innerhalb der EU, sind wir gegen ihre Strukturen und ihre Wirtschaftsagenda, die nun dazu genutzt werden, frühere Sozialreformen und in früheren Perioden erworbene Arbeitsrechte abzubauen. Wir sind auch gegen die Behinderung des Rechts auf Selbstbestimmung von Völkern wie den KatalanInnen und IrInnen durch die EU gemeinsam mit den nationalen Regierungen. Für uns sind die Grenzen der bestehenden Staaten nicht heilig und über den demokratischen Wünschen der Nationen.
Heute sollten wir für Folgendes kämpfen.
Ein vereinter Klassenkampf in Europa oder in bedeutenden Ländern wird schnell die Frage nach der politischen Macht aufwerfen, die Frage, welche Klasse in einem bestimmten Land oder auf dem Kontinent insgesamt herrscht. Die derzeitige Krise Europas kann nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Jede wichtige Frage wird die Notwendigkeit einer Transformation des gesamten Kontinents aufwerfen.
Eine sozialistische Föderation in Europa, die „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“, sind die Lösung für die drängenden Probleme künftiger Generationen. Wenn wir Rechtsruck, Rassismus, Nationalismus und Faschismus bekämpfen wollen, brauchen wir eine internationalistische und antikapitalistische Alternative zur derzeitigen EU.
Jede große politische Krise in der EU, ihre langfristige Stagnation und eine bevorstehende Wirtschaftskrise betreffen die ArbeiterInnenklasse des gesamten Kontinents ebenso wie die Kleinbauern/-bäuerinnen und die untere Mittelschicht. Die Angriffe seitens der KapitalistInnen und bürgerlichen Regierungen wiederum erzeugen große soziale Widerstandsbewegungen und weisen auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Gegenwehr hin.
Natürlich entwickeln sich solche Kämpfe ungleichmäßig, und vorrevolutionäre oder revolutionäre Situationen werden nicht in allen Ländern gleichzeitig auftreten. Daher muss der Kampf für eine sozialistische Revolution in Europa Hand in Hand gehen mit dem für den Sturz des Kapitalismus und die Schaffung von ArbeiterInnen- und BäuernInnenregierungen, wo immer sich dazu die Möglichkeit ergibt.
So wie der Slogan für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa einen Übergangscharakter trägt, so auch die Forderung nach ArbeiterInnenregierungen oder Regierungen der ArbeiterInnen und BäuerInnen in einzelnen Ländern. Unter solchen Regierungen verstehen wir nicht „linke“ sozialdemokratische oder Labour-Regierungen, geschweige denn solche in Koalition mit den offenen bürgerlichen Parteien, wie die Syriza-ANEL-Regierung in Griechenland. Sie haben nicht wirklich mit der KapitalistInnenklasse gebrochen und operieren immer noch in der Zwangsjacke der bürgerlichen Staatsmaschine. Wir fordern sie auf, diesen Bruch zu vollziehen. Unter Bedingungen des massenhaften Widerstands gegen Sparmaßnahmen und Kürzungen des Sozialwesens oder einer neuen Rezession werden sie vor der Wahl stehen, ob sie wie Syriza kapitulieren oder den Weg gehen wollen, echte ArbeiterInnenregierungen zu werden, indem sie die ArbeiterInnenklasse zu Millionen mobilisieren. Unser Ziel muss es sein, sie zu verpflichten, ihre AnhängerInnen aus der ArbeiterInnenklasse nicht zu verraten, sondern den letztgenannten Weg einzuschlagen.
Um solche Regierungen dazu zu bringen, echte Schritte in Richtung einer sozialistischen Transformation zu unternehmen, sie zu Übergangsregierungen in Richtung der demokratischen Herrschaft der ArbeiterInnenklasse, also der Diktatur des Proletariats, zu gestalten, müssen sie unwiderruflich mit den bürgerlichen Parteien brechen, echte Schritte unternehmen, um großes Kapital unter ArbeiterInnenkontrolle zu enteignen und einen ArbeiterInnenplan zur Reorganisation der Wirtschaft zu entwerfen. Und sie dürfen ihre Macht nicht auf die bürokratischen und repressiven Institutionen des bürgerlichen Staatsapparates, des Militärs, der Polizei, der Spezialeinheiten und der Verwaltungsbürokratien stützen, sondern auf die ArbeiterInnen- und BäuerInnenräte und die bewaffnete ArbeiterInnenklasse.
Solche Regierungen könnten nicht nur als wichtiges Mittel für einen revolutionären Umsturz in einem Land dienen. Sie müssen von der gesamten europäischen ArbeiterInnenklasse gegen die unvermeidlichen konterrevolutionären Machenschaften der nationalen Bourgeoisie, der europäischen oder anderer imperialistischer Mächte verteidigt werden. Letztendlich werden sie nur überleben und ihr volles revolutionäres Potenzial ausschöpfen können, wenn sie nicht nur die Macht „ihrer“ nationalen KapitalistInnenklasse brechen, sondern auch darauf abzielen, die Revolution auf dem europäischen Kontinent zu verbreiten und die Grundlage für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa zu schaffen. Für eine solche Übergangszeit, einen revolutionären Kampf auf dem gesamten Kontinent, bleibt ein europäisches Aktionsprogramm, das demokratische, soziale und Übergangsforderungen kombiniert, uneingeschränkt gültig.
Darüber hinaus muss ein sozialistisches Europa seine Beziehungen zu den umliegenden Regionen der Welt auf Solidarität, Gleichheit und Internationalismus gründen. Dann könnten die Ursachen für Migration durch Armut, Kriege, Klimawandel wirklich verändert werden. Das kann keine kapitalistische EU. Ein sozialistisches Europa kann die Rechte der MigrantInnen umsetzen, ihnen volle BürgerInnenrechte garantieren und den Rechtsruck, die Bedrohung durch Rassismus, beenden. Ein sozialistisches Europa würde die Massenarbeitslosigkeit beenden, gleiche und gerechte Lebensbedingungen schaffen, die Bourgeoisie enteignen und die in Europa geschaffenen menschlichen Fähigkeiten und materiellen Reichtümer sinnvoll nutzen. Ein solches Europa müsste auf einer demokratischen Planwirtschaft beruhen, die die Mittel für eine echte Bewältigung der Umwelt- und Klimaprobleme bereitstellt.
All dies ist viel „realistischer“, als zu hoffen, dass die heutige EU einfach reformiert werden könnte oder der Klassenkampf in einzelnen „unabhängigen“ Ländern zu einem Sozialismus führen könnte.
Wie wir gezeigt haben, können die bestehenden Massenparteien der ArbeiterInnenklasse – seien es traditionelle reformistische, neue „linke“ populistische Parteien wie Podemos oder La France Insoumise oder solche, die zwischen Reform und Revolution schwanken, keine Antwort auf die dringenden Fragen der Zukunft geben.
Nur neue revolutionäre ArbeiterInnenparteien und eine neue revolutionäre Internationale können eine solche Perspektive bieten und dem Kampf eine Führung geben. Unsere internationale Strömung, die Liga für die Fünfte Internationale, kämpft für ein solches Programm des internationalen Klassenkampfes, für einen revolutionären Marxismus des 21. Jahrhunderts, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.