Sri Lanka: Geschichte zweier Streiks

Peter Main, Infomail 1046, 13. März 2019

Ein Großteil der Nachrichten aus Sri
Lanka konzentriert sich entweder auf die Folgen des Bürgerkriegs gegen die
TamilInnen oder auf die Rivalität zwischen den imperialistischen Mächten, die
von den politischen Parteien des Mainstreams zum Ausdruck gebracht werden. Zwei
langwierige gewerkschaftliche Dispute offenbaren jedoch die verzweifelte
Situation, in der sich ArbeiterInnen aller Nationalitäten auf der Insel
befinden.

Seit zwei Jahren fordern die Beschäftigen
auf den Tee-, Kautschuk- und Kokosnussplantagen des Landes einen täglichen
Grundlohn von 1000 Rupien (derzeit etwa 5 Euro) – eine Forderung, die Ranil
Wickremasinghe, der amtierende Premierminister, während des Wahlkampfes
unterstützte. Der vorherige, im Jahr 2016 vereinbarte Tarifvertrag lief im
November aus. Seitdem wurden die ArbeiterInnen nicht bezahlt. Ihre Kampagne,
die Streiks auf der Distriktebene im vergangenen November und Dezember
einschloss und auch eine Demonstration am 23. Januar von Tausenden
ArbeiterInnen und ihren AnhängerInnen in der Hauptstadt Colombo umfasste,
enthielt die Forderung nach der Rückzahlung der Löhne zum neu vereinbarten
Stundenlohn.

Am 27. Januar wurde
den drei für Verhandlungen anerkannten Gewerkschaften ein Angebot des
Arbeitgeberverbands unterbreitet, das auf den ersten Blick als ein großes
Zugeständnis erschien, wenn es auch nicht alle Forderungen berücksichtigte. Sie
schlugen vor, den Tagessatz von 500 auf 700 Rupien anzuheben: Faktisch stellte
sich die Erhöhung jedoch als eine völlige Täuschung dar. Seit 2016 besteht der
Tageslohn der Lohnabhängigen aus vier Elementen: dem Grundlohn von 500 Rupien
und drei Zulagen, die zusammengenommen ein tatsächliches Entgelt von 730 Rupien
ausmachen. In dem vorgeschlagenen neuen Vertrag wurden zwei dieser Vergütungen
gestrichen, die dritte wurde von 30 auf 50 Rupien erhöht. Der tatsächliche
Anstieg des Gehalts betrug also 20 Rupien oder etwa 10 Cent!

In der Frage der Nachzahlung haben sich
die „Arbeitgeber“ bereiterklärt, ein Drittel zu zahlen, und die Regierung, die
auch eine Verhandlungspartei ist, wird zwei Drittel übernehmen. Mit anderen
Worten: Die Chefs wollen das Geld der Steuerzahler verwenden, um die Löhne der
ArbeiterInnen zu zahlen!

Rolle der Bürokratie

Wenn das Angebot schon beleidigend niedrig
war, stellte die Antwort der VerhandlungsführerInnen der Gewerkschaften eine
Schande dar. Zwei von ihnen, der Ceylon Workers’ Congress, angeführt von
Arumugan Thondoman, und der Lanka Jathica Estate Workers‘ Union unter der
Leitung von Wadiwel Suresh akzeptierten den Vorschlag! Die dritte Gewerkschaft,
das von Mano Ganeshan geführte Joint Trade Union Center, lehnte das Angebot
jedoch ab. In acht Distrikten wehten daher noch einige Tage lang schwarze
Flaggen, um zu zeigen, dass die Streiks auch nach der „Einigung“
fortgesetzt würden. Trotz der Vereinbarung hat die Regierung den Deal jedoch
noch nicht offiziell gebilligt, obwohl er sogar auf dem Wohnsitz des
Premierministers verhandelt wurde.

Wie aber konnte ein solch lächerliches
Angebot von den Gewerkschaften akzeptiert werden? Die Antwort liegt nicht so
sehr in der Unnachgiebigkeit und Gier der „ArbeitgeberInnen“, die immer noch
hauptsächlich britischen Unternehmen zuzuodnen sind, als bei den politischen
Prioritäten der Gewerkschaftsführer. Suresh ist nicht nur ein Mitglied der
United National Party (UNP) des Premierministers Wickremasinghe, sondern auch
ein Minister seiner Regierung. Thondoman war zuvor Kabinettsmitglied und blieb
Abgeordneter, während Ganeshan ebenfalls Minister ist, aber die Demokratische Volksfront
innerhalb der Tamil Progressive Alliance vertritt. Er ist  Koalitionspartner der regierenden UNP.
Da dieses Jahr Wahlen stattfinden werden, ringt jeder von ihnen um eine
Position.

Es muss jedoch betont werden, dass es in
der Auseinandersetzung um die Lohnforderungen auch Anzeichen für die
Entwicklung einer größeren Militanz der ArbeiterInnenbasis gab, die über die
Politik der Gewerkschaftsführungen hinausgehen könnte.

1000-Rupien-Bewegung

Ein Merkmal der Kampagne für 1000 Rupien
(1000-Bewegung), das auf zukünftige Fortschritte hinweisen könnte, war die
Unterstützung, die sie in den wichtigsten Städten, auch weit weg von den
Plantagenbezirken, erhielt. Junge AktivistInnen mit Familien, die sich noch auf
den Plantagen befinden, sowie Mitglieder linker Gruppen und Parteien
organisierten Demonstrationen und Versammlungen in Solidarität mit streikenden
ArbeiterInnen. Vor diesem Hintergrund wurde auch die „1.000-Bewegung“
gebildet, die die Unterstützung und Solidarität für die PlantagenarbeiterInnen
organisiert.

Die Bedeutung des Plantagenstreiks wurde auch
durch die Reaktion der Regierung auf eine von der „1000-Bewegung“ für den 24.
Februar geplante Demonstration in Bogawanthalawa, einem städtischen Zentrum der
Plantagenregion, unterstrichen. Am 23. Februar wurden AnhängerInnen der „1000-Bewegung“,
darunter auch andere GewerkschafterInnen und StudentInnen, von Schlägern
belästigt, die von Palani Digamburan, einem Mitglied der Regierung, organisiert
wurden, als sie für die Bewerbung der Demonstration Flugblätter verteilten. Am
24. Februar kündigte die Regierung eine gerichtliche Anordnung zum Verbot der
Kundgebung an. Mehrere AktivistInnen wurden festgenommen, zu einer
Polizeistation gebracht und erst wieder freigelassen, als AnhängerInnen der Bewegung
dagegen protestierten. Daraufhin hat Digamburan in Ranaw eine
Gegendemonstration für Wickremasinghe in Bogawanthalawa organisiert. Angesichts
dieser Regierungsoffensive verschoben die OrganisatorInnen der Protestdemo ihre
Kundgebung auf Sonntag, den 3. März.

Die Gründung der „1000-Bewegung“ und die
wachsende Unterstützung der Bevölkerung für die Ansprüche der PlantagenarbeiterInnen
sind zu begrüßen, aber auf lange Sicht ist klar, dass die Beschäftigten weder
in Bezug auf die Bezahlung noch auf die Arbeits- und Lebensbedingungen entscheidende
Fortschritte machen werden, solange sie von Gewerkschaften vertreten werden,
die von bürgerlichen Politikern geführt werden. Die „1000-Bewegung“ selbst fordert
die Bildung von ArbeiterInnenorganisationen in den Siedlungen, wo die
Beschäftigten und ihre Angehörigen wohnen. Dies ist eine unterstützenswerte
Initiative, vorausgesetzt, sie werden als demokratische Gremien etabliert, die
den ArbeiterInnen gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Lokale Organisationen
können jedoch nur ein Teil der Antwort sein, und das langfristige Ziel sollte
die Gründung einer gemeinsamen Gewerkschaft aller PlantagenarbeiterInnen sein.
Zur Zeit gibt es mindestens sieben Gewerkschaften auf den Plantagen, von denen
die größten seit Jahrzehnten eng mit dem Staatsapparat verbunden sind und
praktisch als gelbe Gewerkschaften agieren.

Wie lässt sich also das Ziel am besten
erreichen, eine einheitliche Gewerkschaft auf klassenkämpferischer und
demokratischer Basis aufzubauen? Dazu bedarf es einer Kombination aus Bildung einer
klassenkämpferischen Basisopposition innerhalb der etablierten Gewerkschaften
und auch der Stärkung der noch nicht anerkannten kämpferischen Gewerkschaften oder
auch Neugründungen. Insgesamt könnte dies zur Bildung einer einheitlichen
Massengewerkschaft führen, die von den BürokratInnen und bürgerlichen
PolitikerInnen gesäubert ist. Dies wird die Schlüsselfrage für alle
PlantagenarbeiterInnen sein, ob diese bereits gewerkschaftlich organisiert sind
oder nicht.

Streik in der Freihandelszone

In einem völlig anderen Zusammenhang
streikten 500 Beschäfigte bei ATG, einem Unternehmen für industrielle
Handschuhe, das sich in der Freihandelszone in der Nähe des Flughafens von
Colombo befindet. Der Streik, der am 11. Januar begann, wurde zunächst gegen
die Entlassung von fünf ArbeiterInnen ausgerufen, die führende AktivistInnen
der Gewerkschaft in der Freihandelszone sind. Die Firma
war erst vor zwei Jahren nach einem vorangegangenen Konflikt gewerkschaftlich
organisiert worden, und es ist klar, dass das Management nun beabsichtigt, die
Gewerkschaft wieder zu zerschlagen. In seiner Antwort an die UnterstützerInnen
des Streiks in Großbritannien schrieb John Taylor, Vorsitzender des Board of
Directors von ATG, dass das Unternehmen „den Dialog mit den ArbeiterInnen
und ArbeitnehmervertreterInnen durch den Betriebsrat und die täglichen Kontakte
zu den USA weiter verstärken werde“. Dies zeigt, dass er nur mit der
Gewerkschaft verhandeln wird, wenn er dazu gezwungen wird!

Am 16. Januar wurden Gewerkschaft und
Management zu einem Treffen des stellvertretenden Kommissars für Arbeit
(Assistant Commissionar of Labour =ACL) für den Distrikt eingeladen. Die
Gespräche wurden jedoch abgebrochen, weil ATG einen Vorschlag des Kommissars
für Arbeit, die entlassenen ArbeiterInnen betreffend, nicht akzeptierte. Bei
weiteren Treffen am 21. und 24. Januar kam es ebenfalls zu keiner Einigung,
doch zwischenzeitlich erstritt sich das Unternehmen eine gerichtliche
Anordnung, durch die Gewerkschaftsfunktionäre vom Treffen mit Streikenden
abgehalten werden sollten.

Die Streikenden und ihre UnterstützerInnen
aus anderen Gewerkschaften und der Öffentlichkeit planten daraufhin am 27.
Februar eine große Demonstration in der Freihandelszone.

Wie bei den meisten ArbeiterInnen in der
Freihandelszone kommen die Streikenden, von denen 150 junge Frauen sind, aus
weit entfernten Dörfern und sind in Hostels und Pensionen untergebracht, für
die sie Miete zahlen müssen. Es werden daher dringend Streikgelder benötigt,
und die FTZ & GSEU, die der internationalen Organisation der
Industriegewerkschaften IndustriALL angehört, zu der unter anderem die RMT in
Großbritannien und die IG Metall in Deutschland gehören, hat
Gewerkschaftsmitglieder international um Unterstützung gebeten. Unterstützt die
Streikenden!

Solidaritätsadressen und Spenden an: ftzunionlanka@gmail.com