Öffentlicher Dienst der Bundesländer: Auftakt der Tarifrunde

Helga Müller, Neue Internationale 235, Februar 2019

Am Montag, dem 21. Januar,
begannen die Tarifverhandlungen für die 3,3 Millionen Beschäftigten der Länder,
darunter rund 2,3 Millionen BeamtInnen und VersorgungsempfängerInnen. Ver.di
fordert 6 % mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro, für die Pflegekräfte in
Krankenhaus und Altenpflegeeinrichtungen die Anhebung der Tabellenwerte in der
sog. Pflegetabelle um 300 Euro, zudem eine Verbesserung der Entgeltordnung, was
z. B. die Eingruppierung angeht. Begründet wird das Ganze mit den sprudelnden
Steuereinnahmen der Länder, deren Steigerung sich in den letzten Jahren bei ca.
3-6 Prozent bewegt. Daran sollen auch die Beschäftigten beteiligt werden.
Außerdem wird der Nachholbedarf im Vergleich zur privaten Wirtschaft angeführt,
deren Gehälter im Durchschnitt um ca. 4 Prozentpunkte höher liegen. Daher
wären, so ver.di, auch Einkommensverbesserungen nötig, damit der Öffentliche
Dienst im Wettbewerb um Fachkräfte vor allem im IT- und Technikbereich mithalten
kann. Dasselbe gilt für den Fachkräftemangel in der Pflege und die
Gleichstellung z. B. der ErzieherInnen mit ihren KollegInnen in den Kommunen,
die besser eingruppiert sind.

So weit, so gut! Wie zu
erwarten war, lehnt die Gegenseite die Forderungen als überzogen und gar
utopisch ab: „Wenn man das Paket zusammenrechnet, liegt es bei zehn
Prozentpunkten in einem Jahr. Und das ist zuviel“,  kommentierte der Verhandlungsführer der
Länder-Tarifgemeinschaft (TdL) – Berlins Innensenator Matthias Kollatz (SPD) –
die Forderung von ver.di (zitiert nach: „Im öffentlichen Dienst drohen
Warnstreiks“, sueddeutsche.de, 21. Jan. 2019). Untermauert wird ihre Haltung
noch damit, dass dies mit den vielen Neueinstellungen – z. B. im
LehrerInnenbereich notwendig – nicht vereinbar sei. Aber als Hauptargument
gegen die berechtigten Forderungen der Beschäftigten der Länder wird die
Schuldenbremse für die öffentlichen Haushalte ins Feld geführt, die im Jahr
2020 auch für die Länder gelten soll, bei denen auch erwartet wird, dass ein
Teil ihrer Schulden zurückgezahlt werden muss. Die Schulden der Länder belaufen
sich auf insgesamt 572 Milliarden Euro, die Berlins auf 58 Milliarden. (Zahlen
nach: „Bsirske kündigt harte Haltung bei Tarifstreit mit Ländern an“,
sueddeutsche.de, 21. Jan. 2019)

Wie reagiert ver.di?

Es wurden schon vor Beginn der
Auftaktverhandlungen am 21. Januar zwei weitere Verhandlungstermine angesetzt:
am 6. und 7. Februar und der dritte und letzte am 28. Februar und 1. März. Wie
in den letzten Tarifrunden ist zu erwarten, dass ver.di und die TdL in einer
Marathonsitzung in der letzten Tarifrunde – begleitet von ein paar mehr oder
weniger langen Warnstreiks, evtl. sogar von der Androhung eines unbefristeten
Durchsetzungsstreiks – einen für beide Seiten noch akzeptablen Kompromiss
beschließen, der den Ländern nicht allzu weh tun wird.

Diese Linie ist schon in der
Begründung für die Forderungen von ver.di-Chef Bsirske angelegt: Für ihn liegt
der Motor für die Stabilisierung der deutschen Wirtschaft angesichts der Herausforderungen
von Brexit und Handelskonflikten um die USA in der Förderung des Binnenmarkts
durch gute Löhne (zitiert nach: „Im öffentlichen Dienst drohen Warnstreiks“,
sueddeutsche.de, 21. Jan. 2019).

Nicht nur, dass dies ein Appell
an die öffentlichen Arbeit„geber“Innen ist, sich doch den wirtschaftlich
sinnvollen Sachargumenten eines Frank Bsirske anzunähern, nein – letztendlich
ist das auch eine Unterordnung der ver.di-Spitze unter die Interessen des
deutschen Kapitals in Konkurrenz zu den anderen. Dafür wird auch ein
ver.di-Bundesvorstand bereit sein, einige der zahlreichen Forderungen, die es
gilt, in dieser Tarifrunde durchzusetzen, zu opfern.

Um sicherzustellen, dass eine
solche Rechnung nicht aufgeht und ein entschlossener Kampf für die Forderungen
geführt wird, müssen kämpferische GewerkschafterInnen und KollegInnen aktiv
werden. Es geht darum, lokale und regionale Streikkomitees sowie Versammlungen
zu organisieren, auf denen die Kampftaktik, etwaige Verhandlungsergebnisse
öffentlich diskutiert und die weiteren Kampfmaßnahmen kollektiv beschlossen
werden.

Einige ausgewählte Warnstreiks – wie jetzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und dem Zentrum für Integrative Psychiatrie in Kiel oder bei den Kitas in Berlin – werden für die Durchsetzung der Forderungen nicht ausreichen. Jetzt gilt es, die gesamte Kampfkraft der KollegInnen in den Ländern einzusetzen – zumal hier der Organisationsgrad noch schlechter ist als in den Kommunen.

  • Für einen unbefristeten Vollstreik aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder!
  • Organisiert Euch in Streikkomitees, die den Kampf kontrollieren und führen!