Aufrüstung der Bundeswehr Krachen lassen, nicht nur Staub aufwirbeln!

Robert Teller, Neue Internationale 235, Februar 2019

Verteidigungsministerin
von der Leyen sieht sich auf der Erfolgsspur: „Wir haben vor 5 Jahren die
Trendwende eingeleitet, wir kamen aus einer Zeit von 25 Jahren des Schrumpfens
und Kürzens“. Dabei hat doch die Bundeswehr von 1991 bis 2017 trotz allem
insgesamt 410.000 SoldatInnen in insgesamt 52 Auslandseinsätze geschickt und
dafür 21 Mrd. Euro ausgegeben.

Tatsächlich
steigt der Bundeswehretat für 2019 mit 43,2 Mrd. Euro im Vergleich zu 2014 um
ein Drittel. Die geplanten Rüstungsinvestitionen steigen 2019 allein im
Vergleich zum Vorjahr 2018 um 36 % auf 8,3 Mrd. Aber dabei kann es laut
von der Leyen nicht bleiben: „Das ist auch ein gutes Signal für die anstehenden
Jahre mit vielen weiteren wichtigen Investitionsvorhaben für eine moderne
einsatzfähige Bundeswehr.“ Zu den unmittelbar geplanten Neuanschaffungen
gehören der neue „Schwere Transporthubschrauber“ (5,6 Mrd. Euro), das
Mehrzweckkampfschiff 180 (5 Mrd.), die U-Boot-Klasse 212 CD (1,56 Mrd.), neue
Eurofighter (2,5 Mrd.) und ein taktisches Luftverteidigungssystem als Ersatz
für das aktuelle PATRIOT.

Rückbesinnung
auf „Kernaufgabe“

Die
mittelfristigen Planungen gehen aber noch weit darüber hinaus, wie aus dem
(nicht öffentlichen) „Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“ vom 3. September 2018
verlautet. Es stellt einen Planungsentwurf für die „Modernisierung der
Bundeswehr“ bis 2031 dar. Kernpunkt des im Verteidigungsministerium
beschlossenen Papiers ist die „Rückbesinnung“ auf die „Kernaufgabe“ der
Bundeswehr, die „Landes- und Bündnisverteidigung“, weg von der Konzentration
auf Auslandseinsätze. Das heißt natürlich nicht, dass die Bundeswehr von
bewaffneten Kriegseinsätzen wie aktuell in Mali Abstand nehmen wird. Es bedeutet
vielmehr zusätzlichen massiven Wiederaufbau von Kapazitäten „konventioneller
Kriegsführung“, die seit der Wiedervereinigung und dem Zusammenbruch der UdSSR
abgebaut wurden.

Vier „Air Task
Forces“sollen gemeinsam mit Verbündeten die Luftüberlegenheit in Deutschland
oder anderen Einsatzgebieten erzwingen können, d. h. zur Ausschaltung
gegnerischer Luftabwehr und Luftwaffe fähig sein. Die Marine soll jederzeit
mindestens 15 hochseefähige Schiffe zur U-Boot-Abwehr, für eigene
U-Boot-Einsätze, Überwasserseekriegsführung und Abwehr ballistischer Raketen
einsetzen können. Außerdem wird der weitere Ausbau der elektronischen und
Cyberkriegsführung gefordert. Zusätzlich zu den bislang geplanten
Rüstungsprojekten sollen weitere neue leichte Kampfhubschrauber angeschafft
werden.

Der lange
Forderungskatalog soll für die kommenden Jahre den Takt vorgeben, die
Bundeswehr zu Kriegseinsätzen jeglicher Art befähigen, alleine oder in
multinationalen Bündnissen. Sie soll damit aufhören, immer „nur“
Juniorpartnerin in Militärkoalitionen zu bleiben. Das zeigen auch die Vorhaben,
Führungsstäbe in verschiedenen multinationalen Verbänden zu stellen. Die
Bundeswehr will eben nicht nur Staub aufwirbeln, sondern es auch mal selber
richtig krachen lassen. Laut Verteidigungsministerium muss deshalb bis 2024 der
Wehretat auf 58 Mrd. steigen, was der „versprochenen“ Erhöhung auf 1,5 %
des BIP entspräche.

Perspektive
EU-Armee

Elementarer Teil
der Planungen sind die stärkere Einbindung in europäische Bündnisstrukturen und
in stärkerem Maß eine führende Rolle Deutschlands darin. Dabei geht es
natürlich nicht nur um „Synergieeffekte“ bei der Beschaffung, wenn sich mehrere
Länder auf einheitliche Systeme verständigen, sondern sehr wohl auch darum,
Europa als militärischen Block zu etablieren, der innerhalb der NATO, aber auch
eigenständig handlungsfähig ist.

Das Ende 2017
beschlossene PESCO-Projekt, dem alle EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark,
Malta und Britannien angehören, soll in erster Linie im Bereich gemeinsamer
Rüstungs- und Militärprojekte das Konsensprinzip bei Entscheidungen
durchbrechen, das bislang auf EU-Ebene jedem einzelnen Land ermöglicht,
Entscheidungen zur gemeinsamen „Außen- und Sicherheitspolitik“ zu verhindern.
Jedes Mitgliedsland verpflichtet sich, Kontingente zu EU-Verbänden zu stellen
und gemeinsame Operationen zu unterstützen. Zudem wird explizit die regelmäßige
Erhöhung des Verteidigungshaushalts festgeschrieben, was jährlich überprüft
werden soll.

Im März 2018
wurden 17 gemeinsame Militärprojekte beschlossen. Darunter befinden sich solche
zur Verbesserung der Zusammenarbeit der nationalen Armeen oder von
Truppenverlegungen innerhalb der EU („Military Schengen“). Dazu gehört aber
auch die Entwicklung der bewaffneten Eurodrohne MALE RPAS, die von Deutschland
geleitet wird. Die Kosten für gemeinsame Rüstungsprojekte werden zu 30 %
über den „Europäischen Verteidigungsfonds“ gedeckt, d. h. auf alle
Mitgliedsstaaten umgelegt. Von 2021 bis 2027 sollen so 38,5 Mrd. Euro
ausgegeben werden. Nicht zuletzt soll die gemeinsame Rüstungs- und
Kriegspolitik auch den Rüstungsexport stärken.

Widersprüche

Zumindest in
einem scheint sich die EU mal einig zu sein: Sie braucht mehr Mittel zur
Kriegsführung. Darüber werden sich manche freuen können angesichts der
Verwerfungen, an denen die EU aktuell zu zerbrechen droht.

Die zunehmende
Militarisierung entspringt den gleichen Ursachen wie Formierung und Krise der
EU. Die verschärfte globale Konkurrenz und der Kampf um die Neuaufteilung der
Welt zwischen den imperialistischen Mächten zwingen die EU zur militärischen
Aufrüstung.

Zugleich konnte
das Projekt der kapitalistischen Einigung Europas die nationalen Gegensätze
nicht überwinden. Es hat die ökonomischen Ungleichgewichte zementiert und
verstärkt, weil sie nur auf Grundlage einer Unterordnung unter die
Führungsmächte – also v. a. Deutschland – erfolgen konnte. Daher mussten
die wirtschaftliche Krise seit 2008, die Rezession und der faktische
Staatsbankrott schwächerer Länder die EU auch politisch in ihren Grundfesten
erschüttern, während gleichzeitig imperialistische Konflikte zwischen Russland,
China, USA und Europa in Form von Handelskrieg und militärischer Aufrüstung
bedrohlich zunehmen. Auch wenn die Aufrüstung den vom Imperialismus dominierten
Ländern der EU durch Rassismus, Nationalismus, Grenzsicherung gegen Geflüchtete
und gemeinsame äußere Feinde schmackhaft gemacht werden soll, so durchziehen
sie auch nationale und strategische Gegensätze unter den NATO-Mächten
(z. B. hinsichtlich der Ostpolitik). Auch die militärische Vereinheitlichung
wird nicht ohne Unterordnung der Schwächeren möglich sein. Der deutsche
Imperialismus verfolgt daher verstärkte Aufrüstungsanstrengungen, weil er so
besser eine Führungsrolle gegenüber anderen Mächten für sich reklamieren kann.

Wenn die
„Friedensunion EU“ zerbricht, dann würde aber auch die Kriegsunion
„erschüttert“ und müsste dann – vom deutschen Standpunkt aus – durch eigene
nationale Anstrengungen kompensiert werden. In jedem Fall stellt auch die
militärische Formierung Europas kein Projekt unter „Gleichen“ dar, sondern
eines zur Einbindung der „Peripherie“ für die militärischen und
wirtschaftlichen Interessen Deutschlands und Frankreichs. Dies zeigt auch das
am 22. Januar 2019 unterzeichnete „Aachener Abkommen“, in dem nicht nur die
Absicht zur verstärkten Zusammenarbeit der Armeen Deutschlands und Frankreichs
vereinbart wird, sondern auch die „engstmögliche“ ihrer Rüstungsindustrien zur
Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und eines „ Ansatzes für gemeinsame
Rüstungsexporte“.

SPD?

In der SPD gibt
es zwar gelegentliche Diskussionen, aber keinen ernsthaften Widerstand gegen
die Militarisierungspläne Deutschlands und der EU. Im Gegenteil, sie werden von
Abgeordneten wie Achim Post als Mittel zur Friedenssicherung und „Abrüstung“
verklärt:

„Zu begrüßen
ist, dass [Angela Merkel] die Idee einer europäischen Armee aufgreift, die wir
als Sozialdemokraten bereits seit längerem unterstützen. Klar muss dabei aber
sein: Eine solche europäische Armee dürfte nicht der militärischen Aufrüstung
Europas dienen, sondern muss auf Abrüstung durch bessere Vernetzung und mehr
Effizienz in Europa abzielen.“

Wie der Aufbau
neuer Kampfverbände irgendetwas anderem dienen kann als der Aufrüstung, bleibt
sein Geheimnis. Auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist die „bestmögliche
Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung“ für die Bundeswehr, die „Trendwende bei
Personal, Material und Finanzen“ und die Fokussierung auf „Landes- und
Bündnisverteidigung“ vereinbart worden.

Antimilitarismus

RevolutionärInnen
sollten die Aufrüstungspläne der Bundeswehr rundweg ablehnen und sie als das
benennen, was sie sind: der Griff des deutschen Imperialismus nach
militärischer Gewalt. Dabei lehnen wir nicht nur die Methoden dieser Politik
ab, sondern schon ihr Ziel, die Sicherung seiner wirtschaftlichen und
geo-strategischen „Interessenssphären“. Aus diesem Grund lehnen wir auch den
reaktionären Ansatz ab, der West-Orientierung und der NATO-Mitgliedschaft ein
„Friedensbündnis“ unter Einbeziehung Russlands entgegenzusetzen – auch wenn wir
die aktuelle Aufrüstungspolitik gegen Russland an der NATO-Ostgrenze
entschieden verurteilen. Für ein „Haus Europa“ mit Russland zu argumentieren,
bedeutet nichts anderes, als dem deutschen Imperialismus eine alternative
strategische Orientierung im kapitalistischen Weltsystem schmackhaft machen zu
wollen.

Wir treten nicht
nur gegen die Aufrüstung der Bundeswehr und ihre zunehmende Einbindung in die
verschiedenen Kriegsallianzen ein, sondern lehnen jegliche Gewaltorgane
bürgerlicher Staaten grundsätzlich ab. Getreu der Losung „Keinen Cent, keinen
Menschen für die Bundeswehr“ sollten ArbeiterInnenparteien daher im Parlament
gegen den Militäretat und alle Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen stimmen. Ebenso
opponieren wir gegen jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr, mit welchen ehrenwerten
Zielen („Humanitärer Einsatz“, „Friedensmission“, „Kampf gegen
Terror“) er auch begründet sein mag. Zugleich treten wir für
gewerkschaftliche und politische Arbeit in der Bundeswehr ein, für das Recht
von SoldatInnen, sich zu organisieren, um die Konflikte mit ihren
KommandeurInnen politisch zuzuspitzen und das System von Befehl und Gehorsam
infrage zu stellen.

Entscheidend bei
all dem ist aber, die ArbeiterInnenklasse zum Kampf gegen den Militarismus zu
mobilisieren. Proletarischer Antimilitarismus ist kein Ratschlag an die
herrschende Klasse, ihre Konflikte friedlich auszutragen. Die tiefe
kapitalistische Krise seit 2008 trägt die Kriegsgefahr in sich und hat bereits
zu vielen kriegerischen Auseinandersetzungen geführt. Um Kriege zu verhindern,
muss die ArbeiterInnenklasse ihre eigenen Kampfmittel – politische
Massendemonstrationen, Streiks bis hin zum politischen Generalstreik –
einsetzen, also den Klassenkampf vorantreiben.

Wenn die
europäischen Regierungen sich auf imperialistische Interventionen und Krieg
vorbereiten, ist es für uns dringend erforderlich, eine europaweite Allianz der
ArbeiterInnenbewegung gegen Militarisierung und Kriegsgefahr aufzubauen. Im
Unterschied zur entstehenden europäischen Militärallianz, die letztlich ein
Projekt des deutschen und französischen Imperialismus ist, hat die
ArbeiterInnenklasse in Europa wirklich ein gemeinsames Interesse – nicht als
Kanonenfutter zu enden und stattdessen eine progressive Lösung der EU-Krise zu
erkämpfen – die Einigung Europas auf sozialistischer Grundlage. Deshalb bildet
Antimilitarismus auch einen Teil des Klassenkampfes und keinen Versuch zur
Rettung der kapitalistischen EU oder eines nationalen „Sonderweges“ mit
„unabhängigem“ Militarismus. Hierfür schlagen wir eine europäische antimilitaristische
Konferenz vor, die sich an alle linken Parteien und Organisationen,
Gewerkschaften und soziale Bewegungen richtet!

  • Nein zur Aufrüstung  und Bildung einer EU-Armee – sei es im Namen der NATO, der EU oder der „nationalen Unabhängigkeit“!
  • Auflösung von NATO, PESCO und Stopp aller Auslandseinsätze! Sofortiger Abzug der Bundeswehr und aller europäischer Streitkräfte aus dem Ausland!
  • Kampf gegen die Militarisierung der EU-Außengrenzen! Offene Grenzen für alle!
  • Nein zu allen anderen Formen der „Sicherheitszusammenarbeit“ zwischen Militär, Polizei oder Geheimdiensten und zum europäischen Einreiseregister!
  • Europaweite Aktionseinheit bis hin zum Generalstreik, falls Krieg droht!
  • Entschädigungslose Enteignung der Rüstungsindustrie und Reorganisation der Produktion unter ArbeiterInnenkontrolle! Gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten im Rüstungssektor!