Arbeiter:innenmacht

Mietenproteste: Immobilienkonzerne enteignen!

Lucien Jaros, Neue Internationale 233, November 2018

Das Bündnis „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ hat nicht weniger als „ein Gesetz zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz“ zum Ziel. Der Berliner Senat soll per Volksentscheid beauftragt werden, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.

Die Praxis hat gezeigt, dass weder Mietpreisbremse noch Wohnraumversorgungsgesetz die steigenden Mieten effektiv eindämmen. So kommt der Senat der Berliner Verfassung nicht nach, ausreichend bezahlbaren Wohnraum (Art. 28) bereitzustellen.

Immobilienfirmen inklusive Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder sonstige angeschlossene Unternehmen mit einem Bestand von über 3000 Wohnungen in ihrem Besitz sollen enteignet, in einer Anstalt des öffentlichen Rechts zusammengefasst, unter Verwaltung der MieterInnen, der Angestellten, VertreterInnen der Landesregierung, der Stadtgesellschaft und der anderen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gestellt und Wohnraum zu unterdurchschnittlichen Mieten angeboten werden. Eigentlich sollten die Unternehmen entschädigungslos enteignet werden. Doch dies würde den Volksentscheid im Voraus rechtlich ungültig machen. Daher hatte sich das Bündnis entschlossen zu fordern, dass die Unternehmen unter Marktwert entschädigt werden sollen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Mietobjekte, die bereits unter Kontrolle der MieterInnen stehen oder genossenschaftlich verwaltet werden.

Durch günstigen Wohnraum soll die ortsübliche Vergleichsmiete reduziert und die Preisspirale gemindert werden. Auch soll damit Berlin als Spekulationsobjekt für Immobilienfirmen, InvestorInnen und Banken weniger attraktiv erscheinen. Schließlich war es dieser Umstand, der in der Vergangenheit zu explodierenden Mieten geführt hat.

Erhöhung der Kosten für Miete für Arbeitslosengeld-II-(Hartz-IV)-BezieherInnen, im sozialen Wohnungsbau oder durch öffentlich-private Partnerschaften führt zwangläufig dazu, dass das Privatkapial durch Steuermittel subventioniert wird. Damit ist Enteignung das einzige Mittel, diese Entwicklung aufzuhalten.

Start der Initiative

Gestartet wurde die Initiative von AktivistInnen vergangener Volksbegehren, MieterInneninitiativen und linken Gruppen. Das Feedback ist groß: VertreterInnen des Bündnisses werden wöchentlich als GastrednerInnen oder ReferentInnen geladen. Die letzte Veranstaltung des Bündnisses am 25. Oktober war mit 140 Leuten übervoll, das Treffen musste per Video-Konferenz in einen weiteren Raum übertragen werden.

Die Initiative stößt auf großen Zuspruch. Bei einer Veranstaltung in Spandau, in einer der größten Deutsche-Wohnen-Siedlungen im Falkenhagener Feld reagierten die 150 MieterInnen auf die Enteignungsforderung mit minutenlangen stehenden Ovationen! Selbst in konservativen Wohngegenden in Wilmersdorf-Charlottenburg ergaben Umfragen bei CDU-WählerInnen eine mehrheitliche Zustimmung. Unterstützt wird das Bündnis durch politische Gruppen wie die Interventionistische Linke, die SAV, marx21, die Gruppe ArbeiterInnenmacht und Teile der Linkspartei. Sogar einzelne SPD-PolitikerInnen sympathisieren mit der Kampagne. Eine Unterstützung durch Teile der Berliner Grünen, ver.di und den DGB ist wahrscheinlich.

Neben Artikeln beim Tagesspiegel, in der Berliner Zeitung, im Neuen Deutschland und Sendungen im RBB äußern sich langsam auch die politischen GegnerInnen: der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) brandmarkt die Kampagne als „populistische Stimmungsmache“. Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, hält die Enteignungsforderungen für „inflationäre Parolen (…) in Klassenkampf-Manier“. Auch die Berliner AfD lehnt die Enteignung kategorisch ab und sieht darin einen Eingriff in die „Freiheit“.

Die positive Resonanz bei der Masse der MieterInnen auf der einen und die kritische von VertreterInnen bürgerlicher Parteien und Immobilienfirmen auf der anderen Seite zeigen, dass die Enteignungsforderung die Interessen der lohnabhängigen MieterInnen klar zum Ausdruck bringen, durch ihr Potenzial realistisch sind und gerade keine populistische Forderung darstellen, die das Problem mit scheinbaren Heilmitteln umgehen.

2019 wird die erste Stufe der Kampagne gestartet: das Volksbegehren. Benötigt werden zunächst 20.000 Unterschriften. Die Gruppe ArbeiterInnenmacht ruft alle Gruppen und Einzelpersonen dazu auf, diese Bewegung zu unterstützen und bekannter zu machen. Bringt Euch mit Euren Fähigkeiten ins Bündnis oder in den verschiedenen AGen ein! Baut MieterInneninitiativen bei Euch im Kiez auf, um für das Volksbegehren und zukünftige Aktionen zu mobilisieren! Diese Bewegegung und die richtige Orientierung auf Enteignung unter eigener Kontrolle könnte nicht nur eine praktische und signifikante Verbesserung der Lebensqualität der EinwohnerInnen darstellen, sondern im Sinne einer Verallgemeinerung dieser Logik in andere gesellschaftliche Lebensbereiche hinein ein Schritt sein, die Stadt im Sinne der BewohnerInnen zu erobern. Eine solche Bewegung könnte, wenn sie stark genug wird, zugleich auch erzwingen, dass die Enteignung ohne die gesetztlich geforderte Einschränkung, also entschädigungslos erfolgt.

 

Deutsche Wohnen und Co. enteignen

Nächstes offenes Bündnistreffen

Berlin, 13. November, 19.00 Uhr

Nachbarschaftshaus Urbanstraße 21

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