Arbeiter:innenmacht

Klima und Kapital: Die K-Frage stellen!

Martin Suchanek, Neue Internationale 233, November 2018

In den letzten Wochen gingen Zehntausende gegen die „Klimapolitik“ der Kohleindustrie und der Bundesregierung auf die Straße:

  • 50.000 demonstrierten am 6. Oktober am Hambacher Forst gegen die Rodung des Waldes und die Braunkohleverstromung. Schon zuvor hatten AktivistInnen trotz brutalen Polizeieinsatzes, bei dem ein Journalist ums Leben kam, den Wald besetzt und gegen die drohende Abholzung verteidigt. Unterstützt wurden sie dabei von der Bevölkerung der Region und regelmäßigen Waldspaziergängen.
  • Ende Oktober versuchte „Ende Gelände“, noch ein Zeichen zu setzen, indem der Tagebau von RWE blockiert wurde – auch das trotz massiver Repression, Festnahmen und Drohungen.
  • Für den 1. Dezember sind bundesweite Großdemonstrationen geplant. Sie sollen die scheinheilige Politik der sog. „Kohlekommission“ und des UN-Klimagipfels anprangern, der Anfang Dezember in Polen tagen und dort – schon jetzt absehbar – vor allem heiße Luft produzieren wird.

Der Kampf gegen die heuchlerische „Umweltpolitik“ der Bundesregierung nimmt offenkundig wieder Fahrt auf. Die Große Koalition macht’s nötig. Woche für Woche werden wir mit ihrer aberwitzigen „Klima- und Energiepolitik“ konfrontiert. Beim Diesel-Skandal stehen die Profitinteressen der Automobilkonzerne im Fokus der Ministerien. Jede neue „Lösung“ soll den Schaden begrenzen – natürlich nicht jenen der AutokäuferInnen oder der Bevölkerung in den Großstädten, die unter immer mehr Abgasen leiden muss. Bedient werden vor allem die Konzerne, die Verursacher, die sich „aussuchen“ können, ob sie an der Beseitigung des von ihnen angerichteten Schadens mitwirken oder nicht.

Ebenso kapitalfreundlich agiert die „Kohlekommission“. Nach der Aussetzung der Rodung des verbliebenen Waldstückes am Hambacher Forst rechnet RWE stellvertretend für alle anderen Energiemonopole vor, dass jedes Jahr eines „frühen“ Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung „teuer“ wird – sei es für die Haushalte, also die Masse der Bevölkerung in Form steigender Strompreise, oder für den Staat, also die SteuerzahlerInnen, in Form von „Entschädigung“ für entgangene Monopolprofite.

In jedem Fall sollen die Lohnabhängigen die Zeche der Konzerne zahlen.

Obwohl die Prognosen der globalen Erwärmung und der verheerenden Auswirkungen für das Weltklima, somit die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, immer bedrohlicher und dramatischer werden, kennzeichnet die internationale Politik Stagnation. Mittlerweile ist nicht einmal mehr die Verabschiedung hochtrabender „Klimaziele“ selbstverständlich.

Die zunehmende internationale Konkurrenz und der Kampf um die Neuaufteilung der Welt blockieren auch die „Klimapolitik“, machen alle ihre Ziele, alle Versprechungen einer „grünen“ Wende letztlich zur Makulatur. Bei der „Umweltpolitik“ geht es vor allem darum, anderen – sei es der imperialistischen Konkurrenz, vor allem aber den Ländern der sog. Dritten Welt und der arbeitenden Bevölkerung – die Kosten dieser Politik aufzuhalsen.

Die USA unter Donald Trump sind ohnedies längst aus den Klimaschutzabkommen ausgestiegen und betrachten Fracking und andere umweltschädliche Technologien als Konkurrenzvorteil. Bolsonaro, der neu gewählte, halbfaschistische Präsident Brasiliens, will den Amazonas zur Abholzung freigeben.

All das zeigt eindeutig: Klima- und Umweltschutz scheitern regelmäßig an den Konzerninteressen! Das Privateigentum an Produktionsmitteln und der Imperialismus müssen ins Visier genommen werden, wenn die Frage gelöst werden soll.

Ansonsten droht nicht nur, dass die Probleme weiter verschleppt oder auf illusorische Bahnen gelenkt werden wie z. B. den sog. „Green New Deal“ und die Bevölkerung für die bürgerliche Umweltpolitik zahlen muss. In den letzten Wochen konnten wir auch bemerken, dass es RWE – unter großzügiger Mithilfe der IG BCE und der lokalen SPD – gelang, tausende BergarbeiterInnen gegen die Umweltbewegung in Stellung zu bringen. Das kann nur verhindert werden, wenn die Gewerkschaften und die Linke für die entschädigungslose Enteignung der Konzerne unter ArbeiterInnenkontrolle kämpfen und dafür, dass die Beschäftigten im Bergbau bei vollen Bezügen weiterbeschäftigt werden. Ihr Wissen kann einen wertvollen Beitrag zum rationalen Umbau des Energiesektors gemäß den Bedürfnissen der Gesellschaft und ökologischer Nachhaltigkeit liefern. Vor allem aber kann so einer falschen Frontstellung entgegengewirkt werden – nicht nur am Hambacher Forst, sondern auch in der Lausitz und in der gesamten Branche.

Daher schlagen wir folgende Eckpunkte einer Klimapolitik vor, die diese mit einer klassenkämpferischen Perspektive verbinden:

  • Solidarität mit den BesetzerInnen und „Ende Gelände“! Nein zu jeder Repression gegen die Bewegung! Organisierte Gegenwehr gegen Räumungsversuche von Aktionen! Keine Räumung des Forsts und der umliegenden Gemeinden! Massenaktionen gegen RWE und Kohleindustrie! Bundesweite Aktionskonferenz zur Durchsetzung des organisierten, geplanten Kohleausstiegs!
  • Für die ökologischen Katastrophen ist die herrschende Klasse verantwortlich – daher soll sie für die Schäden aufkommen! Entschädigungslose Enteignung der Energie- und Transportindustrie unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Für den schnellstmöglichen organisierten Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung und den Einstieg in klimaneutrale Erzeugung im Rahmen eines rationalen Gesamtenergieplans unter ArbeiterInnenkontrolle! Für einen solchen Plan auf europäischer und weltweiter Ebene, der Verkehr, Industrie, Haushalte, Strom- und Wärmegewinnung integriert!
  • Weg mit dem Emissionsrechtehandel und der blinden Subventionierung von „regenerativer Energie“! Den Marktmechanismen setzen wir das bewusste, planmäßige Eingreifen in die Produktion entgegen. Für die Förderung von Energie und Ressourcen sparenden Techniken, bezahlt vom Kapital!
  • Für ein globales Programm zur Wiederaufforstung von Wäldern, der Renaturierung von Mooren und zum Schutz des Bodens und der Meere als CO2-Senken! Entschädigungslose Enteignung von LandbesitzerInnen, nachhaltige Bewirtschaftung unter Kontrolle der ArbeiterInnen und BäuerInnen!
  • Für Forschung nach neuen Energien wie Kernfusion und zur Lösung der Speicherproblematik der erneuerbaren Energien, zur Minimierung bzw. Beseitigung des Schadstoffproblems (Atommüll) unter ArbeiterInnenkontrolle und auf Kosten der Energiekonzerne!
  • Gegen die Spaltung von Umweltbewegung und Beschäftigten in umweltgefährdenden Betrieben! Umschulung und neue Arbeitsplätze zu gleichen Löhnen und Arbeitsbedingungen! Gegen prekäre Beschäftigung in der Branche erneuerbarer Energien: gleiche Bedingungen für alle Beschäftigten in Windkraft-, Solarbetrieben wie für jene in Bergbau, AKWs und bei den Stromkonzernen!
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