Arbeiter:innenmacht

Frauenvolksbegehren in Österreich: ein Weg zur Emanzipation?

Aventina Holzer, Infomail 1023, 8. Oktober 2018

Die Eintragungswoche des Frauenvolksbegehrens vom 1. – 8. Oktober setzt zum ersten Mal seit #metoo die Themen Frauenunterdrückung und Gleichstellung der Geschlechter auf die Tagesordnung. Es beinhaltet viele positive Forderungen. Von der schrittweisen Einführung einer 30-Stundenwoche über den Ausbau von Kinderbetreuung bis zur Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Wir befürworten daher die Unterstützung dieses Volksbegehrens.

Gleichzeitig sind die Forderungen und die Möglichkeiten seiner Umsetzung so beschränkt oder gar fehlgerichtet, dass die Initiative droht, im Nichts zu verpuffen. Die Frage steht deshalb vor KommunistInnen, wie man sich in diesem Spannungsverhältnis von (großteils) fortschrittlichen Forderungen und gleichzeitig sehr gemäßigter Politik verhalten soll. Kann ein Volksbegehren überhaupt etwas bezwecken? Wir möchten an dieser Stelle die Forderungen und die nötigen Perspektiven zur Frauenbefreiung diskutieren.

Macht teilen

Gerade KommunistInnen stehen für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Aber die konkreten Forderungen unterscheiden sich dennoch davon. Das Frauenvolksbegehren fordert, dass die Hälfte aller Wahllisten und Vertretungsgremien sowie der politischen Interessenvertretungen und der Sozialpartnerschaft von Frauen besetzt wird. Zusätzlich sollen in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften innerhalb der Kontroll- und Leitungsgremien dieselben Kriterien erfüllt werden. Die Begründung ist, dass Frauen einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, der aber wenig in den Institutionen widergespiegelt wird. In einer repräsentativen Demokratie wäre das aber dringend notwendig, deswegen müssten also Quoten sich dieser Aufgabe der gleichberechtigten Vertretung annehmen.

Es gibt bereits eine Quotenregelung in Österreich, diese sei aber zu gering. Ein 30-prozentiger Frauenanteil wird dabei angestrebt und zwar auch nur bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Das muss laut dem Frauenvolksbegehren geändert werden. Argumentiert wird das vor allem mit Statistiken, die ökonomische Verbesserungen durch die stärkere Einbeziehung von Frauen feststellen.

Statistisch mag das so sein. Aber die Kontroll- und Leitungsgremien in Unternehmen sind für Arbeiterinnen in den seltensten Fällen erreichbar. In dieser Beziehung dient die Quotierung daher mehr der Ablenkung von tatsächlichen Lösungen. Auch ist es in den allermeisten Fällen egal, ob die Person die uns ausbeutet, ein Mann oder eine Frau ist, und die Frauenbewegung sollte sich nicht an der Verwaltung des Kapitalismus beteiligen. Deshalb fordern wir stattdessen die Verstaatlichung der Betriebe unter der Kontrolle der ArbeiterInnen. Wir wollen nicht „politisch korrekt“ unterdrückt werden, sondern die Unterdrückung abschaffen.

Aber das allein reicht natürlich nicht als Antwort auf die Forderung von Quoten. Speziell in den Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse ist Quotierung wichtig. Denn auch die fortschrittlichste Bewegung ist nicht frei von Sexismus und anderen Unterdrückungsmechanismen. Um das tatsächliche Potenzial der Gruppen auszuschöpfen, müssen Frauen (und auch andere unterdrückte Gruppen) gemessen an ihrem Mitgliederanteil in der Führung vertreten sein.

Insofern sehen wir den Anspruch des Frauenvolksbegehrens in dieser Frage als berechtigt an, halten aber die Lösung nicht für ideal. Wenn die Frage von Quotierung nicht mit einem klaren Klassenstandpunkt beantwortet wird, wird sie zu einer kleinbürgerlichen Antwort. Diese dient im Endeffekt nicht mehr den arbeitenden Frauen, sondern einem (weiblichen besetzten) Teil des Kapitals. Es wird nämlich der tatsächliche Ursprung (oder zumindest Reproduktionsmechanismus) für Ungleichheit verschleiert: das kapitalistische Wirtschaftssystem. Deshalb muss man für tatsächliche Gleichberechtigung auch erstmal eine neue ökonomische Basis schaffen und das jetzige Wirtschaftssystem hinter sich lassen.

Einkommensunterschiede beseitigen

Das Frauenvolksbegehren geht auch ein weiteres wichtiges Thema an. Eines, das auch immer wieder heiß diskutiert wird, nämlich die schlechtere Bezahlung von Frauen. Das Frauenvolksbegehren fordert volle Lohntransparenz durch eine detaillierte Aufgliederung aller betrieblichen Einkommensberichte in sämtliche Gehaltsbestandteile. So könnte die Ungerechtigkeit auch stärker wahrgenommen und etwas dagegen unternommen werden. Es sollen durch die Unternehmen Maßnahmepläne erstellt werden, um diese Lohndiskrepanzen anzugleichen. Zusätzlich wird die Erstellung von sozialen und wirtschaftlichen Plänen gefordert, um die schlechtere Bezahlung von bestimmten Branchen – nämlich weiblich dominierten – zu beseitigen.

Tatsächlich wird es aber notwendig sein, einen Schritt weiter zu gehen. Die Forderung sollte sich auf die Öffnung aller Geschäftsbücher und ihre Kontrolle durch die Belegschaft konzentrieren. Natürlich ist es gut zu wissen, wer von den männlichen Kollegen für gleichwertige Arbeit mehr verdient, aber viel interessanter zu wissen ist, wie viel die Firma Profit macht, wie wenig davon tatsächlich bei der Belegschaft ankommt, und welche Rolle die Ausbeutung von Frauen dabei spielt. So geht es nicht nur mehr um die Ungerechtigkeit im Vergleich zum Kollegen, der mehr verdient, sondern um einen Einblick in die kapitalistische Verwertung selbst, in der die Schlechterstellung der Frau eine maßgebliche Rolle spielt.

Die anderen Vorschläge zur Verbesserung der unfairen Bezahlung sind sicherlich richtig, aber zu unkonkret. Vor allem in frauendominierten Bereichen höhere Löhne zu fordern, sollte mehr im Mittelpunkt stehen.

Arbeit verteilen

Ein verwandter Punkt sind die Fragen von Arbeitszeitverkürzung, Hausarbeit und der sogenannten Teilzeitfalle (Frauen bleiben in Teilzeitberufen stecken und machen deshalb nie Karriere). Das Frauenvolksbegehren versucht, diese durch einfache Forderungen auf einmal zu lösen. Eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei variablem Lohn- und Personalausgleich und die staatliche Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen, um eventuelle Wettbewerbsnachteile auszugleichen, stehen auf ihrer Agenda. Mit der Arbeitszeitverkürzung soll die Aufteilung der Arbeit im häuslichen Bereich verbessert werden. Zusätzlich werden mehr Arbeitsplätze geschaffen und es wird leichter, aus der Teilzeitfalle herauszukommen.

Die Frage ist aber leider nicht so einfach beantwortet. Nicht alle Personen leben in einem Familienverhältnis, in dem man sich die häusliche Arbeit einfach aufteilen könnte. Starke patriarchale Strukturen binden Frauen auch weiterhin an Herd und Kind. Um eine tatsächliche Entlastung von Frauen (sowie allgemein den Personen, welche die Reproduktionsarbeit leisten) in diesem Bereich zu ermöglichen, muss die Forderung nach Vergesellschaftung der Hausarbeit aufgestellt werden. Das bedeutet, die Reproduktionsarbeit wie Kochen, Kinderbetreuung, Pflege, Wäsche etc. von der unbezahlten, vor allem weiblichen, Privatarbeit zu einer Aufgabe der Gesellschaft zu machen. An anderer Stelle schreibt das Frauenvolksbegehren über Ausweitung der Kinderbetreuung, was eine konkrete Maßnahme dafür wäre. Weiters sollten aber immer mehr Arbeiten aus dem häuslichen Bereich ausgelagert werden in öffentliche Kantinen, Wäschereien, usw. Nur so ist Frauenbefreiung möglich und nur so kann auch die Teilzeitfalle überwunden werden – gemeinsam mit der Forderung nach einer 30-Stundenwoche und zwar bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Armut bekämpfen

Armut ist zum Großteil weiblich. Deshalb thematisiert das Frauenvolksbegehren sie auch. Es fordert: „Einen staatlich garantierten Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, solange Familienbeihilfe bezogen wird. Die Anpassung der Unterhaltsbemessung an angemessene Regelbedarfssätze.

Entkoppelung der Zahlung von der Leistungsfähigkeit des/*der Unterhaltspflichtigen, gleichzeitige Beibehaltung der Verpflichtung zur Rückzahlung nach Leistungsfähigkeit;

bundesweiten Ausbau der staatlich finanzierten, rechtlich abgesicherten Frauen- und Mädchenberatungsstellen.“

Die Forderungen richten sich fast ausschließlich an Alleinerziehende. Das ist auch wichtig, da AlleinerzieherInnen massiv von Armut betroffen sind, aber nur allzu oft vergessen werden. Obwohl die Forderungen zum Unterhaltsvorschuss nicht falsch sind, so gehen sie doch etwas am Ziel vorbei. Finanzielle Unterstützung sollte nicht an früheren PartnerInnen festgemacht werden müssen. Es gibt sehr viele Gründe, warum Menschen ihre Kinder alleine großziehen, nicht zuletzt, weil keinerlei Kontakt (auch nicht, wenn es um Geld geht), mit den früheren PartnerInnen gewünscht ist. Darüber hinaus sollte allgemein gelten, dass die Kosten für Kinder solidarisch von der gesamten Gesellschaft getragen, daher in Form von Sozialleistungen vom Staat übernommen werden. Außerdem wird leider eine Gruppe von Menschen sehr stark ausgeklammert, die aber mindestens genauso von Armut betroffen ist: Migrantische Frauen und Mädchen sind stark marginalisiert und brauchen mindestens genauso viel Unterstützung um ihre Situation zu verbessern.

Wahlfreiheit ermöglichen

Das Frauenvolksbegehren fordert an dieser Stelle drei wesentliche Dinge: den Rechtsanspruch auf kostenlose, qualitativ hochwertige Betreuung für jedes Kind bis zum 14. Lebensjahr unabhängig vom Wohnort und Erwerbsstatus der Eltern; die Vereinbarkeit der Betreuungseinrichtung mit einer Vollzeitberufstätigkeit der Eltern, also ganztägige und ganzjährige Öffnungszeiten sowie leichte Erreichbarkeit; vereinheitlichte bundesweite Qualitätsstandards für eine bedarfsorientierte Betreuung und eine individuelle (Früh-)Förderung.

Diese Forderungen sind mehr als angebracht. Österreich gibt im internationalen Vergleich relativ wenig für Kindergartenplätze aus. Mit 0,6 Prozent des BIP liegt es z. B. hinter Frankreich (0,7 %), dem OECD-Schnitt (0,8 %) Deutschland (0,9 %), Finnland (1,2 %) oder Schweden (2,0 %). Dazu will die schwarz-blaue Regierung auch noch die Zuschüsse für Kinderbetreuungsplätze im aktuellen Budget kürzen. Statt den bisherigen 140 Millionen sollen nur mehr 90 Millionen den Bundesländern zugeschossen werden.

Die Forderung nach einem Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen ist zu unterstützen. Nur allzu oft ist es für Frauen unmöglich, einer ganztägigen Beschäftigung nachzugehen (fast jede zweite Frau arbeitet nur Teilzeit). Das schränkt sie massiv in ihrer finanziellen und persönlichen Unabhängigkeit ein und zementiert sie noch mehr in ihrer traditionellen Rolle als Mutter und Hausfrau – auch wenn sie nebenher noch arbeiten geht. In Bezug auf Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es auch einen weiteren eklatanten Fakt, der auch klar macht, dass es dabei nicht einfach nur um eine finanzielle Frage geht, sondern explizit um eine politische. So sind die Kinderbetreuungsplätze in östlichen Bundesländern deutlich besser ausgebaut als in westlichen. Dabei handelt es sich aber in erster Linie nicht um eine geografische Frage, sondern darum, in welchen Bundesländern die ÖVP bzw. die katholische Kirche einen größeren Stellenwert einnimmt. 2011 lag die Betreuungsquote für Wien für 6 – 10-Jährige bei 30 %, in Vorarlberg bei 9,5 % und in Tirol gar nur bei 5 %. Hier wird klar, dass traditionelle Frauenbilder einen wesentlichen Einfluss auf die Betreuungssituation von Kindern und Jugendlichen haben.

Vielfalt leben

Dieser Forderungspunkt richtet sich gegen sexistische und diskriminierende Darstellungen speziell von Frauen in Medien und stellt Forderungen auf, um diese zu unterbinden. Zeitgleich sollen PädagogInnen darauf geschult werden, junge Menschen nicht in bestimmte Geschlechterrollen reinzudrängen, und sich auch Unterrichtsmaterialien an diesem Grundsatz orientieren.

Der Grund dafür ist, dass Geschlechterrollen einschränken und einen schädlichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung ausüben. Mädchen zu erklären, sie können dieses und jenes nicht, kann langwierige und extreme Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl haben. Ebenfalls ist es schädlich, Jungen zu sagen, dass sie nicht weinen dürfen und ihnen damit nahezulegen, ihren Gefühlen keinen Raum zu geben.

Diese und weitere Geschlechterrollen finden sich auch in Medien, vor allem in der Werbung wieder. Das Selbstbild von Frauen wird eigentlich immer von der Gesellschaft diktiert. Sich selbst schön zu finden, ist somit nur mit der richtigen Figur, einem neuen Kleid und teurem Make-up erlaubt. Und wer nicht schön ist, der hat zumindest als Frau eigentlich gar nichts, weil man als Frau eben primär dafür bewertet wird. Leistung und harte Arbeit sind ja schließlich was für Männer.

Das Frauenvolksbegehren setzt hier an einem wichtigen Punkt an, der vor allem für junge Frauen einen nicht zu unterschätzenden Effekt hat. Die Beeinflussung durch die Medien und Erziehung hat sicher den größten Anteil an ungesunden Schönheitsbildern. Aber wir lehnen es ab, die Forderung nach einem Verbot an die Organe des bürgerlichen Staates zu stellen. Wenn dieser entscheiden darf, was diskriminierend ist und was nicht, landen wir bestimmt nicht an dem Punkt, wo wir hinwollen. Ausschüsse aus der ArbeiterInnen- und der Frauenbewegung sollten bestimmen, welche Darstellung sie als schädlich empfinden, und dadurch eine demokratische Kontrolle ausüben.

Selbst bestimmen

Sexuelle Selbstbestimmung für Frauen ist in Österreich immer noch ein schwieriges Thema. Das Frauenvolksbegehren fordert deshalb diesbezüglich einen verbesserten Aufklärungsunterricht, Beratungsstellen (inklusive Gratisverhütungsmitteln), Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Krankenanstalten sowie die Übernahme von Kosten für Abtreibung, Schwangerschaftstests und verschriebene Verhütungsmittel durch die Krankenversicherung. Im Wesentlichen sind das alles gute und korrekte Forderungen. Der Aufklärungsunterricht ist, auch wenn er sich in den letzten Jahrzehnten sicher weiterentwickelt hat, immer noch unzureichend. Zumeist beschränkt er sich auf biologisch-anatomische Betrachtung von Schwangerschaft und (heterosexuellem) Geschlechtsverkehr. Fragen von Verhütung, Abtreibung, anderer sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität werden wenig bis gar nicht behandelt.

Auch der Zugang zu Verhütungsmitteln ist – gerade für Jugendliche – oftmals nicht sehr einfach. Auf der einen Seite sind diese, vor allem hormonelle wie die Pille, oftmals gesundheitlich nicht unbedenklich, auf der anderen Seite stehen aber auch aus finanzieller Hinsicht oftmals Barrieren im Weg. Der Mangel an einfach zugänglichen und kostenlosen Verhütungsmitteln zeigt sich unter anderem auch darin, dass es jährlich zu geschätzt 30.000 Abtreibungen kommt.

Die Vereinfachung des Zuganges zu diesen ist eine zentrale Forderung, auch wenn sie im Frauenvolksbegehren deutlich wenig Beachtung findet. Es wird zum Beispiel nicht einmal die Streichung des Paragraphen 96 aus dem Strafgesetzbuch gefordert, der Schwangerschaftsabbruch illegalisiert (auch wenn er mit der Fristenlösung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft straffrei ist). Auch eine Ausweitung der Frist von 3 Monaten findet sich nicht im Forderungskatalog wieder.

Schutz gewähren

Kein Unterdrückungsmechanismus im Kapitalismus existiert losgelöst von anderen. Speziell zwischen Rassismus und Sexismus gibt es wesentliche Überschneidungen und Wechselbeziehungen. Deshalb ist speziell dieser Forderungskomplex sehr begrüßenswert, wenn auch nur in Ansätzen ausgeprägt und recht wenig radikal. Das Frauenvolksbegehren fordert in diesem Bereich nämlich: die Anerkennung von frauen- bzw. geschlechtsspezifischen Fluchtgründen, das Recht auf Familienzusammenführung, einen Aufenthaltsstatus unabhängig von der/m EhepartnerIn, spezielle Maßnahmen zum Schutz von geflüchteten Frauen und anderes.

Frauen sind auf der Flucht weitaus mehr Gefahren ausgesetzt als Männer. Oftmals erfahren sie sogar sexualisierte Gewalt. Umso wichtiger ist es hier, die Interessen von geflüchteten Frauen nochmals speziell hervorzuheben. Allgemein wird es aber in diesem Punkt nicht geschafft, wirklich radikal mit der reaktionären Flüchtlingspolitik der etablierten Parteien (also auch der SPÖ) zu brechen.

Was aber in diesem Teil auch noch mal speziell hervorsticht und sich durch das Frauenvolksbegehren durchzieht, ist die Stellung, die es zum bürgerlichen Staat einnimmt. Es liegt in der Natur eines Volksbegehrens, dass es nur Forderungen an den bürgerlichen Staat richten und nicht als Instrument dienen kann, die Unterdrückten selbst zu organisieren. Das ist auch gleichzeitig die größte Schwäche nicht nur dieses Volksbegehrens, sondern von Volksbegehren im Allgemeinen.

Natürlich ist es nicht prinzipiell falsch, Forderungen an den bürgerlichen Staat zu stellen. Doch es gibt Bereiche wie zum Beispiel die Forderung nach Förderung und Zusammenarbeit mit der Polizei, wo dieser Appell in eine reaktionäre Stoßrichtung umschlägt. Der bürgerliche Staat und insbesondere seine Repressionsorgane können keine verlässlichen Verbündeten im Kampf gegen Sexismus, Rassismus oder Unterdrückung im Allgemeinen sein, sie dienen der Aufrechterhaltung der unterdrückerischen Verhältnisse. Vielmehr muss das Ziel darin liegen, Frauen gemeinsam mit der Frauen- und ArbeiterInnenbewegung gegen sexistische Gewalt zu organisieren. Ein Appell an die Polizei schafft hier entweder nur Illusionen oder stärkt allgemein die Möglichkeiten des bürgerlichen Staates.

Gewalt verhindern

Spätestens mit #metoo ist auch in Österreich die Diskussion über Gewalt gegen und Belästigung von Frauen verstärkt in der Gesellschaft diskutiert worden, auch wenn die Diskussion in Österreich um einiges weniger erfolgreiche Ergebnisse zeigte als in anderen Ländern. Peter Pilz sitzt wieder im Nationalrat, der ÖSV ist laut „Expertenkommission“ nicht sexistischer als „Unternehmen analoger Größenordnung“ und der Innenminister arbeitet bewusst daran, sexualisierte Gewalt so darzustellen, als ob sie nur von fremden (besonders nichtösterreichischen) Männern begangen würde.

Dabei ist klar, dass die überwältigende Mehrheit der Frauen sexuelle Belästigung erfährt, jede 5. Frau über 15 Jahren von (häuslicher) Gewalt betroffen ist und die Mehrheit der Täter aus ihrem unmittelbaren persönlichen Umfeld kommt. Oftmals sind es Ehemänner oder (Ex-)Partner. Deshalb ist die Forderung nach einem Ausbau von Gewaltschutzzentren mehr als notwendig. Auch die Sensibilisierung an Schulen ist wichtig. Der Appell zum Ausbau der Kooperation mit der Polizei ist jedoch, wie schon weiter oben argumentiert, mehr als verzichtbar. Vielmehr sollte die Selbstorganisierung von Frauen gemeinsam mit der organisierten Frauen- und ArbeiterInnenbewegung im Vordergrund stehen, um sich bei Gewaltschutz nicht auf die – ohnehin sexistischen und rassistischen – Organe des bürgerlichen Staates zu verlassen.

Was bezwecken Volksbegehren?

Ein erfolgreiches Volksbegehren hat als solches genommen nicht viel mehr Konsequenzen, als dass im Nationalrat darüber diskutiert werden muss. Das bedeutet auch, dass bei dieser Regierung, die sich großteils ablehnend gegenüber dem Volksbegehren (und Frauenrechten generell) positioniert hat, vermutlich nicht sehr viel von den Forderungen umgesetzt werden wird. Der wesentlichere Output kann eben deswegen nur sein, eine gesellschaftliche Diskussion über die Themen anzustoßen und dadurch eine Bewegung auf der Straße, in den Gewerkschaften und Betrieben zu entfachen, die auch den gesellschaftlichen Druck erzeugen kann, damit die Forderungen auch wirklich erzwungen werden können. Denn was der Kampf für Gleichberechtigung im letzten Jahrhundert gezeigt hat, ist, dass diese nicht einfach vom Himmel fällt, sondern hart erkämpft werden muss.

Deshalb müssen wir auch klarmachen, dass dieses Frauenvolksbegehren zu keinen positiven Verbesserungen führt, wenn es nicht seine selbstgesteckten Einschränkungen beseitigt. Aktuell ist die Perspektive rein auf ein formales Mittel der „direkten“ Demokratie im österreichischen Staat ausgelegt. Dabei ist sehr einfach zu durchschauen, dass eine strategische Ausrichtung alleine darauf vollkommen verheerend sein kann. Die vielen UnterstützerInnen, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, müssen erkennen, dass ihr Engagement nicht einfach nur für eine gute Medienaktion draufgehen sollte. Vielmehr muss das Frauenvolksbegehren auch eine reale Mobilisierung auf der Straße und eine Auseinandersetzung in den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung bewirken. Ein erster Schritt kann zum Beispiel sein, am Tag der Debatte des Frauenvolksbegehrens eine große Demonstration für die Durchsetzung der Forderungen abzuhalten. Die Mehrheit im Nationalrat wird nicht im Traum daran denken, die Inhalte des Volksbegehrens durchzusetzen. Wir müssen sie dazu zwingen und das geht letztlich nur durch eine Bewegung auf der Straße, unterstützt durch die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, allen voran die Gewerkschaften.

Aber es muss auch klar sein, dass – egal wie sehr wir kämpfen – uns unsere Rechte jederzeit wieder weggenommen werden können. Dafür müssen wir nur auf die nächste große Krise warten. Der Kapitalismus als Ursache der Frauenunterdrückung muss überwunden werden. Und das geht nur als kämpfende Bewegung der ArbeiterInnenklasse. Viele der Punkte im Frauenvolksbegehren müssen essentielle Forderungen einer solchen Bewegung sein, die in auf eigene Stärke vertraut anstatt auf den bürgerlichen Staat. Aber leider bricht der kleinbürgerliche Charakter des Frauenvolksbegehrens doch immer wieder mit den Interessen der ArbeiterInnenklasse. Deshalb müssen wir die Menschen überzeugen, einen Schritt weiterzugehen. Denn echte Frauenbefreiung wird es erst geben, wenn diese Dystopie, diese Antiutopie in Form des „freien Marktes“ endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

 

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