Arbeiter:innenmacht

Wahlen in Simbabwe: Mnangagwa gewinnt und lässt Gewalt folgen

Jeremy Dewar, Infomail 1021, 20. September 2018

Emmerson Mnangagwa gelang es mit 50,8 Prozent, gerade genug Stimmen zu sammeln, um die Präsidentschaftswahlen in Simbabwe zu gewinnen. Damit sicherte er sich das Amt, das er mit Gewalt im Militärputsch errungen hatte, der Robert Mugabe im November 2017 stürzte. Durch diese knappe Mehrheit muss der Kandidat der regierenden Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (Afrikanische Nationalunion Simbabwes-Patriotische Front; ZANU-PF) nicht zur zweiten Runde gegen seinen Rivalen Nelson Chamisa vom Movement For Democratic Change (Bewegung für demokratischen Wandel; MDC) antreten, der 44,3 Prozent erhielt.

Die Oppositionskräfte, die in fast allen städtischen Zentren einschließlich der Hauptstadt Harare sowie unter den unterdrückten ethnischen Gruppen wie dem Volk der Ndebele die Mehrheit erhielten, entdeckten bald, was sie von Mnangagwa zu erwarten hatten. Kurz nach der Wahl überfielen die Polizei und andere staatliche Kräfte die Büros der MDC, nahmen ihre AnführerInnen fest und griffen die Nachwahlkundgebungen der Opposition an, wobei mindestens sechs Menschen starben.

Chamisa legte gegen das Wahlergebnis Berufung ein, verlor aber seinen Fall, ohne dass viele konkrete Beweise für Wahlbetrug vorgelegt wurden. Tatsächlich gewann die ZANU-PF 144 der 210 umkämpften Parlamentssitze und beweist damit, dass sie immer noch eine Wahlbasis in der Bevölkerung hat.

WahlbeobachterInnen aus verschiedenen Ländern, darunter den USA, China und der EU (aber nicht dem Vereinigten Königreich, aufgrund der Verhängung von Sanktionen), berichteten über geringfügige Unregelmäßigkeiten, stellten das Ergebnis jedoch nicht in Frage. Die Ironie, dass China mittlerweile eine Autorität in Wahlfragen ist, wird natürlich bei der Bevölkerung weder in China noch in Simbabwe Eindruck gemacht haben, denn schließlich flog Mnangagwa letztes Jahr nach Peking, um die Zustimmung für seinen geplanten Militärputsch einzuholen.

Neoliberalismus oder Neoliberalismus?

Ein Teil von Mnangagwas Unterstützung stammte eindeutig von seiner Rolle im Staatsstreich, wodurch man den verhassten Diktator Mugabe loswurde. Ja, es war ein Militärputsch, aber er wurde auch von großen Feierlichkeiten auf den Straßen begleitet.

Diese Unterstützung hat sich in den Städten und Landesteilen weitgehend abgeschwächt. Dort bleiben die Erinnerungen an die Rolle des „Krokodils“ als Sicherheitschef der ZANU-PF noch frisch, der den Völkermord an über 20.000 Ndebele im Matabeleland (in Südsimbabwe) zwischen 1982 und 1987 überwachte. Aber für weite Teile in den ländlichen Regionen, wo zwei Drittel der Bevölkerung leben, verkörpert die ZANU-PF unter der neuen Leitung sozusagen weiterhin den Geist des antikolonialen Widerstands.

Natürlich könnte diese Illusion nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Im ZANU-PF-Volksmanifest wurde euphemistisch geschrieben:

„Wir befinden uns jetzt in einem neuen Ordnungssystem unter der Leitung der ZANU-PF, in welchem der Schwerpunkt und die Besorgnis der neuen Regierung darauf gerichtet sind, das Land für Unternehmen zu öffnen […] und Investitionen sowie die wirtschaftliche Stärkung zu fördern und sich auf eine investoren-freundliche Entwicklung neu auszurichten, die zu Wirtschaftswachstum führt.“

Löhne, gewerkschaftliche und demokratische Rechte, wichtige öffentliche Dienstleistungen und Steuerkürzungen werden nun alle auf die Bedürfnisse ausländischer, imperialistischer InvestorInnen „neu ausgerichtet“. Der einzige wirkliche Unterschied zur Mugabe-Ära besteht darin, dass Mnangagwa jetzt amerikanischem und vor allem britischem Investment den Hof machen wird, um zu versuchen, ein imperialistisches Lager gegen das andere auszuspielen. Theresa Mays aktuelle Handelsreise durch das südliche Afrika unterstreicht die Bereitschaft Großbritanniens, das Angebot aufzugreifen.

Um den Weg dafür zu ebnen, dass Großbritannien sicherlich bald die Wirtschaftssanktionen gegen das Land fallen lässt, hat Mnangagwa versprochen, die vertriebenen weißen FarmerInnen zu entschädigen, bot den verbleibenden 99 Jahre geltende Erbpachtverträge an und schlug Anreize für diejenigen vor, die nach Sambia und anderswohin ausgewandert sind.

Kein Wunder, dass das „Krokodil“ im Januar beim Weltwirtschaftsforum im Alpendomizil Davos, zu welchem er als erster Führer Simbabwes eingeladen war, sich als Volltreffer erwies.

Es ist Zeit, sich von der MDC abzuwenden

Ein weiterer Grund für den Sieg der ZANU-PF liegt jedoch darin, dass die Wahlversprechen der Opposition in vielerlei Hinsicht schlechter waren. Das Wahlprogramm der Opposition beging den gravierenden Fehler, eine weitgehende Rücknahme der Agrarreform zu versprechen, indem sie die kultivierbaren Agrarflächen für den freien Markt öffnen wollte. Dies konnte nur dazu führen, das Monopol auf Großgrundbesitz zu stärken und umverteiltes Land an seine ehemaligen (weißen) BesitzerInnen zurückzugeben.

Die MDC ging weiter als die ZANU-PF und bot ausländischen InvestorInnen Reformen an, die das „Geschäft erleichtern“. Und auch sie ist durch ihre jahrelange loyale Verabschiedung von Gesetzen gegen die ArbeiterInnenklasse als Juniorpartnerin in Koalition mit Mugabe 2009-2013 alles andere als makellos.

Der Grund, warum sie weiterhin massenhaft von großen Teilen der ArbeiterInnenklasse unterstützt wird, liegt darin, dass die MDC als ArbeiterInnenpartei von GewerkschaftsbürokratInnen 1999 gegründet wurde. Ihr ursprünglicher Vorsitzender Morgan Tsvangirai war Generalsekretär des Simbabwischen Gewerkschaftsbundes ZCTU.

Trotz ihrer Ursprünge warb die MDC jedoch von Anfang um Unterstützung durch den westlichen Imperialismus sowie die weißen FarmerInnen und ging sogar so weit, die vollständige Umsetzung des IWF-Strukturanpassungsprogramms zu versprechen. Bald kontrollierte das weiße Agrarkapital viele der Hebel der Macht innerhalb der Partei. Außerdem befand sich die MDC dieses Jahr im Bündnis mit sechs kleineren offen bürgerlichen Parteien. Anstatt jedoch eine neue Partei zu fordern, hat die ZCTU-Führung das MDC-Wahlbündnis opportunistisch und prinzipienlos weiter unterstützt.

Was wir brauchen, ist eine neue ArbeiterInnenpartei. Die Gewerkschaftsbewegung, die in den letzten Jahren Niederlagen und Rückschritte erlitten hat, ist immer noch eine Bewegung mit einer stolzen Geschichte des militanten Aktivismus. Das gilt auch für die Organisationen der Masse der Bauern und Bäuerinnen des Landes.

Das Ziel der Gewerkschaftsbasis muss es sein, sich in einem Bündnis mit dem städtischen und ländlichen Prekariat von der Kontrolle der GewerkschaftsführerInnen zu befreien. Erste Schritte hierfür sind die Organisierung des Widerstands gegen die Repression sowie die Offensive der UnternehmerInnen, welche sicherlich nach den Wahlen erfolgen werden. Als Nächstes müssen lokale und nationale Konferenzen einberufen werden mit dem Ziel, die Lehren der MDC zu diskutieren sowie die Gründung einer neuen Partei unter Kontrolle der Basis, mit einem revolutionären, antikapitalistischen und antikolonialen Programm ausgerüstet, zu planen.

Eine Partei, die ihre Hände in internationaler Solidarität ausstreckt und Verbindungen zu ähnlichen Bewegungen, die in Südafrika im Gange sind, sucht. Eine Partei, die den Kampf für nationale Unabhängigkeit auf die einzig mögliche Weise beenden kann, indem sie für eine Sozialistische Föderation Afrikas als Teil einer sozialistischen Welt kämpft.

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