Arbeiter:innenmacht

6.000 demonstrieren gegen AfD-Parteitag: Wie weiter im Kampf gegen die Rechten?

Robert Teller, Neue Internationale 230, Juli/August 2018

Am 31. Juni und 01. Juli traf sich die AfD in Augsburg zum Bundesparteitag. Noch deutlich mehr versammelten sich aber, um den ReaktionärInnen den passenden Empfang zu bereiten. Etwa 6.000 DemonstrantInnen nahmen an zwei Protestzügen teil, die sich auf dem Weg zum Rathausplatz vereinigten. An Organisationen waren v. a. die Grünen, die Jusos, [’solid] und diverse Antifa-Gruppen vertreten. Die meisten TeilnehmerInnen dürften aber unorganisierte AktivistInnen gewesen sein, vor allem auch viele Jugendliche. Viele AntirassistInnen und AntifaschistInnen wurden bei „Vorkontrollen“ durch die Polizei aufgehalten, nachdem bereits in den Tagen zuvor durch Hetze gegen „gewaltbereite DemonstrantInnen“ ein Klima geschaffen wurde, das das Aufgebot von 2.000 Bullen rechtfertigen sollte.

Schon vier Tage vor Beginn des Parteitags wurde ein Aktivist auf Grundlage des neuen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) in Präventivgewahrsam genommen, um seine Teilnahme an den Protesten zu verhindern. Im Vorfeld wurden Räume des Projekts „Solidarische Stadt“ in Augsburg durchsucht und Material beschlagnahmt. Eine Verkäuferin der „Neuen Internationale“ wurde über eine Stunde kontrolliert, weil die Zeitung und das Impressum überprüft werden müssten. All das zeigt, dass die weitreichenden Befugnisse des bayrischen Polizeiaufgabengesetzes ganz real gegen Linke eingesetzt werden.

Ergebnisse des Parteitags

Größere interne Flügelkämpfe wie auf den Parteitagen der vergangenen drei Jahre gab es in Augsburg nicht, auch wenn es dazu durchaus Anlass gegeben hätte. Die AfD zog es jedoch vor, sich lieber ausgiebig der Krise der anderen zu widmen – also dem Beinahe-Bruch zwischen CDU und CSU. Darüber hinaus gab es die übliche deutschnationale Soße – nichts Neues also.

Die AfD möchte Deutschland wieder groß machen, indem sie an Rhein und Oder wieder Schlagbäume aufstellt. Das deutsche Kapital hat im Moment aber wenig Interesse an solchen Rezepten, weil es sich dessen bewusst ist, dass vor allem der Export von Autos und Maschinen, die tagtäglich über diese Grenzen rollen, den deutschen Imperialismus „groß“ gemacht hat. Doch wenn die AfD in Zukunft weitere Wahlerfolge feiern wird, so wird es für sie nicht mehr ausreichen, bloß die reaktionäre Dreckschleuder der Nation zu spielen. Sie wird auch gezwungen sein, „echte“ Politik fürs Kapital zu machen. Spätestens dann wird der bestehende Konflikt zwischen dem ultra-rechten und dem nationalliberalen Flügel wieder aufbrechen. Die Diskussion zur Rente, wo Björn Höcke mit seiner „Nationalrente“ einen völkischen Gegenentwurf zum völligen Kahlschlag des staatlichen Rentensystems – wie von Jörg Meuthen gefordert – vorstellte, kam auf dem Parteitag am Rande zur Sprache.

Auswertung der Demonstrationen

Unter vielen TeilnehmerInnen war die Stimmung kämpferisch. Angeführt wurde die Demonstration von einem großen Jugendblock. Ziel der Aktionen war aber nicht, den Parteitag zu stören oder zu verhindern, sondern lediglich ein politisches Signal zu setzen. Dies zeigte sich auch daran, dass keine Kundgebung in unmittelbarer Nähe des Parteitags abgehalten und am Morgen kein ernsthafter Versuch unternommen wurde, die TeilnehmerInnen des Parteitags an der Anreise zu hindern. Ob dies angesichts des großen Polizeiaufgebots, zu dem auch staatliche Schlägertrupps wie das USK gehörten, realistisch gewesen wäre, sei dahingestellt. Ohne Zweifel wäre aber mehr als nur eine volksfestartige Veranstaltung möglich gewesen, wie sie von der Initiative „Zeig dich AUX“ von Anfang an beabsichtigt war.

Die Auftakt- und Abschlusskundgebung war dominiert von eher unpolitischen kulturellen Beiträgen sowie von den Reden offen bürgerlicher Parteien wie den Grünen und der CSU. „Zeig dich AUX“ hatte noch nicht einmal einen politischen Aufruf zu den Aktionen verfasst. Auf den Auftritt des CSU-Oberbürgermeisters Kurt Gribl, der zu Recht von vielen TeilnehmerInnen ausgebuht wurde, folgte die Rede von Claudia Roth, die die Politik der AfD als „Angriff auf die Grundlagen unserer Demokratie, auf Moral und Ethik und politischen Anstand“ beschrieb.

Nach dieser Sichtweise ist Rassismus vor allem ein Problem individueller Einstellungen von Menschen. Politisch ist er nur insofern ein Problem, als dass er „unsere“ Demokratie schwächt und in Frage stellt – wohlgemerkt jene Demokratie, die aktuell die Außerkraftsetzung von Grundrechten durch Einrichtung von „Transitzentren“ plant, aus denen Geflüchtete ohne Prüfung ihres Asylantrags abgeschoben werden sollen, wenn sie bis zu 30 Kilometer hinter der Grenze aufgegriffen werden.

Das Problem mit diesem bürgerlichen Antifaschismus ist, dass diese Demokratie nicht „unsere“ ist, sondern die des deutschen Kapitals. Der bürgerliche Antifaschismus stellt dem „völkischen“ Patriotismus, dem Chauvinismus hinsichtlich kultureller Identität oder ethnischer Abstammung, einen „guten“ Patriotismus entgegen, dessen Nationalstolz sich über die Errungenschaften „demokratischer Institutionen“, Menschenrechte etc. legitimiert und der insofern auch den „gut integrierten“ MigrantInnen offensteht. Aber auch dieser „aufgeklärte Patriotismus“ verfolgt den Zweck, unterschiedliche gesellschaftliche Klassen in einem scheinbar über den Klassen stehenden gesellschaftlichen Gesamtinteresse zu vereinen – eben zur Verteidigung der „Demokratie“.

Wie kämpfen?

Wenn auch die AfD insgesamt keine faschistische Partei und aktuell nicht zu größeren Straßenmobilisierungen in der Lage ist, so beherbergt sie eindeutig einen Flügel, der in diese Richtung geht und mit FaschistInnen vernetzt ist. Angesichts dieser Entwicklung so zu tun, als bestünde das Hauptproblem darin, dass die RassistInnen die „demokratische Kultur“ verunreinigen, kann man nur als Pfeifen im Walde bezeichnen. In der allgemeinen Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre ist die extreme Rechte dabei, sich in der AfD als parlamentarischem Arm zu etablieren. Dies ist eine Gefahr für die gesamte Linke – auch wenn nicht nur Augsburg gezeigt hat, dass eine weit größere Zahl von Menschen bereit ist, gegen den Rechtsruck aktiv zu werden. Dass das Erstarken der Rechten keineswegs eine zwangsläufige Folge der massenhaften Flucht von Menschen nach Europa war, zeigen auch die Zigtausende, die in lokalen Supporter-Initiativen seit 2015 aktiv waren oder sind.

Um dieses Potenzial zu einer politischen Kraft werden zu lassen, ist jedoch ein politisches Konzept erforderlich, das Antirassismus als Teil des Kampfes gegen soziale und politische Angriffe begreift. Dazu ist es zunächst einmal notwendig, Rassismus überhaupt als politische Kategorie zu benennen, als soziale und politische Unterdrückung von Menschen – und nicht als ethisches und moralisches Problem, wie es in dem Begriff „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zum Ausdruck kommt. Rassismus ist letztlich ein notwendiges Element der herrschenden Ideologie im imperialistischen Weltsystem, zumal in einer Zeit, in der sich globale Konflikte massiv zuspitzen. Daher lässt er sich auch nicht allein durch Aufklärung oder „Gegenkultur“ bekämpfen. Die Orientierung auf „breite Bündnisse“ – die faktisch immer von offen bürgerlichen Parteien, Kirchen usw. dominiert werden – geht zwangsläufig mit dem Verzicht auf die Kritik am staatlichen Rassismus und seinen Ursachen an sich einher.

Einheitsfront

Die reformistischen Massenorganisationen leisten ungewollt ihren Beitrag zum Rechtsruck in Deutschland. Die SPD, indem sie als einzig verlässliche Stütze der Regierung jede Asylrechtsverschärfung mitträgt und damit diese Politik als gesellschaftliche Normalität stehenlässt. Die Linkspartei dagegen positioniert sich zwar mehrheitlich klar gegen die Asylpolitik der Regierung, setzt aber gleichzeitig in den von ihr mitregierten Ländern die Abschiebepolitik mit um – und verfügt auch über keine Analyse und Kritik des Rassismus, die an dessen Wurzeln gehen würde. Stattdessen beruht ihr Programm auf der Hoffnung, eine „soziale Offensive“ würde den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft wiederherstellen. Dabei lässt sie eine offene Flanke für rechte QuerschlägerInnen wie Wagenknecht, die behauptet, ebendieser Zusammenhalt werde durch „Einwanderung in die Sozialsysteme“ gefährdet.

Im Kampf gegen die AfD und den Rechtsruck halten wir eine Einheitsfront für erforderlich, die alle linken und ArbeiterInnenorganisationen einbezieht. Eine solche Einheitsfront würde sich insbesondere auch an Linkspartei und SPD wenden und diese auffordern, einen ernsthaften Kampf gegen den zunehmenden Rassismus zu führen. Ebenso ist es vonnöten, innerhalb der Linken zu diskutieren, welche Aktionen und Strategien für diesen Kampf notwendig sind. Die Aktivenkonferenz von „Aufstehen gegen Rassismus“ am 1. und 2. September in Frankfurt sollte genau diese Fragen in den Mittelpunkt stellen.

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