Arbeiter:innenmacht

Ein schlechter Tag für die AfD – doch wer siegte in Berlin?

Martin Suchanek, Infomail 1005, 28. Mai 2018

Der 27. Mai war kein guter Tag für die AfD. Die wochenlang großspurig angekündigte „Eroberung“ der Berliner Straßen blieb aus. Statt der noch bis vor kurzem anvisierten Zehntausend plus X beteiligten sich nur rund 5000 RassistInnen, Ultra-NationalistInnen und eine erhebliche Zahl FaschistInnen an der Demonstration der AfD. Obwohl etliche TeilnehmerInnen aus dem Bundesgebiet angekarrt und auch noch finanziell geködert wurden, blieb die Beteiligung unter den Erwartungen. Schon in den Tagen vor der Demonstration hatte die AfD-Führung die Erwartungen angesichts des drohenden „Linksterrors“ nach unten geschraubt, der deutschen Frauen und Familien nicht zumutbar wäre.

Nach vier Stunden war der rechte Spuk dann auch vorbei, freilich nicht, ohne zuvor jede Menge rechter Hetze zu verbreiten. So reaktionär, völkisch, rassistisch die Reden von Gauland und von Storch auch sind – sie verweisen darauf, was die AfD will. Wer allen Ernstes davon spricht, dass Deutschland an den Islam gefallen sei und der Bundesregierung vorwirft, seit Jahrzehnten (!) keine „deutschen Interessen“ mehr zu vertreten, lebt nicht nur in einer anderen Welt – er oder sie spricht auch für einen weitaus aggressiveren internationalen Kurs des deutschen Kapitals und ein umfassendes gesellschaftliches Rollback. Dobrindt mag von der „konservativen Revolution“ reden, die AfD will sie wahr machen.

Heute zieht die herrschende Klasse noch einen in demokratische und Menschenrechtsphrasen gekleideten imperialistischen Kurs vor, wie er von der Bundesregierung und der „respektablen“ bürgerlichen Opposition vertreten wird. Aber ein erneuter Kriseneinbruch und der Zerfall der EU können eine aggressivere Neuorientierung notwendig machen und einen politischen Führungsstil der – ganz im Gefolge der Trumps, Putins, aber auch Macrons dieser Welt – mehr auf populistische und autoritäre Herrschaftsformen setzt als die Schönwetterveranstaltung namens bürgerlich-parlamentarische Demokratie.

Vor diesem Hintergrund sollte der Jubel über die – noch – bescheidene Mobilisierung der AfD allenfalls verhalten ausfallen. Die AfD ist sicherlich keine Partei der Straßenmobilisierung. Ein großer Teil ihrer Mitglieder und vor allem ihrer WählerInnen will eine andere staatliche Politik, mehr Autoritarismus, Nationalismus, mehr Armee und Polizei, mehr rassistische Abschottung. Die AfD und die Mehrheit ihrer AnhängerInnen sind keine StraßenschlägerInnen, sondern reaktionäre SpießerInnen, die einen starken bürgerlichen Staat „für die Deutschen“, die imaginierte Volksgemeinschaft wollen, um erfolgreich ihren Geschäften nachzugehen oder nicht von „AusländerInnen“ in der Konkurrenz niedergemacht zu werden. Rassismus und Volkstümelei gelten ihnen nicht nur als ideologischer Kitt, sondern auch als soziales Versprechen.

Der 27. Mai verdeutlichte jedoch auch, dass sich in der Partei neben rechts-konservativen, nationalistischen und neo-liberalen Kräften ein faschistischer oder dem Faschismus nahestehender Flügel gebildet hat. Er stützt sich auf rabiate KleinbürgerInnen, deklassierte oder von Deklassierung bedrohte weiße deutsche Lohnabhängige, die von der reformistischen ArbeiterInnenbewegung frustriert ihr Heil in einer Partei der reaktionären Verzweiflung suchen. Sie können für den Fall weiterer sozialer und gesellschaftlicher Verwerfungen den Bodensatz für die Entstehung einer faschistischen Partei bilden.

So weit ist es – zum Glück – noch nicht. Zweifellos war aber dieser Teil der AfD-AnhängerInnen bei der Demonstration und der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor überproportional vertreten. Das belegen Zusammenstöße von abziehenden Nazis mit AntirassistInnen am S-Bahnhof Friedrichstraße. Hinzu kommt, dass Berlin für die AfD ein vergleichsweise schwieriges Pflaster ist. Hätte sie zum Marsch gegen Merkel nach Dresden mobilisiert, wäre dieser zweifellos weit größer ausgefallen, wäre in Verbindung mit Pediga eine wirkliche, bedrohliche Masse auf die Beine gebracht worden.

Zehntausende GegendemonstrantInnen

In Berlin protestierten jedoch Zehntausende gegen die AfD. Selbst nach Polizeiangaben beteiligten sich rund 25.000 bis 30.000 an den zahlreichen Gegenaktionen, Kundgebungen, Techno-Paraden und Blockadeversuchen. Die OrganisatorInnen von „Stoppt den Hass“ schätzten die Zahl der AfD-GegnerInnen sogar auf 72.000. Dies ist wohl zu hoch gegriffen. In jedem Fall übertraf die Anzahl der Menschen, die gegen die AfD und deren Rassismus auf die Straße gingen, die Rechten um ein Vielfaches, mindestens im Verhältnis von 5:1 (25.000 zu 5.000). Das darf zuversichtlich stimmen.

Auch wenn die AfD selbst keine faschistische Partei ist, so war die Kundgebung eine Manifestation des aggressiven Nationalismus und Rassismus, die sich auch auf die Mobilisierung durch faschistische Strukturen stützte. Es war daher vollkommen gerechtfertigt, dass die AfD am Marschieren gehindert werden sollte. In der verhaltenen Sprache von „Stoppt den Hass“ wurde dazu aufgerufen, die Stadt und Wege der AfD „zuzustellen“.

Doch „zugestellt“ wurde der Aufmarsch nicht. Die AfD konnte ihre Route unter Polizeischutz wie geplant laufen. Nur ein einer Stelle (Reinhardtstraße) konnte die rechte Demonstration kurzzeitig angehalten werden. Andere Blockadeversuche scheiterten an Polizeirepression, Einsatz von Pfefferspray und einzelnen Festnahmen, aber auch an der Halbherzigkeit der Aktionen und deren schlechter Koordinierung. Vor allem aber war nur eine Minderheit der AfD-GegnerInnen in die Versuche einbezogen, den Aufmarsch wirklich zu stoppen oder auch nur ernsthaft zu behindern. Realistischerweise müssen wir bilanzieren, dass wahrscheinlich weniger Menschen in diese Versuche involviert waren, als die RassistInnen auf die Straße brachten.

Dieser Mangel an Entschlossenheit und die Tatsache, dass die AfD ihre Route ohne größere Behinderungen laufen und ihre Kundgebungen abhalten konnte, relativieren den politischen Erfolg der Gegenmobilisierung. Sie verweisen darauf, dass wir uns kritisch mit der politischen Ausrichtung und Taktik im Kampf gegen die AfD auseinandersetzen müssen. Die Masse zeigt zwar, dass die Kräfte vorhanden sind, die AfD zu stoppen – aber die eingeschlagene politische Ausrichtung wird dazu nicht in der Lage sein.

Bunt gegen braun?

Bei aller Unterschiedlichkeit der Mobilisierungsformen zielte die Aktion darauf ab, der Tristesse der Deutschtümelei der AfD die farbenfrohe Vielfalt „unseres Berlins“ entgegenzustellen. Der völkisch und nationalistisch (v)erklärten Welt der AfD stellten die RednerInnen von der Bühne am „Platz der Republik“ (vor dem Reichstag) die bunte Welt der bürgerlichen Demokratie entgegen. Diese Vielfalt will von Klassen, von Imperialismus und Krieg nichts wissen – jedenfalls nicht im Kampf gegen Rassismus und die AfD.

Auch wenn im Mobilisierungsbündnis linkere Kräfte (Linkspartei, diverse Postautonome, antirassistische Initiativen) vorherrschten, so waren die Kundgebung und die Ausrichtung der Aktionen letztlich von den Kräften der Berliner Senatskoalition geprägt. Wir kritisieren dabei keinesfalls, dass am 27. Mai größere Kontingente der Jusos, der SPD, der Linkspartei, der Grünen Jugend anwesend waren, wohl aber, dass die politische Ausrichtung des Protestes und der Aktionsformen im Voraus darauf berechnet waren, das „bürgerliche Spektrum“ nicht zu verschrecken. Daher gab es auch nur den Aufruf, sich an einer stationären Kundgebung vor dem Reichstag zu versammeln und allenfalls an die Absperrungen der AfD-Abschlusskundgebung zu laufen und diese durch Sprechchöre zu stören.

Dieser „breite Protest“, der auch darauf abzielte, einen „Keil“ zwischen die AfD und die „normalen“ konservativen Kräfte zu treiben, ging selbst in der Mobilisierung nicht wirklich auf. Die „traditionellen“ Bürgerlichen – CDU und FPD – ließen sich erst gar nicht blicken. Im „Kampf gegen die AfD“ setzen sie auf Law and Order, Heimatschutz und staatlichen Rassismus, um den Rechten durch die Umsetzung ihrer Forderungen den Boden zu entziehen.

Die links-bürgerlichen Grünen und die reformistischen Parteien (SPD und Linkspartei) treiben ein mehr oder minder geschicktes Doppelspiel. Die Linkspartei gibt vor, sie wäre für offene Grenzen – und beugt sich dem „Sachzwang“ Abschiebungen in den Landesregierungen. Die SPD zimmert im Bund an rassistischen Gesetzesverschärfungen und gibt sich in Berlin weltoffen. Während die Berliner Senatsparteien die Polizei schützend vor die AfD stellen, wollen sie beim Protest auch nicht fehlen. Nur „zu weit“, also zu einer Konfrontation ihrer AnhängerInnen mit „ihrer“ Polizei oder der AfD, soll es aber auch nicht kommen. Dafür sorgte an diesem Tag die „Protestchoreografie“.

Die Masse der „bürgerlichen“ TeilnehmerInnen – eigentlich neben Grünen vor allem die von reformistischen Parteien und Gewerkschaften organisierten Lohnabhängigen – versammelte sich vor dem Reichstag. Die Raver-Paraden, Demonstrationen von KünstlerInnen und anderen Menschen der intellektuellen Zivilgesellschaft zogen in Umzügen durch Stadt, hatten aber auch nicht vor, die AfD wirklich zu stellen, sondern verbreiteten im Grunde denselben Inhalt und dieselbe politische Ausrichtung wie die Kundgebung vor dem Reichstag – allerdings mit dem Schein parteipolitischer „Unabhängigkeit“.

In Wirklichkeit eint sie jedoch die Ideologie des demokratischen, bürgerlichen Antirassismus. Nicht dass die AfD die Lohnabhängigen und Unterdrückten spaltet und ihr Rassismus dem Kapital und dem deutschen Imperialismus in die Hände spielt, wird ihr zum Vorwurf gemacht. Vielmehr mache die AfD „unsere Stadt“ kaputt, ruiniere deren „guten Ruf“. So wie die „demokratische“, bürgerliche Ausrichtung auf der Reichstagswiese auch für FDP und CDU noch ein Plätzchen in der Anti-AfD-Koalition freihalten will, so vereint die Raver-Parade ClubbesitzerInnen, Beschäftigte und KundInnen.

Im Rahmen dieser Protestchoreografie erhalten die Linksradikalen auch noch einige Blockadepunkte, die sie zum Ausgangspunkt für ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei verwenden dürfen. Am 27. Mai waren diese militanteren Aktionen nur halbherzig. Selbst schwächere Polizeiketten wurden in der Regel nur zaghaft, also rein passiv zu durchbrechen versucht. Vor allem aber waren diese Aktionen im Rahmen des „Gesamtkonzeptes“ im Voraus nur auf eine Minderheit zugeschnitten, die sich etwas austoben konnte.

Das Problem ist dabei nicht, dass auch Bürgerliche oder UnternehmerInnen an Aktionen gegen einen rassistischen Aufmarsch teilnehmen. Was die reformistischen Parteien (SPD und DIE LINKE) sowie die Gewerkschaften betrifft, sind wir sogar unbedingt dafür, dass sie aufgefordert werden zu mobilisieren.

Das Problem besteht vielmehr darin, dass sich die Mobilisierungsbündnisse (und auch die „radikaleren“ Kräfte wie die Postautonomen oder auch die GenossInnen von Marx21 in der Linkspartei) im Voraus der Ausrichtung auf einen bürgerlichen Antirassismus unterordnen, also Aufrufe wie Aktionsformen so einrichten und planen, dass sie für das „demokratische“ Bürgertum akzeptabel sind.

Ideologisch drückt sich das z. B. in Leerformeln wie „unser Berlin“ aus, das es der AfD gezeigt habe. Dumm nur, dass „unser“ Berlin uns ebenso wenig gehört wie „unsere“ Wohnungen, „unsere“ Arbeitsplätze oder „unsere“ Kultur.

Unsere Wohnungen gehören bekanntlich der „Deutsche Wohnen“ oder öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, die gegen Besetzungsversuche auf ihr Eigentumsrecht pochen. „Unsere Arbeitsplätze“ sind nicht nichts als ein verkehrter Ausdruck für die Produktionsmittel, die „unseren“ AusbeuterInnen gehören. Und „unsere“ Kultur ist natürlich auch nur eine Spielart der bürgerlichen Kultur, mag sie auch der von der AfD favorisierten biedermännischen reaktionären Variante vorzuziehen sein. Während die der AfD das „Volk“ in den Mittelpunkt ihres Weltbildes steht, so ist es beim bürgerlichen Protest „der Mensch“, das „Individuum“. Von Klassen und einer klassenpolitischen Ausrichtung der Aktionen wollen ihre OrganisatorInnen, die vorherrschenden Kräfte des Gegenprotests nichts wissen.

Welche Ausrichtung, welche Aktionsformen brauchen wir?

Wer der AfD wirklich den Nährboden entziehen, ihr politisch das Wasser abgraben will, darf zum staatlichen Rassismus wie überhaupt zu den Klasseninteressen der bürgerlichen Mitte, der Regierungsparteien und der gesamten parlamentarischen Opposition nicht schweigen.

Daher sollten sich gemeinsame Aufrufe mit Parteien wie SPD und DIE LINKE oder den Gewerkschaften – wie jede Einheitsfront – auf konkrete gemeinsame Aktionen beschränken. Es geht dabei nicht darum, eine konsequent anti-rassistische Position von reformistischen oder kleinbürgerlichen Kräften zur Vorbedingung für eine gemeinsame Blockade oder Aktion gegen die AfD (oder andere rassistische Aufmärsche oder gegen Nazis) zu machen, zumal eine solche letztlich mit jeder reformistischen oder kleinbürgerlichen Politik unvereinbar ist. Vielmehr geht es um konkrete Verabredungen, einen kurzen Aufruf, der die gemeinsamen Aktionsziele darlegt und erklärt. Auf Tribünen, bei Reden usw. sollten alle Organisationen, alle RednerInnen volle Propagandafreiheit genießen – also auch das Recht, die politischen Fehler und Inkonsequenz ihrer zeitweiligen BündnispartnerInnen offen zu kritisieren (so wie natürlich auch richtige oder vorbildliche Aktionen von BündnispartnerInnen gewürdigt werden sollen).

Für RevolutionärInnen kann und darf die Propagandafreiheit keine Nebensache, keine gegenüber der gemeinsamen Aktion vernachlässigbare Frage sein, sie muss diese vielmehr begleiten.

Um so wichtiger ist das, wenn die vorherrschenden Kräfte einer antirassistischen Mobilisierung eine Ausrichtung verbreiten, die den Antirassismus auf eine Frage bürgerlich-demokratischer Etikette reduziert und die Wurzeln des Rassismus in der imperialistischen Ordnung und jeden Zusammenhang zwischen Rassismus und „sozialer Frage“ dementiert.

Dies ist nicht nur eine ideelle Frage, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die Form und Effektivität der Gegenaktionen.

Am 27. Mai hätte die Möglichkeit bestanden, die AfD nicht nur zahlenmäßig in den Schatten zu stellen, sondern ihre Demonstration auch zu verhindern. Es wäre die Aufgabe eines gemeinsamen Aktionsbündnisses gewesen, die Masse zu einer koordinierten, gemeinsamen Kraft zu bündeln. Doch das wurde erst gar nicht versucht. Vielmehr wurde die Vielzahl schlecht koordinierter Aktionen (13 an der Zahl!) zu einer Stärke – „unserer Vielfalt“ – verklärt. In Wirklichkeit reduzierte diese Zersplitterung der Kräfte ihre mögliche, gemeinsame Wirksamkeit im Voraus gegen null.

Um die AfD-Demonstration zu verhindern, hätten sich die mobilisierenden Kräfte jedoch von vornherein auf eine verbindliche Aktionsleitung verständigen müssen, die einem oder mehren Demozügen ein Struktur gegeben hätte. So wäre es möglich gewesen, besser organisierte Teile an die Spitze zu stellen und zugleich die Masse unorganisierter Menschen einzubinden.

Es hätte aber auch erfordert, ein anderes Aktionskonzept zu kommunizieren. Die Verhinderung des rassistischen Aufmarsches hätte als gemeinsame, massenhafte, aber auch militante Aktion gegen eine Partei, die Hass und Rassismus schürt und Millionen des Landes verweisen will, zum Ziel proklamiert werden müssen. Wenn die AfD wirklich blockiert und „zugestellt“ hätte werden sollen, so müssen auch die DemonstrantInnen darauf vorbereitet werden, sich gegen Polizeirepression, AfD- und Nazi-SchlägerInnen zu verteidigen.

In jedem Fall hätte zu organisiertem Demoschutz und Schutz der Aktionen aufgerufen und diese vorbereitet werden müssen. So blieb dies am 27. Mai allenfalls einigen kleineren Gruppen der „radikalen“ Linken vorbehalten. Deren Versuche, die AfD-Route zu blockieren, scheiterten bekanntlich. Doch was wäre passiert, wenn sie direkt auf die RassistInnen gestoßen wären? Angesichts der gesamten Vorbereitung und „gewaltfreien“ Ausrichtung der Proteste, also angesichts des Verzichts auf Selbstverteidigungsstrukturen, hätte eine direkte Konfrontation mit den OrdnerInnen der AfD oder den rechten TeilnehmerInnen leicht übel ausgehen können. Von einer Sitzblockade werden sich die AfDlerInnen und erst recht deren Nazi-MitläuferInnen nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil, sie würden sie als Aufforderung zur brutalen Gewalt auffassen.

Bürgerlicher und proletarischer Antirassismus

Ein linker, proletarischer Antirassismus unterscheidet sich vom bürgerlichen daher nicht nur in seiner politischen und ideologischen Ausrichtung. Er unterscheidet sich auch darin, wer eigentlich das Subjekt des Kampfes gegen den Rassismus sein und wie dieser geführt werden soll. Der bürgerliche erblickt das Subjekt in einer klassenübergreifenden Gemeinschaft „der Menschen“, letztlich in der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer ideellen Zusammenfassung im „wirklich“ demokratischen Staat, dem gegebenenfalls mit „zivilem Ungehorsam“ auf die Sprünge geholfen werden soll.

Der proletarische Antirassismus betrachtet den Kampf als integralen Teil des Klassenkampfes. Das Subjekt sind nicht „die Menschen“, sondern die Lohnabhängigen und Unterdrücken. Damit sie zu diesem Subjekt werden können, ist auch ein ideologischer und politischer Kampf notwendig gegen bürgerliche Vorstellungen und Ideen (einschließlich ihrer reformistischen und „radikalen“ kleinbürgerlichen Spielarten). Während sich bürgerliche AntirassistInnen letztlich das Gute vom Staat erhoffen, setzt der proletarische Antirassismus auf den Aufbau einer organisierten, kämpferischen Bewegung, die nicht auf Polizei- und Repressionsapparat, sondern auf eigenen Selbstverteidigungsstrukturen im Kampf gegen Rassismus und Faschismus fußt.

Für den Kampf gegen die AfD ist die Frage der politischen Ausrichtung, der Taktik und Kampfmethoden eine Schlüsselfrage. Dass Zehntausende gegen die Rechten auf die Straße gingen, zeigt, dass wir sie schlagen und ihren Aufstieg stoppen können. Aber die Vorstellung, dass dies auf die Dauer mit dem politischen Konzept der Gegenaktionen in Berlin möglich wäre, ist illusorisch. Im Kampf gegen die rassistische Gefahr braucht es einen grundlegenden Kurswechsel.

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