DGB vor dem Bundeskongress: Weiter so – wohin?

Frederik Haber, Neue International 228, Mai 2018

Mit Metallindustrie und öffentlichem Dienst haben zwei wichtige Branchen ihre Tarifrunden beendet: im Ergebnis besser als die letzten, aber jeweils deutlich von den geforderten 6 Prozent entfernt. Es gab große Warnstreiks, bei Metall auch Eintagesstreiks, aber die Kampfkraft wurde deutlich nicht ausgeschöpft – von der Kampfbereitschaft der Beschäftigten her wäre deutlich mehr drin gewesen.

Über die wirtschaftliche Lage sagt dies indirekt aus, dass von der weltweiten Erholung Deutschland besonders profitiert. Über die Gewerkschaftsführungen sagt es aus, dass ihnen das Wichtigste ist, dass die deutsche Exportoffensive weitergeht. Dafür soll die von Ihnen unterstützte Große Koalition sorgen. Dafür wird den Metall-Konzernen gezeigt, dass nur die IG Metall die Massen im Griff hat, selbst wenn diese streiken. Dafür wird das Konzept der Agenda weitergeführt: Eine Elite von Stammbeschäftigten in der Exportindustrie wird befriedigt, die Dienstleistungssektoren werden kurzgehalten, die Niedriglohnbereiche samt Leiharbeit und Werkverträgen werden reguliert, aber ausgebaut.

Garniert wird das Ganze mit den traditionellen Wunschlisten. Zum Ersten Mai fordert der DGB:

  • „Niedriglöhne, Mini- und Midijobs sind keine Perspektive für die Zukunft: Schluss damit! Sie gehören abgeschafft, nicht ausgeweitet! Die Schonzeit für die Arbeitgeber ist vorüber!
  • Überstunden und Überlastung im öffentlichen Dienst gehören abgeschafft! Wir fordern mehr Personal!
  • Finger weg vom Arbeitszeitgesetz – mehr Mitbestimmung der Beschäftigten bei ihrer Arbeitszeitplanung!
  • Investiert endlich in bessere Bildung und Infrastruktur. Sofort!
  • Eine Lohnlücke von 21 Prozent bei der Bezahlung von Frauen ist ungerecht. Beendet das!
  • Arbeitgeber, die aus der Tarifbindung flüchten, verweigern gerechte Löhne. Verbietet es ihnen!
  • Reiche müssen mehr tragen als Arme – wir fordern ein gerechtes Steuersystem. Jetzt!
  • Europa ist ein fantastisches und einzigartiges Projekt, es darf nicht scheitern. Stärkt ein soziales und solidarisches Europa!”

Wie für diese Forderungen kämpfen? Aus den Formulierungen wird schon deutlich, dass hier an die Regierung appelliert wird. Es gibt keinen Aufruf an die Arbeitenden und Arbeitslosen, dafür zu kämpfen. Nicht mal einen Aufruf, sich dafür gewerkschaftlich zu organisieren und Betriebsräte zu bilden. Die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in Betrieben ohne Betriebsrat und ohne Tarifbindung. Stattdessen wird der Regierung zugerufen: „Werde mutiger!“

Für die Zukunft ist dieses Konzept absolut untauglich. Jeder Abschwung international oder in Deutschland wird zu neuen Angriffen führen, zu Ausgliederungen im öffentlichen Dienst, zur Verlagerung von Produktion ins Ausland, zu Angriffen der Regierung auf die ArbeiterInnenklasse. Je mehr SPD und DGB mit der CDU gemeinsame Sache machen, je mehr die Sozialpartnerschaft in den Betrieben blüht, je weniger die Betriebsräte und Gewerkschaften Konzepte für Widerstand haben und Mobilisierungen üben, umso einfacher ist der Einfall der rechten DemagogInnen in die ArbeiterInnenklasse.

Wenn IGM-Hofmanns Antwort auf die rechten Betriebsratskandidaturen ist, die „erfolgreiche Arbeit weiter zu machen“, dann will er die AfD-Wahlerfolge und die Unterstützung für rechte Betriebsratslisten nicht sehen. Wenn die IG Metall zentralistisch festlegt, welche Betriebe streiken dürfen und welche nicht, wenn die Belegschaften der Großbetriebe an Streiktagen bewusst nicht zu Versammlungen aufgerufen werden, dann gibt man den Rechten die Chance, sich als diejenigen zu präsentieren, die nicht nur für die Arbeitenden eintreten, sondern auch zum Handeln aufrufen.

Für den DGB reduziert sich der Kampf gegen den Rassismus auf den Protest gegen AfD und gelegentlich gegen die CSU. Offene Grenzen und gleiche Rechte für alle, die hier leben und arbeiten sind kein Thema. Internationale Solidarität beschränkt sich auf Sonntagsreden.

Die internationale Politik der Bundesregierung wird manchmal kritisch, letztlich aber wohlwollend begleitet. Trotz Austeritätsdiktaten der EU, Auslandseinsätzen und Aufrüstung existiert der deutsche Imperialismus für die Gewerkschaftsbürokratie allenfalls in der Vergangenheit. Totschweigen ergänzt die Standortpolitik.

Die linken, kämpferischen Kolleginnen und Kollegen müssen in dieser Situation eine klare pollitische Kritik an den Gewerkschaftsführungen formulieren, auch wenn große Teile der Beschäftigten mit deren „Erfolgen“ zufrieden sind oder die Bürokratie unterstützen, damit die Rechten nicht stärker werden.

Es gilt, sich an alle die zu wenden, die aus dem „Modell Deutschland“ jetzt schon rausfallen, die von Arbeitsplatzvernichtung oder Angriffen auf Löhne und Sozialleistungen betroffen sind. An alle, die sich mit eigenen Listen gegen BetriebsratfürstInnen wehren. Es gilt, eigene Initiativen zu ergreifen und zu unterstützen. Es gilt, das „Weiter so“ anzugreifen und die oppositionellen Kräfte in den Betrieben und an der Gewerkschaftsbasis zu unterstützen und zu vereinen.

Das ist der Weg, die Rechten zu blockieren und die bürokratischen Machtapparate in den Gewerkschaften anzugreifen. Das ist der Weg, die Klassenkämpfe vorzubereiten, die die kommende Krise des Kapitalismus bringen wird und für die sich Kapital und Staat schon rüsten!