Freiheit für Carles Puigdemont! Keine Auslieferung an den spanischen Staat!

Tobi Hansen, Infomail 995, 28. März 2018

Seit Anfang November befindet sich Carles Puigdemont auf der Flucht. Sein Verbrechen? Er verkündete als gewählter katalanischer Ministerpräsident die Unabhängigkeit des Landes. Auch wenn er deren Umsetzung unmittelbar aussetzte, um darüber mit der Regierung in Madrid und der EU zu verhandeln, so macht ihm erstere seither den Prozess.

Nachdem sich Puigdemont in Belgien relativ sicher aufhalten konnte, erließ die spanische Polizei im März 2018 erneut einen europäischen Haftbefehl gegen den Politiker in der Hoffnung, ihn außerhalb Belgiens festzunehmen. Er konnte jedoch auf einer Konferenz in Finnland auftreten und das Land rechtzeitig verlassen. Dänemark ließ ihn unbehelligt passieren. Erst in Deutschland schlugen die Erfüllungshilfen der spanischen Regierung in Form des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamts (LKA) zu und nahmen ihn an einer Autobahnraststätte fest. Das LKA als Büttel Rajoys – so funktioniert die EU-Demokratie.

Angeklagt ist Puigdemont vor allem wegen Rebellion (gegen die spanische Zentralregierung) und Veruntreuung, da das Referendum immerhin 6 Millionen Euro gekostet habe, unter anderem wohl auch der Einsatz der spanischen Polizei, die die Abstimmung zu verhindern trachtete. So wird die Durchführung einer Volksabstimmung über das Selbstbestimmungsrecht noch zu einem Gesetzesbruch – ein schlagender Beweis für die politische Kontinuität des Franquismus in der spanischen Rechten und im Staatsapparat.

Die meiste Zeit verbrachte Puigdemont in Belgien. Dort sind verschiedene separatistisch gesinnte bürgerliche Parteien (z. B. die N-VA, Nieuw-Vlaamse Alliantsie; deutsch: Neu-Flämische Allianz) auch an der Regierung. Hier konnte sich Puigdemont, einigermaßen geduldet, weiter an der spanischen und katalanischen Politik beteiligen. Theoretisch ist er weiterhin der einzige Kandidat auf den Posten des Ministerpräsidenten. Die pro-spanischen Parteien verfügen im Regionalparlament über keine Mehrheit. Daher wird in der „Zwischenzeit“ Katalonien per Artikel 155 von Madrid aus zwangsverwaltet.

Aktuell hat die spanische Regierung unter Rajoy, die für die Zwangsmaßnahmen gegen die Region Katalonien im Parlament die Unterstützung von der PSOE (Sozialdemokratie) und der rechtsbürgerlichen Ciudadanos (deutsch: Staatbürgerpartei) sicher hat, die Verfahren gegen Mitglieder der Regionalregierung eröffnet. Neun von ihnen sind derzeit in Haft.

Nach der Inhaftierung Puigdemonts kam es in Barcelona sofort zu Massenprotesten. Die Polizei wandte massiv Gewalt an. Auch von dem Gebrauch der Schusswaffen war zu lesen. Zur „Abschreckung“ wurde in die Luft geschossen. Alles, was jetzt in Barcelona an Gewalt folgt, alle Verletzungen, alle möglichen Opfer gehen auch auf das Konto der deutschen Justiz, der „Jamaika“- Koalition aus Kiel und natürlich der deutschen Bundesregierung. Diese hat sich auf die Seite Rajoys geschlagen, mag sie auch die Frage der und formelle Verantwortung für eine Auslieferung an die Gerichte abwälzen. Für den deutschen Imperialismus ist Spanien ein strategischer Partner, mögen die katalanischen NationalistInnen noch so sehr an Deutschland und die EU appellieren.

Wir unterstützen die Forderung, Puigdemont sofort freizulassen und nicht auszuliefern. Gerade eine Woche nach dem internationalen Tag der politischen Gefangenen müssen die demokratischen Rechte der Regionalregierung Kataloniens und ihrer Mitglieder verteidigt werden.

Für den Kampf in Katalonien, gegen die Madrider Zwangsverwaltung wie gegen das gesamte Regime Rajoy ist es aber entscheidend, die Bewegung in Katalonien selbst politisch neu auszurichten. Schließlich befinden sich die „SeparatistInnen“ selbst in einer Orientierungskrise, die zwei, miteinander verbundene Ursuchen hat. Erstens muss die Protestbewegung mit der politischen Unterordnung unter bürgerliche Parteien brechen. Die ehemalige neoliberale Regionalregierung von Puigdemont ist eben keine strategische Verbündete. Zweitens muss sich die Bewegung nicht nationalistisch, sondern entlang des gemeinsamen Kampfes zur Verteidigung demokratischer Rechte und sozialer Forderungen in Katalonien und den anderen spanischen Regionen neu ausrichten. Als RevolutionärInnen verteidigen wir das nationale Selbstbestimmungsrecht (einschließlich des Rechts, einen eigenen Staat zu gründen) bedingungslos. Aber – gerade auch angesichts der zwiespältigen Haltung der ArbeiterInnenklasse im Land selbst – halten wir die Herstellung der ArbeiterInneneinheit gegen die spanische Regierung und den gemeinsamen Kampf für eine sozialistische Umwälzung in Spanien für die korrekte Orientierung. Ansonsten droht, dass weiterhin nationalistisches Gift KatalanInnen und „SpanierInnen“ gegeneinander in Stellung bringt, die Lohnabhängigen als die Bauernopfer für Rajoy und Puigdemont herhalten müssen.

  1. Keine Auslieferung von Puigdemont!
  2. Freiheit für alle politischen Gefangenen im spanischen Staat!
  3. Für einen gemeinsamen Kampf der KatalanInnen und „SpanierInnen“ gegen Rajoy!