ANC – Business as usual, aber frische Kräfte sammeln sich links

Jeremy Dewar, Infomail 990, 4. März 2018

Die Beschlagnahmung des Vermögens der berüchtigten, wohlhabenden und korrupten Gupta-Brüder war ein weiterer Nagel im Sarg von Präsident Jacob Zuma. Seit langem eng mit den beiden verbunden, scheint es jetzt, als würden sie alle zusammen untergehen.

Der ANC (African National Congress) hat Zuma bereits wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, aber es ist unklar, ob dies ausreicht, um sich selbst länger an der Macht zu halten.

Ein neuer ANC?

Cyril Ramaphosa ist der jüngste Veteran des afrikanischen Befreiungskampfes, der sich als selbsternannter Anti-Korruptionsreformer präsentiert und als Retter seiner umkämpften Partei und damit der Nation auftritt. Aber wie beim jüngst zum Vorsitzenden der Zanu-PF, der Schwesterpartei des ANC in Simbabwe, gewählten Emmerson Mnangagwa, dessen Nettovermögen auf mehr als 450 Millionen Dollar geschätzt wird, ist es extrem unwahrscheinlich, dass er sich effektiv gegen Korruption stellen oder die Probleme chronischer Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit auf die Tagesordnung setzen wird, also jener Probleme, die Südafrika von Beginn an heimsuchen.

Wie ein Führer der NUM (National Union of Mineworkers; deutsch: Nationale Bergarbeitergewerkschaft) unter der Apartheid und selbsternannter Sozialist zu einem Millionär wurde, mag Außenstehende überraschen. Aber wie für viele ANC-FührerInnen bedeutete „Black Economic Empowerment“ (BEE; deutsch: schwarze wirtschaftliche Ermächtigung) für ihn vor allem die eigene Bereicherung. Die Armen in den Townships und die ArbeiterInnen in den Fabriken oder auf dem Land sahen wenig „Selbstermächtigung“ oder Bereicherung.

Wie Mnangagwa nutzte Ramaphosa seine Rede vom 8. Januar, um den 106. Jahrestag des regierenden ANC zu feiern und zur Einheit der Partei aufzurufen: „Wir müssen uns von der Zersplitterung befreien. Wir wollen keinen gespaltenen Afrikanischen Nationalkongress. (…) Eines der Dinge, die Genossin Nkosazana Dlamini-Zuma gesagt hat, war: ‚Geteilt fallen wir, vereint stehen wir‘. Das hat eine große Bedeutung.“

Indem sich Ramaphosa auf seine mit 51 zu 49 Prozent knapp besiegte Gegnerin bei der Vorwahl des ANC vom 18. Dezember 2017 bezog, versuchte er, die Ängste des mächtigen gegnerischen Flügels der Partei zu besänftigen. Dieser hatte von den Hintermännergeschäften, Regierungsverträgen und illegalen finanziellen Manövern profitiert, die die Präsidentschaft Zumas geprägt hatten – und er will das natürlich weiter tun. „Ihr habt nichts von mir zu befürchten […], solange wir uns zusammenschließen müssen, um die Demokratische Allianz (die ehemalige regierende Nationalpartei) bei den Wahlen 2019 zu besiegen.“

Aber Dlamini-Zuma, auch bekannt als NDZ, wird von den meisten Gemeinde-, Gewerkschafts- und StudierendenaktivistInnen verachtet. Unterstützt von ihrem ehemaligen Ehemann, um zu sichern, dass sie als Übergangspräsidentin vor 2019 eingesetzt wird, führte NDZ eine ANC-Fraktion an, die immer noch Schlüsselpositionen innerhalb der Partei kontrolliert und die Politik der BEE sowohl wörtlich als auch persönlich nahm.

Sipho Pityana erläutert das riesige und lukrative Netz der Korruption, das als „Staatseroberung“ bekannt ist, in der Financial Times folgendermaßen:

„Das Wesentliche daran ist, dass sie das Staatsoberhaupt kompromittieren, dass sie das Staatsoberhaupt in der Tasche haben […] Sie setzen alle Strafverfolgungsbehörden außer Kraft und ermöglichen den ungehinderten Zugang zu Personen, die ihre Positionen im Amt dem Wohlwollen des Präsidenten verdanken. Sie haben uneingeschränktes Recht, sehr hochrangige Personen in der Regierung zu ernennen und zu feuern, einschließlich KabinettsministerInnen, GeheimdienstmitarbeiterInnen, MitarbeiterInnen staatlicher Unternehmen und allen wichtigen strategischen PosteninhaberInnen, von denen sie denken, dass sie ihren Weg zu den Staatskassen behindern oder verunmöglichen würden. Es ist eine zielstrebige Durchdringung staatlicher Ressourcen.“

Jacob Zuma hat in letzter Minute eine Untersuchung über die staatliche Einflussnahme eingeleitet, aber dies war nur ein zynischer Versuch, seine unvermeidliche Ablösung hinauszuzögern. Nachdem sie von Ramaphosa in ihrem Bestreben, Interimspräsidentin zu werden, brüskiert wurde, wollten NDZ und ihre Mitstreiter, die „Zuptas“, Ramaphosas Kandidatur schwächen, damit sie ihn davon abhalten können, Präsidentschaftkandidat des ANC bei den Wahlen 2019 zu werden.

Wer ist Ramaphosa?

Ramaphosa erklärte, er wolle „die Konzentration des Eigentums und die Kontrolle über die Wirtschaft reduzieren sowie den Markt für neue schwarze Unternehmen öffnen“. Trotz eines Zugeständnisses in Richtung ArbeiterInnengenossenschaften und Vertretung in Mitbestimmungsgremien stellt dies keinen wirklichen Bruch mit der BEE dar. Er will Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe schaffen, indem er auf Protektionismus, Quoten oder Steuererleichterungen hinweist, schweigt aber zu Armutslöhnen und fehlenden Gewerkschaftsrechten.

Die meiste Aufmerksamkeit hat sich jedoch auf sein Engagement konzentriert, den gesamten Grund und Boden Südafrikas „entschädigungslos“ zu verstaatlichen. Dies ist jedoch in keinster Weise ein sozialistischer Akt. Ramaphosa stellte klar, dass es als marktfreundliche Tat interpretiert wurde. Er ließ verlauten, dass die „Enteignung des Landes unter Berücksichtigung aller wichtigen Dinge wie des Wachstums unserer Wirtschaft, der landwirtschaftlichen Produktion sowie der Ernährungssicherheit, durchgeführt wird“. Dies ist ein Hinweis an die weißen Agrarunternehmen und Großba(e)uerInnen, dass das Land zu lächerlich niedrigen Preisen an sie zurückverpachtet wird, da sie diejenigen sind, die wissen, wie man kapitalistische Farmen führt.

Ramaphosa hat sich für ein „nicht-rassisches Südafrika“ ausgesprochen und wird von der sogenannten „White Monopoly Capital“-Fraktion des ANC unterstützt. Aber das ist schlussendlich, was die südafrikanische schwarze ArbeiterInnenklasse von diesem Verräter und Mordkomplizen zu erwarten hat.

Obwohl Ramaphosa 1980 die südafrikanische Bergarbeitergewerkschaft NUM gründete und viele mutige Streiks gegen die Apartheid führte, ist sein politischer Weg nach rechts gut dokumentiert und weithin bekannt. 1987 leitete er den revolutionären Bergleutestreik, der das alte Apartheidregime an den Rand des Sturzes brachte – und verkaufte ihn dann aus. Für seine Dienste wurde Ramaphosa ein paar Jahre später in die Führung des ANC eingebunden, um Verhandlungen zur Beendigung der Apartheid auf reformistische Weise zu tätigen, die die Zukunft des „White Monopoly Capital“ sicherten und zur Vereinbarung eines Übergangsregimes mit den sog. „Sunset“-Klauseln führten.

Nachdem Ramaphosa zum Chef der staatlichen Zentralbank ernannt und in den Vorstand von Lonmin, dem berüchtigten Bergbauunternehmen, berufen worden war, zog er sich aus der Politik zurück. Er verdiente Millionen und ließ die Bergleute, die er einst angeführt hatte, hinter sich.

Massaker von Marikana

Im Jahr 2012 wurden 44 streikende Bergleute, darunter viele Mitglieder der NUM, die nur mit zeremoniellen Speeren bewaffnet waren, von der Polizei erschossen. Zwei Jahre später stellte sich heraus, dass Cyril Ramaphosa eine direkte Rolle in diesem Massaker spielte. Er schickte eine E-Mail, in der er den Streik „nicht als Arbeitskonflikt, sondern als kriminelle Handlung“ bezeichnete und das Kabinett aufforderte, „den Polizeiminister Nathi Mthetwa dazu zu bewegen, in einer klaren Art und Weise zu handeln […] Lassen Sie uns einfach den Druck aufrechterhalten, um sie zu korrektem Handeln zu bringen!“

Er bezeichnete die Bergleute als „schlicht und einfach hinterhältig kriminell“, und mit „dieser Charakterisierung bedarf es eines entsprechendes Handelns“. Genau 24 Stunden später, am 16. August 2012, tat Mthetwa, was ihm gesagt wurde. Vierundvierzig Bergleute wurden im Kugelhagel erschossen. Ihr Blut klebt an Ramaphosas Händen; er hat sich nie dafür entschuldigt.

Trotz der Zusagen, die Landreform ohne Entschädigung durchzuführen – ein Versprechen, das er nie zu erfüllen gedenkt – würde Ramaphosa weiterhin über eine neoliberale Wirtschaft herrschen, die ihn so reich gemacht hat. Er muss von der ArbeiterInnenklasse bekämpft werden – sozial, wirtschaftlich und vor allem politisch.

Die Demokratische Allianz (ehemals Demokratische Partei und davor die alte regierende Nationalpartei unter der Apartheid) ist die größte Bedrohung für den ANC. Sie hat einen charismatischen, jungen schwarzen Führer, Mmusi Maimane, einen ehemaligen Bürgermeister von Kapstadt, wo die Partei am stärksten ist. Während sie sich selbst als nicht-rassische oder multirassische Partei neu erfindet, fördert sie jedoch die gleiche Politik des weißen Monopolkapitals, die seit der Apartheid der schwarzen ArbeiterInnenklasse nichts gebracht hat.

Die Post-Apartheid-Volksfrontallianz des ANC, der SACP (Kommunistische Partei Südafrikas) und des Gewerkschaftsbundes COSATU unterstützte jahrelang die neoliberale Agenda. Aber seit Marikana ist diese Unterstützung gebrochen, vielleicht sogar grundlegend. Die MetallarbeiterInnengewerkschaft NUMSA wurde aus dem ANC ausgeschlossen, weil sie ein Ende der Allianz gefordert hatte. Im April letzten Jahres hat sie die Südafrikanische Gewerkschaftsföderation (SAFTU) als revolutionäre Alternative zu COSATU ins Leben gerufen und organisiert rund 700.000 Mitglieder.

Leider ist die Einheit mit einer anderen linken Föderation, NACTU, zu der die abtrünnige Bergarbeitergewerkschaft AMCU gehört, die nach Marikana die NUM überflügelte, nicht zustande gekommen. Schlimmer noch, SAFTU-Führer Zwelinzima Vavi forderte kürzlich Bergleute dazu auf, sich der NUMSA anzuschließen, nachdem AMCU seine Forderungen nach Einheit zurückgewiesen hatte. Während es notwendig war, mit COSATU zu brechen, kann eine Fülle kleiner „Basis-„ oder gar „revolutionärer“ Gewerkschaften, wie man zum Beispiel in Italien beobachten kann, die ArbeiterInnenklasse nicht allein zu großen Siegen führen.

Die ArbeiterInnenparteien

Wie bei den Gewerkschaften, so auch bei den ArbeiterInnenparteien in Südafrika. Die SACP ist so lange in die arbeiterInnenfeindliche Klassenpolitik der ANC-Regierung verstrickt, dass sie von SozialistInnen, Gemeinde- und StudierendenaktivistInnen gehasst wird. Im Jahr 2013 gründete Julius Malema, der aus der ANC-Jugendliga ausgeschlossene Anführer der Feuerwehrleute, die Economic Freedom Fighters (EFF), die bei den Parlamentswahlen im Mai 2014 25 Abgeordnete mit 6,35 Prozent und über einer Million Stimmen gewinnen konnten.

Malema hat sich die Ikonen der US- amerikanischen Black Panthers zu eigen gemacht mit einer selbst proklamierten „marxistisch-leninistischen“ Ideologie, Baretten und sich selbst als „Chefkommandanten“ installiert. Das Manifest der EFF fordert die entschädigungslose Verstaatlichung des Landes, der Minen, der Industrie und der Banken. Die EFF sind in den Straßen und im Parlament mit ihren roten Baretten und roten T-Shirts unverwechselbar. Bis zu 40.000 nehmen an Kundgebungen der Organisation teil. Malema wird aber auch der Geldwäsche, Belästigung von JournalistInnen, Steuerhinterziehung und der Annahme von Schmiergeldern aus staatlichen Quellen der Provinz Limpopo beschuldigt. Er unterstützte den in Ungnade gefallenen, ehemaligen simbabwischen Präsidenten Mugabe.

Die National Union of Metalworkers of South Africa, NUMSA, die größte Gewerkschaft Südafrikas, hat kürzlich eine wichtige Erklärung abgegeben, in der sie einen sauberen Bruch mit dem ANC fordert. Dies ist ein langjähriges Ziel der MetallarbeiterInnengewerkschaft, die auf die Tage von Moses Mayekiso in den 1980er Jahren zurückgeht und von NUMSA-Chef Irvin Jim wiederbelebt wurde, als die Gewerkschaft 2014 aus COSATU getrieben wurde.

In der Erklärung, die Irvin Jim im Januar verkündete, heißt es:

„Wir fordern Sie auf, uns beim Aufbau einer ArbeiterInnenpartei zu helfen, die im Interesse der ArbeiterInnenklasse und der Armen kämpfen wird. Ihre Vision ist der ArbeiterInnenklasse und den Armen unseres Landes untergeordnet. Der Kampf für den Sozialismus ist kein Selbstzweck, sondern ein Kampf für eine kommunistische klassenlose Gesellschaft, von der Karl Marx zu Recht sagte, dass das Prinzip gelte: ‚Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen‘.“

Der Aufruf brandmarkte auch Zuma und Ramaphosa gleichermaßen.

NUMSA teilt SAFTUs Ansicht, dass „Cyril Ramaphosa ein zutiefst kompromittierter kapitalistischer Milliardär ist, dessen Hände mit dem Blut der 34 Opfer von Marikana befleckt sind, die vom Staat kaltblütig erschossen wurden, um White Monopoly Capital im Allgemeinen und Lonmin im Besonderen zu schützen“. Außerdem sei es naiv zu glauben, dass die Vetternwirtschaft und Korruption, die für den ANC kennzeichnend sind, verschwinden werden. Genau dieselben Leute, die still und leise zusahen, während der Staat aktiv von verschiedenen Fraktionen des Kapitals geplündert wurde, einschließlich der Familien Gupta und Rupert, sind diejenigen, die die obersten Führungsstrukturen des ANC bilden. Dazu gehörte auch Ramaphosa selbst. Sie könnten sich nicht von den korrupten Tendenzen der Partei befreien. Darüber hinaus wurde der ANC in seiner Korruption durch die Führung der Kommunistischen Partei Südafrikas und des Gewerkschaftsbundes COSATU unterstützt, die weiterhin aktiv Mitglieder der ArbeiterInnenklasse dazu verleiten, ihre schlimmsten SchlächterInnen für ihre eigene, egoistische, enge politische Agenda zu unterstützen.

Die ursprünglichen Forderungen in der Erklärung umfassen:

  • Für einen existenzsichernden Lohn von 12.500 Rand (860 Euro) pro Monat
  • Gegen das vorgeschlagene gewerkschaftsfeindliche Gesetz und für das Streikrecht
  • Verstaatlichung der Kommandohöhen der Wirtschaft
  • ArbeiterInnenvertretung in den Vorständen staatlicher Unternehmen
  • Volle ArbeiterInnenrechte für GelegenheitsarbeiterInnen und prekär beschäftigte ArbeiterInnen, nieder mit den Bandenchefs.

Er hebt auch die freie Bildung und die Verstaatlichung und Umverteilung von Land hervor, zwei der neuesten Forderungen der Bewegung. Dies ist ein großer Fortschritt, vorausgesetzt, dass diesmal auch Taten folgen.

Der Aufruf NUMSAs zur Bildung einer neuen ArbeiterInnenpartei sollte mit dem Aufbau aktiver Ortsruppen in allen Townships, Städten und Dörfern, vor allem in allen Fabriken und Bergwerken verbunden werden. Dann, und nur dann, wird ein echter Bruch mit der Vormundschaft durch den ANC eintreten.

Eine dringende Aufgabe ist eine demokratische Konferenz, an der die abtrünnigen Gewerkschaften, kommunalen Organisationen, Studierendengewerkschaften und die halbrevolutionären (zentristischen) sozialistischen Gruppen und Wahlbündnisse teilnehmen: eine Konferenz, die eine echte Opposition, die stark in den Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse verwurzelt ist, gegen den ANC und die DA hervorbringen könnte.

Es muss eine echte demokratische Programmdebatte stattfinden und ein politischer Bruch mit der stalinistischen Methode der Kommunistischen Partei Südafrikas vollzogen werden, insbesondere mit ihrer Volksfrontstrategie der Zusammenarbeit mit politischen Kräften der nicht arbeitenden Klasse. Stattdessen muss ihre Orientierung die Permanente Revolution sein, bei der die ArbeiterInnen den Kampf gegen die massiven Überreste weißer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Vorherrschaft und des Imperialismus zur Schaffung einer ArbeiterInnenregierung führen: einen Kampf, der die gesamte kapitalistische Klasse enteignen kann, sowohl die schwarze als auch die weiße. Ein Hauptaugenmerk auf den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei werden die Wahlen 2019 richten.

Die Mobilisierungen und Auseinandersetzungen davor und danach könnten die Art kämpferischer Opposition nach Südafrika zurückbringen, die es seit den letzten Tagen der Apartheid nicht mehr gegeben hatte.