Body Positivity: Webfeminismus oder revolutionäre Frauenbewegung?

Leonie Schmid, Revolution-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Der Druck auf Frauen, immer gut auszusehen, ist in unserer Gesellschaft wirklich sehr hoch: immer glänzende frisch gewaschene (am besten lange) Haare zu haben, möglichst keine Hautunreinheiten, am besten schlank, aber mit Rundungen und sportlich. Das Schönheitsideal dürfte jedem/r klar sein, der/die sich in sozialen Netzwerken, Geschäften oder auch Schulen herumtreibt. Das führt vor allem bei jungen Mädchen zu massiver Unsicherheit. „Wer schön sein will, muss leiden“, wird hier wörtlich genommen: ob es sich nun darum handelt, bei -10 °C in Minirock und Feinstrumpfhosen in die Schule zu gehen oder um Mitternacht Sit-ups zu machen, um den perfekten Bauch zu bekommen, sich schmerzhaft die Beine zu enthaaren oder nicht ungeschminkt das Haus verlassen zu können. Sich stetig unsicher in seinem Körper zu fühlen, immer hübsch aussehen zu wollen, ist Standard. Was mit Verunsicherung anfängt, kann in mitunter tödlichen Essstörungen enden.

Was ist Body Positivity überhaupt?

Eine Antwort des neueren Feminismus darauf ist Body Positivity. Es handelt sich hierbei um eine Bewegung, die vor allem im Internet sehr erfolgreich ist und Frauen dazu auffordert, sich radikal selbst zu lieben mit all ihren vermeintlichen Makeln und gegen die westlichen Schönheitsideale anzukämpfen. Viele posten Bilder, schreiben Texte und unterstützen sich gegenseitig. In erster Linie ist das eine gute Sache. Sich nicht für seinen Körper zu schämen und dem ständigen Druck, gut aussehen zu müssen, den Kampf anzusagen, ist wichtig.

Leider gibt es ein Problem: Es entsteht ein bisschen das Gefühl, dass jede/r für sich selbst verantwortlich ist und zuallererst selbstbewusst sein muss, bevor der Rest der Gesellschaft einen akzeptiert. Dabei ist der gefühlte Zwang zum Schönheitsideal nichts, was in den eigenen 4 Wänden geklärt werden und simpel wegkonstruiert kann, sondern die Frage muss gesamtgesellschaftlich geregelt werden. Schließlich wird uns Tag für Tag so eingeredet und subtil vermittelt, wie unser Körper eigentlich aussehen soll. Natürlich ist es nett, wenn sich einige Stars auch mal ungeschminkt oder mit Cellulite („Orangenhaut“) zeigen, gar unretuschiert veröffentlicht werden oder Werbekampagnen immer diverser ausfallen. Aber wenn man sich anschaut, wem Fitness und Beautywahn zugutekommen, weiß man, dass ein bisschen Öffentlichkeit, ein paar Likes und Beiträge auch nicht so schnell dazu führen werden, dass die Schönheitsstandards werden verschwinden können. Denn der Profit, der mit Diätpillen, Rasierapparaten, Make-up und Frauenmagazinen, die dazu raten, gemacht wird, lässt sich längst nicht aufwiegen mit diverser, nicht-sexistischer Werbung, die auch trotzdem nur dem Kapital nützt.

Sich selbst zu lieben reicht nicht

Wir unterstützen das Konzept von Body Positivity. Es sollte allen Frauen ermöglichen, ihren Körper bedingungslos zu lieben und nur, wenn sie es von sich aus wollen, ihn zu verändern, auf welche Weise auch immer. Es ist auch wichtig, eine Plattform zu schaffen, zu sehen, dass man nicht alleine mit seinen Zweifeln ist und dem Rest der Welt, der weiterhin unrealistische Beautystandards vertritt, klarzumachen, dass man sich das nicht gefallen lassen muss und soll. Denn gerade für jüngere Mädchen ist es wichtig, Vorbilder zu haben, die nicht die unerreichbare Perfektion des weiblichen, schlanken, weißen Körpers darstellen, sondern einfach „normal“ aussehen. Doch die Gründe für Body Shaming sind trotzdem nicht verschwunden, nur weil man plötzlich selbstbewusster geworden ist. Die gesellschaftlichen Schönheitsideale, der Anspruch an Frauen, immer gut auszusehen und am besten jedem/r zu gefallen, sind Produkte von Frauenunterdrückung, die mit dem Kapitalismus verwoben ist. Kurz gesagt, die Objektifizierung von Frauen liegt in seinen Gesellschafts-, v. a. aber Eigentumsverhältnissen begründet. Sie ist eine Methode, um Frauen zu unterdrücken, sie klein zu halten und auszubeuten. Dahinter steckt die Idee, dass es die Aufgabe der Frau ist, schön zu sein und dem Mann zu gefallen. Dies festigt die Rollenbilder und letzten Endes auch die geschlechtliche Arbeitsteilung innerhalb der bürgerlichen Familie. Diese hat im Kapitalismus die Aufgabe für die herrschende Klasse, ihr Eigentum weiterzuvererben, für die Arbeiter_Innklasse hingegen ist sie Fessel und Ruheort zugleich. Denn im Kapitalismus ist sie der einzige Ort, wo ihre Arbeitskraft reproduziert wird, was zwar positiv ist, aber zu einer Doppelbelastung gerade von Frauen führt. Zusätzlich wird in dieser Familie ebenso das patriarchale, christliche Rollenbild weiter gelebt, die Unterwerfung der Frau. In allen Klassengesellschaften waren Frauen unterdrückt. Es kann sich nur etwas grundlegend an Sexismus und sexueller Unterdrückung ändern, wenn es eine klassenlose Gesellschaft gibt!

Was ist zu tun?

Statt also das Problem nur auf das Selbstwertgefühl einzelner Frauen zu reduzieren, muss das Problem von einer organisierten Arbeiter_innen und Frauenbewegung angepackt werden! Zwar kann Frauenunterdrückung erst vollständig in einer befreiten Gesellschaft abgeschafft werden, dennoch heißt das nicht , dass es bis dahin keine Möglichkeit geben kann, gegen Sexismus vorzugehen. Body Positivity ist begrüßenswert, aber damit sich für alle etwas verändert, müssen wir auch dafür kämpfen, die großen Medienhäuser zu enteignen, um Werbung & Co. unter Arbeiter_Innenkontrolle zu stellen. Daneben bedarf es der Caucusrechte (auf geschlossene Treffen, ungestört unter sich bleiben zu dürfen) in den Organisationen der Arbeiter_Innenklasse wie den Gewerkschaften, wo Frauen sich treffen können, um ihre Erfahrungen mit Sexismus zu thematisieren. Ergänzend dazu bedarf es auch antisexistischer Strukturen, die Männer dazu verpflichten, ihr Verhalten zu hinterfragen und sich mit den Rollenbildern auseinanderzusetzen. Dabei dürfen wir aber nicht stehenbleiben. Der Kampf gegen sexistische Rollenbilder ist auch ein Kampf gegen sexuelle Gewalt, ungleiche Bezahlung und muss auch mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden werden!

– Gegen unterdrückerische Schönheitsideale in Werbung und Medien! Enteignet die großen Medienhäuser und die „kulturschaffende“ Industrie (Gameentwickler, Filmproduktionen,..)! Für organisierte Medienarbeit durch Räte aus Zuschauer_Innen, Arbeiter_Innen und Kreative ohne die Reproduktion von Unterdrückung!

– Für einen selbstbestimmten, offenen Umgang mit dem eigenen Körper: Der weibliche Körper darf nicht einerseits tabuisiert und andererseits sexualisiert werden!