Arbeiter:innenmacht

Gehaltskürzung für VW-Betriebsrat – Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit

Frederik Haber, Infomail 980, 1. Januar 2018

Vorsorglich hat VW die Gehälter der Betriebsratsmitglieder gekürzt, da den ManagerInnen, die diese Bezüge veranlassen, möglicherweise Strafen drohen und man sich unbedingt rechtskonform verhalten wolle. Betriebsratsboss Osterloh hat sein bisheriges Einkommen von rund 290.000 Euro (ohne Prämien) noch mal betriebsöffentlich verteidigt. Unter anderem hätte er Managerfähigkeiten und er arbeite auch regelmäßig 70 Stunden (Die Zeit online, 22. Dezember). Kurz vor Weihnachten triefte es vor Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit.

Bezahlte und Gekaufte

Betriebsratsmitglieder werden bezahlt. Nicht aus den Gewerkschaftsgeldern, wie manche meinen, sondern von den Unternehmen, in denen sie arbeiten. Das regelt das Betriebsverfassungsgesetz, das die Aufgaben und Rechte der Betriebsräte festlegt. Es sagt auch, dass Mitglieder von Betriebsräten weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen.

Viele Betriebsratsmitglieder werden benachteiligt. Vor allem in Kleinbetrieben wird gemobbt. Besonders engagierte KollegInnen bekommen schlechtere Arbeitsaufgaben, unangenehmere Schichten, keine Beförderung oder Weiterbildung.

Betriebsratsmitglieder werden auch gekauft. Vor allem Vorsitzende, vor allem in großen Konzernen und dort dann richtig. Spektakuläre Spitze dürfte sein, dass Osterloh von VW – durch Boni – bis zu 750.000 Euro in einem Jahr erhalten hat (Die Zeit, Mai 2017). Er erweist sich als der würdige Nachfolger von Klaus Volkert, der nicht nur ähnlich viel Geld kassierte, sondern auch Urlaubsflüge und eine Edel-Prostituierte vom VW-Vorstand bezahlt bekam. Der damalige Personalvorstand war Herr Hartz – ein- und derselbe, nach welchem die Sozialabbaugesetze der Agenda 2010 benannt sind.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt (Spiegel online, 15.11.17). Sie ermittelt nicht gegen Osterloh, sondern gegen VW. Das ist richtig insofern, dass es die Managementspitze ist, die besticht. Es sind die Vorstände, die die Millionen locker machen – Millionen, die zuvor aus allen Ecken des Konzerns und aus den Zulieferbetrieben herausgepresst wurden.

Offensichtlich halten sie diese Summen für gut angelegt. Mit Osterloh stimmte der Betriebsrat jedem Sparprogramm der Konzernführung zu, allerdings darauf bedacht, dass die Milliarden vor allem von den LeiharbeiterInnen, Fremdfirmen und Zuliefern kommen und die eigene Stammbelegschaft soweit als möglich geschont wird. Zuletzt verweigerte er den seit einem Jahr unter schwierigsten Bedingungen kämpfenden LeiharbeiterInnen bei VW in Changchun (VR China) die Unterstützung (siehe http://www.clb.org.hk/content/one-year-struggle-continues-volkswagen-workers-changchun und zur Hinhaltetaktik des Betriebsrates http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2017/10/vw_gbr_d.pdf)

Auch wenn die Korruption vom Kapital kommt, bezahlt haben diese Millionen also nicht wirklich die Vorstände, sondern die ArbeiterInnen bei VW, egal ob Stammbelegschaft oder LeiharbeiterInnen. Ein guter Grund, Osterloh davon zu jagen – aus dem Betriebsrat und aus der IG Metall. Der Mann ist gekauft und er hat die Belegschaften verkauft.

Das müssen übrigens GewerkschafterInnen bei VW und anderswo selbst tun. Denn was die Staatsanwaltschaft und die JournalistInnen, die sich über Osterlohs Gehalt empören, stört, ist weder die Zustimmung Osterlohs zu den Angriffen des Kapitals noch dessen Käuflichkeit. Sie stört, dass diese Gelder bei den Gewinnen fehlen. Wenn es also den VW-ManagerInnen gelingt zu belegen, dass sie Osterloh günstig im Sinne des Kapitals gekauft haben, dürften sie – wie seinerzeit Peter Hartz – mit Freispruch oder Bewährung davonkommen.

Wie sich Osterloh verteidigt

Aufschlussreich ist übrigens die Höhe der Gehälter derer, mit denen sich Osterloh in seiner Rechtfertigung vergleicht: „Ein Abteilungsleiter bei VW verdient zwischen 8.800 und 16.400 Euro im Monat, also zwischen gut 100.000 und mehr als 200.000 Euro im Jahr, der Jahresbonus kann dieses Gehalt verdoppeln. Ein Bereichsleiter kommt in guten Jahren inklusive Boni auf 750.000 Euro oder mehr und zählt intern zum Topmanagement“, berichtet Claas Tatje auf ZEIT online.

Das stört ihn ebenso wenig wie Kristina Gnirke von SPIEGEL online, die sich dafür über die 3,3 Mio Euro mokiert, die der derzeitige Personalvorstand (bei VW stets einE ehemaligeR GewerkschafterIn) im letzten Jahr erhielt. Tatje findet auch, dass die Aufsichtsratstantiemen im dreistelligen Bereich zu hoch sind – für die BetriebsratsvertreterInnen, nicht für die KapitalvertreterInnen. Die Empörung dieser bürgerlichen MoralistInnen ist durch und durch verlogen.

Genauso verlogen sind die Verteidigungsreden des VW-Vorstandes und von Osterloh. Wenn er mit seinen „Managerfähigkeiten“ angibt, zeigt das nur, dass er Betriebsratstätigkeit überhaupt nicht mehr als Interessenvertretung ansieht, sondern als eine Managementaufgabe wie jede andere. Wenn er mit einer 70-Stundenwoche prahlt, dann zeigt er, wie weit seine Lebensrealität von der einer/s Gewerkschafter/in/s entfernt ist, die/der in einem unorganisierten, bislang betriebsrats- und gewerkschaftsfreien Betrieb in ihrer/seiner „Freizeit“ eine Interessenvertretung aufzubauen versucht und dafür keinen Cent kriegt. Ostlohn hingegen ist im wahrsten Sinn des Wortes Co-Manager, der daraus auch sein Anrecht auf ein Managergehalt herleitet. Mit so jemand können keine Tarifverträge erkämpft und verteidigt werden. Er kann selbst die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe des Betriebsrats, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“, schwerlich erfüllen. (BetrVG §80 Abs1)

GewerkschafterInnen und AntikapitalistInnen sollten den „Skandal“ und seine Aufdeckung zum Anlass nehmen, deutlich zu machen, wie viele Gelder sofort für die ArbeiterInnen und für die Forschung für ein effizientes und umweltfreundliches Verkehrssystem frei würden, wenn die ganzen ManagerInnen und MöchtegerngeschäftsführerInnen davongejagt oder in die Produktion eingegliedert werden, die sich jetzt parasitär an der Wertschöpfung durch die ArbeiterInnen mästen.

Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle ist nicht nur der Weg aus Dieselkrise und globaler Erwärmung, sondern auch aus Korruption und Parasitismus. Führungsfunktionen werden gewählt, sind jederzeit abwählbar und erhalten das gleiche Gehalt wie alle anderen.

Und es ist ein Schritt auf dem Weg, das kapitalistische System zu überwinden mitsamt der Ausbeutung der Arbeitenden durch das Kapital und der Klassenkollaboration ihrer VertreterInnen. Dass der Neuanfang im VW-Betriebsrat, den Osterloh als Volkerts Nachfolger machen wollte, nachdem dieser in den Knast gewandert war, so kläglich gescheitert ist, ist nicht nur eine Charakterfrage. Es ist auch eine Systemfrage.

image_pdfimage_print

Related Posts

One thought on “Gehaltskürzung für VW-Betriebsrat – Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Palästina Kongress 2024 – Wir klagen an!

Aktuelle Veranstaltungen

Mai
1
Mi
10:00 Gewerkschaften und Lohnabhängige... @ Berlin
Gewerkschaften und Lohnabhängige... @ Berlin
Mai 1 um 10:00
Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive! Gegen Krieg, Kürzungspolitik und rechte Hetze @ Berlin
Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive! Gegen Krieg, Kürzungspolitik und rechte Hetze Aufruf des Klassenkämpferischen Block Berlin zum 1. Mai, Infomail 1251, 16. April 2024 In den letzten Wochen fanden bundesweit zahlreiche Streiks statt, zum[...]

Lage der Klasse – Podcast der Gruppe Arbeiter:innenmacht

Südamerika - Politik, Gesellschaft und Natur

Ein politisches Reisetagebuch
Südamerika: Politik, Gesellschaft und Natur
Ich reise ein Jahr durch Südamerika und versuche in dieser Zeit viel über die Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und natürlich auch die Landschaften zu lernen und möchte euch gerne daran teilhaben lassen