Arbeiter:innenmacht

Rajoys Verfassungsputsch stoppen!

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Do 12. Oktober 2017

Die Madrider Rechtsregierung von Mariano Rajoy hat auf die Unabhängigkeitserklärung der katalanischen SeparatistInnen reagiert, indem sie den Prozess der Anrufung von Artikel 155 der spanischen Verfassung in Gang setzte, der die katalanische Autonomie aufheben und das regionale Parlament auflösen würde. Dies bedeutet: Carles Puigdemont, der katalanische Präsident, soll bestätigen, ob er die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hat oder nicht. Wenn er „Ja“ sagt, würden die Maßnahmen der Aussetzung der Autonomie in Kraft treten. Bei einem „Nein“ wird die separatistische Bewegung in Verwirrung geraten, weil die linksnationalistische CUP damit droht, ihre Unterstützung für die Minderheitsregierung von Puigdemont zurückzuziehen.

Die Verwirrung kommt daher, dass Puigdemont eine Erklärung über die Unabhängigkeit unterzeichnete, aber dann sofort deren Implementierung „für ein paar Wochen aussetzte“, um Verhandlungen mit Madrid zu ermöglichen. Dieser Schwenk kam nach einer Woche der Unschlüssigkeit, in der dieser politische Vertreter der katalanischen Bourgeoisie einem intensiven Druck seitens der Banken und Großindustriellen als auch Interventionen hinter den Kulissen durch die Europäische Union unterworfen war.

Es ist klar, dass die große Mehrheit der KapitalistInnen Kataloniens gegen die Unabhängigkeit ist. Die Hauptorganisation der Bosse, der Foment del Treball Nacional, verurteilte die Regierung von Barcelona dafür, dass sie „die Grenzen zur Illegalität“ überschritten und damit Katalonien in „nationalen und internationalen in Misskredit“ gebracht und möglicherweise gar an den Rand „wirtschaftliche Insolvenz“ gebracht habe.

Zwei Dutzend Unternehmen, darunter die meisten Großunternehmen der Region, haben entweder ihren Hauptsitz aus der Provinz verlegt oder ihre Bereitschaft dazu bekundet. Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, warnte Puigdemont, er solle „die verfassungsmäßige Ordnung respektieren“.

Rajoy wittert jetzt Blut. Er will sicherstellen, dass Puigdemonts Abenteuer in schändlicher Unterwerfung unter die Autorität Madrids, der Monarchie und Verfassung endet. Wenn dieser nicht nachgibt, wird Rajoy versuchen, die Frage praktisch durch die Errichtung einer Diktatur über Katalonien zu lösen. Deshalb wurden im Vorfeld der Volksabstimmung 20.000 PolizistInnen in die Provinz geschickt. Natürlich ist das auch ein gewagtes Spiel, aber Rajoy hat bereits die Kräfte des spanischen Chauvinismus mobilisiert, um den Boden dafür zu bereiten.

Ein Sieg für Rajoy würde die Tür zu einer allgemeinen Offensive gegen die anderen von der Partido Popular (PP) missachteten demokratischen und sozialen Rechte öffnen. Ein Sieg in Katalonien würde vermutlich vom Sieger mit einer Neuwahl besiegelt, um sich eine absolute parlamentarische Mehrheit zu sichern, die dann als Kampfmittel gegen die gesamte ArbeiterInnenklasse eingesetzt wird.

Widerstand

Nur eine allgemeine direkte Aktion von ArbeiterInnen und Jugendlichen in Katalonien und schließlich in ganz Spanien kann Francos ErbInnen an der Durchführung ihres lange gehegten Wunsches hindern, ein Exempel an den KatalanInnen zu statuieren und die demokratischen Rechte der ArbeiterInnenklasse ganz Spaniens mit Füßen zu treten.

Das ganze Land befindet sich an einem Scheideweg, wo die Frage der Revolution oder Konterrevolution keine Übertreibung ist. Wenn Rajoy die katalanischen NationalistInnen durch Einschüchterung oder Gewalt zur Kapitulation zwingt, wird es einen noch nie da gewesenen Rückschlag für Spaniens 40 Jahre alte Demokratie darstellen. Der Ernst der augenblicklichen Lage erfordert eine angemessene Reaktion von Seiten der katalanischen ArbeiterInnen- und Sozialbewegungen: einen allgemeinen, unbefristeten Generalstreik, um die Initiative zu übernehmen und die Macht den Händen der einen bekriegenden bürgerlichen Fraktionen zu entreißen und der organisierten ArbeiterInnenklasse zu übertragen.

Die unmittelbaren Ziele eines solchen Generalstreiks sollten sein:

  • Aufhebung der Inkraftsetzung von Artikel 155 und jeder Einmischung Madrids in den bestehenden Autonomiestatus!
  • Rückzug aller Polizei-, Militär- und paramilitärischen Einheiten der Zentralregierung aus Katalonien!
  • Ausdehnung der Verteidigungsausschüsse des Referendums auf Instrumente der ArbeiterInnenklasse als Ganze, die Einbeziehung sowohl von BefürworterInnen wie GegnerInnen der Unabhängigkeit! Diese sollten Delegierte in lokale und nationale Führungspositionen wählen.

Ein Appell an die ArbeiterInnenbewegungen außerhalb Kataloniens, ihre Passivität aufzugeben und die Aktion aufs gesamte Land auszudehnen gemäß dem Grundsatz, dass ein Schaden für einen ein Schaden für alle ist!

In ganz Spanien ist die Frage, die Rajoys Verfassungscoup aufwirft, nicht Kataloniens sofortige Trennung, sondern das Recht einer jeden Nation auf volle Autonomie und Selbstbestimmung!

Führung

Obwohl die Lohnabhängigen und die Jugend Spaniens Puigdemont gegen die schrecklichen Bedrohungen durch die PP verteidigen sollten (einschließlich der, dass er dasselbe Schicksal erleiden könnte wie der historische katalanische nationalistische Führer Luis Companys, 1940 von Franco ermordet), hat seine Schwäche gezeigt, dass seine durch und durch bürgerliche und neoliberale PDeCAT-Partei nicht eine erfolgreiche Verteidigung der demokratischen Rechte führen kann. Nur die ArbeiterInnenschaft hat das gemeinsame Interesse und besitzt die kollektive Kraft, um das zu tun.

Der PSOE-Führer, Sánchez, hat schändlich Rajoy in jeder Phase der Krise zur Seite gestanden, und Podemos, die das Recht auf ein Referendum unterstützt und sich gegen die Anwendung von Artikel 155 ausspricht, fordert weiterhin zum Dialog auf: eine pazifistisch-utopische Lösung.

Ein Sturm spanischen Chauvinismus’ ist durch den Konflikt zwischen den nationalistischen Lagern ausgelöst worden, der sogar die FaschistInnen hat aus den Niederungen kommen lassen. Er wird nicht zum Halt gezwungen werden, Katalonien niederzuwalzen, wenn die Massenbewegung sich weiterhin an die Rockschöße der für die Unabhängigkeit eintretenden katalanischen Kleinbourgeoisie klammert.

Es gilt, die Einheit der ArbeiterInnen und Angestellten, Jugendlichen, Arbeitslosen und RentnerInnen in ganz Spanien zu stärken, um die demokratischen Rechte zu verteidigen, indem sie Rajoy und die PP aus der Regierung jagen. Solche Einheit der Massen wurde zuletzt während der 15M-Bewegung gegen die Sparpakete lebendig, als ArbeiterInnen und Jugendliche Plätze in Madrid, Barcelona und vielen anderen Städten in jedem Teil des Landes besetzten. Der Ersatz der direkten Massenaktion durch Podemos’ Fixiertheit auf Wahlen hat die Aushöhlung dieser spontanen Einheit zur Folge gehabt. Es gibt jetzt eine akute Führungskrise innerhalb der progressiven, fortschrittlichen Kräfte in ganz Spanien, die das Terrain des Kampfes zugunsten „radikal“-linker NationalistInnen aufgegeben haben, die im Separatismus den einzigen Weg vorwärts sehen.

Außerhalb Kataloniens liegt die Pflicht und Verantwortung bei den SozialistInnen in Podemos, dem linken Flügel der PSOE und BasisaktivistInnen von CC.OO. und UGT, um über ohnmächtige Forderungen nach Verhandlungen hinaus und stattdessen auf die Straßen zu gehen und sich an den Arbeitsplätzen, Bildungseinrichtungen und in ArbeiterInnenwohngebieten für Massenaktionen zu rüsten, um die Regierungsoffensive zu vereiteln, bevor sie weitere Kreise zieht.

ArbeiterInnenmacht

Die Regierungen der Europäischen Union, die stillschweigend oder offen die betrügerische „Legalität“ Rajoys und die Polizeirepression bestärkt haben, sind die Feindinnen der spanischen Lohn- und GehaltsempfängerInnen und ihrer demokratischen Rechte. Ihre Solidarität mit Rajoys Aktionen zeigt ihre Missachtung der Demokratie und ist ein Hinweis darauf, was sie ihrer eigenen ArbeiterInnenklasse antun würden, wenn sie damit durchkämen. Wenn es um demokratische und nationale Rechte geht, dann achten die KapitalistInnen, ob für oder gegen die Unabhängigkeit, nur auf ihre eigenen Interessen.

Es sind die ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegungen, ArbeiterInnenparteien und radikale Jugend Europas, an die die katalanische LohnarbeiterInnenschaft appellieren sollte, und die verpflichtet sind, ihnen zu Hilfe zu kommen.

Gegen den nationalen Chauvinismus und Separatismus, der katalanische ArbeiterInnen gegen die Klassengeschwister im Rest des Landes Hahnenkämpfe ausfechten lässt, sollten SozialistInnen sich für eine ArbeiterInnenregierung stark machen, bestehend aus in den ArbeiterInnenwohngebieten, Betrieben, Bildungseinrichtungen und Gewerkschaften gewählten Delegierten und Betriebs-, Schul- und Universitätskomitees, die von den Verteidigungsausschüssen geschützt werden.

Eine ArbeiterInnenregierung in Katalonien und Spanien sollte Wahlen zu einer souveränen verfassunggebenden Versammlungen einberufen, deren Aufgabe es ist, die undemokratischen Utensilien der Verfassung von 1978, einschließlich der Monarchie, des Senats und des Obersten Gerichtshofs hinwegzufegen; die Sparpolitik zu beenden und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem sie Banken, Industrie und Kapitalistenvermögen unter ArbeiterInnenkontrolle stellt und die nationale Frage durch eine freie Assoziation der Völker in einer sozialistischen Föderation der Iberischen Halbinsel löst.

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