G20, Demokratie und Repression

Das Märchen vom „weltoffenen“ Hamburger Senat

Kapitel 6, Unite Against G20, Broschüre der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Juli 2017

Das „weltoffene“ Hamburg soll die Kulisse für den Gipfel 2017 bilden – jedenfalls wenn es nach Angela Merkel und der Bundesregierung geht.

Allzu „weltoffen“ sind die Staats- und Regierungschefs der G20 in der Realität nicht. Viele regieren mit diktatorischen Mitteln und selbst ohne formale Demokratie. Das trifft auf so unterschiedliche Länder wie Saudi-Arabien und China zu.

In anderen sind demokratische Wahlen oft nur die mehr oder minder notdürftig verhüllte Fassade für bonapartistische oder halb-bonapartistische Regime. Präsidenten wie Temer sind durch einen Putsch an die Macht gekommen. Erdogan führt einen Krieg gegen das kurdische Volk und jede demokratische Opposition. Putin perfektioniert sein bonapartistisches Regime Jahr für Jahr. Modi stützt sich nicht nur auf den Staatsapparat, sondern auch auf den Hindu-Chauvinismus. Die indonesische Regierung unterdrückt brutal nationale Minderheiten – und mit Trump ist ein offener Rassist und Sexist US-Präsident geworden.

In der Europäischen Union, die sich gern als Sachwalterin der Demokratie und Menschenrechte präsentiert, ist die Rechte bis hin zu faschistischen Kräften in den letzten Jahren erstarkt. Der Brexit hat in Britannien den Rassismus beflügelt und droht, Millionen ArbeitsmigrantInnen ihres legalen Status zu berauben.

Die EU riegelt die Grenzen gegen die Geflüchteten ab, lässt jährliche Tausende im Mittelmeer absaufen und errichtet Zwangslager an ihren Außengrenzen oder in Afrika, wo die Menschen entrechtet und erniedrigt gehalten werden.

In praktisch allen Ländern der G20 nimmt der Rassismus zu. Nicht nur nach außen lässt Trump Mauern bauen. Muslime aus sieben Ländern sollen erst gar nicht einreisen dürfen. In der EU, aber auch in Russland oder Indien, grassiert der anti-muslimische Rassismus. Er ist zu einem zentralen Mittel zwecks Spaltung unserer Klasse und der Massen geworden, zur Aufhetzung gegen die untersten Schichten des Proletariats und die am meisten Entrechteten. Zugleich dient er als Mittel zur Ausschaltung weiterer demokratischer Rechte und zur Rechtfertigung von Aufrüstung und Interventionen.

Auf dem G20-Gipfel werden diese Themen behandelt. Bekämpft wird aber nicht der Rassismus oder die Entrechtung von Minderheiten. Die gemeinsame Formel lautet vielmehr: „Kampf gegen den Terrorismus“

Das ist der kleinste gemeinsame Nenner der Zwanzig. Meinungsverschiedenheiten darüber, wer nun z. B. in Syrien genau „TerroristIn“ ist, ob die PYD in Rojava Verbündete oder Hauptfeindin sei, trüben zwar die Einigkeit ein Stück weit. Was die Unterdrückung von „Terrorismus“ im Landesinneren betrifft, so versichern sich die G20 in der Regel ihrer gegenseitigen Unterstützung – und setzen diese z. B. durch sog. „Terrorlisten“, Auslieferung und Zusammenarbeit der Geheim- und Sicherheitsdienste auch um.

Dabei fallen auch ganze unterdrückte Nationalitäten oder Religionsgemeinschaften – z. B. die KurdInnen in der Türkei, unterdrückte Nationen in Russland – unter dieses Label, werden unter Generalverdacht gestellt. Die PalästinenserInnen sind eine der Nationen, deren Rechte von allen imperialistischen Staaten seit Jahrzehnten gemeinsam mit Füßen getreten, die der nächsten zionistischen Offensive überlassen werden und deren Widerstand kriminalisiert wird. Werden die Rechte von Minderheiten und MigrantInnen mit Füßen getreten, so auch jene der ArbeiterInnenklasse. Die meisten G20-Staaten sind führend in der Bekämpfung von Gewerkschaften und ArbeiterInnenrechten. Manche lassen allenfalls staatlich kontrollierte Organisationen zu.

Auch das trifft natürlich nicht „nur“ die Länder des Südens oder halb-diktatorische Regime. Auch die westlichen Demokratien haben in den letzten Jahren die Rechte der Lohnabhängigen – z. B. das Streikrecht – immer weiter ausgehöhlt und eingeschränkt.

Repression bei den Gipfeln

Kein Wunder, dass G20- wie andere Gipfel des Kapitals und der Mächtigen regelmäßig von Protesten begleitet sind. Nach dem Höhepunkt der Massenmobilisierungen gegen große Gipfel Anfang des Jahrhunderts haben die Mächtigen der Welt oft nur noch in entlegenen Gegenden getagt. In den letzten Jahren wurde das teilweise wieder geändert – und mit massiver Repression begleitet. Dazu nur 2 Beispiele:

Gegen den G20-Gipfel von London demonstrierten 2009 35.000 Menschen. 4000 Menschen wurden von einem Großaufgebot der Polizei eingekesselt, die ihnen stundenlang Wasser, Nahrung und Zugang zu Toiletten verweigerte. Als trauriger Höhepunkt starb ein Demonstrant – vermutlich an Herzversagen, nachdem ihn ein Polizist niedergeschlagen hatte.

Auch in Toronto 2010 wurden rund 20.000 PolizistInnen eingesetzt, um den G20-Gipfel gegen 6.000 GegendemonstrantInnen zu verteidigen. Die Innenstadt wurde damals komplett abgeriegelt und von Spezialkräften mit Sturmgewehren gesichert. Außerdem wurden 900 Menschen schon vor dem Gipfel vorbeugend weggesperrt.

In Hamburg sollen rund 15.000 PolizistInnen am Start sein. Dazu kommen die Sicherheitskräfte, Personenschutz usw., den die Staats- und Regierungschefs gestellt bekommen oder selbst mitbringen. Hamburg wird, um die Tagung selbst zu „sichern“, in rote und blaue Zonen aufgeteilt, das Demonstrations- und Versammlungsrecht sowie die Rechte der BürgerInnen werden eingeschränkt. Die Polizei will für eine 38 Quadratkilometer große Zone nicht nur den Gipfel, sondern auch die Zufahrtswege vom Flughafen zum Tagungsort und zu den Unterkünften zur demonstrationsfreien Zone erklären. Die Stadt gleicht einer belagerten Festung, die vor der Bevölkerung und Menschen, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen wollen, geschützt wird. Ein Hoch auf die bürgerliche Demokratie!

Diese Einschränkungen treffen nicht nur die GegnerInnen der G20. Sie betreffen die ganze Bevölkerung, die für ein fragewürdiges Treffen von den Staats- und Regierungschefs Kontrollen über sich ergehen lassen muss und deren Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt wird. Die Verbote, die im Juli durchgesetzt werden wollen, sind zugleich auch eine Warnung an alle Formen des politischen, gewerkschaftlichen und sozialen Protests. Was heute die GipfelgegnerInnen trifft, kann morgen auch Aktionen gegen die Regierung und den Senat, gewerkschaftliche Kämpfe, anti-rassistische Aktivitäten oder MieterInnenproteste betreffen. Werden diese riesig, so schränkt „die weltoffene Demokratie“ die demokratischen Rechte ein.

  • Nein zu jeder Einschränkung des Demonstrations- und Versammlungsrechts!
  • Gegen jede Bespitzelung, Überwachung der Protestierenden! Keine Sonderzonen und Kontrollen!
  • Organisierte Selbstverteidigung unserer Aktionen gegen Provokationen von Polizei und Sicherheitsdiensten!