G20-Partnerschaft mit Afrika – Der Lange Schatten des Kolonialismus

Tobi Hansen, Neue Internationale 220, Juni 2017

Der G20-Gipfel in Hamburg rückt näher und dementsprechend gibt es Vorkonferenzen. So trafen sich aktuell die G7 auf Sizilien, sprachen natürlich nicht über Geflüchtete – wäre zu naheliegend gewesen zu fragen, warum diese flüchten. Stattdessen konnte der US-Präsident dort noch mal deutlich sagen, dass niemand etwas gegen den Klimawandel tun muss, schon gar nicht die Industriestaaten und imperialistischen Führungsmächte. Dies ist quasi die Vorbereitung zum G20-Gipfel.

Daher wurden am Ende einige wohlklingende, aber leere Floskeln zur Weltpolitik ausgetauscht. Bei Terrorismus und den Krisenplätzen der Welt sei man sich einig. Von den G7 ist vor allen anderen vor allem die USA dort aktiv, dementsprechend auch die Zustimmung zu ihrer Rolle als „Weltpolizei“. Beim Klima will sich US-Präsident Trump noch mal das Pariser Abkommen durchschauen und dann eine Absage erteilen. Auf dem Gipfel beließ er es bei Drohungen. Auch wurde eine leere Erklärung zum Freihandel abgegeben: Ja, die 7 Staaten profitieren davon auch in höchstem Maße, unter welchen  die USA dabei weiter mitmachen, stehe aber derzeit zur Disposition. Bis dahin reichen Erklärungen der Marke Schall und Rauch.

Partnerschaft – neues Wort für Unterdrückung

Als Vorsitz der G20 2017 hat Deutschland sich etwas Spezielles ausgedacht: eine „Partnerschaft Afrikas“ mit den G20 als Fokus des Gipfels. Afrikakonferenzen wurden vom deutschen Imperialismus immer schon dann einberufen, wenn entweder der „Platz an der Sonne“ lockt oder aber Gefahr im Verzug ist, den Einfluss auf diesem Kontinent zu verlieren. Die Geschichte des Kapitalismus ist eine Geschichte der Verbrechen der europäischen Mächte. Kolonialismus und Imperialismus durchziehen wie ein roter Faden aus Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung die Geschichte und Gegenwart des Kontinents.

So sind heute die Schuldenrückzahlungen der afrikanischen Staaten jedes Jahr höher als die sog. „Entwicklungshilfe“. Letztere finanziert hauptsächlich den Marktzugang der Konzerne. Auch Rüstungsexporte werden gerne vorfinanziert, damit auch jeglicher Bürgerkrieg funktioniert. Minister Müller von der CSU sieht Afrika heute vor allem als „Chancenkontinent“. In der Broschüre des BMZ zur Afrika-Partnerschaft (www.bmz.de/de/ service/sonderseiten/g20/partnerschaft_mit_afrika/index.html) wird das hohe Lied der Kooperation gesungen. Wie viel mehr möglich wäre, davon schwärmen die PolitikerInnen der imperialistischen Staaten immer gerne – ungefähr, seitdem sie angefangen haben, Afrika zu erobern und auszubeuten.

Keine Chance auf ein Leben, dann flüchte!

Im Gegensatz zu Minister Müller sehen viele AfrikanerInnen ihre Zukunft gar nicht rosig. Im Gegenteil, sie nehmen den Tod im Mittelmeer in Kauf, nur um die Chance zu haben, nach Europa zu flüchten. Die Landwirtschaft, welche weiterhin der bestimmende Produktionssektor ist, wird auf den Export in die EU, USA und, neuerdings, China ausgerichtet. Die Profite eigen sich multi-nationale Konzerne an, während die lokalen ProzentInnen mehr und mehr in den Ruin getrieben werden. Generationen der Landbevölkerung haben keine Perspektive.

Gut bezahlte und ausgestattete Söldnermilizen führen Krieg bspw. um die Diamantenminen des Kongo, oder Jugendliche und Kinder dürfen in Ghana die Kakaobohnen für den Weltmarkt pflücken. Dies sind Bestandteile der Realität eines Kontinents, auf dem der „Arabische Frühling“ 2010/2011 etliche Hoffnungen auf eine andere Zukunft freisetzte, aber letztlich mit Unterstützung der imperialistischen Staaten abgewürgt wurde. In der Broschüre des deutschen Ministers wird Ägypten zynisch als Beispiel für die gelungene Reintegration für Geflüchtete benannt. Zusammen mit der deutschen Wirtschaft, die rund um Suez sehr aktiv investiert, werden Praktika und Jobs vermittelt. Das ist ein Hauptziel der „Partnerschaft“: Flucht verhindern, Abschiebung organisieren und dabei selbst Profite machen.

Das wird auch im Zentrum der europäischen Staaten in Hinblick auf die G20-Partnerschaft stehen: Wie bekommen wir wieder ein „stabiles“ nordafrikanisches Grenzregime mit Auffanglagern à la Gaddafi in Libyen? Solange das funktioniert, sind auch Militärpräsidenten wie der Ägypter as-Sisi stabile Partner des Westens, genau wie Mubarak und Gaddafi zuvor. Die EU will in diesem Partnerschaftsabkommen die erste Geige spielen, sieht sie doch traditionell die Südseite des Mittelmeers als ihre Einflusszone. Allein der französische Imperialismus wütete in West- und Nordafrika beispiellos.

Diesen Fokus will auch die EU behalten, gibt es doch mit China einen neuen schwergewichtigen Konkurrenten, welcher äußerst aktiv in die Märkte eindringt (Sudan, Tschad, Mosambik). Dabei hat sich der chinesische Imperialismus im Unterschied zu den meisten Gegenspielern vorgenommen, auch die Infrastruktur und wenn möglich sogar die Produktion in den Staaten aufzubauen – natürlich unter eigener Kontrolle.

Die EU will vor allem die AU (Afrikanische Union) zu ihrem Büttel machen. Die darf dann für die europäischen Profitinteressen vor Ort wirken: noch vorhandene Handelshemmnisse abbauen, den „Flüchtlingsstrom“ eingrenzen und wenn möglich auch eine militärische Interventionstruppe aufbauen, die z. B. in Mali den französischen Truppen helfen kann.

Antiimperialismus

Die EU stützt sich dort neben Ägypten vor allem auf Südafrika, welches selbst in einer tiefen politischen und ökonomischen Krise ist. Präsident Zuma wird inzwischen auch vom ANC kaum noch verteidigt, das Kabinett je nach Wirtschaftsinteressen umbesetzt und im Land gibt es rassistische Unruhen gegen ArbeitsmigrantInnen, zu denen der ANC stumm bleibt. Diese Regime und ihre Willfährigkeit gegenüber dem Imperialismus sind Kennzeichen der Entwicklung Afrikas.

Wir unterstützen daher alle Proteste gegen die „G20-Partnerschaft“ mit Afrika, welche z. B. am 10.6. in Berlin stattfinden.

Wir fordern die Offenlegung aller geplanten Abkommen, aller Verträge, die die Interessen der europäischen und anderer imperialistischer Staaten wie der Regime, politischen und ökonomischen Eliten der afrikanischen Länder bedienen.

Um sich aus der Umklammerung durch diese „PartnerInnen“ zu lösen, ist keine verlogene „Partnerschaft“ im Interesse der dominierenden Großmächte nötig, die heute den Kontinent zwar nicht mehr als Kolonialmächte, wohl aber über ihre Stellung in der imperialistischen Weltordnung trotz formaler Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten dominieren. Ein wesentliches Mittel dabei sind die Schuldenlast der Länder, die Ausplünderung durch westliche Konzerne und Banken und die militärische Präsenz dieser Staaten.

Wir treten daher für die sofortige Streichung der Staatsschulden der afrikanischen Länder ein. Die imperialistischen InvestorInnen sollten ohne Entschädigung unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden. Diese gebündelten Ressourcen könnten Teil eines Plans zur Wirtschaftsentwicklung sein – was selbst wiederum erfordert, diesen Kampf mit dem gegen die pro-imperialistischen, kapitalistischen Regierungen, für ArbeiterInnen- und Bauernregierungen und eine sozialistische Vereinigung des Kontinents zu verbinden.

Alle imperialistischen Truppen und MilitärberaterInnen müssen aus Afrika abgezogen werden. Zugleich treten wir für die Öffnung der Grenzen für alle Geflüchteten ein, deren freie Wahl des Wohnorts, ihr Recht auf Wohnraum, Arbeit sowie gleiche bürgerliche und politische Rechte.

Die Proteste gegen den G20-Afrika-Gipfel können einen Schritt vorwärts hin zu einem gemeinsamen Kampf von Linken, ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und SozialistInnen in Europa und Afrika gegen Ausbeutung, Rassismus und Imperialismus bedeuten.