Arbeiter:innenmacht

Schwache Erholung, massive Aggression, kommende Krise

Markus Lehner/Peter Main, Revolutionärer Marxismus 46, Oktober 2014

Es ist bereits ein Gemeinplatz, von der wachsenden Spannung in den internationalen Beziehungen zu sprechen. Das Zusammentreffen der Krise in der Ukraine mit der 100jährigen Wiederkehr des Ausbruchs des 1. Weltkriegs ist selbst den genügsamsten Kommentatoren nicht entgangen. Innerimperialistische Rivalitäten haben sich bis zu dem Punkt verschärft, an dem die Einnahme von Territorien erwogen wird und bewaffnete Zusammenstöße zwischen der Allianz USA-EU-Japan und einem möglichen Russland-China-Block durchaus denkbar erscheinen.

Dies ist nicht nur in Osteuropa und dem Bogen der Instabilität spürbar, der sich über Nord- und Ostafrika über den Nahen Osten, den Iran, Afghanistan bis nach Pakistan spannt, sondern auch im ostasiatisch-pazifischen Raum und in den krisengeschüttelten Staaten West- und Zentralafrikas. In Nah- und Mittelost befinden sich Libyen, Syrien und Irak in staatlichem Zerfall als Folge der US-Besetzungen und Interventionen, die entweder direkt vom US-Imperialismus gesteuert oder von den Golfanrainerstaaten geführt worden sind. Mittlerweile haben die USA stillschweigend die Errichtung einer konterrevolutionären Militärregierung in Ägypten gebilligt, auf deren Konto in wenigen Monaten schon mehr Todesopfer, Massenverhaftungen und Folter gehen als die Jahrzehnte langen Verbrechen unter Mubarak.

Die möglichen Konfliktlinien zeigen sich in der Truppenstationierung der US-Streitkräfte. In Europa sind F-16 Kampfflugzeuge und Fallschirmeinheiten außer in den NATO-Kernländern in Polen und im Baltikum einsatzbereit. Der Ukraine, Moldawien und Georgien wird eine militärische Partnerschaft angeboten. Für den Nahen Osten sind 10000 US-Truppen in Kuwait und weitere 25000 am Persischen Golf stationiert. Der US-Präsident Obama hat zugegeben, dass auch nach dem verkündeten Rückzugsdatum noch Truppen in Stärke von 10000 Mann in Afghanistan verbleiben werden.

Die Achsausrichtung nach Asien muss als US-Strategie dazu gezählt werden, weil sie auf China zielt mit Stärkung der Marine und sonstigen Militärkräften entlang der ganzen Westküste des Pazifik. Die USA unterhalten dort bereits fast 90000 Truppen, 40000 in Japan, 28000 in Südkorea und tausende auf Stützpunkten im Indischen Ozean (Diego Garcia), auf den Philippinen, in Singapur, Thailand, Indonesien und Malaysia.

Obama spricht von einem Bündnisgürtel und gegenseitiger Sicherheit durch den Zusammenschluss zweier Fronten quer durch ganz Asien. Dort treffen die USA jedoch auf die bereits bestehende Schanghai Organisation, der China, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadjikistan, und Usbekistan angehören und die Zwecke der wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit verfolgt. Für China stellt dies die erste Grundlage für eine neue ‚Seidenstraße‘ dar, durch die unmittelbare Wirtschaftsverbindungen mit Europa verstärkt und die Entwicklung der eigenen riesigen Binnenstruktur beschleunigt werden können.

Diese internationalen Spannungen und ihr mögliches schnelles Anwachsen haben sich im Konflikt um die Ukraine verdeutlicht. Von Herbst 2013 bis Frühjahr 2014 entwickelte sich eine Krise, ausgelöst durch die Versuche der USA und der Europäischen Union und ihrer Verbündeten bei den nationalistischen Kräften in Kiew, ein Assoziierungsabkommen durchzudrücken, das die bestehenden Bindungen zu Russland entscheidend gekappt und die Tür der Ukraine zur NATO-Mitgliedschaft geöffnet hätte. Die Euromaidan-Bewegung, eine Pseudorevolution, entpuppte sich bald als ein weiterer Versuch der US-Verwaltung, einen Regimewechsel herbeizuführen.

Die Kriegslüsternheit der USA, ihre Weigerung einem Kompromiss zuzustimmen, sogar einen solchen von europäischen Mächten ausgehandelten zu unterlaufen und ihre Bereitschaft, sich auf faschistische Kräfte bei der Errichtung einer ihnen genehmen Regierung zu stützen, all dies zeigt, dass es sich nicht um eine lokale Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Oligarchen handelt. Der Konflikt ist vielmehr Teil einer weltweiten Strategie, mit deren Hilfe Washington seine Rolle als Weltbeherrscher wieder herzustellen hofft. Hinter dieser ukrainischen Kulisse ist es das Ziel, die Kontrolle der NATO bis an die Grenzen Russlands vorzuschieben. Wenn es gelingt, die Ukraine und Georgien in den Militärpakt zu holen, würden sie im Verein mit Bulgarien, Rumänien und der Türkei das Schwarze Meer zu einem Operationsgebiet für die NATO machen und den westlichen Einfluss weit nach Zentralasien hineintreiben können.

Die innerimperialistische Konkurrenz beschränkt sich jedoch nicht auf eine Zweifrontstellung wie im kalten Krieg. Die US-Politik zur Ukraine birgt auch einen schwelenden Konflikt mit Deutschland und blockiert Berlins Pläne für Wirtschaftsverbindungen mit China und Russland. Die USA wollen mit Hilfe ihres getreuen Weggefährten Britannien und ihrer Satelliten Polen und baltische Staaten eine militär-ökonomische Barriere aufrichten, die nicht nur Russland einkesselt, sondern zugleich Deutschlands Machtpläne durchkreuzt. Auf ähnliche Art würden Sanktionen gegen Russland, die dessen Wirtschaft schädigen und die Grundlage für eine schließlich weitere ‚Farbenrevolution‘ schaffen sollen, auch die Wirtschaftverbindungen nach Westeuropa und besonders Deutschland zerschneiden. Das würde nicht nur einen Markt für Fertigwaren neu eröffnen, sondern auch russisches Öl und Gas durch Versorgung aus den USA ersetzen wollen, wenn das Fracking sich als so ertragreich wie erhofft erweisen sollte. Russland hat auf die Offensive seitens der USA und EU mit der Festigung des Eurasischen Wirtschaftsverbunds mit Kasachstan, Weißrussland geantwortet und ein 400 Milliarden Dollar Gasabkommen mit China geschlossen.

Der enttäuschende Verlauf der Entwicklung nach dem arabischen Frühling hat in den islamischen Ländern zu einer weiteren Polarisierung und Zuspitzung geführt. Die Revolutionen in Ägypten, Lybien und Tunesien endeten entweder wieder in einer repressiven Militärdiktatur oder in Regimen, die für die arbeitenden Massen überhaupt keinen Fortschritt bringen. In Syrien konnte sich das Assad-Regime dank der Unterstützung des russischen Imperialismus an der Macht halten, während die fortschrittlichen Kräfte im Bürgerkrieg, vor allem auf kurdischem Gebiet, immer stärker von islamistischen Milizen an den Rand gedrängt werden. Das nach dem letzten Golfkrieg installierte korrupte Schiiten-Regime im Irak führte zu einem immer stärkeren Zerfall dieses Vielvölkergefängnisses, der in einen neuen Bürgerkrieg münden musste. In Pakistan und Afghanistan ist der weitere ökonomische Tiefgang unvermeidlich mit Problemen nationaler Unterdrückung verquickt, die ebenso von islamistischen Kräften wie auch von den Repressionsorganen für ihre Zwecke zum Terror gegen die Arbeiterklasse genutzt werden. Schließlich hat auch das AKP-Regime in der Türkei angesichts des writschaftlichen Einbruchs am Ende des türkischen „Wirtschaftswunders“ zu autoritären Maßnahmen in Verbindung mit islamistischer Mobilisierung gegriffen, um eine fortschrittlichen Opposition, wie sie in der Ghezi-Park-Bewegung sich andeutete, entschieden entgegen treten zu können.

Weiterhin ist keine Lösung für die Palästina-Frage in Sicht: Die USA sind nicht in der Lage oder Willens eine israelische Regierung, die systematisch jeden „Friedensprozess“ untergräbt, einzubremsen, während die Hams- und Fatah-Führungen der PalästinenserInnen diesen kein strategisches Konzept für eine wirkliche Lösung ihrer armseligen Existenz anbieten können. Die mehrwöchige Zerbombung des Ghaza-Streifens durch die sogenannten Israelischen Verteidigungskräfte stellte wiederum einen Tiefpunkt für die „neue Weltordnung“ und ihre Fähigkeit zur Lösung zentraler nationaler Fragen gerade in der arabischen Welt dar. Alle Projekte der geldmächtigen arabischen Fürstentümer, ob aus Saudi-Arabien, Quatar oder Kuwait, erweisen sich wieder als völlig zahnlos.

Da verwundert es nicht, dass eines ihrer Finanazierungsprojekte, dass auch noch kräftig vom AKP-Regime in der Türkei mitaufgebaut worden war, die Organisation „Islamischer Staat“ ihnen nunmehr, wie dem Zauberlehrling, völlig aus dem Ruder gelaufen ist. In ihrer straffen militärischen Struktur, ihrer sozialen Herkuft aus deklassiertem Kleinbürgertum (nicht zuletzt aus dem MigrantInnen-Milieus in den imperialistischen Zentren), ihre menschenverachtende Ideologie und ihren umfassenden Zielen können sie insgesamt als eine neue Art eines islamischen Faschismus bezeichnet werden. Die Golf-Billionäre wollten endlich eine schlagkräftige Truppe, ebenso das AKP-Regime einen Verbündeten gegen KurdInnen und Assad – so konnten sie ihre Basis im syrischen Bürgerkrieg erobern. Von dieser Basis aus greifen sie nun das ganze, nach dem ersten und zweiten Weltkrieg von den Imperialisten in der Region etablierten Staatensystem an. Die im Sykes-Pikot-Abkommen festgelegten Grenzen zwischen Syrien, Irak, Libanon, Palästina, ja ganz Arabien werden von ihnen nicht anerkannt und im Fall von Syrien und Irak bereits überrannt. In den irakischen Sunniten fanden sie militärisch gut ausgebildete und ausgerüstete Verbündete, mit denen sie rasch an modernste Waffen, aber auch fähige Militärführer gelangen konnten. In Nachahmung der berühmten Ausbreitung des Islams im 7. Jahrhundert wollen sie von ihrer kleinen Basis aus nun alle korrupten und im Großen- und Ganzen unbeliebten Regime in der islamischen Welt überrollen und ein neues Kalifat errichten. Auch wenn der US-Imperialismus von der IS-Dynamik zunächst überrascht war, nutzte er diese neue Bedrohung, um die Golf-Monarchien wieder stärker an sich zu binden und ein neues globales Bündnis aufzubauen, mit dem er an der UN vorbei jederzeit eingreifen kann, um den „Terrorismus“ zu bekämpfen. Der IS-Faschismus wie auch die neue US-geführte „Koalition der Willigen“ stellen gleichermaßen eine Bedrohung für die arabischen Werktätigen und darüber hinaus dar, die mit internationaler Solidarität für die dagegen Widerstand leistenden beantwortet werden muss.

Das Auftauchen von China als neuer imperialistischer Macht ist vielleicht der destabilisierendste Faktor von allen. Chinas dynamisches Wirtschaftswachstum war maßgebend für die Unterstützung der US-Vormachtstellung in der Globalisierungsperiode, doch hat der schiere Umfang von Chinas Wirtschaft seit 2006 eine gegenläufige Wirkung eingeleitet. Deren Wachstum hat alle Konkurrenten aus dem Felde geschlagen,6 und im Gefolge hat Chinas Hunger nach Rohstoffen die Weltpreise zur gleichen Zeit hoch getrieben, als seine fieberhafte Ausweitung und Fortschritt in immer verzweigtere Produktionssektoren die Lohnkosten im Inland steigen ließen.

Geschichtlich ersichtlich wurde dies anhand von Chinas Fähigkeit, den Erschütterungen der Krise 2008-2009 standzuhalten und sogar einen positiven Einfluss auf die Erholung in einigen Regionen auszuüben. Damit erwies sich China als kapitalistische Großmacht auf eigene Rechnung, als neue imperialistische Macht, deren fortgesetztes Wachstum letztlich nur auf Kosten der imperialistischen Konkurrenten gesichert werden konnte. Diese Zeichen sind vom Pekinger Regime klar erkannt worden, und sie haben sich langfristig darauf eingestellt. Das zeigen v. a. die grundlegende Modernisierung ihrer Streitkräfte, darunter auch zum ersten Mal seit 6 Jahrhunderten der Ausbau einer Hochseeflotte, aber ebenso die rasche Ausweitung von Kapitalanlagen auf anderen Erdteilen, besonders in Afrika und Lateinamerika, zudem an strategisch bedeutsamen Stellen wie Sri Lanka sowie jüngst im Vorantreiben einer möglichen Alternative zum IWF in Verbindung mit den ‚Schwellenländern‘ Brasilien, Russland und Indien. Dies geht natürlich einher mit der kompromisslosen Wahrung der Interessen in der unmittelbaren Regionalumgebung, deutlich ablesbar an dem Streit mit Japan über die Diaoyu-Senkaku Inseln im Ostchinesischen Meer.

Währenddessen gibt sich auch Japan unter der Regierung von Shinso Abe betont kriegerischer in dieser Auseinandersetzung und möglichen Weiterungen. Die japanische Verfassung soll von etlichen Beschränkungen für Größe und mögliche Ausrichtung der Armee frei gemacht werden. Das ist ein untrügliches Anzeichen für eine neue militärisch offensivere Strategie des japanischen Imperialismus.

In Südasien hat der Wahlsieg von Narendra Modis indischer Bharatija Janata Partei die Vorhersage einer scharfen Wende zum Westen gestützt, denn Modi hatte als Gouverneur der Provinz Gudjarat neoliberale Politik betrieben. Doch seit der Wahl haben sich die Kontakte zu China verstärkt, und dessen Staatspräsident Xi Jinping hielt Sondergespräche mit Modi während des Treffens der BRIC-Staaten im Juli 2014 in Brasilien ab. Dem sollen Staatsbesuche in Indien, Pakistan und Sri Lanka folgen. Die Aussicht auf Wiederannäherung von China und Indien wäre das klarste Zeichen eines grundlegenden Kräftewandels bei der Umgestaltung der Weltpolitik in den kommenden Jahrzehnten.

Die Beweise für die gewachsene innerimperialistische Rivalität mehren sich, aber wohin führt dies? Noch vor kurzen wurde vielfach angenommen, dass die Globalisierung die Unruhen des 20.Jahrhundert endgültig überwunden hätte. Unsere Zeitschrift hat jedoch diese Behauptung stets zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass die Globalisierung zwar zur Beschreibung des Zeitabschnitts nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der folgenden Vorherrschaft der USA genügte, dass dies jedoch nur eine Phase in der imperialistischen Epoche darstellt und den eigenen Sturz vorbereitet.

Ökonomische Krisentendenzen

In der Ausgabe vom Februar 2007, also noch vor dem Platzen der Hypothekenblase als erstem Anzeichen für die wachsenden Schwierigkeiten der US-Ökonomie und anderthalb Jahre vor dem Zusammenbruch der Lehman Brothers-Bank mit der wahrscheinlich tiefsten Finanzkrise in der kapitalistischen Geschichte, schrieben wir:

„…bedeutsame Entwicklungen in der Weltlage müssen im Licht von grundsätzlichen Tendenzen gesehen werden, die unter der Oberfläche der kapitalistischen Gesellschaft ablaufen. Die allgemeine Tendenz der imperialistischen Epoche zum Niedergang drückt sich in der gegenwärtigen Periode durch Überakkumulation von Kapital und dem tendenziellen Fall der Profitrate, durch seine abnehmende Kraft zur Entfaltung der Produktivkräfte und durch eine allgemein zunehmende Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft aus…Entgegen den Behauptungen der bürgerlichen Bewunderer der Globalisierung und deren linker Gefolgsleute drückt der gegenwärtige Zyklus keineswegs eine lange Welle des Wirtschaftsaufschwungs des globalen Kapitalismus aus, sondern vielmehr eine Fortsetzung der Krise und schwindender Wachstumsraten.“

Als Entgegnung auf jene, die glaubten, dass das Wachstum China erlaubt hätte, sich von der US-Wirtschaft zu entkoppeln und auch seinen Aufwärtstrend selbst bei einem Abschwung der USA beibehalten könnte, führten wir im gleichen Artikel aus: „…jeder bedeutende Abschwung in der US-Ökonomie hätte einen sofortigen Einfluss auf Chinas Export orientierte Industrien.“

Als 2 Jahre später das Ausmaß der Krise von fast allen erkannt wurde, zogen wir den Schluss, dass dies nicht ein weiterer Konjunkturzyklus war, der bald von einer Rückkehr zu Wachstum abgelöst werden würde. Wir argumentierten im Gegensatz dazu: „..eine historische Krise des kapitalistischen Systems hat begonnen und kann nur gelöst werden durch eine gleichermaßen historische Vernichtung von Kapital und eine Neuaufteilung der weltweiten Quellen für Mehrwert, Rohstoffe und Märkte…Die Wirtschaftszyklen der nächsten Periode werden durch scharfe Widersprüche und Stillstand mit nur schwachen und schwankenden Erholungen gekennzeichnet sein…Diese Voraussetzungen werden die innerimperialistische Konkurrenz und verschärfte Klassenkämpfe befeuern vor dem Hintergrund einer sich ständig zuspitzenden Umweltkrise.“

Unsere Vorhersagen von schwachen und schwankenden Erholungen sind durch die folgenden Entwicklungen und sogar von den jüngsten Weltwirtschaftsaussichten des IWF bestätigt worden. Ihnen lag die Erkenntnis zu Grunde, dass die Globalisierung wie auch die imperialistische Epoche selber ein Ausdruck davon ist, was Marx die widerstrebenden Tendenzen beim tendenziellen Fall der Profitrate nannte. Obwohl fallende Profitraten eine Folge der Überakkumulation von Kapital sind und von daher grundsätzlich nur durch die Vernichtung von überschüssigem Kapital zurückgesetzt werden können, bemerkte Marx, dass diese Tendenz zumindest vorübergehend durch verschiedene Mittel gebremst werden kann. Er nannte u. a. die Intensivierung der Arbeit, die Expansion des Exportkapitals und die Verbilligung des konstanten Kapitals als Beispiele.

Bei der Globalisierung kommen viele solcher Faktoren in Betracht. Die politische Weltmachtstellung der USA und ihre Kontrolle über internationale Agenturen wie Weltbank und IWF gab ihnen die Mittel, die halbkolonialen Länder zu zwingen, ihre Märkte für US-Waren zu öffnen und vordem staatliche Bereiche ihrer Ökonomien zu privatisieren. Finanzielle Unterstützung und Kredite wurden nur zu hohen Zinsen und der Annahme von strukturellen Anpassungsprogrammen gewährt, womit die Rückzahlung der Kredite durch die Kürzung von Ausgaben der Regierung für Wohlfahrt und Sozialleistungen finanziert wurde. Eine weiterer wichtiger Umstand, der es dem US-Kapital gestattete, die Löhne im eigenen Land niedrig zu halten und gar zu senken, war dem Aufstieg des chinesischen Kapitalismus zu verdanken, der eine ansteigende Schwemme von immer billigeren Waren lieferte.

Solche Bedingungen ließen das US-Kapital im profitablen Bereich ohne die Säuberung von überschüssigem Kapital. Die US-Konzerne wollten ihre riesigen Investitionen der Vergangenheit in nunmehr veraltete Produktionsanlagen wie z. B. Automobilfabriken jedoch nicht einfach abschreiben, sondern wandten sich unterschiedlichen Formen der Finanzspekulation zu, wo schnellere Einkünfte machbar schienen. Im Gefolge des Zusammenbruchs der Internetaktiengeschäfte und der Al Qaida Attacke auf die Zwillingstürme des Welthandelszentrums kappte die amerikanische Notenbank die Zinsen und ließ eine Flut von billigen Krediten für Firmen und Verbraucher fließen.

Diese Kombination von billigem Geld und Finanzspekulation bereitete den Boden für die Finanzkrise 2008. Ironischerweise zielten die Maßnahmen, die Krise in den Griff zu kriegen, deren Ursache in der Überakkumulation von Kapital lag, auf die Begrenzung der Vernichtung von Kapital. Die Aufkäufe der Zentralbank von wertlosen Papieren, d. h. Anleihen, die nicht zurück gezahlt werden konnten, die Kürzung von Zinsraten auf fast 0 %, ein Anreizpaket von 400 Milliarden Dollar und dann massives monatliches Hineinpumpen von Geldmengen durch ‚quantitative Erleichterung‘ verhinderten den Zusammenbruch des Bankensystems. Doch weil dies natürlich nicht an die Wurzel der Krise ging, konnten wir die schwachen und schwankenden Erholungen voraussagen.

6 Jahre nach Beginn der Krise hat der Grad der Erholung unsere Vorhersage bestätigt. Natürlich sind Rezessionen und Erholungen in Tiefe und Länge bei verschiedenen Ökonomien nicht gleich verlaufen. Das Ausmaß der Krise 2008 und der daraus folgende Zusammenbruch im Welthandel erzeugten einen hohen Grad an Gleichzeitigkeit in seiner Auswirkung auf der ganzen Welt. Die Erholungsprozesse wiederum hingen von vielen Umständen ab, die kennzeichnend waren für die verschiedenen Ökonomien der großen Länder und nicht wenig von der Politik der jeweiligen Regierungen.

Bei den etablierten imperialistischen Mächten erlitt bspw. Deutschland 2009 einen Rückgang im BIP-Wert um 5,1%, erlebte einen Anstieg um 4,0 % im folgenden Jahr, der sich 2012 um 0.7% verlangsamte. Im Gegensatz dazu schrumpfte der US-BIP 2009 um 2,8%, wandelte sich 2010 in Wachstum von 2,5% und erreichte nach einer Entschleunigung 2012 2,8%. In Spanien ging das BIP 2009 auf 3,8% herunter, erholte sich erst 2011 um winzige 0,1% und brach 2012 und 2013 um 1,6% bzw. 1,3% erneut ein. Die Vergleichszahlen für Großbritannien beziffern sich 2009 auf ein Minus von 5,2%, kletterten dann jedoch in den Folgejahren auf 1,7%, 1,1%, 0,3% bzw. 1,8% (2013).

Die BIP-Statistiken werden für alle großen Ökonomien einigermaßen einheitlich erstellt, außer für China, und bieten ein ziemlich verlässliches Material über den verhältnismäßigen Wandel in Wirtschaftsaktivitäten über die Zeiten und in verschiedenen Ökonomien. Dennoch zeichnen die Zahlen, obwohl sie Aktivität, Umfang und Wert der Transaktionen in der Wirtschaft und nicht die Produktion als solche messen, ein irreführendes Bild von Wirtschaftswachstum. Eine steigende Zahl von Wohnungsverkäufen besagt nicht unbedingt eine erhöhte Anzahl von Häusern, noch deutlicher wird dies bei gesteigerten Aktivitäten am Aktienmarkt. Dort kann dies ebenso eine spekulative Blase wie einen gewachsenen Ausstoß von Firmen bedeuten, deren Anteile gehandelt werden.

In diesem Licht ist es bedeutsam, dass der Produktionsausstoß in keiner der westlichen imperialistischen Mächte den Vorkrisenstand wieder erreicht hat. Laut dem britischen Amt für nationale Statistik kommen die USA dem mit 2,6% unter dem Schnitt noch am nächsten, während die Zahlen für Großbritannien bei -7,6% und die für Italien, Frankreich und Japan noch über -10% liegen.

Im Gefolge der Rezession ist die Arbeitslosigkeit in allen großen Ökonomien gestiegen, jedoch graduell und zeitlich verschieden. Der Jahresdurchschnitt in Frankreich und Deutschland stieg von 2008 zu 2009 von 7,8% auf 9,5% bzw. 7,5% auf 7,8%. Danach wuchs die Arbeitslosigkeit in Frankreich weiter bis 2012 auf 10,6%, während sie in Deutschland wieder auf 5,3% fiel. Ein viel größerer Kontrast ergab sich in Spanien, 2008 11,3%, 2012 24,9%.

In den USA sind von Februar 2008 bis Februar 2010 8,7 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Arbeitslosigkeit kletterte von 4,7% im November 2007 auf einen Höchststand von 10% im Oktober 2009. Dann erfolgte eine stete Zunahme der Beschäftigtenzahlen in den folgenden drei Jahren, und im März 2014 war die Zahl der Arbeitsplatzverluste wieder ausgeglichen, 9,163 Millionen waren seit 2010 neu entstanden. Dennoch sollte beachtet werden, dass viele dieser Jobs in den Niedriglohnsektoren von Dienstleistungen geschaffen wurden, wo die Lohnkosten unter den Reproduktionskosten für die Arbeitskraft liegen, so dass selbst jene, die Arbeit haben, noch Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen und von Lebensmittelmarken und Suppenküchen leben müssen.

Die zyklische Erholung, von der in der angelsächsischen Boulevardpresse so groß getönt wird, kommt in den seriöseren Berichten nicht so optimistisch vor. Die Weltwirtschaftsaussichten des IWF vom Frühjahr 2014 bemerken, dass in den alten imperialistischen Kernländern die Investitionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt immer noch fallen und selbst in den aufstrebenden Märkten die Wachstumsraten nicht mehr das Niveau vor 2007 erreichen werden.

Daraus schließt der Bericht: „Eine Hauptsorge gilt der Möglichkeit einer längeren Periode sehr geringen Wachstums (‚säkularer Stagnation‘) in den fortgeschrittenen Ökonomien, v. a. wenn neue Schocks diese Ökonomien treffen oder politische Mittel nicht die Krisennachwirkungen wie erwartet in den Griff bekommen.“

Ein ähnlich pessimistischer Ton findet sich in den Aussichten vom Juli 2014. Der IWF hat seine Prognose für das globale Wachstum um 0.3% auf 3,5% nach unten angepasst und schätzte, dass die „globale Erholung sich fortsetzt, aber in ungleichmäßigem Tempo und die Gefahr von Einbrüchen bestehen bleibt.“

Weiter heißt es: „Das weltweite Wachstum hat sich im ersten Vierteljahr 2014 stärker verlangsamt als erwartet, v. a. weil es zeitweilige Rückschläge gab mit einer scharfen Korrektur an einem früheren Innovationsschub und den Auswirkungen eines strengen Winters auf die Binnennachfrage in den USA.

Das Wachstum enttäuschte auch in China, wo Maßnahmen zur Kreditdämpfung und auf dem Wohnungsmarkt ergriffen wurden. Das Wachstum hat sich in anderen aufstrebenden Märkten gemäßigt, weil die Auslandsnachfrage sich abgeschwächt hat und auch, weil die Investitionen langsamer als erwartet vonstatten gingen.“

Die andauernde Schwäche der produktiven Investitionen zeigen, dass die Profiterwartung hier niedrig angesetzt werden. Die Profitmasse der Konzerne in den USA hat jedoch stark zugenommen, und die Aktienmärkte waren auf Gipfelfahrt, zeigten damit aber, dass das ‚Wachstum‘ vornehmlich auf fiktivem Kapital beruht. Im Juni erklomm der Dow Jones Index den historischen Höchststand von 15000 Punkten, zwei Monate später durchbrach er schon die 17000-Marke. Die Kreditstatistik bestätigt diesen Trend: im ersten Quartal nahmen die Anleihen der Firmen um 9,3% zu, im letzten Viertel von 2013 waren es nur 7,7% gewesen. Insgesamt bewegten sich die aufgenommenen Geschäftkredite auf einem historischen Hoch von 59,399 Billionen Dollar, 347% des BIPs.

Trotz des noch niedrigen Gesamtwachstums steigerten sich die Verbraucherkredite um 6,6% im selbem Zeitabschnitt. Neben der Ungleichheit mit der BIP-Zuwachsrate liegt die Bedeutung dieser Zahlen in den niedrigen Zinsraten, die die Anleihen begünstigen. Wenn aber die Zinssätze zu steigen beginnen, was sie in einer anhaltenden Erholungsphase tun müssten, wenn die Politik des lockeren Geldes endet, wären Rückzahlungen zunehmend schwierig und würden den Grundstein legen für eine neue Finanzkrise.

Ohne produktive Investitionen würde die Beschäftigung in dem für die Mehrwerterzeugung ausschlaggebenden Sektor nicht entscheidend wachsen, und die Jobs würden sich noch mehr auf unproduktive oder unterdurchschnittlich produktive Sektoren verlagern. Das wiederum würde der Wirtschaft keinen Verbraucher gesteuerten Anschub verleihen und auch bei Wahlen keine gute Stimmung erzeugen.

Vor dem Hintergrund einer sehr schwankenden Erholung in den etablierten imperialistischen Staaten haben diverse ‚Retter‘ des Kapitalismus überlegt, welche vermeintlich alternativen Kräfte denn die Rolle eines Zugpferdes für das Wirtschaftswachstum übernehmen könnten, um den lahmenden Karren wieder flott zu machen. Viele von ihnen setzten auf die BRICS-Gruppe Brasilien, Russland, Indien, Chinas und Südafrika.

Mehrere von diesen Staaten haben tatsächlich kurz nach dem Tiefpunkt des internationalen Abschwungs verhältnismäßig hohe Zuwächse verzeichnet. Brasilien kam bspw. rasch aus der Talsohle mit einer Abschmelze 2009 auf 0,3% zu einem steilen Anstieg auf 7,5% im Folgejahr, während Indien und China sogar während des Krachs 2008 ihr Wachstum erhielten und 2009 auf 8,5% bzw. 9,2% empor bringen konnten.

Doch die Zuwachsraten konnten in keinem dieser Länder gehalten werden. Brasilien stürzte 2012 auf ganze 0,9% ab. Der rationale Kern in der Vorstellung von den BRICS als durchschlagskräftige Ländergruppe beruhte darauf, dass mehrere von ihnen stark von dem großen Konjunkturpaket profitierten, das eines ihrer Mitglieder, nämlich China, geschnürt hatte, indem es Rohstoffe, Energie und Lebensmittel aus den anderen Ländern importierte.

Nicht entmutigt vom Scheitern der BRICS bei der Rettung des Kapitalismus hielten andere Schlauköpfe Ausschau nach weiteren Kandidaten und verfielen auf die MINT-Gruppe Mexiko, Indonesien, Nigeria und Türkei als Beweis für die restaurativen Kräfte des Kapitals. Als mehrere der BRICS-Länder 2010/2011 die ‚Experten‘ schon enttäuscht hatten, überwand Mexiko die vorherige Schrumpfung 2009 von 5% und kam 2010 zu 5% Zuwachs. Indonesien übertraf in allen drei Jahren nach 2009 die 6%-Marke, während die Türkei ihr Tief 2009 von 4,8% mit einem Sprung auf 9% im Jahr darauf übertrumpfte.

Hier kam jedoch auch MINT als Gruppe nicht im Gleichschritt voran. Obwohl Nigeria 2012 und 2013 mehr als 6% Wirtschaftszuwachs erzielen konnte, krebste Mexiko zu der Zeit schon wieder bei 1,2% und die Türkei bei 3,8%. Diese oder andere ‚aufstrebende Märkte‘ werden von einer Gefahr bedroht, der Aussicht auf steigende Zinsen in den USA; sobald auch nur die Möglichkeit erwähnt wurde, dass die US-Notenbank die Politik des schnellen Geldes aufgibt, floss das Kapital aus diesen Ökonomien zurück in die USA in Erwartung schnellerer Einnahmen.

Nachdem der IWF schon im Juli seine Prognose nach unten korrigieren musste, haben die Herbstgutachten des IWF aber auch der deutschen Wirtschaftsgutachten noch einmal nach unten korrigieren müssen. Für die Weltwirtschaft wurde nochmal von 3,5 (Juli-Gutachten) auf 3,3 korrigiert. Als Begründung wurde angegeben, dass die Wachstumsraten in den BRIC-Ländern regelmäßig zu hoch angesetzt seien bzw. die Entwicklungen im Mittleren Osten überrascht hätten. Gleichzeitig mussten die deutschen Wirtschaftsinstitute ihre Prognosen dramatisch nach unten korrigieren – statt der erwarteten Konjunkturexplosion liegt die Prognose jetzt für dieses Jahr bei 1,3%, mit einer weiteren Abschwächung auf 1,2% für 2015. Besonders schmerzlich seien die Einbrüche bei den Investitionen und im Export. Im August war der deutsche Export sogar um 5,8% im Vergelich zum Vormonat gefallen – so stark wie nicht mehr seit dem Krisenjahr 2009. Die Investitionen betragen derzeit nur noch 1,9% am BIP, die Auftragslage bricht ein, der ifo-Geschäftsklima-Index sinkt seit 5 Monaten – all dies wird von führenden Wirtschaftszeitungen Deutschlands als klares Krisensignal aufgefasst. Der Einbruch der deutschen Konjunktur ist dabei Gift für den Rest des EU-Raums. Die EU-Wirtschaft bewegt sich wieder klar auf eine Rezession zu, der ehemalige US-Finanzminister Summers sprach auf der Herbsttagung von IWF und Weltbank sogar von einer „EU-Depression“.

Die deutsche Regierung und die deutschen Wirtschaftsblätter ziehen eine andere Konsequenz. So kommentierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ das Prognosedebakel von IWF und Co am 10.10.2014: „Man darf vermuten, dass mit der Finanzkrise mehr zerbrach, als es sich mit einer temporären Nachfrageschwäche erfassen lässt… Langsam sickert in den Prognosen des IWF und anderer diese Erkenntnis ein, dass das Wachstumspotential vielfach wohl geringer ist als zuvor“. Dies heisst nicht mehr und nicht weniger, dass das umlaufende Finanzvolumen um ein Vielfaches die realen Wachstumsmöglichlkeiten übersteigt und daher die bestehenden Kapazitäten bei weitem nicht verwertet werden können. Der FAZ-Kolumnist zieht dann auch die notwendige Konsequnez: die bisherige Politik, die Nachfragelücke nach der Finanzkrise durch die Politk des lockeren Geldes zu schließen, sei auf ganzer Linie gescheitert. Es müsse wieder zu einer „angebots-orientierten“ Politik zurück gekehr werden. Dies ist eine akademische Umschreibung für Kapazitätsabbau, bewusstes Scheitern-Lassen auch „systemrelevanter“ Unternehmen und Kapitale etc. um die „überlebenswerten“, i.e. verwertbaren Kapitale wieder auf Wachstumskurs bringen zu können. Der Vater des Neo-Liberalismus, von-Hayek hat diese Doktrin in dem Satz zusammengefasst, dass die Krise ihr heilendes Werk vollbringen muss. Dies bedeutet Angriff auf die Existenzbedingungen von Milliarden von Menschen auf diesem Planeten. Etwas, vor dem viele Kapitalfraktionen noch zurück schrecken. Auf der Herbsttagung von IWF und Weltbank wurde dies in massiven Angriffen auf den duetschen Finanzminister Schäuble deutlich, der der EU-Konjunkturschwäche endlich durch Investitionsprogramme und Schuldenpolitik entgegenwirken solle. Davon unbeeindruckt vertrat Schäuble, bewusst oder unbewusst Hayek folgend: „Eine Krise hilft immer die Dinge voran zu treiben“ (Stuttgarter Zeitung, 10.10.2014).

Politische Konsequenzen

Der schwankende Charakter der Erholung von der tiefsten Depression der Neuzeit bildet die materielle Grundlage für die gewachsene Aggressivität des Kapitals sowohl im Klassenkampf nach innen in den jeweiligen Ländern wie auch auf internationaler Ebene im Konkurrenzkampf der Großmächte. Die neue Periode der Weltpolitik ist geprägt von scharf zugespitzten innerimperialistischen Konflikten, in denen, wie Lenin es klar und unumwunden formulierte, die Großmächte sich für eine Neuaufteilung der Welt rüsten.

Das heißt nicht, dass ein direkter Konflikt zwischen den Großmächten droht. Vielmehr ist eine Kombination von ‚sanfter‘ Gewalt, um strategische Vorteile zu erlangen, und begrenzten Kriegen zwischen kleineren Staaten zu erwarten, die auch dort, wo sie nicht als Stellvertreterkriege beginnen, die Hauptmächte in die Auseinandersetzung hineinziehen können. Die zu Grunde liegende wirtschaftliche Dynamik treibt die Großmächte zur Konfrontation, allerdings können politische Unruhen in scheinbar weniger wichtigen Ländern ebenso der Auslöser für die nächste Wirtschaftskrise sein wie ein weiterer spektakulärer Bankrott nach Art der Lehman Brothers-Bank.

Dieses Szenario beleuchtet die Notwendigkeit für RevolutionärInnen, die nationalen und regionalen politischen Entwicklungen in Bezug auf das Gesamtbild auf Weltebene zu untersuchen. Alle Einzelfälle haben ihre eigene Charakteristik abgeleitet vom Klassenkampf in den jeweiligen Ländern, aber die mögliche offene oder unterschwellige Verwicklung der imperialistischen Mächte macht es notwendiger denn je, politisch unabhängige Arbeiterparteien aufzubauen.

International müssen RevolutionärInnen die strategischen Ziele der verschiedenen Imperialismen in Betracht ziehen und betonen, dass wir Solidarität mit allen Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung üben und zugleich in den imperialistischen Ländern den Hauptfeind im eigenen Land, die herrschende Klasse bekämpfen.

Diese ehernen Grundsätze sind strenger denn je zu befolgen, denn der Imperialismus hat von den Erfahrungen einer Vielzahl von Bewegungen profitiert, die als demokratische Opposition nicht nur gegen stalinistische Bürokratien wie Solidarnosc begonnen haben, sondern auch gegen unterdrückerische Regime wie das der Apartheid in Südafrika oder das von Marcos auf den Philippinen. Die ‚Farbenrevolutionen‘ in Europa und jüngst die Euromaidan-Bewegung zeugen von dieser Lernfähigkeit des Imperialismus.

Das Potenzial für ähnliche Interventionen existiert auch in China. Unmittelbar stehen neben demokratischen, politischen und gewerkschaftlichen Rechten, nationale Fragen in Tibet und Xinjang, die weit verbreitete Korruption der Geschäftselite der KP und eine wachsende Reihe von ungelösten Umweltfragen auf der Tagesordnung.

Die kapitalistische Entwicklung von China hat unausweichlich die Dynamik einer in Klassen geteilten Gesellschaft in Gang gesetzt und trotz Parteidiktatur auch elementare Formen des Klassenkampfs. Im Zusammenhang mit dem schnellen Wachstum stellen sich Fragen nach Verbesserung bei Lohn und Arbeitsbedingungen, aber auch zur sozialen Absicherung, Wohnung, Bildung usw. Um der möglichen Entstehung von radikalen gegen das Regime gerichteten Bewegungen vorzubeugen, sind von offizieller Seite Schritte unternommen worden, die Staatsgewerkschaften zu verändern, dennoch haben Formen von Selbstorganisation ständig zugenommen, und Forderungen nach von der Basis gewählten gewerkschaftlichen VerhandlungsführerInnen haben sich allgemein ausgebreitet.

In diesem Bildungsprozess sind Gewerkschaften und NGOs in den ‚demokratischen‘ imperialistischen Ländern, besonders unterstützt von den europäischen sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften, eifrig dabei, ihr Modell der Klassenkollaboration und des arbeiteraristokratischen Gewerkschaftertums zu propagieren und zu fördern. Dies liegt nicht nur voll auf der strategischen Linie der westlichen Imperialisten in der Absicht, das Regime zu untergraben, sondern stellt auch den chinesischen ArbeiterInnen eine gefährliche Falle, deren grundsätzliche Bedürfnisse massenhafte, demokratische Gewerkschaften und eine politisch unabhängige Arbeiterpartei sind, die in der Lage sind, die Arbeiterinteressen gegen Bürokraten, eigene bürgerliche Klassengegner und Imperialisten gleichermaßen zu verteidigen und voran zu bringen.

Auf den Einsatz dieser ‚sanften‘ Gewalt hat das Pekinger Regime bereits mit der Mobilisierung des Han-Chauvinismus gegen ausländische Einflüsse, v. a. mit antijapanischen Kampagnen sowie durch wirtschaftliche Zugeständnisse reagiert, um besondere Konflikte zu entschärfen und Reformen einzuleiten. Diese Strategie würde aber bei einem anhaltenden Niedergang des Welthandels nicht haltbar sein.

Vor diesem Hintergrund schwelender innerimperialistischer Rivalität und angesichts einer drohenden weiteren Finanzkrise in näherer Zukunft haben die Arbeiterorganisationen, Gewerkschaften wie Parteien, kaum die Errungenschaften der Arbeiterbewegung verteidigt. Sie haben sich eher darauf eingelassen, Reallohnkürzungen hinzunehmen oder gar Lohnverzicht zu üben, um Arbeitsplatzverluste der eigenen Mitgliedschaft zu begrenzen, während sie wenig bis gar nichts für die Organisierung von prekarisierten Schichten und Jugendlichen taten, die kaum Aussicht haben, in den Arbeitsprozess integriert zu werden, geschweige denn, ihren Traumberuf ergreifen zu können.

Das passt natürlich zu den Nachfahren jener Klassenverräter von 1914, den reformistischen Parteien und Gewerkschaften. Nicht selten haben Organisationen wie die britische Labour Party und die deutsche Sozialdemokratische Partei Regierungen geführt, deren Politik zur Krise beigesteuert hat.

Etwas mehr überrascht zumindest anfänglich da schon die Unfähigkeit der Haupttendenzen, die sich auf den Trotzkismus berufen, zu erkennen, was die USA und die EU in Osteuropa, v. a. der Ukraine angerichtet haben. Eine Warnung, dass die Euromaidan-Bewegung ein Teil der ‚Farbenrevolutionen‘ war, die vom westlichen imperialistischen Block unter Führung der USA angestoßen und finanziert worden sind, hörte man von diesen Gruppen nicht. Stattdessen setzten sie, an ihrer Spitze das Vereinigte Sekretariat der IV., den Euromaidan gleich mit den echten, spontan demokratischen Bewegungen des arabischen Frühlings und des Widerstands gegen Kürzungspolitik in der EU.

Die Wurzel für diesen Irrtum liegt in dem tief sitzenden Missverständnis von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution als ‚Prozess‘, der die Errungenschaften der geschichtlich fortschrittlichen Ziele durch Massenbewegungen selbst ohne revolutionäre Führung sichern könne. Sie haben die Macht der DemonstrantInnen auf dem Tahrir-Platzes gesehen, waren aber blind gegen die Gefahr von Seiten der Moslembruderschaft bzw. der Massenillusion in die Armee in Ägypten. Anscheinend haben sie die selbe Schablone auf die Maidan-Bewegung angewendet, weil auch sie oberflächlich betrachtet in ähnlicher Weise einen städtischen Platz besetzt hielten. Dabei haben sie jedoch die Augen und Ohren nicht nur vor den reaktionären pro-EU Forderungen des Maidan verschlossen, sondern auch vor der offen führenden Rolle von faschistischen Organisationen in der Bewegung.

Dies hat sie zur Anerkennung der Legitimität der Jazenjuk-Regierung geführt, die die zwar sicherlich korrupte und autoritäre, aber immerhin gewählte Janukowitsch-Regierung mit Hilfe von faschistischen Banden stürzte und diese Helfer mit Ministerposten belohnte. Völlig übersehen haben diese ‚Trotzkisten‘ auch die Beteiligung der USA an dem Zustandekommen dieser Kiewer Regierung. Ihren Irrtümern setzten sie dann noch einen hinzu, indem sie die Massaker von Odessa und Mariupol herunter spielten und damit der gezielten Desinformation der westlichen Medien auf den Leim gegangen sind, die die Opfer als Angreifer hingestellt haben.

So wichtig der Konflikt in der Ukraine schon für sich genommen als Versuch zu werten ist, die geostrategische Position der westlichen Imperialisten unter Führung der USA vorzuschieben, ist er auch ein untrügliches Zeichen der Zeit, ein Ausdruck für die kriegstreiberische Dynamik einer zusehends instabilen Welt. In dieser Hinsicht unterstreicht diese klägliche Fehleinschätzung vieler Linker, die unverzeihliche Oberflächlichkeit, mit der diese selbsternannten Erben der aufrechten RevolutionärInnen von 1914 alle Lehren aus den letzten 100 Jahren vergessen haben, die dringende Notwendigkeit für den Aufbau einer neuen, Fünften Internationale. Und ihre Parole lautet erneut: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“

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