Arbeiter:innenmacht

Zum Tod von Margaret Thatcher: The Witch is Dead!

Dave Stockton, Infomail 767, 13. April 2013

Jeder Ausdruck von Bedauern über den Tod von Margaret Thatcher, Ex-Chefin der britischen Konservativen Partei und von 1979-90 britische Premierministerin, oder Lobhudelei über ihre „Qualitäten“ und „Errungenschaften“ durch einen Repräsentanten der Arbeiterbewegung ist ein untrügliches Anzeichen von vergangenem und zukünftigem Verrat an der Arbeiterklasse. Zweifelsohne wird ihr Musterschüler Tony Blair, der Ex-Chef der Labour Party, in Erinnerungen schwelgen. Schon zu ihren Lebzeiten lobte er sie und ihre gewerkschaftsfeindlichen Gesetze als drakonischste in ganz Europa und behielt sie bei.

Blair säuberte Labour noch von den letzten Resten von Sozialismus, den Margaret Thatcher so verachtete – mit einer Brutalität, die der Thatchers nicht nachstand. Er übertraf sogar ihre Kriegsbeute der Falkland-Inseln mit der Plünderung von Serbien, Sierra Leone, Afghanistan und Irak. Auch der jetzige Labour-Vorsitzende Ed Miliband, ein Politiker ohne jedes Rückgrat, wird gewiss Worte des Lobes und der Bewunderung für Thatcher als großer Premierministerin in Krieg und Frieden finden.

Unsere Leitlinie allerdings sollte die schonungslose Feindschaft der Bergarbeitergemeinden in Südwales sein, die sie stets gegen die andere Ikone der Tories und Thatchers Vorbild Winston Churchill bewahrt haben. Er sandte 1911 Truppen zum Streikbruch in die Tonypandy-Zechen. Die Bergleute vergaßen ihm das nie und stimmten keine Lobeshymnen auf ihn an – weder im 2. Weltkrieg noch bei seinem Tod 1965. Das ist die unbeugsame Haltung der Arbeiterklasse! Wir wissen, wer unsere Feinde sind, wir zollen ihnen keine ritterlichen Verbeugungen, genau so wenig, wie sie es uns gegenüber tun.

Die 70er Jahre

Schon damals war Thatcher eine erklärte und rücksichtslose Feindin der arbeitenden Bevölkerung und überzog die Angehörigen der Arbeiterklasse und deren Gemeinden mit aller Bösartigkeit, derer sie fähig war.

Margaret Roberts, die spätere Thatcher, wurde als Tochter eines Gemüsehändlers aus Grantham, einer mittelenglischen Kleinstadt, geboren. Sie durchlief eine Ausbildung an der Oxford-Universität und heiratete einen Millionär. Sie verband den engstirnigen Klassenhass, der typisch für das Kleinbürgertum ist, mit der entschlossenen Verfolgung einer neuen Strategie, die sie aus der eingeheirateten Millionärsschicht erwarb: dem Monetarismus.

Nach den Demütigungen, welche die Kapitalisten und die Tory-Partei in den 70er Jahren durch militante Gewerkschaftskämpfe, besonders durch die Bergarbeiter, erfahren hatten, bildete sich eine konservative Fraktion um Thatcher und ihren geistigen Ziehvater Sir Keith Joseph. Zum einen trieb sie Rache um, aber der eigentliche Grund waren die für die britische Bourgeoisie gefährlich niedrigen Ausbeutungs- und Profitraten.

Die Konservativen wollten auch die Nachkriegserrungenschaften der Arbeiterklasse in Gestalt von Sozialreformen wieder einkassieren. Thatcher sah das Gespenst des „Sozialismus“ in der Wohnungspolitik der Gemeindeverwaltungen, den verstaatlichten Industrien, der Eisenbahn und dem „Sozialstaat“. Sie sagte programmatisch: „Es gibt nicht so etwas wie Gesellschaft. Es sind einzelne Männer, Frauen und Familien.“

Es war eine große Tragödie, dass nach 1975 die militante Shopsteward-Bewegung und die 12-13 Millionen starke Gewerkschaftsbewegung keine solch entschlossenen Klassenkämpfer wie der Klassengegner in Thatcher hatte, sondern die größten Weicheier und feigsten Lahmärsche, die man sich denken kann. Sie ließen die herrschende Klasse vom Haken und entwaffneten und demobilisierten die Arbeiterbewegung.

Aber auch die „radikale“ Linke ließ sie in ihrer Untätigkeit und Abwiegelung gewähren, statt eine mächtige Basisbewegung und eine revolutionäre Partei aufzubauen, die eine alternative Führung im Moment des Verrats durch die Gewerkschafts- und Labour-Parlamentsspitzen hätte sein können.

Nutznießer der Konjunkturkrise

Die neue Klassenkriegsstrategie der Tories war in der Opposition von 1975-79 sorgfältig vorbereitet worden. Sie setzte sich zum Ziel, die Stärke der Gewerkschaften durch eine gewollt scharfe Deflation und die Erhöhung der indirekten Steuern zu brechen, welche die Massenarbeitslosigkeit massiv verschärfen würden. Sie begrüßte die schrecklichen sozialen Folgen ihrer Politik und hielt ihren Kritikern einsilbig entgegen: „Die Dame macht keine Kehrtwende.“ Das war es, was sie wollte. Sie war, wie der heutige Finanzminister Osborne, ein Nutznießer der Flaute.

Zugleich führte sie Jahr für Jahr eine Reihe von gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen ein und entzog damit den Gewerkschaften die Legitimität für deren kümmerliche Dienste für die Arbeiterklasse. Erwerbslosigkeit, Geldstrafen und Verfolgung schwächten und spalteten die Gewerkschaften, deren Generalsekretäre kampflos nachgaben und aktiv die Organisierung an der Basis lähmen und brechen wollten, zumal diese ihnen ein Jahrzehnt lang schlaflose Nächte bereitet hatte.

Das Thatcher-Kabinett machte sich daran, ganze Industriezweige zu schließen oder drastisch zu verkleinern, besonders den Öffentlichen Dienst u.a., die im Ruf standen, besonders militant zu sein. Stahlindustrie, Automobilwerke, Bergwerke, Druckindustrie und die Häfen erlebten dagegen erbitterte Streiks.

Margaret Thatcher war außenpolitisch ebenso reaktionär wie in ihrer Innenpolitik. Als Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde, unterstützte sie eifrig seinen zweiten kalten Krieg und begrüßte die Stationierung der amerikanischen Marschflugkörper auf britischem Boden, was die „Greenham Common-Proteste“ in der Bevölkerung hervorrief. Sie profilierte sich jedoch auch als Kriegsverbrecherin in Irland und im Südatlantik.

Der irische Krieg

Der irische Krieg war ein Erbteil von Thatchers Regierungs-Vorgängern. Dazu gehörten auch die gefangenen irischen Republikaner in den Gefangenenlagern in Nordirland, den berüchtigten H-Blocks. Die Regierung von 1970-74 hatte diesen ohne Prozess Festgehaltenen praktisch den gesonderten Status als politische Gefangene zuerkannt. 1976 widerrief die Labour-Regierung zu ihrer ewigen Schande diese Anerkennung und ordnete das Tragen von Anstaltsuniformen an. Die republikanischen Gefangenen führten mehrere „blanket protests“ durch, sie verweigerten das Anlegen der Sträflingskleidung, die sie als gemeine Kriminelle ausgewiesen hätte. 1978 wurde daraus die Weigerung, ihre Zellen zu säubern, der „dirty protest“.

Als Thatcher Premierministerin wurde, brach von Oktober bis Dezember 1980 der erste Hungerstreik aus. Erst als ein Streikender dem Tod nahe war, schien sie den Forderungen der Häftlinge nachzugeben. Sobald jedoch der Streik beendet war, zog sie ihre Zusagen wieder zurück. Der zweite Hungerstreik begann 1981 und endete trotz großer Proteste in Nordirland, der Republik Irland und Britannien mit dem Hungertod von 10 irisch-republikanischen Häftlingen. Während des Streiks erklärte der führende irische Befreiungskämpfer Bobby Sands: „Ich bin politischer Gefangener, ein Freiheitskämpfer. Man hat mir meine Kleidung genommen und mich in eine schmutzige leere Zelle gesperrt, wo ich ausgehungert, geschlagen und gefoltert worden bin (…) aber ich trage weiter den Geist der Freiheit, der sich nicht ersticken lässt.“

Aus seiner Gefängniszelle heraus wurde er am 9. April1981 in das britische Unterhaus gewählt und siegte dabei über den Kandidaten der Unionisten, die Nordirland als Kolonie Britanniens behalten wollen (und bis heute behalten). Der Parlamentsabgeordnete Bobby Sands starb am 5. Mai 1981 am 66. Tag seines Hungerstreiks. Thatcher zeigte nicht die geringste Reue und sagte vor dem Unterhaus: „Herr Sands war ein verurteilter Straftäter. Er hat den eigenen Tod gewählt.“ Über 100.000 Menschen geleiteten seinen Sarg auf seinem letzten Weg zum Grab. Bobby Sands u.a. Hungerstreikende, allesamt Opfer des britischen Imperialismus, werden immer in der Geschichte des irischen Freiheitskampfs leben. Thatchers Taten in Irland werden stets die Liste ihrer Verbrechen anführen.

Der Malwinas-Krieg

Als Argentinien die Falkland Inseln (Las Malwinas) im April 1982 besetzte, steckte Thatchers Regierung in den Meinungsumfragen für die Wahlen im nächsten Jahr in einem schweren Tief. Hätte die Labour Party die Entsendung einer Eingreiftruppe in das 13.000 Km entfernte und 650 km vor der argentinischen Küste liegende winzige Inselgebiet mit gerade einmal 2.000 EinwohnerInnen abgelehnt, wäre es vermutlich nicht zum Krieg um die Malwinas gekommen. Thatchers Demütigung vor den Augen ihrer eigenen rechten WählerInnenbasis hätte ihr Ansehen noch mehr untergraben.

Stattdessen glaubte Labour aber, Thatcher bloßstellen zu können, indem man ihr vorwarf, ein Territorium der Königin zu verschleudern und 2.000 ihrer Untertanen an die „faschistische Junta“ in Argentinien auszuliefern. Labours glückloser damaliger Führer Michael Foot war ein traditioneller Anhänger von Bevan (Gesundheitsminister im ersten britischen Nachkriegskabinett) und Aktivist der Anti-Atom-Märsche von Aldermarston – jedoch auch ein glühender Patriot. Dieses Kalkül von Labour erwies sich als katastrophal, denn die „eiserne Lady“ nutzte die Chance und schwang sich zur zwar possenhaften, aber blutigen Nachahmerin von Winston Churchill und dem Krieg gegen den Faschismus auf.

Der britische Sieg verhalf ihr zu einem Erdrutsch-Erfolg bei den Wahlen von 1983 mit dem Zugewinn von 100 Mandaten. Das stärkte ihre Position, von der aus sie die Bergarbeiter attackieren konnte. Sie sagte: „Wir mussten den äußeren Feind auf den Falkland-Inseln bekämpfen. Wir müssen aber immer den Feind im Inneren im Auge haben, der viel schwieriger zu bekämpfen und der gefährlicher für die Freiheit ist.“

Niemand sollte auch vergessen, dass Thatcher eine Hurra-Begeisterung einforderte, als das argentinische Kriegsschiff Belgrano mit 323 Mann an Bord versenkt wurde, obwohl es sich außerhalb der „Bannmeile“ in internationalen Gewässern von den Malwinas fortbewegte. Auch für dieses Kriegsverbrechen wurde Thatcher nie angeklagt.

Der große Bergarbeiterstreik

Der geschichtlich bedeutsamste Widerstand wurde der Thatcher-Regierung 1984/85 im Bergarbeiterstreik entgegen gebracht. Er bot auch die beste Gelegenheit, sie zu stürzen. Ein Hafenarbeiterstreik im Sommer 1984 schien die Versorgung mit Kohle von außerhalb abzuschneiden und einen Generalstreik auszulösen. Thatcher weinte vor Wut und Verzweiflung, wie Kabinettskollegen berichteten, angesichts der Aussicht, kapitulieren zu müssen. Die Spitzen der Transportarbeitergewerkschaft TGWU hielten jedoch still, als Thatcher Nachgeben signalisierte. Die Funktionäre reagierten halbherzig und nutzten die Chance zum Angriff als Fanal für die gesamte Arbeiterklasse nicht.

Auch die Bergarbeiter wurden – wie alle anderen Teile der Klasse – allein gelassen. Gemeinsame industrielle Kampfmaßnahmen fanden nicht statt. Sie genossen zwar den Zuspruch der Massen, es gab Sammlungen und Abordnungen zu den Streikpostenketten, aber alle erlitten eine Niederlage. Danach halbierte sich die Mitgliedschaft der Gewerkschaften und verlor gewaltig an Kampfkraft. Die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze schlagen bis heute voll durch.

Kein Wunder, dass Thatcher dafür die schrillsten Lobgesänge von allen Schmarotzern, Ausbeutern und den ihnen hörigen Medien erhält. Verdient hat sie allerdings nichts als Flüche von den verwüsteten Bergarbeitersiedlungen und den Industriebrachen, die sie auf dem Gewissen hat.

Doch die Arbeiterklasse erzielte doch noch einen wichtigen Sieg über sie und jagte sie aus dem Amt, wenn auch nicht die Tory-Partei. Mit ihrem anmaßenden Projekt der Kopfsteuer hatte sie sich verkalkuliert. Die Massenbewegung dagegen besiegelte ihr Schicksal als Regierungschefin. Ihr tränenreicher Abschied vom Amtssitz, der Downing Street Nr. 10, konnte die gesamte Arbeiterbewegung nur mit Freude  erfüllen. Ihre Hinterlassenschaft würde ganze Giftschränke füllen, die mit einer großen Wagenkolonne entsorgt werden müssten.

Thatchers Erbe und unsere Aufgaben

Aber ihr Erbe ist immer noch präsent: in Form der gewerkschaftsfeindlichen Gesetze, die immer noch die klassenweite Solidarität, die für unseren Sieg notwendig ist, lähmen und eindämmen. Die Gewerkschaften bleiben in ihrer Mitgliedschaft und Stärke im Betrieb beschränkt. Auch die Fusionsmanie der Generalsekretäre löst das Problem nicht.

Leider beflügelt ihr Erbe auch ihre Nachfolger, unsere aktuellen Gegner. Premier Cameron und Finanzminister Osborne trachten danach, die Arbeit zu vollenden, die Thatcher nicht gelang: die Zerschlagung des staatlichen Gesundheitswesens, des Bildungssystems und des „Wohlfahrtsstaats“.

Aber ihr Todesjahr könnte auch ein Jahr der Wiedergeburt einer kämpfenden Arbeiterbewegung sein. Das wäre das beste Zeugnis und die Würdigung all jener, die im Kampf gegen sie und ihresgleichen gefallen sind.

Es ist also großartig, auf ihrem Grab zu feiern. Aber das Werk ist noch nicht vollendet, ehe wir nicht auch Cameron und Osborne mit ihr beerdigt haben.

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